a a 8 en = be Ki " i Fe B 07 ) ö DZ Br Pe ‚FiBR un 5 > au zu nn Br 5 1 ur et =“ 2 N f N De 2) j 4 Pr Rothehütte . Harz, Junge Waldohreule. Sebensbilder aus der Tierwelt Herausgegeben von h. Meerwarth Dierter Band Sweite Reihe: Dögel | 5.— 10. Taujend \ R. Doigtländer® Derlag in Leipzig SS an Ne 7 N 942% vv? Ba Mayony wur Druck von Sijcher & Wittig in Leipzig. YA on Inhaltsverzeichnis. Dorwort von Hermann Mleerwarth . Inhaltsverzeichnis Die Nachtieywalbe von ae es Der Edelfajan von Martin Braef . Der Haubenjteißfuß von Hermann Löns Die Nachtigall von Martin Braef . Die Rohrjänger von Hermann Löns Der Star von Martin Braef . Der große Bracpogel von Hermann Löns Bläßhuhn und Rohrhuhn von Martin Braef; Der Triel von Hermann Löns ER Der Sijchadler von Martin Braef; Der Kiebit3 von Hermann Löns . Der Purpurreiher von Martin Braef; . Saungrasmüce und Gartenjpötter von Martin Bruch Die Waldjchnepfe von Hermann Löns . Sadı-, Silber- und Sturmmöwe von Martin Braeh Der rotrückige Würger von Martin Braef Der weiße Storch von Martin Braef . Der Girlit3z von Martin Braef Die Schwarzödrojjel von Martin Braef Der Kolibri von Elje Soffel Die Kohlmeije von Hermann Löns . Die Blaumeije von Martin Braef . Re Öefleckter Sliegenfänger von Martin Braef . Die Singdrofjel von Martin Braef . Der Kleiber von Hermann Löns . Der Gartenrotihwang von Elje Soffel . Seite II—VI VN—VM 6 125 2433 34— 45 46— 55 94-72 1753— 80 81 —104 105 — 197] 12151 1132 —140 141— 151 152165 166 -185 1186-222 225 232 235 — 260 201-265 266 — 290 291 —303 304 — 509 310325 326 — 556 891 — 355 994 — 361 3062 —574 Der Bluthänfling von Martin Braeß Der Hausiperling von Martin Braeß Der Swergiteißfuß von Hermann vöns Die Hohltaube von Hermann Löns . Die Turteltaube von Hermann Löns Der Stein- oder Goldadler von Martin Be Der Aujternfijcher von Otto Leege . Der Eisvogel von Karl Soffel Der Slamingo von Martin Braeß Die Sumpfmeije von Elje Soffel Der Saunkönig von Martin Braeß Die Haubenmeije von Elje Soffel Der braunkehlige Wiejenihmäßer von Martin Braef,. Der Yachtreiher von Martin Braeh Eulen von Hugo Ötto . Die Schleiereule von Martin Braeh. Die Waldohreule von Hermann Löns . Derzeichnis und Erläuterung der Bilder von hermann Meet Regilter . De —— Seite 375-382 385 — 405 406 —412 415—418 419-427 428 — 447 448 —458 459-469 470-484 485—492 495-504 505—514 515 —526 927 —547 548—556 397— 568 569 — 585 586-593 594—596 Dorwort. In dem vorliegenden Werk ilt zum erjtenmal in Deutfchland der Der- Judy unternommen, ein rein biologijches Tierbucy mit ausnahmslos photo- graphijchen Aufnahmen Iebender und in der überwiegenden Mehr- zahl frei lebender Tiere zu illuftrieren. Dieje Verwendung der Photo- graphie als Jlluftrationsmittel für naturwiljenfchaftliche Bücher datiert in ihren Anfängen [chon einige Jahre zurück, wurde aber erit nach dem Er: |cheinen der erfolgreihen Bücher von E. 6. Schillings ein immer allgemeiner gehegter Wunjch. Der Derleger diejes Werkes nahm den neuen Gedanken in großzügiger Weije auf und erließ ein Preisausjchreiben zur Erlangung von Photographien in Europa frei lebender Tiere, wodurch in naturfreund- lichen Kreijen das Interejie an der Sache wejentlich geweckt wurde. Kurz darauf habe ic} jelbit in meinen „‚Photographiichen Naturjtudien“ verjucht, Anregung und Anleitung in der gleichen Richtung zu geben. Heute, nach der freundlichen Aufnahme diejes kleinen Handbuchs beiteht über die Suläjligkeit der Photographie als Hilfsmittel für derartige Swecke kein Sweifel mehr. Im Gegenteil, fie wird als das einzig vollkommen befriedigende Illujtrationsmittel von Tag zu Tag allgemeiner anerkannt und verwendet. So wie in jeder erniten Naturbejchreibung nur diejenige Wort- Ihilderung zuläjlig it, welche jich jtreng an wirklid) beobachtete Tatjachen hält, ebenjo muß aud, in den beigegebenen Bildern jede Phantalie in der Daritellung von der Hand gewiejen werden. Welches andere Hilfsmittel böte uns in diefer Beziehung die gleiche Gewähr, wie die nach Maturgejeten Ihaffende Optik, die eben nur dasjenige Bild auf der Platte feithielt, welches im Bereid) des photographijchen Apparats tatjächlich eriltiert hat? Haben wir jomit auf der einen Seite volle Garantie für die Hauptjache, die Natur- V wahrheit des Lichtbilds, jo wurde aud, wo immer es möglich war, bei unfern Bildern bildmäßige Schönheit eritrebt, um aud, älthetijchen Anforde: rungen nadı Möglichkeit gerecht zu werden. An Meichheit der Konturen bei minutiöfeiter Seinheit in der Darjtellung der zartejten Körperformen, wie 3. B. des Haarkleides eines Säugetieres, der Slügeläderung eines In: fekts wird das Lichtbild von Reiner durch Menjchenhand gejchaffenen Ab- bildung jemals erreicht werden. Den Grundftock unferes Bildmaterials bildet das Ergebnis des eingangs erwähnten Preisausichreibens von R. Doigtländers Derlag. Dazu kommt eine größere Anzahl photographijcher Originalaufnahmen deutjcher, englijcher und amerikanijcher Autoren, die nachträglich erworben wurden, ferner einige gute, jchon in europäifchen Seitjchriften veröffentlichte Tieraufnahmen, die durch Einverleibung in das vorliegende Werk unverdienter Dergejjenheit entzogen werden. Durch einen jtändigen weiteren Ankauf guter Tierbilder wird unjer Bildmaterial fortlaufend weiter ergängzt.*) Jede Retujhe am Tier ilt auf unjern Originalen unbedingt vermieden und anderjeits wird jtreng darauf gehalten, dah die Bilder vom photo- graphilchen Standpunkt einwandfrei jeien. Micht mit Silhouetten oder ver: jhwommenen Licht: und Schattenflecken, wobei der Bejchauer nur mit Hilfe der Unterjchrift und nicht wenig Phantajie die dargeitellte Tierart erkennen kann, jondern nur mit jcharfen Bildern, die das Tier nad Möglichkeit frei zeigen, darf ein der Tierkunde gewidmetes Buch mit Recht die deichnung von Menjcenhand durch die Photographie erjegen, deshalb it auf Schärfe und DeutlichReit des Tieres jelbjt ein Hauptgewicht gelegt. In überwiegender Mehrzahl jtellen die Bilder Aufnahmen aus der freien Hatur dar. Hur wo es ji) um Wajjertiere handelt und eine Srei- aufnahme unter Umjtänden zu den technijchen Unmöglichkeiten gehört, mußten an Stelle jolher Divariumaufnahmen treten. Ahnlicy bei Dar- jtellungen, wie die allmähliche Entwicklung eines ausjchlüpfenden Injektes, oder jo Kleiner Tiere wie Mäuje u. ä., die im Sreileben in der Regel jo jehr von der Bodenvegetation verdeckt find, da man jie frei jichtbar eben jozufagen überhaupt nie auf die Platte bekäme. Hier jpielt die Umgebung ja in der Tat eine jo geringe Rolle, daß Aufnahmen der in genügend ge- *), R. Doigtländers Derlag in Leipzig kauft nad) wie vor gute Aufnahmen an und bittet um Sujendung guter, recht jharfer Kopien, möglichjt auf glänzendem Papier. Die im Laufe eines Jahres erworbenen Aufnahmen werden jährlich einem Preisgericht vorgelegt, das drei Preije von 250, 150 und 100 NTk. vergibt. VI räumigen und den natürlichen Derhältnijjen entiprechenden Divarien ge- haltenen Kleintierwelt volle Sreiaufnahmen in jeder Beziehung erjeßen können. Im übrigen aber handelt es jich durchweg um Sreiaufnahmen. Die große Schwierigkeit der Bejchaffung geeigneten Bildmaterials dürfte wohl allgemein anerkannt werden, den vollen Umfang weiß; freilih nur der zu ermeljen, der jelbit die Tierphotographie in freier Natur verjucht hat. Dementjprechend hängen wir ganz von dem zur Derfügung ftehenden Bildmaterial ab, nur was im Bilde vorgeführt werden kann, konnte Auf- nahme finden, denn photographijche Bilder frei lebender Tiere Taljen lic nicht jo in Rurzer Srijt beitellen, wie Seichnungen oder Gemälde beim Künitler. Sähe Ausdauer und Glück fpielen da unter allen möglichen Sufällen die Haupt- rolle. Es wurden aber und werden aud) fernerhin weder Nlühe noch Opfer gejcheut, von allem, was an guten Aufnahmen überhaupt vorhanden war, das Wichtige nahezu vollitändig zufammenzubringen. Sür das tiefgehende Interelfe, welches der Derlag der Sache Itets und in jeder Beziehung gewidmet hat, wird man ihm daher wohl ebenio jehr Dank wiljen wie für die Sorgfalt, welche auf Reproduktion der Bilder und Ausitattung des Werkes verwandt wurden. Inzwilchen it die Sahl unjerer photographiichen Mitarbeiter in er- freulicher Weije geitiegen, einige unferer erjten Tierphotographen haben ihre bewährte Kamerakunjt ganz in den Dienit unferes Unternehmens geitellt, jo da nunmehr die Sauna Europas und Nordamerikas mit annähernder Dollitändigkeit des Bildmaterials dargeitellt werden kann. Sür die Derarbeitung des Stoffes ergab ji) aus der relativen, zunädjt nod) beitehenden Unvollitändigkeit des Bildmaterials die Notwendigkeit, auf jede Initematifche Anordnung zu verzichten und eine folche nur in vier Haupt- zügen durdhauführen, derart nämlich, dab in vier Reihen I. Säugetiere (3 Bände), II. Dögel (3 Bände), III. Amphibien, Reptilien und Sijche (2 Bände), IV. Wirbelloje Tiere (2 Bände) behandelt werden. Im einzelnen Band kann aljo aus den angeführten Gründen von einer nitematijchen An- ordnung und Reihenfolge naturgemäß von vornherein nicht die Rede fein, doc wird am Schluß einer jeden Reihe eine zujammenfafjjende, jnitematijche Überjicht den Lefjer über die Stellung der behandelten Tiere im Spnitem unterrichten. Der Tert ijt unter wefentlich anderen Gejichtspunkten gehalten, als jie wenigjtens für die Mehrzahl naturwiljenichaftlicher Bücher Geltung haben. Bier joll auf naturwiljenschaftlicher Grundlage und in gemeinverjtändlicher Vu und anfprechender Sorm eine lediglic, biologijhe Darftellung des Tieres in feinem Derhältnis zum Menjchen und zu anderen das gleiche Gebiet be- wohnenden Tieren, feines Lebens und Treibens im Derlauf der verjchiedenen Jahreszeiten geboten werden, teils nach eigenen Beobachtungen der Be: arbeiter, teils nad; Literaturquellen, auf deren Hinweis jedoch aus tehnilc titiftiichen Gründen vielfach, verzichtet wurde. Wilfenchaftliche (lateinijche) Tiernamen werden im Regilter gegeben. Es liegt im Charakter unjeres Werkes, dah; initematiiche Bejchreibungen darin nicht gefunden werden, da es ja [ediglich die Schilderung des Lebens eritrebt, wo der Körper der Tiere alfo nur in feiner Aktion vorgeführt wird. So möge denn diejes Werk in Schule und Baus und wo immer die Siebe zur Tierwelt eine Stätte hat, die Kenntnis des Tierlebens fördern, yer Tierwelt neue Sreunde werben und jeinem leitenden Grundgedanken und Motto: „Schu unferer Tierwelt” in den weitelten Kreifen Gehör und Solge verjhaffen ! Braunfhweig, März 1909. H. Meerwarth. Vi Die Hadticywalbe. Don Hermann Löns. In der Meggenheide ilt es nicht recht geheuer, vorzüglid) um die Ulen- flucht. Wenn der Fuchs im Moore Bier braut, geht der Helljäger um, pfeift jeiner Meute und klappt mit der langen Rüdemannspeitiche und die tote Spinnerin läßt ihr Rad jchnurren. Das hat die alte Magd im Heidkruge den Staötleuten erzählt, die dort in der Sommerfriiche find. Sie tuen jo, als glaubten jie es, aber im itillen lächeln fie über das alte Mädchen und jeine Spukgejchichten. Eines Abends aber, als jie den Richteweg durdy die Meggenheide einjhlagen, wird ihnen doch etwas bänglicy zu Sinnen. Wie Gejpeniter jehen die Wacholderbüfche aus und wie Unholde die zerzaujten Krüppelkiefern. Gerade hat der Kkecke Sekundaner mit einem jchlehten Wibe des Schweiterleins gedrückte Stimmung aufgefrifcht, da ertönt ein greller Pfiff. Erjchreckt fährt der Bacfilch zujammen, die Frau faht feiter des Ulannes Arm, der Sekundaner fieht fich jcheu um und jelbit das Haupt der Familie bekommt jchnellere Süße. Mod; einmal erklingt der jcharfe Pfiff, und noch einmal, und dann hört man das Klatjchen der Tangen Peitjche und das Schnurren des ge= jpenitigen Spinnrades. Ein dunkler, jchmalflügliger Dogel flattert lautlos über den Leuten, umkreijt jie, tanzt auf und ab, verichwindet im Schatten und tanzt wieder vor ihnen her. Bald hier, bald da erklingt der jeltjame Pfiff, ertönt das unheimliche Klatjchen, und laut jchnurrt das gejpenitige Rad. Mit najfen Stirnen und Rlopfenden Herzen Rommen die Leutchen im Kruge an. Am anderen Morgen jucht das Mädchen zwilhen Holz und Heide aus Wohlverleih und Knabenkraut einen bunten Strauß für den NMittagstiid. Als es ich wieder bückt, flattert mit heilerem Rufe etwas Graues vor ihr auf, verjchwindet in der Heide, jchwebt wieder heran, läßt ji) nieder, gloßt aus großen dunklen Augen, jpreizt ein geipenjtig gefärbtes Gefieder, trippelt auf herenhafte Art hin und her, und jeßt jchreit das Mädchen auf, läßt die jchönen Blumen fallen und läuft, was es laufen Rann, denn vor ji erblickte fie zwei große, graue, häßliche, glo&äugige Klumpen, jchreck- Dögel 1. 1 1 lid anzujehen, Kröten oder jonit etwas Entjeßliches, wie es ihm nod) nie begegnete. Man Rann jchon ängjtlih werden, wenn abends in jtiller Heide die Nactjchwalbe ruft und jchnurrt und mit den Slügeln KRlatjcht, und wer nicht weiß, was er vor jich hat, it leicht geneigt, ihre Jungen für bös- artige Ungeheuer zu halten, denn mit ihren dicken, flachen Köpfen, den gewaltigen roten Rachen und den mächtigen jchwarzen Augen jehen jie ganz abjonderlidy aus, und in ihrem Jugendgefieder ähneln jie anfangs verjchimmelten Eröklumpen und jpäterhin jungen Saunigeln, und ihre Be- wegungen jind durchaus nicht anheimelnd. Wer aber die Hachtichwalbe Rennt, der liebt fie und freut jich, begegnet er ihr. Am Tage ilt es nicht leicht, fie zu finden, und meilt Sache des Sufalles. In der bujchigen Heide, am Rande des Kiefernwaldes, im trockenen Moore liegt fie, flach an den Boden gedrückt oder platt auf einen Ajt gejchmiegt und läßt den Wanderer bis auf wenige Schritte herankommen. Plößlic erhebt fie jich mit einem merkwürdig trocken klingenden Rufe, einem rauhen „daR, dak“, flattert mit einigen ungejchickten Slügeljchlägen empor, jhwenkt gewandt um die Büjche und Stämme und it verjchwunden. Der Wanderer hat gejehen, wo jie einfiel. Er geht vorjichtig hin. Hier muß es jein. Er jpäht und jpäht, aber er jieht nichts als Heide, Sand, Renntiermoos und Pfeifengras. Da klingt es wieder dicht vor ihm ‚‚dak, dak“ und unbeholfen flattert der graue Lappen fort und verjchwindet wieder. Ein Dutend Male verjucht der Sucher jein Glück nody, aber nie gelingt es ihm, den Dogel eher zu erjpähen, als bis er hoc wird; das grau, braun, jhwarzbraun und rojtgelb gemujterte Gefieder verjchmilzt völlig mit dem Erdboden oder dem Alte. Wer die Nachtihwalbe am Tage im Sreien beobadhıten will, der Rann das nur am Mejte. Das heift, ein Nejt im üblichen Sinne baut jie nidt. Im bewirre von dürrem Sarnkraut, Gras und Reijig, unter einem Wacholder: bujche, zwijchen dem jparrigen Gezweige einer krüppligen Kiefer jcharrt jie ji mit den jhwacen, bis auf die Sehen befiederten Süfchen eine ganz flache Hejtmulde und legt auf den blanken Boden ihre großen, walzen- förmigen, beiderjeits gleichmäßig abgerundeten Eier, deren Särbung und Seichnung ebenjojehr dem Erdboden angepaßt ilt, wie ihr Gefieder. Wer jie dort aufjagt, Geduld hat und ftille jiten gelernt hat, der kann jie gut betrachten. Eine Dierteljtunde jißt er jtill und jtumm auf dem Baumjtumpfe. Da flattert es an ihm vorüber und fällt auf dem Sande ein. Wie es jo daliegt, jieht es wie ein fajt fußlanges Stück Rinde aus, das Nadhtihwalbenweibchen, und das große jchwarze Auge, das es dem Beobachter zuRehrt, Rönnte er für einen Käfer halten. Aber jebt richtet es den Kopf auf, an dem ein win 2 >, Sen Siteenhuizen. Nahtjhhwalbe neben ihrem Ei. ziges, von langen jteifen jhwarzen Schnurrhaaren bejchattetes Schnäbelchen lit, das der Dogel nur zum Pußen des Gefieders benugen Rann. Aber die Mundjpalte it jo groß, dat in dem geöffneten Radyen ein derber Mannes: daumen bequem Plaß hat, und jo Ram der harmloje Dogel in den Derdadht, er hinge jih an Siegen feit und faugte ihnen die Milch aus. Da der Beobachter ganz ftill jigt, fühlt der Dogel fid) jiher. Ungejdickt trippelt er dem Weite zu, mit hochgehaltenen Slügeln jih das Gehen er- leichternd. Dabei zeigt er die feine Mlujterung jeines Öefieders, wie jie nur nod) ein einziger deutjcher Dogel, der Ichnurrige Wendehals, aufweilen Rann. Es ilt ein Erdvogelgefieder nach der Seichnung und ein Nadhtvogel- federkleid nach der Bejchaffenheit, jo weich, da es einen lautlojen, janften Slug ermöglidt, wie ihn ein Dogel braucht, dejjen Beute jchnelle Salter jind, deren feine Sinne fie befähigen, jedem verdächtigen Luftdruck blit- jchnell auszuweiden. Es ilt ein Dergnügen, der jagenden Nachtichwalbe zuzujehen. In geradem Sluge jchießt jie dicht über das dunkle Heidland. Jäh fteigt jie jteil empor, Ihlägt einen blitjchnellen Bogen und kommt mit offenem Rachen dem Kiefernfhwärmer entgegen, der im rajenden Sluge dem Hochwalde ent- gegenjauit auf der Suche nad) einem Weibchen. Mitten in jeinem Liebes- fluge öffnet jid) vor ihm der rote Schlund, nimmt ihn auf, der Rachen Ichließt ji) Taut Rlappend und während vier jilbergraue Slügel einzeln in den Sand fallen, ilt die Nachtichwalbe jchon dort angelangt, wo in jtürmijchem, unberechenbarem Sickzackfluge ein dicker rojtroter Spinner über die Heide taumelt. Auch jeine Slügel flattern zu Boden und gleich darauf fallen die langen Beine einer Heujchrecke in das Moos, die allzu Keck von einem langen Halme ihre Gitarre jpielte, und auch die mit blankem Golde ein- gelegten Slügel der Gammaeule, der Grille jeltfam getriebene Schwingen und des Mliltkäfers jtahlblaue Decken zeigen morgens an, wo der große rote Rachen zuklappte. It es eine Luft, dem Jagdfluge des Nachtvogels zuzujchauen, jo ilt es eine Wonne, jein Hlinnegegaukel zu belaujhen. Swijchen Moor und Heide, eingefaßt von jchwarzem Walde, liegt eine große Blöße. Ein abgetriebener MWindbruc ilt es. Silbern jchimmern die Stümpfe der Sichten und Kiefern im Swielicht und zwijchen ihnen wuchern Brombeeren und Himbeeren, Kreuz- kraut und Weidenröschen, Adlerfarn und Pfeifengras. Am Tage läutet der Schwarzjpeht hier die jilberne Glocke, jchmettern Saunkönig und Braunelle ihre Lieder, jchwebt der Baumpieper mit kräftigem Schlage hinab; wenn aber die Amjel mit Gezeter ihren Schlafbusch juchte und im Holze die Ohreule jeufzt und unkt, aus der Dickung der Bock tritt und die Kreugotter das Mlaujelod verläßt, dann erhebt ji über der Rodung ein jeltjames Leben. Juni 1900. Holland, 7 / LE Yınrut: en. Steenhut. Yınuiden, Holland, Juni 1900. Nahtihwalbe, brütend. Nachtjchwalbe bei ihren beiden Jungen. Ein großer, jchmalflügliger Dogel rüttelt plößlicy in der Mitte der Blöße, läßt ein gellendes „‚kruit, kruit“ hören, tanzt mit jteil emporgereckten Schwingen in herrlichem Bogenfluge auf und ab, pfeift wieder gellend, Rlatjcht laut die Schwingen zujammen und Rlebt mit einem Male auf der Armlehne des Hochjlißes, den der Jäger jich hier aufitellte, und ein jelt- james Schnurren beginnt, ein minutenlanges, anhaltendes, weithin hörbares „Derrrrr”, das mit einem janfteren ‚„Errerr“ vom Rande der Blöhe beant- wortet wird. Don dem Hodhliße Lölt jich das jchwarze Ding, jaucdyzt einen wilden Pfiff, tanzt auf und ab, jchwebt Rlatjchend fort, und nun tanzen zwei Schatten über die Rodung, hafchen jich, fliehen jich, verlieren und finden ji, bis ein dritter erjcheint, ein vierter auftaucht, die ganze Blöße von dem Jauchzen und Klatjchen hallt und von dem Schnarren und Spinnen ihallt, bis mit einem Schlage die Spukgeltalten verjhwunden jind und fern das Geplärre der Sröjche im Moore und das Schrillen der Grillen in der Heide allein die Stille ausfüllen, bis wiederum zwei der pfeifenden, Rlatjchenden ÖGejpeniter auftauchen, jih hin und her jagen, die Grillen und Sröfche mit ihrem Gejchnarre übertönen und abermals von der Dunkel- heit verjchluckt und von der Stille aufgenommen werden. Gegen Morgen bin, wenn die Grillen jchweigen und die Sröjche verjtummen, jind jie wieder da und treiben noch ein Weilchen ihr jonderbares Spiel, um endlich, wenn der Tau die Halme biegt, im Geitrüppe unterzutaudyen, wo jie den Tag verichlafen. Stört fie dort nicht der Mlenjch oder ein Hund oder die Schnuckenherde, dann rührt jich die Nachtichwalbe kaum vom Fleck. Ab und zu [preizt jie einen Slügel, dab die hellen Slecken an den Schwingen aufleuchten, fächert den Schwanz, legt jich auf die Seite, rekelt jich, pußt ihr Gefieder oder Jäubert es mit dem Schnabel und den Krallen von den Sederläujen, pudert jih mit dem weichen Sande und genießt die Sonne, bis dieje hinter die Heiöhügel jteigt und die Dämmerung aus dem Sorite jchleicht. Dann treibt es den Hachtvogel hervor aus jeinem Derjtecke zu frohem Mlüinnefluge oder wilder Jagd. Wenn aber die Heide ihr Seiertagskleid anlegt, die Tage Rürzer und die Nächte Kühler werden, nicht jo viele dicke Salter und fette Käfer mehr fliegen, dann ijt der Dämmerungsvogel plößlich verjchwunden und ehe eine Woche vergeht, jagt er afrikanijche Falter und Käfer mit feinen Derwandten, die dort beheimatet jind. Um die Mitte des Aprils treibt es ihn aber wieder fort aus dem Sande der Palmen und auf der jtillen deutjchen Heide Klingt dann jein gellender Pfiff, hallt jein lauter Sittichichlag, tönt fein endlojes Schnarren und die Leute im Dorfe jagen dann: der Helljäger geht um. Der Edelfalan. Don Martin Braeß. Mit der Anjiedelung und Einbürgerung fremdländijcher Dögel ilt es eine eigne Sache. Nur in einigen Ausnahmefällen haben, wenigitens in Deutic- land, derartige Derjuche den gewünjchten Erfolg gehabt, obgleich wahrhaftig weder Mühe no} Koften gejcheut wurden. Die meilten Unternehmungen find fehlgejchlagen, oder die betreffenden Dogelarten — es handelt jich bei uns fait ausjchlieglih um Wildgeflügel aus der Ordnung der Hühner — haben jich dody nur einen jehr Rleinen Bezirk erobert, wo jie nun unter der Bevor- mundung des Menjchen ein unjicheres Dajein frilten. Wir erinnern nur an das jüdeuropäiihe Rothuhn, das man oft, aber immer vergeblic beitrebt war, im weltlichen Deutichland zu akklimatijieren — neuerdings jollen im Hannoverjchen einige ausjichtsreiche Erfolge erzielt worden jein — oder an das jchottiiche Mohrhuhn, dejlen Einbürgerung in der Lüne- burger Heide nicht gelungen ilt, dagegen für das Wietingsmoor in Ban: nover und namentlich für die Eifel einigen Erfolg zu verjprehen jcheint, an das Rebhuhn, welches auf den oitfriefiichen Injeln ausgejeßt, von den meilten diejer Injeln bereits wieder völlig verjchwunden it, und endlich, an den jtattlihen amerikanijhen Wildputer, dejlen Einführung, abge- jehen von Hiederölterreih und Ungarn, in der Gegend von Anklam und in der Granit auf Rügen gelang, ebenjo in Mecklenburg, in Oitpreußen, im Werragebiete, im Altenburgijchen, freilich nicht überall dauernd. Es fehlen eben den Sremdlingen die erforderlihen Erijtenzbedingungen, das zujagende Klima, die gewohnte Ajung und vor allem die Ruhe und Sicherheit. Aber in einem Salle it es jchon längjt gelungen, einen gefiederten Sremdling zu akklimatijieren, und zwar jo völlig, daf er jich Heute ohne bejondere Pflege und Sürforge bei uns in Wald und Slur jelbjtändig erhält. Dieje Ausnahme bildet der Sajan, der jich in den Ie&ten Jahrhunderten das deutjche Bürgerrecht, die deutjche Staatsangehörigkeit voll und ganz erworben hat. Man kann es verfolgen, wie jein Gebiet von Jahrzehnt zu Jahrzehnt jich erweitert und feine Kopfzahl jich vermehrt hat bis in die neueite seit. Sahlen jprehen am deutlidhiten, namentlich jolche, die Be- ziehung haben zum Geldbeutel. Naumann gibt im Jahre 1822 als Preis für den Hahn nad unjerm Gelde 6-9 Mark, für die Henne 4-6 Mark 7 an, während heute, obgleid) fait alle Nahrungsmittel jich gegen früher ganz unverhältnismäßig verteuert haben, auf dem Selde jelten mehr als 2,50 Hark oder 3 Mark für den Hahn zu zahlen find, für Kennen entjprechend weniger, etwa 1,50—2 Mark. Auch in den Wildprethandlungen trifft man zeitweije recht niedrige Preile. Die Heimat des Sremdlings Rennen wir genau; es ilt Kleinafien und Kaukajien. Bejonders das Gebiet des Rion im weltlichen Transkaukalien, der unterhalb Poti ins Schwarze Meer mündet, galt jchon den Griechen und Römern als die Urheimat des prächtigen Wildgeflügels. Phajis nannten die Alten jenen Sluß; ihm hat der Dogel jeinen Namen Phasianos zu ver- danken, den er noch heute, mehr oder weniger verjtümmelt, bei allen Kultur- völkern führt. Die Argonauten, jo erzählte man ji im Altertum, jollten von ihrem Suge nad Koldhis den edeln Dogel mitgebraht haben; man bewunderte jein herrliches, farbenjchillerndes Kleid, man lobte fein Röft- lihes Wildpret. Aber jelten und höchjit wertvoll jcheint der Sajan nod) jahrhundertelang in Griechenland geblieben zu fein, wenigjtens bezeugt feine erjte Erwähnung in der Literatur — eine Stelle bei Ariltophanes (um 400 v. Chr.) —, daf; der fremdländiiche Dogel zwar bereits allgemein bekannt, jein Braten aber auferordentlicdy Roltbar war, infolgedellen er nur bei den lururiöfeiten Gajtmählern auf der Tafel erjchien. Sehr viel Hlühe hat man jidy in Rom mit der Einbürgerung, Sudt und Mäjtung des Sajans gegeben; die Aviarien der reihen Römer mögen wohl jtets eine jtattliche Hlenge diejes Hühnervogels beherbergt haben. Sür alles, was gut jchmecte und zugleich recht teuer war, hatten ja die römilchen Schlemmer in der Kailerzeit eine bejondere Paflion. Dazu Ram, dah der delikate Braten, wenn er unter dem künftlid) arrangierten, bunt Ihillernden Sederkleid den Bälten vorgejeßt ward, ein Schaugericht bildete, das nur no der Pfau übertraf. So finden fich denn in der römijchen Literatur ausführliche Anleitungen zur Sucht und Mältung diejes Röftlichen MWildgeflügels. Man ließ die Eier von Haushühnern ausbrüten, fütterte die Jungen zwei Wochen lang mit gekocdhter Gerjte, die man mit Wein anfeuchtete, jpäter mit gebrochenem Weizen und Injektenkoft. Mit Rleinen Nudeln aus Weizen- oder Geritenmehl, in GI getränkt, wurden die er- wacjenen Tiere 50 Tage lang gemältet (Palladius, in feinem Werke über die Landwirtichaft, „de re rustica“). Aber au) in den Parks hie!t man den Sajan, der übrigens in wirklich verwildertem Zuftand heute wohl nirgends mehr in Italien lebt; der gejeglich feitgelegte Marktpreis unter- Ihied aufs bejtimmtejte den gemälteten (ph. pastus) von dem wilden Sajan (ph. agrestis). Eriterer verdiente natürlich den Dorzug und ihn meint wohl aud) der „verwegene“ Martial (wie ihn Goethe nennt), wenn er in einem „pulli gallinacei“ überjchriebenen Xenion jagt: 8 Steenhuizen, Ynuiden, Holland, Funi 1906. Edelfajan. Reit mit 56 Eiern. Wahrjheinlicd die Gelege mehrerer Kennen in einem Net. „bätten wir libyjch Geflügel und joldhes von Phajis, du würdeit Es erhalten; doch nun nimm mit den Kücken vorlieb.“ Im Mittelalter wird der Sajan von Italien nach den heutigen ölter- reihilchen Ländern und nach Deutjchland gebradjt worden fein. Auf feinen Sandgütern ließ Karl der Große den farbenpräcdtigen Dogel pflegen, aud) an mandem Sürjtenhofe hielt man ihn jpäter, und zwar nicht nur des MWildprets wegen, jondern wohl hauptlädlicdy; zum Swecke der Jagd. Man „beizte“ ihn gern mit dem Salken, dem jogenannten „Sederjpiel“. Dod) werden es gewiß immer nur Dögel gewejen jein, die man in den fürjtlichen Safanerien aufgezogen hatte und dann zu diefem |portlichen Dergnügen freiließ, an dem jich mit Dorliebe edle Frauen beteiligten. Denn es ijt Raum anzunehmen, daß der Sajan bei dem vielen Raubzeug jchon damals in wirklich verwildertem Sultand jich bei uns erhielt. Don Öfterreich-Ungarn und Deutjchland it dann der morgenländijche Dogel weiterverbreitet worden nach Dänemark, Holland, Belgien, jogar nad) Schweden und Norwegen, wo er an bejonders günitigen Örtlichkeiten bis zum 60. Grad, aljo bis zur Breite von Chriltiania und Stockholm, als Brutoogel angetroffen wird. Srankreich, ebenjo die Injel Korjika, wohl auch England und Irland, mögen ihn von Italien, das jüdliche Rußland, 3.B. die Küjtengebiete des Schwarzen Meeres oder die Gegend von Altradan im Wolgadelta, unmittelbar aus jeiner Urheimat erhalten haben. Merk: würdig ilt es, daß die Pyrenäenhalbinjel den wildlebenden Sajan nicht Rennt; alle Derjuche, ihn hier anzuliedeln, jind fehlgejchlagen. Sreiwillig jcheint ji unjer Dogel zu keiner Seit neues Terrain erobert zu haben; denn Wanderluit ijt ihm etwas Sremdes, wenigitens in unjern Gegenden, und mögen aucd bisweilen Sajane im Spätjommer, wenn das Getreide geerntet ilt, oder im Herbit, wenn das Blattwerk der Laubbäume fällt, oder noch jpäter, wenn empfindlicher Suttermangel eintritt, in ein benachbartes Revier hinüberjtreichen, jo gejchieht dies doch Raum freiwillig, jondern Beunruhigung an dem Wohnort, Störungen, oftmals recht ver- iteckter Art, jind die Urjachen jolcher Streifzüge, ärgerlich genug für den Jagdberechtigten, der jich das ganze Jahr redliche Mühe gegeben hat, jeinem Revier einen möglichit großen Beitand zu jichern. „Edelfajan” — der Hame jchon weilt darauf hin, daß unjer Hühner: vogel von jeher zur hohen Jagd gerechnet ward. Aus diejem Grunde war es nach den älteren Jagdgejegen in den meijten deutfchen Bauen niemandem geitattet, eine Sajanerie anzulegen oder auf jeinem Revier Sajanen aus- zujeben, bevor der Landesherr nicht jeine Genehmigung dazu gegeben hatte. Dieje Einfhränkung ilt heute überall bejeitigt; der „Edelfalan“ ijt zum „gemeinen Sajan” degradiert, jo maljenhaft Rommt er an manden Orten 10 Juni Igoö. x Yıruiden, Holland, Steenhuizen. Sajanhenne, brütend. vor. Don der fürftlichen Tafel it er bereits hie und da herabgeitiegen auf den bürgerlichen Mittagstifh, und mander kann ji wenigitens einmal im Jahre das delikate Wildpret leiten, der früher niemals an jolchen un- erhörten Lurus hätte denken dürfen. Der Sajan ijt eben in Reiner Beziehung mehr ein jeltener Sremöling. Nur fein Kleid verrät ihn noch als joldhen; es ilt — freilich nur beim Hahn —- von orientaliicher Pracht, jo daß es nicht recht pafjen will zu den bejcheideneren Sarbentönen unjrer nördlichen Heimat. Der jchillernde Metall: glanz, von dem das ganze Kleingefieder übergojjen ijt, erinnert an das wechjelnde Sarbenjpiel tropilcher Schmetterlinge: goldgrün und Rupferrot, lajurblau und braunglänzend wie Bronze, rotviolett, purpurn und indigo= farben wie polierter angelaufener Stahl. Bei der geringiten Deränderung des Winkels, unter dem die Lichtitrahlen auffallen, jofort ein anderer Ton; was bisher jich einhüllte in tiefites Sammetjchwarz, erglänzt jet im leuchtendjten Golögelb, und was dem Auge purpurn erjchien, hat jih in jattes Stahlblau verwandelt. Bejonders jchön jchimmern die Ichuppenartig angeordneten Ränder der Halsfedern und die rojtroten Seiten der Brujt mit ihrem prächtigen boldglanz und purpurnem Sarbenjpiel; dazu leuchten die halbmondförmigen, tiefihwarzen Endflecken jeder einzelnen Seder bald herr: li) lajurblau, bald violett, wie wenn der wechjelnde Sonnenjtrahl mit den janft bewegten Wellen jpielt draußen auf blauer See. Wollten wir es ver- juchen, die Derteilung der Farben auf dem Körper des Sajanhahns eingehend zu bejchreiben, von der im Srühjahr brennend jcharlachroten, unbefiederten Hautjtelle an, die nicht nur das Auge umgibt, jfondern einen großen Teil des Gejichts einnimmt, bis zu den verlängerten Schwanzfedern, die äufßerit zierlich gebändert, bejprigt und getüpfelt erjcheinen, wollten wir dann das bejcheidenere Kleid der Henne betrachten, von dem allerdings nur der flüchtige Beobachter jagen Rann, es jei nichts daran — die Ihwarzbraunen Punkte, Mondflecken, Sacenlinien, Wellen und Binden auf dem lichten Untergrunde jtellen ja die zierlihiten Mufter dar — wollten wir weiter die abweichenden Särbungen der Jugendkleider oder gar die Bejonderheiten auch nur der häufigjten Spielarten ins Auge faljen, jo würde der uns zu Gebote jtehende Raum weit überjchritten werden. Einen eigentlichen Waldvogel Rann man ihn Raum nennen; wenigitens meidet der Sajan das Innere ausgedehnter Hochwälder, jelbjt wenn der Beitand ein gemijchter it. Dagegen bilden Rleine, lihte Waldpartien, die viel dichtes Unterholz bergen, von Bäckhen oder Wajjergräben durchichnitten werden und abwechjeln mit Wiejen und Seldern, jeinen Lieblingsaufenthalt. Bier findet der Dogel, der ja tagsüber immer auf dem Erdboden Iebt, indem er ziemlich unbemerkt im hohen Graje, im Getreide, im dornigen Geitrüpp einherjchreitet, Schuß vor jeinen zwei= und vierbeinigen Seinden, unter denen 12 2PpgQ nu Hauuovlog "lo6r wwyr ‘25427 ‘mo 429120 "UZURUDAY2S Sudhs und Kaße, Hühnerhabicht, Weihen und Raben wohl die jchlimmiten ind. Aber aud; Marder und Wiejel, jelbjt Ratten und Igel, ferner Krähen, Eljtern, Eichelhäher und noch mandy andre gefiederte Strauchritter jtellen den Eiern oder den hilflojen Jungen nad. Hauptjäcdlich aber ilt es wohl das Bedürfnis nah abwechjelnder, mannigfaltiger Nahrung, das den Sajan große Hadelwälder oder ausgedehnte trockne Sanditrecken, ebenjo rauhe Gebirgsgegenden meiden läßt und ihn veranlaft, fruchtbare Slußauen mit Getreide-, Klee» und Kohlfeldern, mit eingejtreuten kleineren Waldpartien und größeren Seldgehölzen zu bevorzugen. Injekten und Würmer bilden das ganze Jahr, bejonders aber im Srühling, jeine Lieblingskoit; jeden Käfer, dejjen er habhaft werden Rann, hebt er vom Boden auf, jede Spinne, Schnecke, Grille, Sliege, Heufchreke vom Grashalm und dem Blatt- werk niedriger Stauden. Nach Hühnerweije jcharrt er im lockeren Boden, im abgeltorbenen Laub, und manchen Wurm, der jich hier verborgen hält, mandhe Ajjel, Injektenlarve zieht er ans Tageslicht; bejonders gern jtellt er auh am Rande des Waldes den Ameijen nad) und ihren Puppen. Dabei verjhmäht er Pflanzenkoit keineswegs; die eriten Spichen der jungen Saat, das zarte Grün aller keimenden Sämereien jind ihm eine will: kommene Sukolt. Im Sommer und Herbit bietet ihm der Wald jeinen Reihtum an Heidel- und Preißelbeeren; das dichte Dorngeitrüpp durdh- jtöbert er, denn Himbeeren und Brombeeren liebt er in gleichem Örade. Der Holunderbujc wirft ihm jeine Gabe herab und jpäter der Eberejchen- baum, in dejjen Sweigen Jicy die Drofjeln in ganzen Scharen jchmaujend herumtreiben. Wenn Schmalhans Küchenmeilter, dann weiß er jelbjt die Rlebrigen Mijtelbeeren zu jchäßen. Aber lieber ilt ihm im Herbjt ©bit jeder Art, Pflaumen, Birnen, Äpfel u. dergl.; der jcheue Dogel traut ic dann bisweilen herein in die Dbitplantagen, wo er die gefallenen Früchte jtückweis verzehrt, oder in die Weingärten;; an den niedrighängenden Trauben richtet er nicht jelten argen Schaden an. Auf dem Selde hat er im Herbit aud) gute Seit. Don den Getreidearten liebt er am meilten den Weizen; doch ilt ihm der Same wohl all unjerer Kulturpflanzen recht, Hanf-, Leinz, Dirjes, Rübjamen, Heidekorn, Buchweizen, Linjfen, Wicken u. a. Auch Kar: toffeln, Rüben, Möhren werden angepict, wenn jie freiliegen. Natürlich ijt der Winter die jchlimmite Seit; aber nody manche Beere wirft der Sturm von Baum und Strauch, das Unterholz des Waldes, das Dornengeitrüpp am Seldrain birgt mandyes Kerbtierei, und unter dem zujammengewehten trocknen Laub, das die Gräben am Rand des Gehölzes füllt, Schlummert jo manches Injekt dem Srühling entgegen. Dazu jchauen jelbjt bei hohem Schneefall noch immer lange Samenrijpen über die weiße Decke, oder es winkt aus dem Gemüjegarten der überwinternde Braunkohl zur Afung. Sreilih, wenn der Mlenjch nicht hilfreich eingreifen würde, wie kümmerlid) 14 ‘a5dvz wı (duuag gun ugog) auvlvS müßte dann das Sederwild jein Leben frilten an Quellen und am waldigen Ufer froitfreier Bäche ! Unter dem jchüßenden Dach hoher Sichten jtellt der Soritmann im Wald eine kleine, vorn offene Hütte her, die er mit Rohr, Schilf oder Stroh umbkleidet. Er bejchickt fie mit allerlei Sämereien, mit Getreide, Sonnen: rojenkernen, gehactem Kraut, Kohl, gerölteten Maiskolben u. tergl. Aud empfiehlt es jich, joldy Sutter zwilchen und unter dichtes Dorngeitrüpp zu treuen oder Dorn= und Reilighaufen zu diefem Swece aufzujchichten. Solche Sürjorge, aus welcher natürlich ebenjo die Rebhühner Nußen ziehen, wie gleichfalls mandye Rleinere Standvögel des Waldes, it au dann nicht überflüjlig, wenn der Soritwirt durch Anpflanzung beerentragender Bäume und Sträucher dem Nahrungsbedürfnis jeiner Pfleglinge bereits Rechnung getragen hat. Eberejchen, Schlehen, Liguiter, Wacholder, Saulbaum, Rojen: geitrüpp u. a., zweckmäßig verteilt, werden jo zu wahren Wohltätern der bungernden Dogeljcharen, ebenjo Wildäcker, die man mit Gerite und Weizen, Mais, Hirje, Hanf, Heidekorn u. a. bejamt. Wie aber darf es verjäumt werden, gerade an den |chlimmiten Tagen, wenn der Schneejturm durchs Sand jagt oder Rauhreif die Schneedecke mit einer harten Krujte überzieht, die den |charrenden Sühen des nahrungjuchenden Dogels einen unüberwind- lihen Widerjtand entgegenjeßt, die Sutteritelle ganz bejonders reichlich aus= zultatten. Mühe und Kolten lohnen jid); mand) jtattlicher Hahn, der ent- Rräftet nur zu leicht jeinen lüjternen Seinden zur Beute fällt, wird erhalten, und was die Hauptjache, die Sajanen denken dann nicht daran, in benad)= barte Reviere oder aud; entferntere Gegenden zu veritreihen. Ubi bene, ibi patria, das ilt ihr Lojungswort, nadydem man jie ihrer eigentlichen Heimat, dem fernen Piten, entführt hat. Aber aud) die jchlimmite Seit nimmt ein Ende; die jchönite, die Seit der Liebe, folgt auf dem Suße. Schon im März, wenn die eriten Srüh- lingslüfte zu wehen beginnen, geht mit dem Hahn eine auffallende Der- änderung vor jich, in jeiner Haltung, in feinem ganzen Wejen. Stolzer als je jchreitet er einher, erhobenen Hauptes; von Seit zu Seit läht er jeine Stimme hören, ein unjchönes heijeres begader, ein wenig an das Krähen unjers Haushahns erinnernd, nur Rürzer, einjilbig meilt und gepreht, ein häßlicher Klang. Der Balzruf it es, mit dem er andere Hähne zum Swei- kampf herausfordert und zugleich die Kennen herbeilockt. Er ilt ein gar itreitbarer Gejell um dieje Seit, eiferjüchtig und heftig. Wie fein zahmer Detter auf unjerm Hühnerhof, jo jpringt er gegen den vermeintlichen VTeben- buhler los; Brujt an Brujt wird gekämpft mit den Waffen, die Mutter Natur ihnen gegeben, Schnabel, Krallen und Sporen. Hei, wie die Federn dann fliegen, wie der Boden zerkraßt wird! wie die beiden Kämpen immer von neuem gejenkten Hauptes die Kraft des Gegners meljen und den 16 "oyljaddogs waua Inv Juplvldu ne agure 12243918) A vw a Dögel I. günftigen Augenblick abpaljen! Blut fließt nicht jelten, ehe der Bejiegte geducten Hauptes und fjchleppenden Schwanzes mit langen Schritten ji) zurückzieht ins Dikidht. Im April hört man den Balzruf unfers Dogels immer häufiger, namentlicy des Morgens. Dann jind die Kennen, ungefähr ein halbes Dußend, um ihren Herrn und ÖGebieter verjammelt; denn der Sajan lebt, wie die meilten Dertreter des Hühnergejchlehts, in DPolygamie. Einen bejtimmten Balzplat, wie ihn das Birkwild innehält, kennt er nid. Wenn der Morgen dämmert, verläßt er den Baumalt, auf den er jid) am Abend mit lautem, gackerndem Ruf aufgeljhwungen hat, und nun treibt er ji mit den Hennen, die gleichfalls in der Nähe übernachteten und auf den Balzruf jcheu und vorjichtig heranjchleichen, jtundenlang umher, bis gegen neun oder zehn Uhr morgens die Kleine Gejellichaft der zunehmenden Hiße des Tages ausweicht und jich zerjtreut in die Rühlenden Schatten, um jich erjt abends wieder zujammenzufinden am Schlafplaf. Es ilt auch behauptet worden, dab jih der Hahn bei Beginn der Balzzeit nur mit einer Henne abgibt, bis diefe dann zu legen beginnt, und jo der Reihe nad) mit den folgenden; denn nicht jelten trifft man nur eine Henne in jeiner Gejellichaft, wodurch die faljche Meinung entitand, der Sajan paare jich, wie beijpiels- weile das Rebhuhn, nur mit einem einzigen Weibchen. Im Mai fangen die Kennen an zu legen, die älteren manchmal um Mocen früher als die jüngeren. Ein jtilles Plätchen unter einem Bujcde, einem Dornjtrauch oder jonit im Pflanzengeitrüpp, im hohen Gras, im Öetreide- oder Kleefeld wird ausgejucht, wo ich eine jeichte Dertiefung im Boden findet; jchnell it diefe noch ein wenig ausgejcharrt und ausgepolitert mit ein paar Halmen, Stoppeln, trocknen Stengeln, ein Kkunitlojes Lager, das den Namen TIejt Raum verdient. Aber ihren Swek, nah und nad) die zahlreichen Eier aufzunehmen — 8 bis 12 jind es in der Regel, bisweilen no) ein paar mehr — und Jie zujammenzuhalten, erfüllt die einfache Milt- itelle vollkommen. Ihr größter Dorzug aber ilt ihre Derborgenheit. Sa- janennejter zu finden, fällt jchwer, am jchweriten, wenn das erdöbraun ge= färbte Weibchen auf den matt olivengrünen oder jchmußig-weißen Eiern brütet; und feit jigt die Henne, jie verrät ihr Gelege nicht durch Ichreckhaftes Auffliegen. Bisweilen findet ji in einem Weite eine übermäßige Anzahl von Eiern; dann haben mehrere Hennen zujammengelegt. Schon wenn 20 Eier in der flachen Hiltmulde liegen, darf man mit Sicherheit annehmen, daß jie von zwei brütlujtigen Tieren jtammen. Aber jogar noch weit mehr — über 30 — Eier hat man jchon in einem Mejt gefunden; hier waren es dann wahrjcheinlich nicht nur zwei, Jondern drei Kennen, die in rührender Eintracht das Nejt mit den zahlreichen hübjchen Eiern gefüllt haben. Mit unglaublicher Geduld jitt die Sajanenhenne 24 bis 25 Tage brütend auf dem Tejt, während jicdy der Hahn nicht im geringiten um feine Mad: 18 upvlvlduy 72/235 KO VETTEEEEAETEETLFEE TC METTTTE TE CHEFS WIDE gr WERTE HIT ER "TE! zrZ ae TR a X FEHLER ER BETT a7 ze Irre MEIUE TE RUE ® # # & I; z A ; N, > PH kommenjchaft Rümmert, weder jet um die Eier, noch jpäter um die Jungen; das liegt begründet in der ganzen Haremswirtichaft. Die treue Mutter aber harrt jo unverdrofjen aus bei ihrem jtillen Gejhäft, dab jie den Nenjchen, der jich behutiam nähert, bis auf wenige Schritte herankommen läßt und gewii; manchmal ein Opfer ihrer Mutterliebe wird im beutegierigen Sano des heranjchleichenden Suchles. Es jind auch Fälle bekannt, wo brütende Kennen unabjichtlicy verlett oder getötet wurden von der Senje des Schnitters. Kaum wagt es das Weibchen, täglidy) ein oder zweimal das Mejt zu verlajjen, um Nahrung zu Juden. Behutjam bedeckt es erit die warmen Eier ganz leicht mit einigen lijtitoffen, Halmen, dürrem Laub, und jchleicht ji dann fort, um jchon nach Rurzer Seit, vorjichtig Deckung juchend, gewöhnlid) in weitem Bogen zurückzukehren zu jeiner Pfliht. Haben die Küchlein endlich) die harte Eijchale durchgepickt, jo behält lie die Alte nody einen Tag unter den jchüßenden Slügeln, um die Rleine Gejellihaft zu wärmen und den feuchten Slaum der Kinderkleidchen zu trocknen; dann erjt führt jie die niedlihe Schar nach Hühnerart aus dem Nejte, lehrt jie jcharrend die Ameijenpuppen finden und Injektenlarven, nimmt jie bei Regenwetter unter die Slügel und zeigt ihnen, wie man bei drohender Gefahr jede Unebenheit des Bodens, jedes brasbüjchel als Deckung benußt. Es jind aber auch hilfloje Gejchöpfchen die kleinen Dunenbällden, wenn jie eben das lHejt verlajjen haben, unfähig nod, einen größeren Biljen zu jchlucken, empfindlich gegen nafkalte Witterung, unjelbitändig in jeder Beziehung. Aber nur adıt Tage währt es, jo jprofjen unter dem gelblichen, auf der ©berjeite dunkelgeitreiften Dunenkleid die Schwingen hervor und jpäter aud) die Steuerfedern. Sie wacdhlen jo fchnell, daß der Jungvogel, wenn er nur einen Monat alt ijt, bereits die erjten Slugverjuche unternimmt, indem er haltig über dem Boden dahinflattert. Nah Altums eingehenden Unterjuchungen erneuern ji die Schwingen und ihre Deckfedern vier bezw. fünfmal bis zum endgültigen Herbitkleide, auch die 16 Stoß federn werden noch einmal erjeßt. Die Natur ijt eben bejorgt, die Slugorgane dem von Mlonat zu Monat zunehmenden Gewichte des jungen Vogels anzu: pajjen, ihn möglidhjt früh flugfähig zu maden, um ihn auf diefe Weile den Nadhitellungen jeiner vierfüßigen Feinde zu entziehen. Und wirklid,, kaum ein Dierteljahr alt, jo bäumen bereits die Jungen mit der Alten des Abends auf zur Nachtruhe, und noch einen oder zwei Monat jpäter, etwa von Anfang oder Mitte Oktober an, find die Jungen nicht nur völlig aus- gefiedert, jondern können aud) als erwacdjlen gelten. Sreilicy unterjcheiden jie ji von den Alten immer noch auf den eriten Blik: die jungen Hähne ind nit ganz jo jchwer, jie haben einen kürzeren Schwanz, einen viel kürzeren oder jtumpferen Sporn, und es fehlt noch der Itarke metallijche Glanz ihrem Gefieder; auc die jungen Kennen tragen ein Kleid, das id) 20 Max Steckel. Schlesien, Oktober 1907 /: Ringfajan, aufgebaumt. nicht mejjen kann mit dem ihrer Mütter, alle Sarben lichter, mehr grau als rotbraun, und die dunkeln Seichnungen weniger Rlar und fait glanzlos. Das ‚DoIk“, oder wie der Weidmann aud) jagt, „das Gejperre”, hält bis tief in den Berbit hinein zujammen, ja die weiblichen Glieder der Samilie bleiben wohl aud;) den ganzen Winter hindurd) beieinander, jo dah Jich die Derbände erit im Srühling vollkommen auflöjen, wenn neue Pflichten an die einzelnen herantreten; Kennen wie Hähne jind ja jhon im eriten Lenz fortpflanzungsfähig. Ein erfahrener Jäger wird bereits im Berbit beim Abjchuß der Sajanen jehr darauf achten, daß; in jeinem Revier das richtige Derhältnis der Ge- \chlechter, etwa 1 3u 6, jich nicht wejentlich verichiebt. Denn jind die Hähne in Überzahl vorhanden, jo verzögert jich wegen der nicht endenwollenden Kämpfe das Brutgejchäft bisweilen um viele Wochen, und überwiegt das weibliche Gejchlecht, jo bleiben manche Hennen ohne Nahkommenjchaft oder jchreiten gleichfalls nur jehr jpät zur Brut. In beiden Sällen ilt dann eine große Sahl junger Sajane beim Aufgang der Jagd no nicht völlig erwachlen, und die in der Jugend recht zarten Dögel haben, wenn frühzeitig nafkRalte Witterung eintritt, um jo mehr darunter zu leiden, als jie ja von Haus aus einer wärmeren sone angehören. Anhaltende Nälje, wie jie bei tagelangem Regen eintritt, bildet über: haupt eine große Gefahr für die jungen Tiere, ebenjo mögen einzelne heftige Öewittergüjje manches zarte Küdhlein vernichten. Auch der er: wachjene Dogel Rommt mit dem Waljer nicht gern in unmittelbare Berührung, obgleich er jich mit Dorliebe in jeiner Nähe niederläßt. Ein Bad zu nehmen, das fällt dem Sajan nicht ein; wie unjre Haushühner reinigt er jein Ge- fieder, indem er ji an einer von der Sonne bejchienenen Stelle ein Loc) ins Erdreich jcharrt, jeinen Körper hineindrückt und nun nicht müde wird, mit Hilfe von Slügeln und Sühen das ganze Gefieder mit Sand und Erde zu bewerfen. Bei Regenwetter hält er jich im dunkeln Sichtendickicht ver- borgen, wohin er jchon vor den eriten Tropfen flüchtet; ja bei liber- Ihwemmungen joll er jeinen Kopf fo völlig verlieren, dab jelbit flugfähige Dögel bisweilen eine Beute der Sluten werden. Über die geiltigen Sähigkeiten des Sajans pflegt man ziemlich ab» Iprechend zu urteilen. Überaus furctiam, dabei heftig und ungeltüm, wählt er nicht immer die zweckmäßigen Mittel, einer plößlich auftretenden Gefahr zu entfliehen; wie bejejjen rennt er umher, oder er drückt fich regungslos platt auf den Boden, gelähmt dur den Schrek. Aber wir dürfen nicht ungerecht jein. Jahrhundertelang it der Dogel vom Menjchen gewiljer- maßen am Gängelbande gehalten worden; in eine ihm unbekannte Gegend hat man den Sremdling verjeßt; Jahr für Jahr jagt man ihm lähmenden Schrecken ein bei den großen Treiben, wenn jedes Gebüjch, jedes Deriteck 22 abgeklopft wird und aus dem Hinterhalt das Knallen die Gefährten in Scharen zu Boden jtreckt! Selbjit am Sutterplat Tauert Binterliit und Ge- walt, wenn das Bügelnet plößlich niederfällt, mit dem man diejenigen Tiere einfängt, die im Haus überwintert oder verjchickt werden Jollen. Darf man ji) wundern, dab Surcht der Grundzug im Charakter unirer Dögel geworden ilt, lähmende Surcht, wie fie der Ausbildung des Intellekts nicht zum Dorteil gereichen Rann? Selbjt dem Wärter, der ihn täglidy mit Hahrung verjorgt, traut der in der Sajanerie gepflegte Vogel nicht völlig ; |heu und ungejtüm bleibt er aud ihm gegenüber — wenigitens in der Regel. Was aber ganz entjchieden für den Derjtand des Safans \pricht, das ilt jeine Meilterichaft im Derbergen. Schon die Wahl der Niitjtätte beweijt dies, wie wir oben gejehen, ganz bejonders aber das kluge Der- halten des brütenden Dogels, wenn er rechtzeitig eine wirkliche oder ver- meintlihe Gefahr wahrnimmt: Rein Sucken verrät ihn, nicht die Teifelte Bewegung. Und dann die jungen Küchlein, man kann nicht genug ftaunen, mit welcher Schnelligkeit jie ji, verftecken, dem Rurzen Warnungsruf der Mutter folgend, unter einer Baumwurzel, zwijchen dem Heidelbeerkraut, in einem Sahrgleis; mäuschenitill verhält jid} die ganze Gejelljchaft, bis die Ge- fahr vorüber. It der Safan auf der Jagd nur angejcholien, jo geht er dem Jäger, der Reinen Hund bei ji} hat, in den meilten Sällen rerloren; er verbirgt ji) jo gejchickt im Gejtrüpp des Waldes oder Seldgehößes, dah man ihn nur jelten zu finden vermag. Im Sliegen leiltet der Sajan nicht viel; er verläßt ich lieber auf die Schnelligkeit jeiner Läufe, die in weiten Schritten ihn außerordentlich fördern. Sreiwillig fliegt er hödjit jelten auf, und wird er aufgefcheucht, fo fällt er jo bald wie möglich wieder ein, wo jich nur ein Derjteck bietet. So verläßt der Sajan den Erdboden falt nie; bloß die Nachtruhe bringt er der Sicher: heit wegen auf Bäumen zu. Der S$lug jelbit ijt anfangs Schwerfällig und wegen der jchnellen Slügeljchläge der harten Schwingen geräujchvoll; hat aber dann der Körper eine gewilje Gejhwindigkeit erreicht, jo jchieit er in gerader, horizontaler Linie jehr jchnell dahin. Nie ftreicht der Sajan bejonders hoch, und gerade diejer Umjtand gibt uns Gelegenheit, das herrlich glänzende Gefieder, das in jedem Augenblick in immer andern Metallfarben \himmert, zu bewundern; aud das elegante „Spiel“ gereicht dem Vogel, bejonders beim aufjteigenden Slug, zu jchönem Schmuck. In der Tat, es ilt ein herrlicher, das Herz jedes Jägers erfreuender Anblick, wenn der Hahn aufiteigt vor dem Hunde — Weidmannsheil ! Holland, Juni 1906. lermteer, aart Ne eenhuizen. S2 brütend. ’ B or Der Haubenfteikfuß. Don Hermann Löns. Die Landzunge, die wie ein Rleines Dorgebirge in den See hineinragt, trägt heute nody den Slurnamen Galgenberg, obgleidy es jchon lange her it, dal dort das jchwarze Gerüft Itand. Hinter dem ÖGalgenberge jchneidet der See mit einer tiefen Budt in das Wiejenland hinein. Rohr, Schilf, Kalmus, Riejenampfer und hohe Seggen bilden hier mit Weidengeitrüpp einen mächtigen Wall, dejjen Ränder je nach der Jahreszeit die Blumen von Schwertlilie, Wajjerlieich, Uferwinde, Bold- und Blutweidericdy |hmücken. Seeroje und Mummel jtreiten ji um den erjten Schönheitspreis, Wajjer- Rnötericdy) und jchwimmender Hahnenfuß um den zweiten. Den Grund be= decken die Rajen der Armleuchterpflanzen und mehrere Arten von Laid): kräutern bilden gewaltige Dickungen unter dem Waljer, während Krebs: \here und Srojchbik mit dichtem Blätterteppich den Waijeripiegel überziehen, bis jchließlich die Seebinje allein die Herrichaft behält, die einzige Pflanze, die dem Wellenjchlage jtandhält. Infolge ihres Reihtums an Sumpf» und Wajjerpflanzen leben in der Bucht hinter dem Galgenberge mehr Tiere, als an den übrigen Ufern des Sees. Nirgendswo jchwirren jo viele Wajljerjungfern, wie hier, und unter faulen Holzjtücken finden jich zahlreiche Käfer. Hier jchlüpft die Mollmaus, turnt die Swergmaus, und wintertags, wenn der See übergefroren ilt, jtecken jich Hale und Suchs gern in dem dürren Röhricht. Diele Dögel, Rleine und große, leben in der Bucht, vier Arten Rohr: jänger allein, dann der Rohrammer, die Stock-, Knäc-, Tafel-, Moor-, Löffel:, Spieß- und Krickente, die große und die Kleine Rohrdommel, die Waljerralle und das Tüpfelfumpfhuhn, das Bläßhuhn und das Teichhuhn. Aud) die Rohrweihe brütet hier, jeden Tag jucht der jchwarze Gabelweih nach abgeitandenen Sijchen, Sperber und Habicht rauben mit Dorliebe an den Rohrwänden entlang, und nirgends übt der Reiher den Anitand lieber aus, als dort. Im Herbite jchlafen die Schwalben und Staare zu Taujenden im Rohrwalde und im Winter juchen die nordiichen Enten und Taucher mit Dorliebe die Bucht auf, in der es von Silchen, Schnecken und Würmern wimmelt. DD O1 Naardermeer, Holland, Mei 1905. Haubenjteißfuß. Nejt mit Gelege. Steenhnizen. Steenhuizen, Naardermee -, Holland, Funi 1905. Haubenjteißfuß. Junges, 1 Tag alt, auf einem Teichrojenblatt ruhend. Darum jucht jich auch der jeltjamite Dogel, der auf dem See lebt, der Baubentaucder, alljährlicy die Bucht zum Brutplafe aus. Bier it er vor den Jägern Sicher, denn ehe fie mit ihrem Kahne auf Schrotjchußnähe heran iind, hat er tauchend längit das Röhricht erreicht, wo weder Kugel nod) Hagel ihm etwas anhaben können. Wenn er auch am liebiten auf dem hohen See filcht und die Sijchweid in der Bucht jelbjt den Tauchenten und Bläßhühnern überläßt, feine jchwimmende Wiege baut er in der Budt und jeine Brut zieht er dort auf, ehe er jie mit auf das blanke Wajjer nimmt und fie die hohe Jagd im tiefen See lehrt und die Flucht vor den böjen Jägern. Jedes Jahr um die Seit, wenn das Rohr jeine Dolche aus dem Wajjer veckt, ftellt er jich auf dem See ein. Niemals jehen ihn die Sijcher kommen. Als Schlechter Slieger reijt er nachts. Eines Morgens ilt er da. Mitten auf dem See jchwimmt er, nicht ungejchickt und plump, wie die Waljerhühner und Enten, die weit aus dem Waller ragen, jondern wie ein Torpedoboot lauft er dahin, nur einen jchmalen Strich des Rückens, den langen Hals und den Kopf zeigend. Aber was für einen Kopf aud)! Es lohnt jich jchon, den zu zeigen. Seltjam ijt die weiße Stirnplatte des Bläßhuhnes und jchnurrig des Teich: huhnes jiegellackrote Stirn, herrlid) des Mloorerpels Kopfihmuck und prädtig des Stockerpels Hauptzier, aber gegen den Haubenfteibfuß Rommen jie alle nicht auf. Eritens die langen, dunkeln Sederhörner über der Stirn, und dann der fuchsrote, jchwarzbraun geläumte Kragen um das Jilberweiße Gejicht, der ihm ein fremdes, unheimliches Ausjehen gibt, und darin der dolchipite, Tange, rojenrote Schnabel. Mögen die anderen leidlihe Taucher und annehmbare Schwimmer jein, an ihn reichen fie nicht heran. Bat einer von ihnen jo praktijche Schwimm- füße, wie er? Wie ein Nlejjer, jo Scharf jind die Läufe, und die gejpaltenen Sehen tragen einen breiten, harten, hornigen Slojjenjaum und platte ägel, wie Jie jonjt Rein Dogel hat. Und dann der Leib! Platt und zugeipißt iit er, jo daß er das Waller wie ein Torpedo durchjchneidet, und Rein un- nüßer Ballajt von Slügeln und Schwanz bejchwert ihn. Wie Schuppen liegen die Federn an und jo dicht und feit jind fie, daß kein Wajjertröpfchen auf die Haut gelangt. Der Pinguin und der AIR allein können mit ihm wett: eifern an Sweckmäßigkeit des Körperbaues für die Taucherarbeit. Darum ilt das Tauchen audy jeine Lult. Sein Jagdreich ilt nicht von diejer Welt. Das jeichte Schnattern auf der Oberfläche und das lächerliche Gründeln überläßt er den Enten und Wajjerhühnern. Dort unten, wo das Tagesliht nur gebrochen in das Pflanzengewirr fällt, ijt fein Gebiet, da übt er fein Recht aus. Wo der Hecht jteht, wo der Aal wühlt, wo der Wels liegt und die Quappe Kkriecht, da ilt er zu Hauje. Da jagt er den UkRlei und 28 Naardermeer, Holland, Mai 1905. Haubenjteißfuß. Schwimmendes Nejt mit bedeckten Eiern. Steenhuizen. den Gründling, die Maräne und die Sährte; er weih den Steinbeiher zu finden und den Krebs zu erwilchen, und der Schwimmkäfer ilt ebenjowenig jiher vor ihm, wie die Waljerjungfernlarve und der Pferdeegel. Ihn hungert. Die Naht war lang und die Reije bejchwerlih. Auf dem jteil aufgerichteten Halfe wendet jich der Jeltiame Kopf blitjchnell hin und her. Sederohren und Kragen legen jich feit an, der Schnabel jenkt jih, der Hals krümmt fic, fort ift der Taucher und das Waller zieht Ringe. Swanzig Huf tief ftießen die Füje den Taucher fait jenkrecht hinab, dann wendet er und jchwimmt, mit den Slügeln nacdıhelfend, geradeaus. Hier liegt das verfunkene Segelboot, das vor zwei Jahren mit zwei jungen Burjchen umjchlug, hier liegt des Sees ältejter Wels, und hier ilt das tiefe Loch, in das die Unterjtrömung alles Saulende zujammenfegt. Darum Rrimmelt es da von Silchen. Dicht über das veralgte Steuer des Bootes fährt der Dogel hin und quer über den Rücken des Weljes fort; ehe lich der Tolpatjd) bejinnt, ijt der Taucher vorüber. Und jett mitten in das bewimmel hinein, jo dicht an den alten Barjchen vorbei, dab jie entjeßt zur Seite prallen. Erit ge= radeaus. Die Sijchbrut flieht. In zwei Slügeljchlägen ijt jie überholt. Der Taucher wendet, geht tiefer und kommt den Sijchen entgegen. Der mejjer- Iharfe Schnabel faht einen jungen Brajjen über den Kopf; ein Ruck und das Siihchen it verjchwunden. Und jo geht es einem zweiten und einem dritten. Dann ein Slügeljchlag und der Taucher wiegt ji) wieder auf dem Wajlerjpiegel, atmet, lockt einige Nale laut und verjchwindet abermals. Wieder taucht er auf, verjchwindet abermals und Rehrt zurück, und nun ilt er fatt. Er jtellt ji) auf die platten Füße, richtet Jid) jteil auf, ihlägt mit den dürftigen Slügeln, pußt jein Gefieder und lockt. „Gröck, grök“ ruft er. Und dann jchneller: ‚„‚Bröckgröckgrök“. Don der Budt kommt Antwort, derjelbe Laut, aber nicht jo grob. Sreudig ruft der Taucher und quarrt frohlockend jein heileres ‚‚Kworr“ hinterdrein, und von der Bucht wird ihm holde Antwort. Wie ein Kriegsjchiff fährt er dahin, gleich: mäßig, ohne Ruck und Sug, und das Weibchen jteuert ihm entgegen. Sieht es einer dem wilden Raubfijcher an, ein wie zärtlicher Liebhaber er jein Rann ? Wie kokett er die Sederohren jträubt und den Kragen jpreigt, wie jtol3 er den Hals trägt und wie hoch er jeßt auf dem Waller liegt ! Und wie er niedlich nicken und zierlich den Kopf wenden Rann! Und wie jüß jein helles Locken und wie zärtlich fein tiefes Quarren Rlingt! Wer kann da wideritehen ? Erit flieht jie einige Male, denn das |chickt jich jo, aber er holt jie ein und hält jie feit und bald darf er Seite an Seite bei ihre jchwimmen, den Kopf auf ihren Rücken legen, den Hals um ihren Hals jchlingen, darf alles tun, wonadı ihn gelüftet. Und zum Schluß der Seier führt das Paar einen jeltfjamen Tanz auf. Hochaufgerichtet, mit den 50 Z 1900. Y 7 Naardermeer, Holland, oo > = — ns = 67 ke) D D ir=‘ 7 e = u.) o = eV nn. Be - DO - = = o Be} = je} 2 . jr} eo 1 Kar a = — e = pe = :5 er Das jelrohrjänger. ) Dro Steenhuizen. halnı hinauf, jchlüpft durch das Röhricht, tößt ihr Ichrilles, Tujtiges „‚Riek, Riek“ aus und verjchweigt. Nach einer Weile beginnt drüben am anderen Ufer ein anderes Männchen. Mutvoll hebt es an: „‚hedder, hedder, hedder“, Ihweigt, ruft: „tui, tui, tui”, jchweigt wieder, Rnarrt laut weiter: „‚dorre, dorre, dorre”, hört wieder auf, läft das rauhe ‚„‚Rarre, Rarre, Rarre” folgen, bejinnt jich ein Weilchen, jchreit: „Rei, Rei, Rei“, ijt abermals ftill, Rrädyzt laut: „Rerr, Rerr, Rerr“, und jchlieit, nadydem er noch einmal jchwieg, mit heiferem ‚karra, Rarra“ und gellendem „‚kiek, Riek“. Und dann ilt es jtill auf dem See. Die Schwalben fahren zwitjchernd hin und her, Rlatjchend wirft ji) ein großer Silch, in der Serne verklingt das Kreilchen der See- Ihwalbe, iteif und jtumm jteht das Rohr und die Julihige brütet auf der Sandichaft. Kein Srojh plärrt, Rein Rohrjänger ruft. Stunden vergehen. Am weitlihen Himmel erheben jich weiße Wetterköpfe, wacjen immer höher, holen jhwarzes Gewölk herauf, jtellen jich vor die Sonne. Der weißglühende, glifernde See wird grau und dann jchwarz. Die Schwalben jind fort, die Wajjerjungfern verjchwinden. Die Weiden Ialjen ihr Gezweig zappeln, laut rajchelt das Röhricht, Kaßenpfoten trippeln hurtig über die Slut. Jähe Winditöße lalien das Rohr Rlirren und werfen Rlatjchende Wogen an den Strand. Goldrot bricht die Sonne aus den |chwarzen Wolken, färbt den See blutrot und verjchwindet wieder. Es pfeift in der Luft, es braujt im Walde, der ganze Himmel wird jchwarz, graue Regenjchauer prajjeln auf den See herab. Da erklingt ein heller, froher, jcharfer Ruf. Auf der Spitze des hödhlten Rohrhalmes, der wild im Winde zuckt, fit die Rohrdrofjel, läßt jich |chaukeln und jingt mit dem Wind und dem Wajjer, mit dem Rohr und den Weiden um die Wette. JIe jchriller der Sturm pfeift, je lauter die Welle ‚Rlatjcht, je wilder der Wald brauit und je toller das Rohr raujcht, um jo flotter lingt und jchwaßt der Dogel, und nicht in Paufen gibt er jein Sturmlied zum beiten, nicht bruchitücksweile, nicht in Abjäßen, nicht faul und jchläfrig, wie um die Unterjtunde, jondern flott und friich Klingt es durch Sturm und Rohrgerajchel: ,‚heid heid heid, tui ftui ftui, dorre dorre dorre dorre, Rarre Rarre Rarre, Reik Reik Reik, Rerre Rerre Rerre, Rarra Rarra, kieR kiek“, und nod) einmal und abermals, und je toller der Sturm loslegt, je | hwärzer der Himmel und je wilder das Waller wird, um fo Iujtiger jingt der tapfere Dogel hoch von jeinem jchwankenden Halm herab. Sonft ijt er nicht jehr für die Öffentlichkeit und er zieht ihr das heim- lihe Leben im Röhricht vor, wo er von Halm zu Halm hujcht, halmab, halmauf Rlettert, Motten jagend und Mücen, Räupchen und Larven. Unglaublih lang und dünn kann er fi machen, und fo leicht, daß der Binjenhalm, an dem er hängt, kaum Seit hat, fich zu biegen. Das Schlüpfen, 48 Steenhnuizen. Naardermeer, Holland, Fun? 1906 Uferjhilfjänger bei feinem Net; darin ein junger Kuckud. 4 Kriehen und Klettern, das Rann er troß Saunkönig, Braunelle und Meile. Das Sliegen liebt er nicht jehr. Ab und zu jchlägt er, will er einen anderen Bahn aus der Nähe feiner Nititätte jagen oder einem anderen das Weibchen abjpenjtig machen, einen kurzen Bogen an der Wajjerjeite, aber das geht jo flink, daf felbjt der Sperber, der die Kunit der Bujchklepperei dod) nad allen Regeln kennt, ihn jo leicht nicht erwilcht, und die Rohrweihe kümmert ih gar nit um ihn; fie weiß, daß er jchneller als jie ijt. So lebt er denn in dem Rohrwalde mit Sröjchen, Enten, Wafjerhühnern und Tauern jein verborgenes Leben, bis Sturmwetter ihn verwegen madt und er hod vom Rohrwalde mit dem Wind um die Wette jingt. Sonjt läßt er jein Lied meilt aus dem Rohrdickicht erjchallen, und it die Nacht jchön warm und lau, jo jchweigt er auch dann nicht und überjchreit das Gequarre der Waljerfröjche und das Geplärre der Rohrkröten. Sind aber erjt die Jungen da, dann hat er nicht mehr jo viel Seit. Sie wollen jchnell wachjen, denn Ende Auguit geht es jchon wieder nadı Afrika, und fo heißt es: fleifig füttern. Sortwährend jchlüpfen die Alten heran und jtopfen die vier oder fünf nimmerjatten Gelbjchnäbel, die aus dem merkwürdigen Tejte herausjehen, das body über dem Waller zwilchen vier Rohritengeln hängt. Als es gebaut wurde, war das Rohr noch niedrig, und jo jtand das Meit anfangs dicht über dem Waller. Je mehr das Rohr aber wuchs, um jo höher hob es auch das Meit. Diejes ijt ein Bau eigener Art. Es ijt dreimal jo lang, wie breit, und äußerjt Rünjtli aus Sdjilf- blättern und Weidenbajt gewirkt und mit Kolbenrohrwolle und Rohr: flocken ausgelegt. Die MHejtmulde it jo tief, daß Rein Sturm die Eier hinauswerfen Rann, und jo fejt und jauber it es geflochten, daß der heftigite MWogenichlag es nicht durchnäffen kann. In diejer Iuftigen Schaukel, die jede Bewegung der Halme mitmacht und jeder Strömung der Wellen folgt, wäcjlt der Rohrörojjel Brut heran. Ehe fie aber noch völlig flügge jind, klettern die Jungen jchon über das Hejt hinauf und turnen an den Halmen auf und ab, bis der dumpf rollende Warnruf der Alten, wenn ein Raub: vogel über dem See Rlaftert oder ein Boot jich naht, fie in das Heft zurück- treibt. Sind die Sittiche aber ausgereckt, dann folgen jie den Eltern, die jie mit lautem „tak, taR“ hinter fich herlocen, und fie lernen von ihnen, wie man die Eintagsfliege fängt und die Walferjungfer, die Motte und die Köcherfliege, wie man beim Herannahen des Sperbers wie ein Stein von der Spiße des Rohrhalmes in das Gewirr der Stengel und Blätter fällt oder mit haltigem Sluge zwijhen Welle und Rohr dahinitreiht und im Bogen im Röhricht verjchwindet. So, wie der Drojjelrohrjänger, fpielt jih das Leben aller unjerer Rohr: jänger im großen und ganzen ab, doch hat jeder fein Abzeichen in den Körpermaßen und in der Gefiederzeichnung, das Lied der einen Art it mehr 50 R En Bern, Juli 1900. e Hofmann. Teihrohrjänger im Net. 7 %* a dem der Grasmücke, das der anderen dem des Gartenjpötters ähnlich, aber ohne Nachahmung von Rohrgerajchel, Srojchgequake und RohrhuhngequieRe geht es bei Reinem ab. Keiner von ihnen allen ilt jo ausgejprochener Rohr: vogel, wie der Drofjelrohrjänger. Ihm genügt das jchönjte Schilfdickicht, das dichteite MWeidengebülch nicht; Rohr muß er haben, nur Rohr und Wajjer, dann ijt er zufrieden, aber jonit audy nicht. Es Rommt vor, dah aud) er einmal im Bujchwerk baut, aber nur in ärgiter Legenot oder wenn der Menjh das Rohrdicicht zeritörte, als das Meit jchon fertig war. Der Rohrödrojjel Detter, der Teichrohrlänger, nimmt es mit dem Wohnort nicht ganz jo genau. Er ijt in jeder Beziehung eine verkleinerte Ausgabe der größeren Art, in der Färbung, im Heitbau, im Gejange und in der Lebens: weile. Aucd er liebt das Rohr mehr als alle anderen Uferpflanzen, doch nimmt er auch mit Kolbenrohr und Uferweiden vorlieb und das Waller Rann er nicht entbehren. Wenn in jeinem Gejange die Urlehrmeilter der Rohrjänger, Rohr und Welle, Srojh und Waljerhuhn, audy nicht mehr jo deutlich zur Geltung Rommen, wie bei der Rohrdrojjel, man Rann jie dod) nod) immer deutlich heraushören, denn es quiekt und jchnarrt und quarrt und rajchelt ganz wunderlich daraus hervor. Nur it das Liedchen zuJammen: hängender, fließender, weniger abgehact, nicht jo raub, hart und jcharf, und es verrät, dal der Sänger nicht ganz auf das harte Rohr angewiejen ilt. Aber Tujtig und fröhlich Klingt audy des Teichrohrjängers Strophe. In jeinem Rejte, it es auch nicht ganz jo Itreng gebaut, wie das des großen Detters, ijt er aber immer noch der echte Rohrjänger, jelbjt wenn das Nejt im Weidicht jteht. Am Tiebiten aber hängt audy er es in das Rohr und läßt es dort mit den Halmen emporwadjen. Unabhängiger vom Wajjer und gar nicht an das Rohr, ja noch nicht einmal an das Schilf gebunden ilt der Sumpfrohrjänger. Mit jedem Bujd- werk, das auf feuchtem Boden jteht, ja jelbjt mit dem Gebüjch der Gärten und Anlagen nimmt er vorlieb und jogar in Erbjen-, Bohnen-, Hafer- und Rapsfeldern jiedelt er jih an. Wenn audy fein Mejt nod) meijt frei hängt nach alter Rohrjängerart, es ähnelt doch in der Sorm und Anlage jchon bedeutend mehr dem der Grasmücen, und auch fein Gejang verrät nur noch in den Grundtönen die uriprüngliche Rohrjängerweije, Rommt aber font dem der Grasmüce recht nahe. Wie er von der Dorngrasmücke es lernte, jein Leben dem Selde anzupaljen, jo entnahm er ihr aud) den Gejang und verfloht darin alte Erinnerungen an Rohrgerajchel und Wellengeklucje, Srojchgequak und Taucherichrei. Aber das genügte ihm noch nicht, und jo jtahl er denn der Wachtel ihren Dreitakt, äffte das heifere Kichern der Meije und das jcharfe Locken des Rebhahnes nad, er jtibißte der Amjel ihr Öeflöte und dem Spaß fein Gejchilpe, dem Staar fein Pfeifen und dem Bufjard jein Miauen, und alle diefe Laute quirlt er zu einem feltjamen 52 Gejangsbrei zujammen, jo dab Rein Sumpfrohrjänger wie der andere jingt; aber die alten rauhen und jcharfen Rohrlängerlaute behält jelbit der Dogel bei, der im Park zwilchen Nachtigall und Amfel, Mönd und Braunelle, Rotkehlchen und Spötter aufwuchs, denn Art läht nicht von Att. Tod) weiter von der alten Stammesart entfernten jic) die beiden Schilf- länger, der Schilfrohrjänger und der Binjenrohrjänger. Seichnen jie ji von den anderen Rohrjängern jchon durch die dunkelgefleckte Oberjeite und den hellgeitriemten Kopf aus, jo nody mehr durdy ihre Wohnorte. Sie brauchen Rein Rohr, jie wollen Rein Scilf, aber Riedgras verlangen jie, Doldenpflanzen und Binjenbüjche, und an das Waller jind jie jo wenig gebunden, dat jchon einige Wiejengräben oder gar der feuchte Grund ihnen genügt. Da fie dem Rohre untreu wurden, vergaßen jie au, ein Rohr: jängernejt zu bauen, und jo legen jie ihr Meit auf einer dicht zwachjenen Bodenerhöhung, in einer Riedgrasbülte, in einem Binjenbujche an, wie es die Rohrammer tut. Nach alter Gewohnheit verflechten fie den Rand des Nejtes noch mit den Binjen- oder Riedhalmen, aber viel Sweck hat das eigentlich nicht mehr, weil das Mejt meilt auf dem Boden jteht und nur nod) ganz jelten hängt. Audy jonit haben jie von den anderen Dögeln der Mieje und des Weidelandes, den Piepern und Rohrammern, allerlei an: genommen. Der Scilfrohrjänger flattert, wie der Pieper, beim Singen Ihräg abwärts und läßt ji auf einem Bujche nieder, und er äfft gern Miejenbadjitelze, Rohrammer, Pieper, Blaukehlchen und Schwalbe nad, und während er ganz wie ein Pieper oder eine Stelze dahintrippelt, jchlüpft der Binjenrohrjänger mäujeähnlich gewandt, wie ein Blaukehlchen, über den Boden und aus der Derborgenheit läßt er, wie diejes, jein wunderliches Lieöchen ertönen. Gänzlich untreu geworden aber den alten Rohrjängerlitten jind die heujchreckenjänger. Sie jind jo weit heruntergekommen, daf jie jich ver- gaßen, den Gejang der Heujchrecken und Grillen nadızuahmen, und morgens und abends laljen fie aus dem dichten, feuchten Gebüjche, aus naljen Seldern, bewachlenen Sümpfen oder wo jie jonjt gerade ihr Heim aufichlugen, ihr eintöniges Schwirren ertönen, meijt aus der Derborgenheit, manchmal aud) von einer Dolde oder von einer Sweigipiße. Alle aber, wie jie da find, unjere Rohrjänger, mögen fie nun im hohen Rohrwalde oder im dichten Uferjchilfe, im Wied oder im Rich, im Bujd oder im Held wohnen, jonderbare Gejellen jind jie alle miteinander. 95 Der Star. Don Martin Braef. Wenn man unter den Staren Mitteldeutjchlands jo eine Art Dolkszählung anitellen Rönnte mit genauer Angabe des Beburtsorts, jo würde inan gewih Ronitatieren müljen, dab die bei weitem größere Anzahl diejer gefiederten Sreunde in einem von Menjchenhand hergeltellten Starenkalten das Licht der Welt erblickt hat. Wie Rein anderer Dogel ilt ja gerade der Star dem freundlichen Wink des Mlenjchen gefolgt, jo daf es fait jcheint, als habe er es heute volljtändig vergellen, dal die Mutter Natur eigentlich Ajtlöcher und Höhlungen überjtändiger Waldbäume für ihn bejtimmte, feine Brut aufzu= nehmen. Wer zuerit auf die Idee gekommen, durdy Aushängen von Nijtkälten Sreund Star an Haus und Garten zu fejleln, ilt nicht bekannt. Soviel jcheint jedoch feitzuitehen, daß anfangs nicht ethijche oder äjthetiiche, Jondern grob materielle Beweggründe maßgebend waren, ähnlich denen, welche die Bewohner des Nordens jchon jeit langen Seiten veranlaften, für ben Säger, wie für die Schellente Niltkälten herzuitellen, oder Nilthöhlen im Erdboden für die Brandente, wie es auf Sylt und anderen Injeln üblich it. Während man aber dort dieje vertrauensjeligen Dögel ihrer Eier und Dunen beraubt, nahm man dem Star die ziemlich flüggen Jungen, die dann in die Küche wanderten und dem hinterliltigen Hauswirt einen willkommenen Lecker: bijjen gaben. Der alte Gefner (F 1565) erwähnt in feinem berühmten ‚„‚Dogelbuch“ noch nichts über künitlihe Niltkälten; erjt zweihundert Jahre nad ihm berichtet 3. Th. Klein in jeiner „Hiltorie der Dögel“ (Danzig, 1760), daß in Oitfriesland den Staren an den Kaminen Derjchläge eingerichtet werden, in denen jie nilten, und Dater Bechitein erzählt in der „Naturgejchichte der Stubenvögel“ (Gotha, 1795): „Die Stare nilten jogar in hölzernen Käjten und in tönernen Gefäßen, die man ihnen mit einem langen Sodhe (?) an die Bäume hängt, unter den Dächern und in den Taubenjchlägen, in Häufern, die im Walde liegen.“ Auch Joh. Andr. Naumann jagt in feiner großen „Haturgejchichte der Dögel Deutjchlands“ (Leipzig, 1822) nichts weiter als diejes: „UHlan behandelt in manchen Gegenden, 3. B. im Doigtlande, die Stare wie die Tauben, hängt ihnen hölzerne Käjtchen oder tönerne Gefäße 54 F. C. Chapman. Star beim Füttern der Jungen. F. C. Chapman. Stare, kurz nad dem Anfliegen. an die nahen Bäume und an die Häujer, worinnen jie nijten, und nimmt ihnen die Jungen aus. So jollen fie jid) bequemen, zuweilen dreimal zu brüten; aber die leßte Brut lät man ausfliegen, jonit würden im folgenden Jahre Reine wiederkommen.“ In der „Allgemeinen deutjchen Bartenzeitung“, VI. Jahrgg., 1828, tritt Pfarrer Hofinger warm dafür ein, Nijtkälten für Stare und Meijen aufzuhängen und zwar aus ethilchen Gründen; am Ende jeiner Ausführungen aber — ein jehr charakterijtiiches Seichen dafür, wie die breiteren Schichten des Dolks damals noch Reine Ahnung hatten von Dogeljhug — wird er bedenklidy, ob es zur Seit jchon ratjam fei, den Landmann dazu aufzumuntern. Er fchreibt: „Wenn hier und dort in jeinem Hausgarten einige Starenkübel aufgehangen jind, jo erwürgt er jämtlicye Jungen, und trägt jie zum Derkaufe in die Stadt. Diejes nüßlihe Dogelgejchleht würde demnach ausgerottet oder ungemein ver- mindert werden, wenn es zahlreicher in die Hausgärten gelockt, den jicheren Tod fände.“ Erit von den fünfziger Jahren an begann das Deritändnis für den wirklichen WNußen der Stare allgemeiner zu werden; namentlich ilt Lenz (f 1870), der erfahrene Naturhiltoriker von Schnepfenthal, fort und fort bemüht gewejen, durdy Wort und Schrift jeine Landsleute auf den Dorteil hinzuweijen, der ihnen durch das Anbringen von Staren- kübeln erwädjlt. Und von Thüringen aus, dem Rlajjiichen Land der Dogel- kunde und des Dogeljchußes, hat ji dann die Sitte bald weiterverbreitet, ohne freilih in jedem deutjhen Gau jo allgemein üblich geworden zu Jein, wie 3.B. vielfach in Mitteldeutjchland, wo man jich ein Dorf, einen größeren ländlichen Garten, aber auch einen jtädtiichen Park gar nidyt mehr denken kann, ohne die anheimelnden, gemütlichen Starenkälten, die man am Stamm oder im Gipfel höherer Bäume befejtigt, aber auch am Hausgiebel, und im Öras- und bemüjegarten, wo Bäume fehlen, auf hoher, jchwankender Stange. Und wie hat jich der Starenkübel im Laufe der Seit vervollkommnet! Heute ahmt 3. B. die nad Angabe des bekannten Dogeljchüßlers Sreiherrn von Ber- lepjd) gebaute künjtlihe Nijthöhle die natürliche Brutjtätte in vollendeter Weije nach, während früher Tongefähe oder roh zufammengenagelte Brettichen demjelben Sweck dienten. In diejen primitiven Dorrichtungen einen pafjenden Miltplaß zu erkennen, das war gewiß eine jtarke Anforderung an die Dhantajie unjers Dogels; aber der pfiffige Starmaß hat die Abjicht des Menjchen gemerkt, und man Rann nicht gerade behaupten, daß er die neuen Berlepjch’ichen Nijthöhlen den althergebrachten Starmeiten aus Brettern über- all unbedingt vorzöge. Damit joll natürlich nicht gejagt werden, daf die Sorg: falt, die man heute auf die Heritellung feiner Wohnung verwendet, unnötige Ziebesmüh fei, im Gegenteil, die angeführten Nijthöhlen find ichon wegen ihrer Dauerhaftigkeit — man muß jie geradezu als unverwültlic) be= zeichnen — allen anderen vorzuziehen, und dann wollen wir ja auch dadurd,, 96 F. C. Chapman. F. C. Chapman. da wir die Wohnung der Spechte in jo vollkommener Weile nadhahmen, aud) noch Meijen, Trauerfliegenfänger, den Wendehals, das bartenrotihwänzchen und andere Höhlenbrüter, die weniger vertrauensjelig jind, an unjern Garten fejfeln. Auc in jolhen Gegenden, wo der Star die freundliche Einladung des Menjchen noch nicht kennt, Rommt man mit den Berlepjch’jchen Mijthöhlen heller zum Siel; fie entjprechen den natürlichen Derhältniljjen jo völlig, dab fich eigentlich Rein Dogel erjt an jie zu gewöhnen braudt, voraus- gejeßt, daß lie richtig angebracht werden. In diejer Beziehung ftellt nun der Star geringere Anforderungen, als die meilten Dogelfreunde annehmen. Man jagt ihm fäljchlicherweile nach, daf er jein Slugloh durchaus gegen Piten gerichtet wiljen will; es it ihm gleihgültig, er wacht jchon auf zur rechten Seit, auch wenn ihm die Morgen- jonne nicht zum Senjter hereinjcheint. Weiter it es eine unnötige Sürjorge des Gartenbejißers, im zeitigen Srühjahr den Starenkalten zu reinigen und alles alte Genijt zu bejeitigen; das bejorgt der Star jelbit, joweit er die Stoffe nicht von neuem verwendet. Das alte Wijtmaterial it dem ein: ziehenden Dogel ein Beweis, da jemand den Plat jchon ausprobiert hat; es macht den neuen Mieter vertraut und lockt ihn an. — Stare und Lerchen jind unjre erjten gefiederten Herolde des Srühlings; bald erjcheinen die einen, bald die andern ein paar Tage früher. Schon im Sebruar kommen jie an, und wenn aucd der Grimm des Winters nod wochen- und monatelang währt, der erite Star vor feinem Bretterhäuschen, jo heiter jhwatend und pfeifend, ein lieblicher, heißerjehnter Anblick it's, der die jelige Dorahnung des wieder einziehenden Lenzes in der Brult eines jeden wachruft. Bitter Ralt ilt der Sebruarmorgen, die grünen Spiten der Saat ruhen noch unter der jchüßenden Schneedece; der Bad) ijt in eilige Sejfeln gejchlagen, daß man nur leife fein NMurmeln vernimmt; die bereiften Älte und Sweige von Baum und Strauch glifern im Srühlicht, und heijler ruft die hungrige Eliter ihr „Ichack Ichack“ über die bejchneite Slur. Da läßt er jich nieder, der Weitgereilte, auf dem Rleinen Sißjtäbchen an jeinem lieben Häuschen; er kann ji nicht genug fun vor Sreude und Luft: daheim it er wieder, daheim! Wie er fchluchzt und fchnalzt und mit aitternden Bewegungen der Slügel, ja jeiner ganzen Rleinen Perjon das be- icheidene Liedchen begleitet! Die Lerche, wenn jie mit Jubelgejang am Ditermorgen aufiteigt zur blauen Himmelsglocke, das erite Schwalbenpärchen, das zum Hoftor hereinjtürmt und jich niederläßt auf den Dadjfirit, der erite Sug langbeiniger Störche, wie er gleich jchneeiger Wolke in jchwindelnder Höhe gen Norden eilt, der erite Kuckucsruf im jungbelaubten Walde: ad) jo viele Rleine entzückende Stimmungsbilder gewährt der einziehende Srüh- ling, die das Herz eines jeden Erdenpilgers höher jchlagen lajjen, daß er alle Sorgen vergikt, und allen Kummer; aber der erite Star, wenn er eben 58 ‘gd a9jreadun sog ualolps usquagiam uala] 31V JS "Coor “aguuargas ‘z.tvp] 'v JPDISNaN uasuaß zurückgekehrt ilt von der Reife und nun den aufgehenden Sonnenball mit jeinen jauchgenden Rufen begrüßt: diefem Lenzesbild Rommt Rein zweites gleih. „Srühling, Srühling wird es nun bald!“ Gewik müljen die Stare in diejer frühen Jahreszeit noch viel leiden dur) Kälte und Hunger, weshalb fie nach einem kurzen Antrittsbejuc, den jie der alten Wohnung abitatten, jich fait regelmäßig noch einmal zurück- ziehen in die |hüßenden Wälder, bejonders an offene Quellen und Bäche. Aber die gute Laune geht ihnen nicht verloren. Selbjt wenn Schneeflocken dicht vom bewölkten Himmel herabwirbeln zur Erde, wenn der eijigkalte Nordoit blält und die Nahrung Rarg bemejjen it, jo jingt und pfeift die Rleine Gejellfchaft doch gar luitig ihre jchrillen, jchnalzenden Lieöchen, dem mürrijchen Winter zum Troß. Bei milderer Witterung jtellen jie ji dann wieder ein in unjern Gärten und Anlagen, um vielleicht noch ein zweites, no) ein drittes Mal zu verfchwinden. Aber jchlieflih muß es doch Frühling werden ! Die alte Nijtitätte vom vorigen Jahre erkennt, wie wir jchon jahen, Sreund Starmaß auf den eriten Blick wieder. Er erinnert ji no) gut, wo damals jein Tijdy) gedeckt war, wo ihm ein Trunk frijchen Wajlers winkt; man merkt es an der Beitimmtheit, mit der er all jeine Handlungen ausführt. Anders die Jungvögel vom vorigen Jahre; jie fliegen unjtät von einem Kajten zum andern, Jind unjhlüjlig in der Wahl, verjchwinden wohl wieder tagelang, während die erfahrenen Alten bereits einzutragen beginnen; jie Rommen dann wieder, verjuchen es hier, verjuchen es da, bis jie jich endlich enticheiden. Nicht jelten müljen jicy die Stare mit Gewalt ihr rechtmäßiges Heim erkämpfen; denn der Sperling hat es in Bejik genommen als Winterherberge. Anfangs erhebt ji) nur ein heftig geführtes Wortgefecht, das aucd andere Stare und Spaßen aus der Hachbarjchaft herbeilockt — ein Schimpfen und Setern, ein giftiges Silhen und Sanken auf beiden Seiten! Bald aber rückt man jich auf den Leib, Schnäbel und Krallen brauht man als Waffen; oft verbeifjen ficy zwei erbitterte Gegner jo fejt ineinander, daß Jie herab zu Boden wirbeln, um dort den Kampf fortzujegen. Er endigt gewöhnlich mit dem Sieg des rechtmäßigen Eigen: tümers und dem Rückzug des Spaßenvolks, das noch lange weidlich Ichimpft — freilich aus angemejjener Entfernung. Gefährlicher wird dem Star ein anderer Liebhaber jeines Haujes, der erjt eintrifft, wenn das Starenweibchen Ihon tagelang auf den Eiern jißt. Es ilt der Mauerjegler, der wenigitens in Thüringen und Sadhyjen dem Starenpaar gar nicht jelten die Wohnung ftreitig macht. Der erbitterte Kampf entjpinnt jich meilt im Innern der Öunkeln Höhle; der freche Eindringling wirft jich dort auf den Rücken und hat dann meilt gewonnen Spiel. Mit den nadeljpißen, jichelförmigen Krallen an jeinen winzigen Klammerfüßchen bringt er dem mutigen Star, der es 60 "uoyloyavgs wmv aD4S immer von neuem wagt hineinzufliegen, bisweilen jogar tödliche Wunden bei an Kopf und Baudh. Auch die Sperlinge haben unter der Wohnungsnot der von Jahr zu Jahr an vielen Orten immer zahlreicher auftretenden Segler, die übrigens zu unfern nüßlichiten Injektenvertilgern zählen, jdwer zu leiden. Sehr Iujtig ijt es zu beobachten, wie der junge Star, wenn er auf Sreiersfüßen geht, im Srühling ein Weibchen zu gewinnen judht. Had langer Wahl hat er ji einen bejtimmten Miltkajten erkoren, und nun jißt er auf feinem Stäbchen und pfeift und jchnalzt in heifer Sehnjucht, wenn eine Starenjchönheit vorüberfliegt. Und jegt jie ji dann in jeine Yähe, jo jchlüpft er eiligit hinein in die dunkle Behaujung, um jofort wieder zu ericheinen. Er jpreizt den Kleinen Sächer des Schwanzes, lüftet die Slügel, daf der Schöne jtahlgrüne und purpurne Schiller feiner Unterjeite und die weißlihen Spißenflecken der jo eigentümlich lanzettförmigen Federn nod) bejjer zur Geltung kommen; er jträubt das glänzende Gefieder an Kopf und Kehle, verdreht die dunkelbraunen Auglein und jchnalzt und gurgelt in den zartejten Tönen, deren er fähig ilt: ein Bild hödhjiter Liebesjehnjucht, wie jie das Herz eines Jünglings ergreift. Weldy Starenfräulein könnte kalt bleiben bei jolh inniger Werbung! Anfangs freilidy) erjcheint die Spröde kühl und gleichgültig, wie es die Sitte erheilcht; aber plößlich Ihlüpft fie hinein in den Kalten, um freilich ebenjo jchnell wieder draußen zu fein und dem feurigen Liebhaber, der ihr folgen will, ein paar Schnabel- hiebe zu verjeßen. Diejer jchaut ganz verdußt drein, aber nur einen Augen- blik; denn jchon jagen jich beide im Gezweig umher, bis jie im Dunkel der Wohnung vor unjern neugierigen Blicken jelbander verjchwinden. Manche haben dem Star einen hochentwicelten Schönheitsjinn zuge= Ihrieben. Man kann nämlich beobachten, wie er jich bisweilen unnüß macht an den Srühlingsbeeten, hier ein Schneeglöckchen oder ein Leber- blümcen, dort eine Primel oder eine Srühlingsknotenblume abbeiht und das bunte Lenzeskind zu Neite trägt. So joll er in einzelnen Fällen jeine ganze dunkle Behaufung mit jchönen Blüten [hmücen. Wenn man weiß, was alles Dohlen, Eltern, Krähen zujammenjcleppen, blanke Knöpfe, Glasjcherben, glänzende Steine, Münzen u. dergl., jo darf es uns nicht verwundern, wenn bisweilen audy Stare, die ja zu den genannten Dögeln in näherer oder weiterer Derwandtichaft jtehen, den Tebhaft glänzenden Srühlingsblumen ihre Aufmerkjamkeit jchenken. Eine lujtige Spielerei mag’s jein, wenn der Star die Blüten abreift und fie zu Hejte trägt, nichts anderes. Mie den Strohhalm oder die Feder, jo reicht er dann jpielend die bunteBlume dem Weibchen, das ja beim eigentlichen Nejtbau die Hauptarbeit leiltet. Dierin eine Außerung höherer äjthetifcher Gefühle zu erblicken, das dürfte wohl zu weit gehen. Aber es kommt nod) bejfer. Man will nämlid) beobachtet haben, dat ganz bejonders die ehelos gebliebenen Starenmännden 62 Paul, Glogau, Mai 1900. Star, fütternd. — und deren gibt es bisweilen jcharenweile — diejer älthetijchen Pajlion huldigen jollen; jie beabjichtigen, jo hat man ganz im Ernjt vermutet, eine Schöne um jo leichter an ihr Heim zu fejjeln, wenn jie den Blick in die ausgejchmückte zukünftige Kinderjtube wirft. Durd) den feitlichen Schmuck des Haujes, für den der werbende Sreier jorgt, jollen aljo gewiljermaßen die Ichweren Pflichten verjüht werden, die der Ehejtand mit jid) bringt. Aber auch in den folgenden Slitterwochen legt der junge Gatte feine Ritterlichkeit nicht ab; in der artigjten Weile überreicht er bisweilen feiner Gemahlin, die vor dem Häuschen fißt, ein Gänjeblümchen oder eine Blüte vom Apfel- baum. Sie weiß nicht viel damit anzufangen, bewegt es ein Weildhen im Schnabel hin und her, läßt’s dann fallen oder trägt’s in die Behaufung. Was kümmert’s den Gatten; er hat ja dod) jeinen innigiten Gefühlen Aus: druck gegeben. „Du bilt wie eine Blume!” hat er jo zärtlich gejagt. In der Tat, es jind hübjche Gejchichtchen, die man jich Zzulammenreimen kann, wenn man menjchliche Gefühle ohne weiteres in die Tierjeele hineinlegt ! Dody zurück zur Wirklichkeit! Schon brütet das Weibchen auf den vier bis jieben lichtgrünen Eiern, für die es in Gemeinjhaft mit dem Gatten aus dürrem Laub, Halmen, Graswurzeln, Haaren und Federn ein kunitlojes Sager bereitet hat. Das Männchen jißt in der Nähe und läßt falt ununter- brochen jeine Stimme hören, als wollte es durch jeine abwechllungsreichen Strophen der treuen Gattin die Seit vertreiben, oder es fliegt auf Acker und Wieje, um Sutter zu holen für ih und fein Weibchen. Derläßt diejes einmal den Kajten, gleich ilt der aufmerkjame Gatte zur Hand, Ichlüpft hinein dur) das Lody) und it ruhig auf den Eiern, bis ihn das Weibchen wieder ab- löjt und er nun von neuem von jeinem Äjtchen herab jchnalzt, flötet, pfeift, Ihwirrt, Schrillt, fchnattert nach Herzenslult. Die Stimme unjers Sreundes mit Silben und Worten wiederzugeben, ijt ganz unmöglich. Er hat vielleicht das modulationsfähigjte Organ von all unjern heimijchen Dögeln. Wie meilterhaft veriteht er es, die Weilen anderer Sänger nachzuahmen, das Geihwät der Schwälbchen, das Gacern der Hühner, den Schlag der Wachtel, Bruditücke aus dem Lied der Sing: drofjel oder der Amjel u. v. a. Am vollendetiten gibt er aber den Ruf des Pirols wieder, jo daß Jelbit die erfahreniten Dogelkenner auf gar luftige Weije von dem „Spottvogel” getäufcht werden. Oft hört man den Pfingitruf ‚„idliaidiio“ jhon im März, wenn der fchwarzegelbe Sänger nody gar nicht daran denkt, feine Winterherberge zu verlajien. Aud für andere Laute hat er Derjtändnis; das Klappern einer Mühle, das Knarren des Hoftors, das Quietjchen der Wetterfahne macht er mit einer Gewiljen- haftigkeit nach, die einer bejjeren Sache wert wäre. Swei Wochen dauert’s, dann jchlüpfen die Jungen aus der engen Kalkhülle; das Weibchen nimmt die Rleinen zarten Dinger nod) ein Weilchen 64 Pfaff. Connewitz b. Leipzig, Juli 1906. Star, als Ungeziefervertilger bei ruhendem Damwild. Dögel 1. 5 unter die wärmenden Slügel, dann aber hilft es dem Männchen beim Herzutragen des Sutters, das von Tag zu Tag in immer größeren Mengen bejchafft jein will, um die hungrigen Schnäbel zu befriedigen. Das ilt dann ein immerwährendes Su= und Abfliegen bei dem Starenkaliten; nicht fünf Minuten vergehen, ohne dab Dater oder Mutter vom Acker oder von der MWieje her in jchnellem, jchnurrendem Slug herbeieilen mit ein paar In: jektenlarven, einem Wurm, einer Schnecke oder Heujchrecke im Schnabel. Scheinbar rücljichtslos jpringt der Alte zwijchen die anfangs noch blinden Jungen, welche die Hälje recken und die Schnäbel weit aufreißen. Er wartet ein Weilchen, die Köpfe jenken jicy wieder; aber bald hebt eins der Kinder fein Hinterteil und fördert einen Rleinen weißen Kotballen zutage, worauf es jofort den Schnabel wieder in die Höhe jtreckt und nun den Biljen empfängt. Dann nimmt der Alte den Kotballen und verjchwindet. Dr. 3. Gengler, der an einem hierzu eingerichteten Starenkalten dieje ein- gehenden Beobachtungen anitellen Konnte, ilt der Meinung, daß Itets das- jenige Junge gefüttert wird, welches durch die Abgabe feines Kotes anzeigt, daß es verdaut hat. Rätjelhaft bleibt es nur, wie der alte Star bei der tiefen Dunkelheit der Hilthöhle den Kotballen jo jchnell zu finden vermag. Sind die Jungen etwas größer geworden, jo begrüßen Jie die herzufliegenden Eltern mit quäkendem ÖGejchrei, und nod) jpäter, wenn ihnen bereits das dunkle, rauchfahle Eritlingsgefieder gewacdlen it, dann fährt wohl aud \hon weitgeöffnet jo ein hungriger jchwarzbrauner Schnabel zum Gucdlod heraus. Nach dem Dolksglauben fliegen am Himmelfahrtstage die eriten Stare aus; das |timmt nun freilicy jchon aus dem Grunde nicht, weil diejer Tag ebenjogut auf den 1. Mai wie in die erite Juniwodhe fallen kann; aber nehmen wir die Mitte diejer Termine, jo mag das Dolk jchon vecht haben. „Mailtare” nennt jie der Landmann; es find wohl jtets die Kinder mehr- jähriger Eltern. Swei bis vier Wochen jpäter folgen die der vorjährigen Stare. Man kann es deutlic) beobachten, wie von Mitte Mai an der Jungen immer mehr werden; ihr unjcheinbares dülteres Gefieder läßt fie uns leicht von den Alten unterjcheiden. Nur Kehle und Bruit jind weihlich, dazu mit |hwärzlich-braunen Längsflecken gezeichnet. Der jchöne purpurviolette Schimmer, der Kopf, Hals und Bruit des alten Männdyens auszeichnet, der goldögrüne Glanz, der bei diefem auf Rücken und Schultern Tiegt, und der jtahlblaue bis jtahlgrüne Schiller des übrigen Gefiedersifehlt dem Jugend- Rleide noch völlig. Auch die weißen Spigichen an jeder Seder, wie ie das alte Weibchen noch auffälliger zeigt als das Männchen, vermißt man an dem unjcheinbaren Kinderkleiöchen. Yiody ehe die jung verheirateten Stareneltern ihre Kleinen großgezogen haben, jind die alten Pärchen bereits zu einer zweiten Brut gejchritten, 5 *+ 67 die gewöhnlich noch im Bracdymonat, dem Juni, den eriten Schritt in die Welt wagt, „Bradjtare“ nennt fie das Dolk. Indejjen jcheinen jich unjre Hausfreunde in mancdyen Jahren und an vielen Orten mit einer einzigen Brut zu begnügen ; es hängt dies wohl zujammen mit der Ungunit der Witte- rung, mit dem Mangel an Nahrung und gewiß aud) mit andern noch unbe: Rannten Derhältnifjen, denn bisweilen kann man jidy’s unmöglid) erklären, warum fie nur einmal brüten. In den erjten Wochen des Juli ilt jchliehlich die ganze Kleinkinderwirtichaft zu Ende, es mühte denn fein, daß noch ein einzelnes Paar, dem die erite oder zweite Brut verunglückt war, einen leßten Derjud; madt. Eine Seitlang widmen die Eltern den Kleinen noch ihre SFürjorge. Samilienweije jieht man die Jungen mit den Alten auf den abgemähten MWiejen einherjchreiten, wo jie neben allerlei anderen Injekten namentlid) den Heujchrecken und ihren Larven nadjltellen;; denn dieje bilden eine Lieb- lingsipeije von groß und Rlein. Gern wird auch das Samilienbad bejudht, das der Morgentau gewährt, der auf Gräjern und Kräutern liegt; er durchnäht das Gefieder unjrer Sreunde jo vollkommen, wie man Jich’s nur wünjchen Rann. Bald vereinigen jid) dann die Samilien zu ganzen Gejellihaften, und dieje endlich bilden bisweilen nady Taujenden zählende Scharen, die auf Wiejen und Krautäcern, in Kirichplantagen, Seldgehölzen und des Abends ins Rohr der Teiche mit jaujendem Geräujh und nicht endendem Gejhwäß einfallen. Im Juli beginnen die eriten jungen Stare ihr SJugendkleid abzulegen; jie gewähren dann einen hödhjit drolligen An- blik. Die neuen Sedern erjcheinen nämlich nicht alle gleichzeitig, jondern gewöhnlich ilt das lanzettförmig zugejpißte Gefieder auf Brult und Baud) mit den jchönen weißen Tropfen am Ende jeder Seder bereits fertig, während Kopf und Hals noch das weiche, fahlgraue Jugenögefieder tragen; der jchöne Metallglanz der Alten ijt freilich auch auf der Brult Raum ein wenig an- gedeutet. Tod; ehe das Jugendkleid völlig abgelegt ilt, begeben jich ganze Schwärme von jungen Dögeln auf die Reife nah dem Süden. Gerade die Wanderung der Stare ilt es, die Meilter Gätke den Sat aufitellen lief, daß die jungen Sommervögel unabhängig von ihren Eltern und vor ihnen den Herbitzug unternehmen. Bereits Ende Juli erfcheinen nad) unferm erfahrenen Gewährsmann viele junge, d. h. noch graue oder halbgraue Dögel auf Helgoland oder ziehen in breiter Sront über das Eiland dahin; jeden Tag kommen neue Hlajjen, die nad Taujenden und Sehntaufenden zählen, und dies währt bis zum Schluß des Monats. Den jungen Dögeln wird — oder wurde — jeitens der einheimischen Jäger ihres wohljchmecenden Sleilches wegen eifrigjt nachgeitellt, und fo konnte man leicht den Beweis führen, dak Jich alte Tiere nie darunter befanden. Dieje folgen erjt nach einer 68 Dr. Bethge. Kiel, Mai 1907. Star und KHausjpaß an der Tränke. Dauje von jehs bis acht Wochen, etwa von Ende September an, wein jJie die Herbitmaujer vollendet haben. Im Oktober jteigert fich die Menge der Durchzügler, um ji im November wieder zu vermindern, und gegen Schluß des Jahres endet der Herbitzug mit Rleinen Slügen von 40 bis 60 Stück. Soweit die politiven Beobachtungen Gätkes, die überrajchend genug Jind. Aufgabe der Sorjhung it es, jie in allen Einzelheiten zu kontrollieren ; denn den Schlülfen Gätkes ohne weiteres zu folgen, das würde niemand weniger fordern, als der erfahrene Meilter jelbit. Schon heute wiljen wir, daß jich in Gemeinjchaft der jungen Sommervögel doch recht häufig einige alte, erfahrene Stare zeigen oder auch andere Dögel, die die Reijeroute be- reits einmal zurückgelegt haben; aucd dürfen die Aufzeichnungen Gätkes keinesfalls jo gedeutet werden, als habe mit Ende Juli der Sug der Jung: itare jein Ende erreicht. Jedes Jahr bemerken wir noch im Auguit und September unter den Schwärmen alter, jhwarzer Dögel zahlreiche Sunge, die ihr graues Gewand nody nicht völlig abgelegt haben; jpäter jind jie ihwerer von den Alten zu unterjcheiden. Sie werden wohl in der Gejell- 69 ihaft reijen, der jie ji im Spätjommer jchon angejchloflen haben und in deren Gemeinjchaft fie Wiejen und hohe Alleebäume, Weinberge und Parkanlagen bejuchen und im Schilf am Teich oder in gejchloffenen Wald- beitänden nädtigen. Welch herrlichen Anblick gewährt joldy ein nach vielen Taujenden zählender Schwarm fliegender Stare! Wahre Wolkenzüge jind es bisweilen, die fortwährend ihre Sorm ändern, bald breiter, bald jchmäler werden, jest jich teilen und dann Jich wieder vereinigen. Die wunderbariten SIug- übungen werden abgehalten und mit einer Genauigkeit ausgeführt, als gehorche die ganze riejige Schar dem Kommando eines Generaliljimus der Armee: jeßt ein ungeheurer dunkler Wolkenball, der jich um eine Adje dreht, jeßt ein breiter Strom, der jich hebt und jenkt und dann eine Kurve bejchreibt, jo jchön, jo regelmäßig, als jei jie vorgezeichnet mit Hilfe des Sirkels; jett aber läht jich die Schar pfeilfchnell herab auf die hohen Dappeln am Teichrand, mit jaujendem Geräujc, daß es tojt und brault, als 3öge bewitterjturm über das Land. Auch Gätke kann nicht Worte genug finden, uns eine Doritellung von den ungeheuern, in dichtgedrängter Majje dahinjtürmenden, fait endlojen Scharen zu geben, wenn fie der Herbitzug übers Meer führt. Die meilten unjerer Stare mögen bereits in Südeuropa überwintern, in Spanien, Italien, auf der Balkanhalbinjel; mandje mögen jogar bis ins nördliche Afrika ziehen, während andere jchon im jüdlichen Srankreid, in der jüödlichen Schweiz und in Oberitalien das Siel ihrer Reife erblicken. Unjerm Winter jind jie entflohen, aber Gefahren anderer Art warten ihrer. Mit Neben, Schlingen, Sallen, Slintenfchüffen werden fie von den Sübd- europäern empfangen, die ja alles in den Mund jtecken, was Sedern und Slügel trägt, und junge Stare jchmecken jo übel nicht. Aber jie find aud) nicht frei von Schuld. Trauben, Seigen, Oliven werden von den Schwarzen Scharen in arger Weile gebrandjchaßt, und wenn jchon wir es dem Staren- volk nur jchwer verzeihen können, daß es unjre Kirfchbäume oft in der rückjichtslojejten Weile plündert, wieviel weniger werden wir es unjern jüdlihen Nachbarn verdenken dürfen, wenn fie ärgerlich jind über die Dlünderungen der Stare, die ihnen den angerichteten Schaden durd Der- zehren von Kerbtieren und Würmern während der kurzen Seit ihres Auf- enthalts weit weniger vergüten, als unjern Garten und Kirjchplantagen- belißern. Sehr häufig geichieht es, daß Rleinere Trupps von Staren jich ent- \hließen, dem rauhen Winter unjerer Heimat Troß zu bieten. Es ilt, als könnten jie jich nicht trennen von dem Bretterhäuschen, das Seuge war ihres itillen Samilienglüks. Immer wieder juchen es die Därchen auf; \pielend jchlüpfen jie hinein in die dunkle Behaujung oder jagen fich umher 70 Dr. Bethge. Kiel, Mai 1907. Star im Bade. im Beält. Das Männchen verjucht noch einmal jeine pfeifende und jchluchzenoe Strophe oder reicht dem Weibchen ein paar Halme, die diejes in den Kalten trägt; Kurz, jie betragen jich genau jo, als jollte das Brutgejchäft nod einmal beginnen. Wenn aber dann der Novemberjturm raub durch die Baum: wipfel jault und auch das lefite Blatt ein Spiel der Winde wird, jo ziehen ji) die Stare aus dem Obitgarten oder dem offnen Land zurück an den Waldesrand, bejonders gern in ein gejhüßtes Tal, und jo ilt es nichts jeltenes, da man aud) in den kältejten Monaten, im Dezember und Januar, an jolchen Stellen Rleineren oder größeren Gejellichaften von Staren be- gegnet. Bisweilen jind jie ganz munter und Ihwahen jeelenvergnügt, als könne ihnen Schnee und Kälte nichts anhaben, bisweilen aber machen jie einen gar Rläglihen Eindruck: der Hunger hat jie geihwächt. Hlancdhem mag er die Glieder gelähmt haben, dal er flugunfähig eine Beute jeiner Seinde ward — man Bann ermattete Stare nicht jelten mit den Händen greifen — mancher jucht mit dem Schnabel die harte Eiskruite zu durch: ichlagen, mit der der Rauhfroit die Schneedecke überzogen hat; aber jeine ZA Kraft it dahin, ohnmädtig finkt er nieder, noch ein Sucken mit den STügeln und dann —- vorbei, vorbei! Es werden in harten Wintern gar nicht felten tote Stare — auch andere Kleinvögel —- gefunden, bei denen das abgeitoßene Kleingefieder am Schnabelgrunde deutlich zeigt, wie fie Jich abgemüht haben, unter dem hartgefrorenen Schnee irgend etwas Öenieh- bares zu finden. Aber die meilten überjtehen doch jchlieglich die jchlimme Seit, wenn fie auch jet aufgepluitert jo jtill beieinanderjigen im Gebüjd, das immer dichter zugedeckt wird von den herabwirbelnden Slocken. Woran fie wohl denken mögen? An die Regenwürmer und Käferlarven vielleicht, die fie, hinter dem Pfluge des Landmanns einherjchreitend, in großer Hülle auflajen, oder an den Kirichenjegen, den ihnen der Sommer bradte. Was war das doch für eine lultige Seit, wenn jie mit Kind und Kegel nad) der Niederung zogen, wo die jühen Srüchte zwei Wochen früher reiften. Dann kehrten fie wieder zurück in ihre eigentliche Heimat; und gingen nad) einigen Wochen auch hier die Kirfchen ihrem Ende entgegen, jo ward nod) ein Kleiner Beutezug hinauf ins Gebirge unternommen. „Wie gemütlic jaß es fich auf den fanften Wollenträgern, den Schafen, die den ganzen Tag auf der grünen Trift weideten; mit unjerm Schnabel durdhjitöberten wir das dichte Dließ und zogen manche wohljchmecende Secke aus ihrem ver- borgenen Winkel. Aud; vor den großen Kühen fürchteten wir uns nid, ohne Scheu jeßten wir uns auf ihre breiten Rücken, wo wir den geplagten Tieren Bremjen und Stechfliegen wegfingen. Dann Ram der Herbit, und wenn uns aud) der Brotkorb etwas höher hing, allerlei Beeren gab es in reiher Sülle, Schnecken und kleines Gewürm bot jich noch hie und da, und jelbjt die Korallenroten Früchte der Eberejhbäume oder Getreidekörner, wie wir fie auf den Stoppelfeldern auflejen konnten, fanden ihre Liebhaber, jobald es nichts Beljeres gab.“ — So mögen die Hungrigen träumend |chwelgen in Erinnerung vergangener Seiten. Sei getroit, du Kleine frierende Schar ! Noch ein paar Tage oder Wochen, und alle Not hat ein Ende. Schon ver- heißen die dicken Blattknojpen an Baum und Strauch den baldigen Einzug des Srühlings. ® jelige Seit! Schwaßend und pfeifend jigt ihr dann wieder vor euren Häuschen, und wir Menjchen jehen mit verklärtem Blick hinauf zu euch, ihr Tieben gefiederten Herolde des nahenden Lenzes! Der große Bradypogel. Don Hermann Löns. Im Bruce Klingt eine neue Stimme. Bisher hatte der Birkhahn das große Wort; wenn die Macht noch auf den Wiejen lag, trommelte und blies er |chon, und wenn die Sonne hinter den jchwarzen Kiefernwäldern ver- \hwand, war er wieder auf jeinem Balzplaße, tanzte und jprang und zijchte und Rollerte. Tot lag das Brud; noch, die Wiejen waren nod) fahl und all- nädhtlidy hing der Reif in dem Ried. Die Silberkägchen der Weidenbüjche werden zu blankem Golde, an den Gräben jchießt das junge Ried empor, die Blütenknojpen der Gagelbüjche dehnen jich, der Bach begrünt fich mit Wajjeritern. Da Rlingt das neue Lied über das Brud. Ein Slöten ilt es,'weich und rund, ein Trillern ilt es, laut und hell, Rlingt jauchzend und jubelnd, jammernd und Rlagend, jchwillt an und erlijcht, ijt hoch oben in der Luft und Klingt unten von der Erde, verhallt in wehmütigem Öewimmer und erhebt jich wieder zu gellendem Gejubel. Ein großer, langflügeliger Dogel jchwebt über den fahlen Wiejen, kreiit in jchönem Bogen, wiegt ji in anmutigem Sluge. Wie Silber blitt er in der Sonne; nun dreht er jih und leuchtet wie Gold, Kommt in den Wolkenjchatten und wird zum jhwarzen Kreuz und jteht auf der Wieje als brauner Pfahl. Hocbeinig und langhalfig ilt er und jein langer Schnabel ilt jchön ge= bogen. Stolz blickt er um fich und vorjichtig |päht er umher, ob der Habicht nicht um die von gelbem Rohr umjäumten braunen Erlenbüjche heran- ihwenkt, ob nicht der Sucdhs hinter den Gagelbüjchen herjchleicht oder ein Menjc den Damm entlang kommt. Dann dreht er den langen Hals, zupft mit dem Schnabel jein roitgelbes, Ihwarz geitriemtes Rückengefieder, den weißen, braungeitreiften Bürzel, die helle, leicht getupfte Slanke. Jäh fährt der Schnabel aus den Sedern, auf- merkjam äugt der Dogel zum Himmel, wo ein großer Dogel heranrudert, aber beruhigt pußt ji der Brachvogel weiter, denn der Schwarzroc da oben ilt der Kolkrabe, ein harmlojer Gejelle für ihn. Mit gewihtigem Gange jtelzt er durch die feuchte Wieje, bei jedem Tritte bedächtig nickend und mit den dunkelbraunen Augen bald das lNToos 75 durchipähend, bald das Moor und den Himmel überblickend. Der lange Schnabel nimmt die Raupe vom Halme, die Schnecke aus dem Mloofe, jtochert den Käfer unter dem Erlenlaube hervor, pflückt die vorjährige Mloor- beere, findet die Eulenpuppe im Torfmoospoliter und die Köcherfliegenlarve in der Wajjerrinne. Eine weiße und eine braune Weihe jchweben über die Bagelbüjche. Der Bracpogel äugt nad) ihnen und jagt beruhigt weiter. Dicht bei ihm wirft ji) das balzende Weihenmännden faujend bis dicht an die Erde und Reckert gellend, ohne daß er id) darum kümmert. Aber dann macht er einen langen Hals, wird jteif wie ein Stock, erhebt ji mit heilerem Warnruf und jteigt eilig in die Luft, jchrill flötend. Ein zweites Slöten von dem Bache her antwortet ihm. Da jchwebt jein Weibchen in der Luft und beide Rreijen über der Süchlin, die quer über die Wiefen angejchnürt Rommt, nad) Enteneiern juchend. Gellend pfeifend und jchrill flötend, eilig rudernd und dann jäh hinabfahrend jtoken die Brachvögel nad dem Suche, heben jich, jenken jich, rufen die Krähen herbei, locken die Kibite heran, melden es der Mooreule und dem Raub- würger, daß der rote Räuber da ilt, und die Hetjagd geht quer über die Wiejen hin. Die Krähen jtechen quarrend nad) der Füchlin, höhniich quäkt die Mooreule und rüttelt über dem Schleicher, jchrill Richert der Würger und die Kiebitie taumeln quiekend rechts und links neben ihr herum. Mit einem Sate gewinnt die Süchfin die braunen Büjche und es wird wieder jtill im Bruche von groben und harten Stimmen, und nur das ÖGejchmetter des Baumpiepers und das bezirpe der Rohrammer herricht in der Runde. Koh oben am blauen, leicht bewölkten Himmel Rreijen die beiden großen Dögel und erfüllen das Brucdy mit ihrem ÖGeflöte und Öettriller. Der Bauer, der an feinen Staugräben arbeitet, die ihm das Winterwaljer zujchlämmten, legt die Hand vor die Augen und jieht zu den Dögeln empor und ohne daß es ihm zum Bewußtjein Rommt, freut er jih an dem Wedhjel der Sarben ihres Gefieders, das, je nachdem das Sonnenlicht darauf fällt, jilberweiß jchimmert und goldig glänzt, und angeregt durch ihr wohl- lautendes Trillern und ihr jüßes Slöten jpißt er die jchmalen, zugeRniffenen Sippen und pfeift bei der Arbeit leife das Lied vom Brommelbeerbujche vor ji) hin, das die Mädchen Sonntags abends jingen, wenn jie untergehakt über die Dorfitraße gehen. Jeden Tag von früh bis jpät pfeift und trillert das Brachvogelpaar über dem Bruce. Die Gagelbüjche blühen auf und umjäumen die Wiejen mit rotem ÖGeloder, an den Gräben leuchten die goldnen Kuhblumen, an den Birken funkeln Smaragden, die Krüppelkiefern bekommen goldrote Kerzen und ein Jatter beruch von Juchten und Kien geht vor dem lauen Winde her. Die Ringeltauben rufen, die Turteltauben jchnurren, abends mecern rund- 74 " _ v Vs TE and, Mai 19006 Ianuiden, Holl Ihlüpften Jungen. Steenhuizen, Großer Brahvogel beim Nejt mit eben ausge Br En 7 Er Fr N herum die Heerjchnepfen und die Stegenmelker jpinnen und rufen. Aber alle, aud) die kreifchenden Weihen und die Reckernden Mooreulen, des Grün: ipechtes jchallendes Gekicher und des Kolkraben rollenden Ruf übertönt der Bracpögel Liebesgeflöte und Minnegetriller, und mitten in der Nacht nodh,, wenn nur die Rohrdommel ruft, Rlingt der Swiegejang Über der mond- hellen Weite. Tief unten im Bruche, wo das Wajjer bis in den Juni hinein die Wiejen verjauert, wo ungeheure Gageldikungen jich aneinanderjchliegen und der Erlenbah fußhohen Schlamm abladet, wo die Bauern fat nie und ganz jelten die Jäger hinkommen, da kommen die Brachvögel jeden Morgen her, dahin jtreichen jie jeden Abend, bis dab eines Tages immer nur einer auf die Wiejen Rommt und nach Schnecken und Gewürm herumijtochert. Da hinten in der Wildnis liegt, von Moor umgeben, von Gagelbüjchen um- Jäumt, eine trockene Stelle, mit Wollgras und Heide bejtoct, und mitten darin Jißt auf den vier großen, bräunlichen, dunkelgefleckten Eiern die Henne. Das Wajjer jhüßt jie vor dem Suchje und ihr bodenfarbiges Gefieder vor dem Habicht und der Rohrweihe. Und wenn das Slugraubzeug dicht über jie hinjchwebt, jie rührt jich nicht, denn hod) genug ragen die Ried- halme, um jie zu verbergen, und die Ichwarzen Streifen ihres vötlichegelben Rücens täujchen den jcharfen Augen der Räuber trockenes Torfmoos vor, auf dem der Seggenhalme Schatten liegen. Stumm und heimlich Rommt zu beitimmten Seiten das Männchen herangejchwebt, Rreijt hod) über dem Teite, läßt jicy weit davon nieder, hält lange Umjchau, jchlüpft verjtohlen durd) das Bujchwerk und das Geitrüpp und Tölt die Henne ab, die Jidy ftill von dannen jtiehlt und jich erit weit vom Heite in die Luft erhebt. Treulic) brütet der Hahn, bis das Weibchen feinen Hunger geftillt und jein Gefieder geordnet hat, und erit, wenn es ji wieder dem Mejte naht, jchlüpft der Hahn von dannen und geht auf die Würmerjuche, immer jorgjam achtend, ob nicht irgend ein Seind jich nahe. JIit das der Fall, jo erklingt jein Warnruf quäkend über das Bruch und es erjchallt jein Angjtpfiff, und feit drückt jich die Henne auf ihr Gelege, bis die Warnrufe verklingen und jie den Kopf wieder erheben darf. Die bunten Eijchalen jpringen auseinander. Dier graugelbe, braun- \hwarzgefleckte Junge zirpen unter der Henne herum, orönen mit dem Rurzen, leicht gekrümmten Schnäbelchen das wollige Gefieder und wagen ih in das verfilzte Dickiht von Heidkraut und Wollgras hinein. Ihnen voran |chreitet die Alte, Teile lockend, und führt die Kleinen von dem liltorte fort. In dem dichten, mannshohen Gewirre der Bagelbüjche !ind die Jungen jiher ; das dichte Blattwerk |hüßt fie vor den jpähenden Augen von Rohr- weihe und Habicht, Mlooreule und Krähe, und das dürre GBeält und das trockene Gras macht es Sucs und Iltis unmöglich, jich lautlos zu nahen. ICH Ein Gewimmel von Mücken, Stechfliegen und Geljen jchreckt alle ab, lich in das Dickicht zu wagen, und felbjt das Großwiejel meidet jie. Die Gagelbüjche wacjen jeder für ji und bilden eine Bülte neben der anderen, und zwilchen ihnen zieht jicy ein Irrgarten jchmaler Steige hin, bald offen, bald von Riedgras überhegt, bald trocken und von zartem Mulm erfüllt, bald feucht und moraltig und von Torfmoos überwuchert. Hier wachen die jungen Bracdywögel heran. Reichliches SZutter bietet ihnen die heimliche Dickung. Jede Lake wimmelt von Mückenlarven, in allen Torfmoospolitern jtecken die feilten Larven der blinden Sliegen und Bremjen und der Morait ilt gejpickt mit den fetten, lang gejhwänzten Maden der Schlammfliegen. Überall hujchen Spinnen, Rriehen Räupcen, krabbeln Käfer, flattern Motten, und da, wo am Ufer des Erlenbadhes die Kalla mit ihren fetten Blättern den mannstiefen Schlamm überzieht, wo gewaltige Dolden ihr kraujes Blattwerk über den naljen Boden jpreizen, da Kriechen die Klebrigen Berniteinichnecken in Menge, da ilt jede Lache, jedes Waljeräderchen zwilchen den moojigen Wurzeln erfüllt von allerlei jhwimmendem und Rriechendem, fliegendem und jchwirrendem Gejchmeiß. Niemals kommt ein Nenjch dahin, und jelbjt der Jagdaufjeher meidet den Ort, feitdem er einmal bis an den Hals in den Mloder jank; einzig allein Rohrlänger und Pieper, Saunkönig und Rohrammer jdhlüpfen dort herum, und ein alter Rehbock mit hohem, weitem, dunkelbraunem Gehörn und eisgrauem ÖGejichte nimmt dort Stand und warnt mit dröhnendem Bajje, wenn der Wind die Witterung von Mlenjc oder Hund heranträgt. Ab und zu verirrt jih vom Slujje der Sijchotter hierher, aber die Mücken und Önitten plagen ihn zu jehr und jo jchleicht er immer jchnell wieder von dannen. Selbit im hohen Sommer, wenn die Sonne das ganze Bruch austrocknet, iteht hier in der Senkung das Wajjer, und jo ilt immer Ruhe und Srieden hier; auch der Kuhhirt bleibt hier fort, denn dürftig und ungejund it die Weide und zu gefährlich ilt der grundlojfe Boden für das Dieh. Oben im Bruce Klingen die Senjen zum zweiten Male. An den trockenen Stellen im tiefen Gagelmoore jchmückt fid) die Mloorheide mit roligen Glöckhen. Die jungen Bracpögel jind flugbar geworden und üben in der eriten Morgenhelle die Schwingen, immer von den Alten umkreilt, auf deren Warnruf fie jäh zu Boden fchiefen und in der Undurchdringlichkeit der Gagelbüjche verjchwinden, wo jicy das flügge Birkwild verbirgt und der alte Bock jchon im zehnten Jahre der Bemühungen des Jägers |pottet. Ganz jelten nur jehen die Bauern einen der jehs Brachvögel, aber der Jagd- aufieher, der in der Mondnadht über die Wiejen kommt, hört jie hoch über ich flöten und locken. In einer warmen Augultnacht, als er jicy zur $rühpürjch rüjtet, hört er jie wieder pfeifen. Unaufhörlich pfeift es hody oben in den Lüften, 18 Hunderte von Bradhpögeln jind es. Don weit und breit haben jie jich mit ihren Jungen zujammengejchlagen, Sinnländer, Sibirier, Dänen, Ditpreußen, Pommern, Oitfriefen, Holländer. Als der Jagdhüter im Morgengrauen durd; die Seldmark auf der Geeit jchleicht, um den Seüthirichen aufzupajien, Slugbilder eines amerikanijden Brahvogels. die Nacht für Nacht im Buchweizen jtehen, pfeift es rings um ihn und verjchwindet lockend und pfeifend in der hohen Heide, und in dem unlicht: baren Schwarme it auch das Brutpaar mit jeinen Jungen, das unten im Bruche am Erlenbache brütete. Die Nächte durch wandern die Schwärme der großen Dögel, tagsüber liegen jie auf freiem Seld, juchen Schnecken und Würmer und geben act, 79 dah Rein Menjch auf Büchlenfhufweite ji nähert. Naht jich ein Nlenich oder ein Hund, dann jteht der ganze Trupp auf und jtreicht laut Klagend ab und fällt erjt wieder ein, wo freies, weites, menjchenleeres Seld ihm Jichere Rait bietet, und nur, wenn dicker Hebel auf der Slur liegt, fühlen jie jich jiher und lajjen den Menjchen näher herankommen. So kommt es, daf jie der Jäger jelten erbeutet, wenn es nicht aus dem Schirm auf der Birkhahnbalz oder von der Krähenhütte aus gejchieht, denn der große Bracpogel rajet auf den Uhu jo jcharf, wie die Krähe. Aud auf dem Suge droht ihm wenig Gefahr, da er zu vorjichtig it und zu hod) fliegt, jo daß er von den Majjenmördern am Mlittelmeere und auf dejjen Injeln recht felten erbeutet wird, und jelbjt in der Winterherberge in Afrika meidet er den Jäger und kommt ihm nur jelten jchußgereht. Die Um: änderung der Mloore zu Weiden und Wiejen, die andere Dögel, zum Bei: jpiele die Heerjchnepfe, beeinträchtigt, Rommt ihm jehr zultatten, denn er ilt ein ausgejprochener Grünlandsmoorvogel, und da auch Hühnerhabicht und MWanderfalke, die einzigen unjerer gefiederten Räuber, die dem erwachjenen Bracdpogel gefährlih werden können, recht jelten geworden jind, jo it für ganz Norddeutjchland feitgeitellt, dat jich diejer jtolze Dogel jeit zwanzig Jahren bedeutend vermehrt hat, eine Tatjache, die jeden Sreund der Tier: welt um jo mehr freuen Rann, als jie neben der Sunahme des Schwarz= pechtes den einzigen Fall daritellt, dah ein großer, Ichöner und unjchädlicher Dogel bei uns häufiger geworden ilt. 80 Bläaßhuhn und Rohrhuhn. Don Martin Braeß. MWillit du den jungen Lenz finden, die eriten Boten, die er voraus- gejchickt hat, jeinen Einzug zu melden, jo folge uns an das Ufer des Kleinen Sees, der eingebettet liegt zwijchen den dunkeln Schollen des Ackerlandes ! Noch ruhen die Blütenjchäfchen der Weiden unter den bräunlichen Schuppen; aber der verjüngende Saft ilt jchon emporgeitiegen, dab die jchwanken Ruten rotgolden leuchten im Sonnenitrahl. Don den Reijern der Hajel hängen die Kätichen herab und jtreuen bei jedem Lufthauch gelblichen Blütenjtaub aus in jolcher Menge, dat; ein wenig davon doch hängen bleibt an den purpurnen Öriffeln der winzigen weiblichen Blüten, jo jehr Jie ji} veritecken mögen in lieblicyer Scham. Auch aus den Altchen der Erlen hat die Sonne die weichen Käßchen hervorgezupft, und wahrhaftig, die alten Pappeln drüben am andern Ufer zeigen audy jchon den verheifungs- vollen rötlihen Haud) am Umkreis des Altwerks. Auf der Wajjerfläche im dunkeln Schatten des Sichtenbeitandes ruht noch eine dünne Eisichicht, aber jchon morgen Rann fie verjhwunden jein, denn überall ilt jie durdh- löchert, ein rechtes Bettlergewand. Und jieh, hier zu unjern Süßen, da Iprießt und jproßt es jhon im jeichten Gewäller, neues Leben in zartem Grün — beglückende Sarbe der Hoffnung! Das Schilf läßt zwijchen dem abgeitorbenen Wujt der alten Stengel und Blätter die eriten Spitchen neugierig hervorjchauen; Rohrkolben und JIgelkolben treiben ihre knoten- lofen Halme; der Wallerhahnenfuß will aus der Tiefe emporiteigen, und auch die länglichrunden Blütenköpfchen der Peitilenzwurz heben jich empor ans Licht; nod) ein paar Tage, und fie öffnen die purpurnen Blättchen. Schon hat jid) der braune Grasfrojch eingeitellt. Swei oder drei verliebte Pärchen jind’s, die hier im jeichten Waller Sitten, nachdem jie wohl eben erit ihr Winterveritek im Schlamm oder unter Laub, Erdjchollen u. dergl. ver- lalfen haben. Und dort, zwilhen den welken Rohrhalmen und dem ab- geitorbenen Schilf, das die Winterjtürme zujammengetrieben haben in jene ihlammige Budt, da regt jih’s auch, das neu erwacte Leben; jchwarze Geitalten jind’s, Wafjervögel, die nad) Entenart jich bewegen in dem gelb- braunen Pflanzengewirr. Willkommen aud; ihr, Herolde des Srühlings! Ehe Dögel I. 6 81 der Kiebit jeine Slugkünjte übt über den Wiejen und Ackern am Ufer des Sees, ehe das erite Schwalbenpärchen die Brujt wieder eintaucht in den Waljeripiegel, da jeid ihr es, ihr dunkeln Gejellen, die uns das Hahen der bejjeren Seit verkünden. Aufs anmutigite beleben die jhwarzen Bläßhühner im Dorfrühling unjere Teiche und Seen. Sreilich, die Färbung ihres Gefieders it dülter ; jamtjchwarz der Kopf und der Hals, jchieferfarben das übrige Sederkleid, nur der Schnabel leuchtet blendend weil bei den Alten und ebenjo die Stirn- bläjje, die fait hinaufreicht zum Scheitel. Aud) der gellende Lockton „‚grö”, der bald einzeln, bald mehrmals hintereinander ausgeltoßen wird, daß er weithin ihallt über Waller und Land, hat für uns nichts Derlockendes; aber das ganze Leben und Treiben der gejelligen Gejchöpfe, bejonders ihr inniges Samilienleben, bietet jo anmutige, lieblicye Süge, da wir zu jeder Jahres: zeit immer wieder uns freuen über die muntere Schar, die jich ohne Scheu dem Blick zeigt, fait auf jedem jtehenden Gewäller der Heimat. Meit it die Reije gewil; nicht gewejen, die unjere zehn oder zwölf Bläßhühner in diefen Tagen zurückgelegt haben; denn gegen Kälte nicht bejonders empfindlich, überwintern fie jchon in Südfrankreich, auf der Iberifchen Halbinjel, in Oberitalien, in Griechenland und auf den Injeln des Mittelmeers. Oftmals harren einige auch aus in den milderen Sirichen Ölterreihs und Ungarns, im Rheinlande und im Eljaß; ja auf manchen Schweizer Seen jind Bläßhühner im Winter eine ganz regelmäßige Er: Icheinuna, und jelbit in nördlicheren Gebieten, in Bayern und Sadjlen, in Braunjchweig, in Weitfalen, bei Hamburg, in Schleswig=holltein, in Däne- mark, jogar im jüdlichen Norwegen hat man in milderen Wintern jchon wiederholt ganze Gejellichaften angetroffen, ebenjo auch in Belgien, Holland und auf den britiichen Injeln. Die Reijenden wandern des Nadıts. Kein Srühling vergeht, ohne da; man die hoch in der Luft dahinziehenden Dögel an ihrer Stimme erkennt; es jcheinen gewöhnlicy nur Kleinere Trupps zu jein, die jich zunädit auf einem größeren Teich oder See Jammeln, um ih dann auf all die Kleinen Gewäller der Umgebung zu verteilen, jobald die Eisdecke gejhmolzen ilt. Hier verweilen jie nun bis zum Spätherbit, denn von größeren Ausflügen ilt unjer Bläßhuhn Rein Sreund; es fliegt hödhjlt ungern nur. Nähert man jih vom Ufer aus einer Gejellichaft, jo Ihwimmen die Tiere nady der freien Mitte der Waljerfläche, wenn jie es nicht vorziehen, ji im nahen Schilf zu verjtecken. Hat man jid) aber leile in ihre Nähe geichlichen, jo fliehen jie haltig, halb laufend, halb fliegend, jobald jie den Beobachter wahrnehmen; aber zu einem wirklichen Slug, der dann immer nahe über dem Wajjer dahinführt, kommt es nur jelten. Das Wajjerlaufen it für das fliehende Bläaßhuhn jehr charakteriitiich; es ihlägt die Slähe jo kräftig mit jeinen Lappenfüßen, daß man das 32 Aunasboym a9 Ypou Inlps sog uallopaaa aauynyasllom wig 'g HMasnoysSoppiIM H. Meerwarth. Riddagshausen b. Braunschweig, September 1900. Wajjerhühner und Rohrhuhn (links oben). plätjchernde Geräufc weithin hört und nod) lange Seit an den vingförmigen Wellen die ganz geradlinige Flucht verfolgen kann. Dabei werden die Slügel jeitwärts gehalten und jehr jchnell, fait zitternd auf und ab- bewegt, der Hals aber weit nad) vorn geitreckt. Swingt man endlich die Dögel zum Auffliegen — wenn mehrere Menjchen von verjchiedenen Stellen des Ufers aus fie beunruhigen, kann man es, namentlih im Srühling, wo das niedrige Schilf noch wenig Schuß bietet, leicht erreichen — jo Ihwingen jie fich mit großer Anjtrengung empor, ziehen die anfangs herab- hängenden Beine an, durchkreuzen rufend die Luft nady allen Richtungen, laljen jid) aber, wenn irgend möglich, nicht abdrängen von der Nähe des Wajjers, jondern fallen wieder auf der Mitte des Teiches ein, jobald Jie glauben, daß die Gefahr vorüber. Bejjeres Ieiltet das Bläßhuhn im Schwimmen. Die langen Sehen an den übermäßig großen, jeitlich zulammengedrücten Läufen, jtellen mit ihren eingekerbten, dünnen Schwimmlappen ausgezeichnete Ruder dar; dazu ilt der ganze Körper mit dem weichen, pelzartigen Kleingefieder der Unterjeite 85 jo breit, dah er, leicht wie ein Kork, beim Schwimmen nur wenig einjinkt im Waller. Auch das Tauchen veriteht unjer Wajjerhuhn vortrefflich, wenn es aud) in diejer Kunjt nicht Jo Eritaunliches leiltet wie 3. B. der Hauben- tauchyer und jeine Derwandten. Bejonders jet im Dorfrühling ilt es an- gewiejen auf dieje Sertigkeit; denn jeine Nahrungspflanzen, die verjchiedenen Saihkrautarten, das QTaujendblatt, das Hornblatt und mande andere, zwilchen deren Grün jich oft Silch- und namentlid) Srojchlaich verbirgt, haben ja die Oberfläche noch nicht erreicht. Mit einem Rleinen Sprung taucht der Dogel, den Kopf zuerit, unter den Wajjerjpiegel, um nad) einigen Sekunden Ihon wieder auf der Släche zu erjcheinen und zwar ungefähr an derjelben Stelle, wo er hinabtaudyte. Aber auch bei plößlicher Gefahr, wenn es ihm nicht möglich ilt, auf freiem Waller jicy) zwilchen Schilf und Röhricht zu bergen, jucht er bisweilen jein Heil im feuchten Element, und gewiß mag es auf dieje Weile manchem Blähßhuhn gelingen, den Angriff einer Rohrweihe oder eines andern Raubvogels zu vereiteln. Nach den Beobachtungen Naumanns rudert dann der geängitigte Dogel ein gutes Stück unter dem Waljer fort, Rlammert jidy unten an Pflanzenitengeln fejt und jteckt nur den Schnabel und den Kopf bis zu den Augen aus dem Wajjer, jo daß er nicht leicht zu bemerken ilt. Auf feitem Lande erblickt man das Bläßhuhn ziemlich felten; es jteht dann, die Bruft erhoben, Hals und Kopf zurückgebogen, wie es bei den hohen, weit hinten eingelenkten Beinen die Wahrung des Gleichgewichts fordert, ruhig da, mit jeinen Rleinen dunkelroten Augen nach allen Seiten um jid) jchauend, oder rennt eiligen Laufes in geduckter Haltung nad) dem Ufer, um jo jchnell als möglich das bergende Schilf zu erreichen. Eigentlich kehren unjere Wallerhühner viel zu früh zurück aus der Winterherberge ; denn jet Ende März können fie nody nicht daran denken, ein Mejt für ihre Brut zu errichten. Selbjt im April find die Spißen des aufkeimenden Rohres nody jo niedrig, dab fie den Dogel, der an Größe einer mittelgroßen Haushenne ungefähr gleihkommt, nicht völlig verbergen. Und jo muß unjere Bläjje mit dem Sortpflanzungsgejchäft gewöhnlich bis gegen Ende April warten, wenn ihr nicht altes Röhricht die Anlage des Neites audy jchon früher geitattet. Dann mag es vorkommen, daß man Ihon gegen Mitte April ein volles Gelege findet und Anfang Mai die ausgejchlüpften Jungen; doch das jind Ausnahmen. Im allgemeinen jind die Bläßhühner friedliche Tiere; nur im Srühling it Sank und Streit an der Tagesordnung, und wenn auch kein Blut dabei fließt, das Balgen und Beißen, Herumflattern, das Plätichern und Schreien nimmt erjt dann ein Ende, wenn die Brutzeit beginnt. Bejonders auf einem kleinen Teiche it es für die einzelnen Pärchen nicht leicht, ji zu be- haupten. Neue Ankömmlinge jtellen jich ein, und die Kleine Wajjerfläche 86 aauyndyasllom a 7 7 re) ’ 2 iit bald überfüllt. Da gilt es denn, mit aller Kraft die Eindringlinge zu verjagen und das laujchige Plätchen zu verteidigen, das zur Aufnahme des Neites erkoren wurde. Natürlich jind es die Männchen, die am hibigiten ihr Eigentumsreht zu wahren juchen, aber aud; die Weibchen beteiligen ih nicht jelten an der Rauferei. Es dauert nicht lange, jo erhält unjre Bläßhühnerihar noch andre Gejellichaft; das grünfüßige Rohrhühnden jtellt jih ein, ein wirk- lich allerliebjtes Gejchöpf. Swar ilt das dunkle Kleid des neuen Ankömm- lings, der an Größe jelbit unjere Rleinjte Entenart, die niedliche Krickente, nod) nicht erreicht, im ganzen aud) einfach gefärbt — olivenbraun Rücen und Slügel, dunkel jchiefergrau die Unterjeite, Kopf und Hals ziemlich Ihwarz — aber der leuchtend weiße Streifen an den Tragfedern der Seiten und die weißen Unterjchwanzdecken kommen doc) hübjch zur Geltung, zumal das Rohr: oder Teihhühnchen meilt mit emporgeitelztem und etwas aus- gebreitetem Schwanze dahinihwimmt. Die Hauptzierde bildet aber aud) bei ihm die Stirnbläjje, die hier im jchöniten Hochrot erglänzt und jic nad) vorn in die leuchtend gelb gefärbte Spite des Schnabels fortjeßt. Der jonderbarite Schmuck jedody ilt eine gleichfalls hochgelb bis zinnober- rot prangende Stelle oberhalb der Serie; man Rönnte jie einem bunten Strumpfband vergleichen, das den Abjchluß der jo eigentümlic lichtgrünen Sußbekleidung bildet. Der großen Hlenge it unjer Teihhühnden, wohl auch vecht paliend „Rotbläjje“ genannt, ein unbekannter Dogel, obgleicdy es ich gerade auf den kleineren Teichen und QTümpeln, die jo zahlreih im Lande zer- itreut jind, bejonders gern einfindet. Kein Wunder, der niedliche Dogel führt ein recht verborgenes Dajein; er veriteckt ji in dem dichten Blatt- werk von Rohr, Schilf und anderen Wajjerpflanzen und verrät jidy häufig nur durch den oft wiederholten Rlangvollen Ruf ‚„kürrk“ oder ‚‚kurr“ (Doigt). Sreilich, jet im zeitigen Srühling Rann auf der freien Släche des Teiches der Rleine gefiederte Schwimmer unjerm Auge nicht entgehen. Es ilt ein einzelner Dogel, ob Männchen oder Weibchen, Rann man nicht unterjcheiden. Behend jhwimmt das Tierchen umher, jo jchnell und munter, daß man jtaunen mub, wie gejchickt es jeine Süße zu gebrauchen veriteht, obgleich die langen Sehen keine Spur von Schwimmhäuten aufweijen; dabei wippt es unaufhörlicy mit dem aufgerichteten Schwänzchen und nickt beitändig mit dem kleinen Kopf auf dem Sförmig gekrümmten Balje. JIett taucht es unter, wahrjcheinli um etwas ÖGeniekbares zu erwildhen, und erit nad) einem Weilchen kommt es an anderer Stelle wieder zum Dor- ihein; jeßt jteuert es dem gegenüberliegenden Ufer zu, und jeßt jchiebt es jeinen kleinen Körper auf ein Büjchel abgeltorbenen Schilfes, um aus- zuruhen und das Gefieder zu pußen und es einzufetten mit dem ÖL, das 89 die Bürzeldrüje in reichlicher Menge bereit hält. Um die Bläkhühner kümmert fich unjer einfames Teihhühnden nit; es jcheint nur an den Gatten zu denken, der vielleicht erit in ein paar Tagen jich einftellt; denn gar oft läßt es jehnjuchtsvoll jeinen Locruf hören, namentlich gegen Abend und während der Nadıt. Die Teichhühner wandern ja auch wie die Bläßhühner zu nädhtlicher Stunde, einzeln meilt oder doch nur in ganz kleiner Gejellfchaft; man vernimmt Anfang April ihr helltönendes „‚Kickickick" bisweilen hodhy aus den Lüften. Im Sliegen leilten die Teihhühner nichts hervorragendes; man möchte eher von einem Slattern reden, jo jchnell und kurz werden die geitreckten Slügel auf: und abwärts gejchlagen, und man jtaunt, wie es den ungeübten Sliegern möglid) ilt, den NReileweg in dody gewiß; Kurzer Seit zurückzulegen. Sreilidh übers Mittelmeer werden wenigitens die bei uns brütenden Rotbläjjen wohl Raum zu fliegen brauchen; die meilten jcheinen gleich den jchwarzen Waljerhühnern in Südeuropa zu überwintern, ja einige von ihnen jind bisweilen jo Rühn, dem weihbärtigen Herricher des Nordens audy bei uns Troß zu bieten. So hat man jelbit in Jütland noch das niedlihe Teichhühnchen während des Winters an: getroffen. Eigentlich jcheu jind die Rotbläjjen nicht, ja jie werden dort, wo man jie unbehelligt läßt, jogar ziemlid) zutraulih. Es find Fälle bekannt, dal Jidy einzelne den Haushühnern anjchlojfen und auf dem Hühnerhofe ji mit füttern ließen; doc; es jind dies natürlicdy jeltene Ausnahmen. Dorlichtig bleiben jie immer, und wenn jie audy dur vorübergehende Menjchen id) kaum jtören lafjen, jo juchen fie doch jofort das Bergende Schilf auf, jobald jie ji beobachtet willen. Werden fie erjchreckt, jo rennen fie flügelfchlagend über die Wajjerfläche dahin, erheben fich wohl auch mandymal zu wirklihem Sluge; in der hödjlten Angjt aber tauchen fie unter, jo daß Jie jpurlos verjchwinden. An Pflanzenteilen Rlammern fie jih dann an und heben nur den Kopf ein wenig über das Waller. Liebe beobachtete die Teichhühner bei diefem Kunitjtückchen. Er erzählt: „Sucht man jeßt die Oberfläche des Wajlers behutjam mit dem Auge ab, jo jieht man... das Blatt einer Teicdhlilie oder Seeroje ein wenig gehoben und darunter das Auge des Teihhühnchens, das, ohne ji zu regen, den Blattitiel umfaßt hält und unter dem Schuße des Blattes eben nur einen Teil des Kopfes über den Wajjerjpiegel erhebt; man kann aud) die leile Bewegung des Blattes jehen, wenn das Hühnchen an dem Stiele emporklettert.“ Immer heimlicher wird das Leben unjerer Bläßhühner im Monat Mai. Schon jeit Wochen haben jie jich häuslic eingerichtet im hohen Schilf, das lie unjern Blicken verbirgt. Mur hie und da jieht man in dem dunkeln Wald der Wajjerpflanzen eine weißje Stirnbläfje aufleuchten oder ein einzelnes Teihhühnden ji tummeln auf der freien Mitte des Wajlerjpiegels. Dom 90 -Quomag sypaı !>bpgQ u Joy sywz uynyayoy "sobr ww 2 x S ’ ® w/ Br BEIRES EB a en = B f Zimmermann. Parsteinsee b. Angermünde, Mai 1906 Wajjerhuhn. Tejt mit nod) unvolljtändigem Gelege. Ufer aus ilt es jchwer, die vorjichtigen Tiere bei ihrem Brutgeihäft zu belaujchen; von einem Kahn aus, den man behutjiam dur das Röhricht zwängt, lajjen jie ji) aber gut beobadıten. Auf einer niedrigen Landzunge, die ziemlich dicht mit den Büjchen der großen Uferjegge bejegt üt, zeigt jih, Raum ein paar Su vom offnen Waller entfernt, das nied- lichjte Bild: ein brütendes Teichhühnchen inmitten der Tinealförmigen Blätter einer Tarer-Staude. Das jcharfe Dogelauge hat den Eindringling natürlih längjt bemerkt, aber ruhig verharrt der Dogel auf jeinem Neit, jolange jih aucd der Beobadter jtill verhält, um den anmutigen Anblick möglichit ITang zu geniefen. Die Blätter in der Mitte des Bujches ind niedergetreten und bilden die Grundlage für das Meit, dejlen Rand ziemlidy fjorgfältig aus grünem und abgeitorbenem Blattwerk derjelben Wallerpflanze gewoben ilt. Die flacye Mulde wird von dem Körper des brütenden Dogels ausgefüllt; man erkennt deutlic) die weihen Tragfedern an den Seiten, den orangefarbenen Schnabel und die leuchtend rote Bläjje am Dorderkopfe. Bis auf 5 oder 6 Meter Rann man jich der lieb- 95 lihen Strandidylle nähern; aber nur eine einzige unvorlichtige Bewegung, und ohne einen Laut von jicy zu geben, it das Teichhühndyen im Ufer- geitrüpp jpurlos verfhwunden. Jeßt kann man die acht Eier mit Muße betrachten. Ein mattes Roitgelb mit grünlihem Schimmer bildet die Grund- färbung, auf der zahlreiche Raltanienbraune Punkte und Slecken ziemlich gleihmäßiq verteilt find. Die Eier zeigen alle eine vollendete Ovalform — nicht Rreijelförmig, nicht Rugelig. In der Größe mögen Jie die Mitte halten zwilhen Tauben: und Kiebieiern. Es ilt nicht zu bejorgen, dal; der geitörte Dogel nun fein Gelege im Stiche läßt. Das grünfüßige Teihhuhr ilt in diefer Beziehung wenig empfindlich; es Rehrt jtets un- verdroflen zurück zu feiner Pflicht, wenn es audy wiederholt verjagt wurde. Selbjit ein oder zwei Eier darf man getrojt wegnehmen, ohne dal der brütlujtige Dogel vergrämt wird. Namentlidy wenn die Jungen dem Aus: \hlüpfen nahe jind, lallen jicy die Alten jo leicht nicht vertreiben. Auch nody mehr Teiter finden jich im Uferjchilf des Teiches. Hier ruht ein joldhes auf einem jchwimmenden Brettchen, das jich eingezwängt hat zwijchen zwei oder drei Büchel der Uferjegge; dort ilt ein anderes breitblättrigem Rohrkolben anvertraut, und an jener Stelle gewährt ein alter zerbrochener Silchkalten, der halb eingejunken it im jchlammigen Ufer, eine willkommene Unterlage. Recht verjchieden find die Nejter gebaut, lorgfältig verflodhten oder liederlich zulammengefügt, unförmlich groß und breit, oder Klein und zierlich gerundet, bauchig der Napf, eine HalbRugel fait, oder nur eine janfte Dertiefung. Das Gelege bejiteht meilt aus act bis zehn Eiern; doch jcheinen jic jüngere Pärchen auch mit jechs oder Jieben Stück zu begnügen. Auch den Bläßhühnern Rann man jeßt einen Wochenbejucd ebitatten. Am Rande jenes Schilfwaldes, ganz vom Waller umgeben, \ind alte Rohr: itengel zu einem großen Haufen zujammengetragen; wirr liegen lie Ourd)= einander, am Sortichwimmen nur gehindert durch einige Halme von Binjen und Schilf, die aus dem Waller ragen. In der Mlitte birgt der jcheinbar Runitloje, lockere Bau einen hübjch gerundeten Wapf, der mit feinerem Material, mit dünnen Halmen und Gras, mit Rohrjpigchen und jungen Schilfblättern ausgekleidet it, damit die Eier weich und warm liegen und liher vor Mälje. Das volle Gelege zählt wenigitens jieben Dis acht Eier; doch hat man häufig auch weit mehr in einem leite angetroffen. sehn bis vierzehn it Reine Seltenheit, ja es jind Sälle bekannt, wo Jiebzehn, neungzehn, jelbjt zweiundzwanzig Eier in einem einzigen Weite vereint waren. Natürlid haben dann wenigitens zwei Bläßhühner demjelben Yejte ihre Pfänder der Liebe anvertraut — war ein Pärchen zu bequem, ein eigenes Heim zu bauen, oder fehlte es an geeigneten Pläßen? Die Eier des Bläf- huhns jind bedeutend größer als die der Rotblälje; jie erreichen die Schwere 94 "pdusrlipips usppiuyad wow Ino synasdoymyt 229 ng uynyasallom uas nDySs.1 IPPIM von Rleinen bis mittelgroßen Hühnereiern und zeigen als Grundfärbung ein ganz lichtes Lehmgelb, bisweilen auch einen grünlichen Anflug; nur jind dieje Töne durch eine Unzahl Ihwarzbrauner Pünktchen getrübt, die die Oberfläche gleihhmähßig bedecken. Niedliche Dinger jind die Kinder unjerer Bläßhühner, ein wenig ruppig zwar die haarigen Dunen, aber doch allerliebit, wie jie mit leijem Piepen den Eltern folgen, die jie bekannt machen mit der großen Welt. Alle Wajleritraßen im Rohrwald, an dejlen Rand ihre Wiege jtand, Ternen lie Rennen, dann die Kleine benadybarte Bucht am Wiejenufer und endlich draußen die freie Släche des Teichs. Die Jungen jind ganz anders gefärbt als die Alten; jie tragen ein jchiefericywarzes Dunenkleid, mit jilberweißen Spigchen bejeßt. Das eigentümlichite aber it die prächtig hochrot gefärbte Umgebung des Auges, das kleine lichtrote Blähchen auf der Stirn und der blaßrote Schnabel, der in jchneeweiler Kuppe endigt. Den jungen Teidh- hühnchen gleichen jie jo jehr, dah ie, aus der Ferne gejehen, Raum von ihnen zu unterjcheiden jind; nur it ihr Körperchen etwas KRräftiger, und die Lappen an den sehen belehren jeden, der ein jolches Tierchen in der Hand hat, welcher Samilie es angehört. * * * Der Sommer hält jeinen Einzug. JIeßt hat das Leben den Höhepunkt erreicht auch am Ufer des Teichs und auf jeiner glifiernden Släcdhe. Schon von ferne tönt uns das lujtige Konzert der unermüdlichen Sumpf und Droljelrohrjänger entgegen, knarrend, als hätten jie’s gelernt vom pausbädigen Srojch, zwitichernd wie Schwalbengejang, Rlangvoll wie die Strophe des bartenjängers, piepend und pfeifend, quiekend und quäkend: ein Quodlibet, wie es toller nicht gedacht werden kann. Dazu das Liedchen des Rohrammers, der Grasmücen und Gartenjpötter, Baumpiepers Kas nariengelang, Saunkönigs jchmetternde Sanfare, des Buchfinken fröhlicher Schlag und das helle Glöckchen der Meilen. Das it ein lujtiges Treiben in Baum und Strauch am bewaldeten Ufer, in Rohr und Schilf und Ge= itrüpp. Aber auc draußen auf dem Wajllerjpiegel, weld) liebliches Leben ! Es ilt, als wollten die jtolzen Eltern einander die Kinderichar vorführen, die Bläljen und die Teihhühndyen, die Haubentaucher und Rothalstaucher, die Stock- und Tafelenten und die Kleine, niedliche Krickente. Am zahl: reichiten jind die Bläkhühner vertreten; wenigitens fünf oder jechs Pärchen tummeln ji mit den Kleinen auf der Waljerfläche. Hier zählt die fröhliche Kinderichar jieben, dort acht Köpfe, bei einem Paar kann man Jogar elf oder zwölf jolch niedlicher Küchlein zählen. Dem Lockruf der Alten ‚‚Rröw, kröw“ antworten die Kleinen mit bereits recht kräftigen Pieptönen. Über Dögel 1. 7 97 die eriten Tage der Kindheit find die meilten hinaus; das Rot an der Stirn iit jo ziemlich verjchwunden, auch der Schnabel hat ji jhon jhmußig weil gefärbt, und ordentliche Federn verdrängen die Dunen. Manchmal entfernt ji ein oder das andere der Jungen ziemlich weit von der Mutter, ja das ganze Häuflein zeritreut jich bisweilen, bejonders wenn es Jidy übt im Unter: tauchen; dann lockt die ängitliche Alte ihre vorwißigen Kleinen wieder zu: jammen, und aud der Dater, der wachlam auf jede Gefahr achtet, hilfi ihr die Kinder herbeirufen. Allerliebit it es zu jehen, wie dieje jid) nod) füttern lajjen von ihren Eltern, auch dann noch, wenn Jie bereits ver- itehen, felbjt ihre Nahrung unter der Wajjerfläche hervorzuholen. Der alte Dogel taucht unter; mit irgend einem Wajlerinjekt, einem Wurm, einer kleinen Schlammjchnecke oder auch mit etwas Grünem Rommt er wieder empor, und dann reicht er den leckeren Bijjen einem der bettelnden Schnäbelchen, um jofort wieder zu tauchen — Jie wollen ja alle gefüttert jein. Dder jieh, jene Familie dort in der Nähe des jchilfigen Ufers! Die Jungen haben Eijchale und Veit wohl erjt vor ein paar Tagen verlajjen und wagen jih nody nicht recht hinaus auf die freie Släcdye des Teiches. Während auch hier der Dater die Samilie zu führen und zu bewachen jcheint, gibt die Mutter praktijchen Unterricht. Unermüdlicy macht jie es den Kleinen vor, wie jie hinabzutauchen haben ins feuchte Element. Dabei geht jie ganz jyitematiich zu Werke, ein Pädagoge könnte lernen von ihr. Anfangs füttert jie die Jungen mit Kleinen Injektenlarven unmittelbar aus ihrem Schnabel; je&t aber legt fie ihnen den lockenden Billen auf das Wajjer, damit fie jelbjt zugreifen lernen. Und it dies hinreichend geübt, jo zeigt jie den begierigen Blicken der Kleinen Schar nur ganz Kurz, was Schönes jie aus dem Wajjer geholt hat, taucht dann unter, und wer ihr die jüße Lockjpeile abnehmen will, der muß ihr nun folgen unter den Wajjer- jpiegel. So lernen die Jungen nicht nur tauchen, jondern auch unter dem Waller freiien — es muß eben alles gelernt werden. JIeßt it die Lektion zu Ende, die Kleinen Lappenfühchen jind müde ; eng jchmiegen Jich die dunkeln Dunenbällhen an die Mutter, und langjam ziehn jie durchs Rohr, im Dikidht verjchwindend. Auc die grünfühigen Teichhühner geben ihren Kindern Unterricht. Bald hat jich die muntere Schar um die beiden Alten verjammelt, bald folgt die eine Hälfte dem Dater, die andre der Mutter; jebt eilen alle wieder auf leßtere zu, da jie joeben etwas Geniebares im Schnabel hält und mit janftem „duc, duch” es ihnen vorlegt. Nun wird ein Wettichwimmen unternommen; mit jchnellen Ruderjchlägen entfernen ji die Alten, und gleich jagt und jtürzt die Kleine Schar hinterher. Wie die dünnen Süße das Waller jchlagen und die winzigen Slügeldhen zittern — jie möchten ja alle die Belohnung haben, die der Sieger erhält. Auch das Untertauchen 98 FH. Meerwarth. Riddagshausen b. Braunschweig, September 1906. Wajjerhühner auf bewegtem Wajjer. A. Radclyffe. Dugmore. Nordamerikanijhes Rohrhuhn. Charakterijtiihes $lugbild. A. Radclyffe Dugmore. Nordamerikanijhe Wajfjerhühner. Charakterijtiihes Slugbild. wird geübt, wie bei den Bläßhühnern. So treiben’s die munteren Tiere den ganzen Tag, bis die Alte, auf einem niedergetretenen Schilfbüjchel jigend, die ermüdeten Kleinen unter ihre Slügel nimmt, während der Dater Wade hält bei der Samilie. Ein anderes Pärchen führt jchon größere Kinder mit lich, bei denen zwilhen den dunkeln Dunen bereits überall Sahnenfedern hervorjproljen. Sie müffen nun endlich jelbjtändig werden, denken die Alten und treiben mit heftigen Bewegungen, wohl auch mit leichten Schnabelhieben die bettelnde Schar von fich; nur dem Rleiniten, dem Mejthäkchen, reicht die Mutter noch ab und zu einen Bijjen. Bald haben ja die Eltern nötigeres zu tun, als lid) nody abzugeben mit ihren halberwacdjjenen Kindern; der Gedanke an eine zweite Brut geht ihnen im Kopfe herum. Nur ab und zu nody widmet der Dater ihnen ein freies Stündchen, wenn er die Mutter nicht ablöjen muß beim wieder aufgenommenen Brutgejchäft, bis jchliehlich nady drei Wochen die glücklichen Eltern mit der zweiten Kinderichar auf dem Wajjer erjcheinen. Gleich jind auch die älteren Gejchwilter bei der Hand, die neuen Ankömm- linge freudig zu begrüßen, und nun kann man ji nicht jatt jehen, wie ein jedes den Kleinen einen guten Bijjen reicht oder, altklugen Kindern gleih, es ihnen vormadt, was jie alles zu lernen haben, Tauchen und Wettihwimmen und flügeljchlagend übers Waller zu laufen. * * * Die Tage jind kürzer geworden. Schon jchüttelt der Herbititurm die Bäume, daß das gelbe und braune Laub in tollem Spiel herabwirbelt von den Sweigen. Die Stare haben jicy zu großen Gejellichaften zujammen- geichlagen und juchen des Abends ihre gemeinihaftlichen Schlafpläße auf im Rohre oder im Wald. Das le&te Schwalbenpärchen jagt über den See, und riejige Schwärme von Raben- und Mebelkrähen ziehen kräczend von Seld zu Feld. Das Rohr am Ufer ilt gelb geworden, vielfach geknickt vom rauhen Sturm, dem Dorboten des Winters. Trübe Wolken bedecken den Himmel. Abjchiedsitimmung ! Auch unjere Wajlerhühner rülten jich zur Reije nach dem wärmeren Süden, wo nicht, wie in der Heimat, eine Eisdecke auf den Teichen jedes Tauchen nadı Nahrung monatelang unmöglih macht. Unruhig |hwimmen Tie hin und her zwijchen dem welken Schilf, einander lockend und warnend. Was jollen jie nod} hier in der Heimat! Die Herbjtmaufer ilt beendet, und die Jungen Jind herangewadjen, jo groß beinahe wie die Alten, daß ie aus der Kerne nicht leicht zu unterjcheiden find. Nur die Stirn und der Schnabel leuchten noch nicht in dem fchneeigen Weik, wie bei den alten Bläjjen, und die Mitte des Unterkörpers erjcheint viel lichter infolge der hellen Säumchen jeder einzelnen 105 Seder. Auch die jungen Teihhühnchen haben ihr JugendRleid abgelegt; doch unterjcheiden fie jih von den Alten durch die ganz Kleine Stirnblälje, die jtatt des jchönen Rot ein jchmußiges Grün zeigt — nur an der Spibe beginnt der Schnabel fic) gelb zu färben —- und durch die lichtere, mehr bräun- liche Sarbe des Rückens und die weihliche Unterjeite. Die hübjchen Samilien- bilder aus der Sommerzeit fucht man vergebens; einzeln oder in Rleineren Trupps, wie jie der Sufall zujammenführt, treiben jich die Dögel im Schilf oder auf dem freien Waller umher, oft mit den Slügeln jclagend und jheinbar ohne Grund, mit plätjcherndem Geräujch über die Fläche laufend, als wollten fie jich erheben in die Lüfte. Ein paar Tage vielleicht warten jie nody mit der Abreije; dann aber, wenn der Abend jid) jenkt über die itille Slur, wenn graue NWebeljchleier aufiteigen am Waldesrand, flattern jie empor, höher und höher in die Rlare Herbitluft —— verlaljen liegt der Teich. Sreilih Bejuch bekommt er noch manchmal in den näditen Wochen und Monaten, Reijende, die aus nördlicheren Gebieten Rommen und hier ein Weilchen ralten im jchüßenden Schilf. Die Bläßhühner haben ja ein außerordentlich großes Derbreitungs- gebiet. Ganz Europa und Alien, mit Ausnahme der nördlichiten Teile, iit ihre Heimat, von Island an bis nad) Japan, von den Kapverdilchen Injeln durch Nordafrika bis nad den indiichen Gewällern; dazu wohnen aud in Amerika, Auftralien und in dem größten Teile von Afrika noch nah verwandte Arten. Salt dasjelbe gilt von dem grünfühigen Teichhuhn. Es dringt nad) Norden vor bis ins mittlere Schweden und bis zu gleicher Breite in Ruß- land; es ilt nachgewiejen im öltlichen Sibirien, in China und auf Sormoja, ebenjo aber audy in Algier und Ägypten. Man fieht, was ein paar Slügel wert jind, jelbjt wenn jie nur ungern gebraucht werden, und man jtaunt über die falt wunderbare Anpajjungs- fähigkeit eines Dogels, der in Sibirien bis zum Polarkreije brütet, in Island jelbit im Dezember beobachtet wurde und doch auch Standvogel it im Nildelta. 104 Der Criel. Don Hermann Löns. Die weite Släche zwijchen dem Kiefernforite und der Seldmark it ein ganz trauriges Stück Land. Nur an einer einzigen tiefen Stelle unter dem Sandberge gibt es dort Wajler, jonjt ilt weit und breit alles dürrer Sand. Der Sörjter hat verfucht, Kiefern darauf hoc zu bringen, aber die meilten hat die Sonne verbrannt oder der Rüfjelkäfer umgebradt, und nur einzelne haben es durchgehalten und frilten mühjam ihr Dajein neben einem halben Dutend Rrüppliger Birkenbüjche. Bier und da in den Bodenwellen hat ein hohes Sandrohr jich angeliedelt, ein weigblaues Büjchelgras bildet dürftige Bülten, jchwarze, harte Moospoliter und zunderdürre graue Slechtenkrujiten bedecken den Boden. So traurig das Stück Land aber aud) ilt, ganz ohne Leben ilt es nicht und zuzeiten hat es jogar allerlei Blumen. Das Sandveilchen jhmückt jich mit lichtblauen Blüten, die Saunlilie behängt jich mit weißen Sternen, die Sandnelke läßt ihre rojenroten Köpfe glühen, des Kafenpfötchens Trugdolden leuchten von Schwefelgelb bis Orangerot, im Sommer überzieht jich der Quendel mit rötlichem Blau, im Srühherbite jpriegt aus den niedrigen Politern der Sandheide eine Fülle rojiger Kelhe. Am jchöniten it es aber um Pfingiten hier, wenn des Bejenginiters dunkle Ruten über und über mit goldenen Schmetterlingsblüten prangen. Dann haben es die Sauneidechlen gut, die zwilchen den glifernden Seuerjteinbrocken nach Käfern, Sliegen und Raupen jagen, und die grünen und graubraunen, flinken Sandläufer, die in der Sonne hin- und herjchwirren. Auch Sandbienen und Erdweipen tummeln ji) dort und dültere Schmetter- linge, und mit Dorliebe jagen über der fonnigen Släche Shimmernde Waller: jungfern. Don größeren Tieren läßt jih nur der Haje hier blicken und nachts zieht das Rotwild über die Sandblöße zu Felde und jcheucht die Heide= lerche und den Brachpieper auf, die hier in der Sandöde ein ruhiges Leben führen, falls nicht der Sperber oder der Lerchenfalk fie in Angit verjeßen. Gerade jo, wie es hier ilt, öde und dürr, gefällt es den beiden Rleinen grauen Dögeln, deren Gefieder genau dem Sande angepaßt it. Yoch ein anderer Dogel lebt hier auf der Sandheide, auch ein Jandfarbiger Dogel, aber er ilt viel größer, als die Heidlerche und der Brachpieper, taubengroß und hochbeinig. Su den Regenpfeifern gehört er, ilt mit dem 105 Steenhuizen. Wassenaar, Holland, Mai 1900. Triel, im Begriff, jih zum Brüten niederzujegen. Kiebi und dem Aujterfiicher verwandt, aber er ähnelt ihnen nur im Bau, denn jein Gefieder ilt lerchenfarbig und jeine großen Augen Jind gelb wie die einer Eule. Er ilt aud) ein Dämmerungsvogel, gerade wie die Heidelerche und der Bracdhpieper, die meiltens nur vor Tage und gegen Abend jo recht munter jind und jich bei der hellen Sonne jtill verhalten. Derbirgt jie jid aber am Spätnachmittage hinter den Wolken, dann ruft die Heidelerche ihr „Diöli” und der Pieper läßt fein „Griedlichn” hören. Der dritte im Bunde aber, der Triel, verhält ji immer noch ruhig. Er hat jich zwar jchon aus jeinem Sandlager erhoben, hat eifrig mit dem 106 Steenhuizen. Wassenaar, Holland, Mai 1900. Triel, im Begriff, ji zum Brüten niederzujegen. itarken, gelben, jchwarzbejpißten Schnabel jein jandfarbiges Gefieder nad juckenden Gälten abgejuht, auch die jchmalen Flügel gejpreizt, dah die braunfhwarzen Schwingen jic) Icharf von dem weihjen Sande abheben, aber jo recht munter ijt er noch nicht. Er zieht den weißbäckigen Kopf wieder bis auf die hellgejtriemten Schultern, macht die gelben Glotaugen halb zu und iteht jteif und jtumm auf den kräftigen gelben Stelzen da. Dor ihm trippelt der Brachpieper im Heidkraut umher und jucht nad) jungen Heujchrecken, die Heidlerhe hat ji aufgejhwungen und dudelt hoch vom Himmel herab ihr Liedchen, langjam hoppelt ein Haje aus den Kiefernkuljeln zu Selde. 107 Plößlich reift der Triel die gelben Augen auf und reckt den Hals. Dor ihm rajchelte es leije. Da fährt ein winziger grauer Schatten hin und her. Jett ilt er hinter dem Heidkrautbüjchel verjhwunden. Mit zwei unhör- baren Schritten jeiner langen Beine it der Triel dort angelangt und mit den Blättern des Sandrohres und dem Sande verjchmolzen. Der Rleine graue Schatten hujcht hinter dem Heidkraute hervor, blißjchnell, aber doc nicht jo flink, wie der gelbe Schnabel. Es quiekt und in dem Schnabel hängt, am Nackenfelle gefaht, eine halbwüchlige Seldmaus und dreht ji und zappelt. Bart wirft jie der Triel gegen den Boden, jein Schnabel jtöht einmal, zweimal, dreimal darauf los, da rührt die Maus jich nicht mehr. Roc, zwei, drei, vier Schnabelhiebe, und dann verjchwindet die Beute in dem weiten Rachen des Dogels. Der jchüttelt jein Gefieder, baujcht es auf, faltet es wieder zujammen, macht einen langen Hals und zieht den Kopf wieder ein. Und dann ruft er laut in den Abend hinein. Ein jeltjamer Laut ilt es, der Ruf des Trieles, halb dem Slöten des großen Bracdpogels ähnlidy, aber nicht jo voll, nicht jo rund und jo rein, mehr Rreilchender Art. „Krählit“, Rlingt es über das Sandfeld, und von weither antwortet es: „Krähzi, Rrä=ih”, langgezogen und Rlagend. IVeugierig Rommt die Nachtichwalbe, die vor dem Sorite auf: und abjagte, herangeitrichen und rüttelt über der Sandblöße, wo ein fahler Schatten hin- und herjtreicht, aber fie findet nichts, denn fo wie einer der Triele wieder auf dem Boden Iteht, ilt er verjchwunden, als hätte ihn der Sand aufgenommen. Bald hier, bald dort erklingt der kreijchende, heijere Lockruf, jet auf dem Sandberge, dann in der Slugjandblöße, und nun bei dem Wajjerloche im Grunde. Hinter den fernen Sandbergen verjchwindet der lete Abglanz der Sonne. Dom Sorjte ertönt das Seufzen der Dhreule, in dem Wajlerloche Täuten die Seuerkröten, jtreichende Enten jchnattern vorüber. Die Triele jagen. Schnell, wie Trappen, rennen jie über den Sand. Kein Käfer, Reine Raupe ent: geht den gelben Augen, jeder Stein wird umgedreht, alle Rindenfegen beijeite gejcharrt. Der harte Rüljelkäfer und die weiche Hrille, fie wandern ebenjo in den Kropf, wie die Berniteinichneke am Rande des Tümpels und der Regenwurm, den die derben Fühe aus dem verrotteten Schafmilt Iharren, und der dreihörnige Mliltkäfer findet genau jo jchnell jeinen Tod, wie das jährige Taufröjchchen, das im feuchten Moofe fit. Dann aber, nachdem an dem Tümpel getrunken ilt, geht es in wildem Geilterfluge hin und her über den Sand. Hier jhwankt ein Schatten, dort irrt ein fahler Wilch, heiler Rlingt es vom Waldrande her und Klagend von der Trift. Dann wieder ilt es jtill; der eine Triel ilt in dem Sang- graben verjhwunden, den der SHöriter gegen die Rüjjelkäfer anlegte, und er füllt jeinen Kropf zum Plaßen mit all dem Kleingetier, das zwijchen halb: 108 — Steenhuizen. Wassenaar, Holland, Mai 1906. Triel brütend. verhungerten Kröten, Sröjhen und Molchen in den Sanglöchern umher: riecht, und auch eine halbwüchlige Eidechle, die dort hineinrutichte, wird totgehackt und hinuntergejchluckt. Der andere aber jucht die Trift ab, wo es in den Kuhfladen von Gewürm lebt und webt, und von dort jchwebt er zu der Wieje hin, Schnecken zu juchen, und weiter zum Selde, wo es Raupen und Käfer gibt, bis er wieder auf der Sandblöhe anlangt, wo das Weibchen jchon längit wieder auf den Eiern Jißt. Ganz gewaltige Eier find es, falt jo groß, wie Kleine Hühnereier, aber anders gefärbt, jandfarbig, leicht grau und braun geitrichelt und 109 getupft, als jäßen Moos und Slechten auf einer Sandjcholle.. Weil fie wegen ihrer Särbung ganz mit dem Sande verjchmelzen, braucht Jid) das Trielweibchen auch nicht damit zu plagen, jie in einem ordentlichen Meite zu verbergen. Nicht weit von den beiden kümmerlichen Birkenbüjchen, wo zwijchen den zerjtreuten Sandgrasbüjcheln allerlei dürres Geält herumlag, Iharrte es die Steine zur Seite, Rraßte eine flache Mulde und legte gegen Ende des Monats April die Eier dorthin. Selbit wenn die Birken mit ihren Sweigen das Melt nicht bejchatteten, würde Rein Raubvogel es finden, jo jehr geht die Färbung der Eier und des brütenden Weibchens mit der Umgebung zujammen. Aucd die Jungen, die nach jechzehn Tagen ausjchlüpfen, zeigen in ihrem Dunenkleide, daß der Sand ihre Heimat ilt. Streicht einmal, was jehr jelten der Hall it, am Spätnachmittage die Kornweihe über die Sandblöße, jo ertönt jofort des Männchens warnendes „Bilit“, und aus den gelbgrauen Dögelchen, die hurtig im Graje umbherhujchen, werden zwei regungslole Klümpcen, bis, nachdem der Raubovogel längit vorüber ilt, der Mutter lockendes ‚Rick, rick“ fie wieder zum Leben erweckt. Aber den Tag über zeigen jidy aud) die Kleinen wenig und nur, wenn der Himmel jehr bedeckt it, führt jie die Alte ab und zu dort, wo die Heide höher und der Giniter länger it, in ficherer Deckung umher und zeigt ihnen, wie man die brille aus ihrem Erdloche jcharrt und wo die Käfer und Spinnen im lHlooje zu finden jind. Aber erjt, wenn die Dämmerung über der Landjchaft liegt, geht das eigentliche Leben für die vier Triele los, und die Blöße, auf der am Tage nur die Grillen fiedeln und die rotflügeligen Heidejchrecken jchnarren, ertönt dann von dem „Kräh?zliet” der Alten und dem „Kräsih“ ihrer Brut. Kommt dann die Sonne aber wieder über den Wald, jo liegt die ganze Gejellichaft dickgefrejlen und faul unter den Kkrüppelhaften Kiefern im warmen, weichen Pulverjand. Im September find die Triele auf einmal fort. Über Nacht zogen lie ab. Auf Sandblößen und Rahlen Brachen verjchlafen jie die Tage und die Nächte durch wandern fie. Hier und da jtöht Gejellichaft zu ihnen und in einem langen, jpiwinkligen Haken geordnet reijen jie weiter. Einige bleiben jchon in den warmen Ländern am Mittelmeere, die meilten überfliegen die Slut und verbringen den Winter in Afrika, ihrer alten, urjprünglichen Heimat. Dort, wo es warm und jandig ilt, gibt es das ganze Jahr über Triele. Nicht jo jcheu, wie auf ihren vorgejchobenen Poiten in Nord- oltdeutjchland und Holland, haben jie ji dort ganz an den Mlenjchen ge- wöhnt und verleben auf den flachen Dächern der Häujer den Tag. Des Hadhts aber jtreichen jie herab und treiben jicy in den Gärten und Seldern mit den fremden Trielen umher, die den Winter hier verbringen, und die nord- deutjchen Reijenden, die von den Deranden der Hotels in die monöhellen 110 Steenhuizen. Wassenaar, Holland, Mai 1906, Triel, eben ausgejchlüpfte Junge. Öärten jchauen, wundern ji über die großen, fahlen Dögel, die mit lautlojem Eulenfluge über die Orangenbüjche jchweben und Hhurtig über die Wege rennen, um Spinnen, Skorpione und Taujendfühe zu vertilgen. Daß es aud) in den Sandgegenden Deutjchlands dieje jonderbaren Nadht- vögel gibt, das wiljen jelbjt diejenigen Reijenden nicht, die zu Haufe die Jagd ausüben. Erbeuten jie zur Sugzeit einmal einen Triel, jo betrachten jie ihn verwundert und wiljen nicht, ob jie es für eine Swergtrappe halten jollen oder ob es nicht ein ganz fremder, ausländijcher Dogel it, der jich verflog, und hödhitens findet jich ein FHöriter, der den Dogel halbwegs kennt und ihn einen Brachvogel nennt. Aber der Bracvogel hat einen langen krummen Schnabel und keine gelben Augen, und jo jchickt man die Beute zum Mujeum und erfährt dort, dab es der Triel, der Dickfuß, der Eulenkopf, der Nachtregenpfeifer und ein deutjcher Brutvogel fei, einer von den Dögeln, die, wie die Weidenjumpfmeijle und die Swerglumpfhühner, nur den Dogel- kennern von Sad) bekannt jind. all Der Sijhadler. Don Martin Braef. Jahrhunderte Ramen und gingen, Gejchlechter erjtanden — ver- Ihwanden; wohin ihre Spur? — Du troßiger Recke im dunkeln Sorit, du Seuge der Dorzeit, noch ungebrochen die Kraft, wie jtol3 erhebit du dein Haupt, wie recjt du gewaltig die Glieder! Wer ilt’s, der dir gleicht unter all den Dajallen, die dich umgeben! Dom uf bis zum Wipfel cin König, du mächtiger Eihbaum, du Herricher des Waldes! Wetterjturm nahe ! wo ilt deine Macht? Seit troßt der Rieje und beut dir die Stirn. Sucket ihr Bliße, und trefft ihr den Helden, mit verdoppelter Kraft treibt es und grünt es rings um das zerjchmetterte Haupt. Dom Su bis zum Wipfel ein König: auch jegenjpendend und gütig. Mit mächtiger Hand fchüßeft du, wer hilfejuchend dir naht. Taujende wohnen bei dir, und vielen jpendeit du Nahrung, allen ein wirtliches Dad. Und deine Krone, du König ? Don einem König gekrönt, einem König der Lüfte! Oben im kahlen Geält jteht der majlige Bau, frei und doc) feit. Eben erhebt der Adler die Schwingen, die ihn tragen in fein unermeßlihes Reich, das auch du be- rührit mit deinem ehrwürdigen Haupte. Nicht von den Großen der Größte, der Gewaltigite nicht der Gewaltigen hat dich gekrönt, aber der Edeliten einer des edeln Geichlechts, voll Kraft und voll Stolz; würdig Jeid ihr euch beide! Wie er dahinjchießt frei durch den Äther, rajenden Slugs! Sern jind die Jagdgründe, nach denen er eilt — fern wohl dem Mlenjchen, nicht ihm, dem Herrjcher der Lüfte. Mehrmals am Tag jchwebt er über dem See und lauert auf Beute, mehrmals am Tag erjcheint er am Horit, die Hungrigen Jungen zu äßen. Ein Siichadler it's; die Menjchen wiljen’s nicht anders, itets trug die Eiche den Horit. War es der Dater des jeßigen Herrn, der ihn baute, war es ein Ahn nod aus früherer Seit? Wer könne es jagen! Aber verfallen ilt’s nicht, das Stammjcloß der Däter; von Jahr zu Jahr ilt’s gewachjen, von Jahr zu Jahr neues Leben: drei Sprößlinge edeln Geblüts unter der jchüßenden Obhut von Dater und Mutter. Trockene Sweige bilden den jicheren Unterbau, der von den drei oder vier dürren Altitümpfen des oberen Wipfels getragen wird; nur ein einziger 112 längjt abgejtorbener Knorren, mehrfacdh verzweigt, ragt darüber hinaus, willkommen als Sißplat beim Anflug. Stärkere Ajte, dann wieder dünnere Reijer, jo Lage auf Lage bis hinauf, einen Meter hody, wenn nicht noch höher. Wirr it die Außenjeite des Reilighaufens; denn Sturm hat’s oft= mals gegeben in der luftigen Höhe, der mandyen Alt herauswuchtete, dab er zu Boden fiel oder nur unjicher nod) zwilchen den andern haftet, ein Burt Fones. Nordamerikanijher Sijhadler am Horjt mit Jungen. Spiel der Winde. Einer hat nicht dran gebaut, jondern viele; in jedem Srühjahr gab es zu bejlern für die Bejißer gleich nad) der Ankunft, oben am Rand und drin in der Mulde, die ausgelegt ward mit jchwächeren Ruten, aud; grünen Reijern, ein paar Grasbüjchel drauf und etwas Baum- rinde. In den Fängen jchleppten jie gejchäftig das Material herbei, verjuchten es hier, verjuchten es da, zerrten mit dem hakigen Schnabel, oröneten alles Dögel 1. 8 113 gejchickt mit den Klauen und drückten es nieder mit jtarker Brujt. Immer waren beide am Horit bejchäftigt, das Männchen und das bedeutend arößere Weibchen. Hatten fie ein neues Ajtchen beigefügt, jo beichauten jie jich’s von oben, bald vom vertrockneten Wipfel aus, bald auf und nieder [ywebend rings um den Horit und immer jchreiend „kai, Rai“, halb klagend, halb zärtlid). Wenn dann der Mai einzog und die Buchen im lichten Srühlings- Rleide prangten, die Fichten und Tannen Millionen friichgrüner Sprojjen trieben, zuleßt auch der uralte Eichbaum jich |chmückte mit jungem Laube, Burt Jones, Nordamerikanijher Sijhadler. Horjt am Strand auf dem Boden. da lag dann immer im alten Stammjcloß das erite Ei des jtolzen Paares, zu dem ji) in Rurzer Srilt noch zwei gejellten, bisweilen auch drei. Diel: leicht Jind’s die Ichönften Raubovogeleier in Sorm und in Sarbe. So eben mäßig das edle Dval, nicht geitreckt und nicht Rurz, und die Färbung jo kräftig und lebhaft: fait reinweiß der Grund mit tiefbraunen Slecken und Punkten, oder rotbraun die Seichnung auf lichtgelber Släche, bald gleihmäßig verteilt, bald jich zulammendrängend mehr in der Mitte oder an einem der Pole. Drei Wochen ja dann die Gattin brütend im Borit; die Sonne brannte heiß hernieder auf den jchußlojen Dogel, Sturm und 114 de uodung u ylaog wo aa7gvplıg a9plıupyıaawogaon sauoß 7. ANT 8*+ FE ei a nt PSP Ad I DER Wetter 30g auf, es ächzte und jtöhnte der Eichbaum, der Regen raujchte vom Himmel, vermijcht mit prajjelnden Schloßen, aber unbeirrt jaß der Siihaar, geduldig brütend, und jchüßte die Eier mit jeinem Gefieder. Treu jorgte das Männchen für die einfame Gattin im Sorjte. Wie ein Punkt taucht es auf, fern an dem Himmelsgewölbe — das Icharfe Adlerauge er- kennt Jofort den Genofjen — jchon jieht man das glänzende Weil; der Dorderjeite im Sonnenlicht blinken. Hlöwen begleiten ihn flatternd, lüjtern und gierig |chrein fie nach Beute; was Rümmert es ihn? Sicher hält er den Siih in den gewaltigen Klauen, und die weitausholenden Schläge der Sittiche bringen ihn bald aus dem Bereicdy der lältigen Schreier. Krähen jtürzen jich jet ihm entgegen; jie fürchten den ftolzen Dogel nicht, der |tets es verjchmähte, mit dem Schwachen zu kämpfen oder Rache zu nehmen an den fchwarzen Gejellen. Doll Würde jchwenkt er ab aus der bisherigen Richtung; aber das Raubgelindel jucht ihm den Weg zu verlegen. Da iteigt er empor, leicht empor mit der Lalt, die er trägt; höher und höher zieht er die Kreile, Schon jchwebt er ruhigen Slugs über der Rreijchenden Schar, und nun jchießt er herab, in Paujen nur ruckweis nod) rudernd, nach dem einfamen Horit. Raujchend läßt er Jid) nieder und reicht dem Weibchen die Beute zum leckeren Mahl, einen Sijch aus dem kühlen Waller des Sees, weit jenjeits des Waldes. Mod) einmal jtreckt er die Slügel, dann legt er fie glatt an den Körper, dab ihre verlängerten Spißen den Rand des Schwanzes gerade erreichen, und nun hilft er dem Weibchen, das aud nod) jeßt jein Brutgejchäft nicht vergikt, beim Derteilen der Beute. Ein= oder zweimal am Tage verlieg auch der brütende Dogel den Horit, die Schwingen zu lüften über den Wipfeln des Waldes oder die kühle Luft zu atmen am Ufer des Sees. Dann war das Männchen jofort zur Stelle; es hütete die Eier vor lülternen Seinden. Meilt hockte es jtill im Horit — vielleiht ja es auch brütend auf dem Gelege — bisweilen erwartete es oben am dürren Altzinken fußend die Rückkehr des Weibchens, oder rufend 30g es jeine Kreije über dem Miltplaß. Jet liegen die Jungen im Horit, mit graubraunen Dunen jpärlicd, der Rücken bedeckt und weißlich die Unterjeite, plump noch und ungejchickt wie alle Raubvogelkinder ; wer möchte es glauben, dab jie heranwadjlen einit zu den freien Beherrichern des Luftraums! Aber jchon brechen die Kiele der Schwungfedern kräftig hervor, audy) verjuchen’s die Kleinen, ji aufzurichten und über den Meitrand zu jchauen. Mit unabläjligem Eifer Ichleppen die Eltern Sijche herbei; meilenweit in der Runde kennt man das Paar: der Soritmann, der Pächter der Seen, ja jelbit die gefiederten Bewohner des Waljers, Enten, Taucher, Wajjerhühncen und alles, was lebt im Schilf und im Röhridht. Diel Köpfe, viel Sinne! Stolz it der Sörfter auf die edeln Dögel, die nur jein Revier noch beherbergt, der einzige 117 Horit weit und breit — wie lange wird’s währen? Ein Sturm in der Herbjtnacht, Rrachend bricht er den trocknen Wipfel der Eiche entzwei und vernichtet das jtolze Gebäude. Im Srühling umkreijen dann die Dögel wohl noch einmal den O©rt, der das Stammjcdyloß der Däter getragen — ge= boriten, verjunken — und weiter rudern die Sittiche, fern in die Melt. Aufatmet der Silcher; jein jchlimmiter Seind, jo denkt er, ilt längit nun über die Berge, und mit lächelndem Schmunzeln jtreicht er im ÖGeilt jchon das Plus ein, um das der Sijchräuber ihn gebradt hat all die Jahre bisher; was kümmert es ihn, dab die Landjchaft um eine herrliche Sierde nun ärmer! Und die Enten und Taucher und all das Wajjergeflügel? Der Silchadler jtörte ie nicht; jie wuhten genau, dab ihnen Rein Leids gejchah. Wenn jie ihn jahen in weiter Serne, dann flatterten wohl einige auf und flogen erjchreckt nach dem jchüßenden Schilfe; jobald lie ihn aber erkannten am weißen Gefieder der Unterjeite und an den dunkeln Streifen, die jid) vom Kopf nad den Seiten des Halles herabziehn, da war alle Surcht gleich vergejjen. Wie oft jchon raujchte er über ihnen hinweg bliß- I\chnellen Slugs! Nach Siihen nur blickte jein Auge. In der Tat, es gibt kaum einen andern Dogel, dejjen Speijezettel jolche Einförmigkeit aufweilt. Silchkoit, nichts anderes, und zwar nie tote, nur lebende Silche, höchitens noch Sröjche, und dieje au) nur im Notfall. Erit jpät am Morgen verläßt der edle Sijcher den Horit; denn wenn die Nebel nody über den Wajlern lagern, Rann er die Beute nicht erkennen und vermag nicht, jicher nad) ihr zu jtoßen. Schnell hat er jein Revier er- reicht, den filchreichen Waldjee, über dem er in beträchtlicher Höhe, langjam die Kittiche Jchwingend, bedächtig dahinihwebt. Doc bald jenkt jid) jein Slug in jhön gejchwungner Spirale tiefer und tiefer; die Silchjagd beginnt. In der Höhe von 20 Mieter etwa umkreilt er den See, ein, zweimal. Plößlich hemmt er den Slug; wie ein rüttelnder Salke jteht er über dem Siich, den jein jcharfes Auge entdeckt hat. Da, mit vorgeitreckten Sängen jtürzt er in jchiefer Richtung auf das Waller hernieder; hoch Iprift der Gilcht, und Rlatichend jchlagen die Wogen über dem kühnen Taucher zu: jammen. Aber die Wellenkreije auf dem Waljerjpiegel haben das Ufer nody nicht erreicht, da erjcheint der gewandte Jäger bereits wieder, einen Itattlihen Silch in den eilernen Klauen. Langjam jteigt er empor, mit zit- ternden Bewegungen jucht er die Wallertropfen von den Slügeln und dem Dunkeln Rücken abzujchütteln; dann jchreit er voll Lujt, froh über den gelungenen Sang. Mad! dem Horit geht jein Slug. Bald zeigt jidy über den Wipfeln der Sichten der weibliche, weit größere Dogel, der bisher Wache hielt bei der Stammburg. Audy er betreibt den Sang wie der Öatte, das Gewäller zunädit in ralchem Slug von der Höhe aus abjpähend. Geht der Stoß fehl, jo verjucht er es wohl noch einmal, jtreicht aber, wenn’s dann 118 Burt Fones. Nordamerikanijher Sijhadler vom Horjt abjtreichend. er a, Anflug zum Borit. Nordamerikanijher Sijchadler. noch nicht glückt, ganz jicher nach einem andern Gewäljer. Auch Gefahren bringt das Sijherhandwerk mit ji; ein großer Sich ilt cft nur jchwer zu bewältigen, und es find Sälle bekannt, da jtärkere Karpfen und Hechte ihren Angreifer mit in die Tiefe gezogen und ihn ertränkt haben. Denn die nadelipigen, einen vollen Halbkreis bejchreibenden Klauen werden mit jolher Wucht in den Rücken des Sijches geichlagen, daf jie der Jäger meilt erit dann freibekommt, wenn er die Beute am feljigen Ufer, im Wipfel eines Baumes oder am Borite zerteilt. Schon wiederholt wurden ältere Siihe gefangen, die eingewadjlen im Rücken die grimmigen Waffen eines Siihadlers mit fich herumtrugen. Der Siih war jchwerer und jtärker gewejen, als der Dogel geglaubt, hatte diejen mit hinabgezogen ins feuchte Element troß verzweifelter Gegenwehr. Die Wunden heilten allmählich) im Rücken des Kaltblüters, jtückweis löjte jich der verwejende Dogelkörper, eine Beute der Siihe; nur die Klauen blieben zurück und zeugten davon, wie auch Tiere tödlich verunglücken. Mittags wird gewöhnlic; die Jagd eingeitellt. Männchen und Weibchen halten Siejta im geräumigen Horit oder auf einem hohen Baum in der lähe. Aber in den frühen Nachmittagsitunden erjcheinen die Sijcher abwechjelnd wieder über den Seen und Teichen. It der Sijch, den fie gefangen, nur klein, jo wird er jofort verzehrt, während fie größere Beutejtücke den Jungen bringen, oft attackiert auf dem Weg nad) dem Horjt von Reihern, Milanen, Mlöwen und andern gefiederten Räubern. Ein jchönes Bild, wenn der Silchaar auf dem hödjten Wipfel eines Baumes oder auf einer Klippe am Strand jein Opfer verzehrt. Derhältnismäßig Klein ilt der Dogel, einer der Rleiniten Adler, nur wenig größer als ein Bujjard; aber die langen Schwingen, die bis 185 Sentimeter Rlaftern, lajjen ihn mächtiger erjcheinen; dazu wild und mutig der Blick, kräftig jede Bewegung. Tief fährt die Spibe des krummen Oberjchnabels dem Sijh in den feilten Nacen, und nun zerrt der Adler an diefem im Sleijch verankerten Haken heftig und ruckweis mit jolcher Macht, dah die jtämmigen blaugrauen Sänge kaum zu wideritehen vermögen, bis jchließlich das Opfer zerreift. Auch die verlängerten jtrup: pigen Sedern am Scheitel, Nacken und Oberhals tragen viel dazu bei, dem Dogel einen wilden, abenteuerlichen Ausdruck zu verleihen, wie dem Indianer jein phantajtiicher Kopfichmuc. Bald nachdem die Jungen den Horjt verlaljen haben, dürfen jie die Eltern auf ihren Jagdzügen begleiten und werden von diejen unterwiejen, wie man der Beute auflauert, jie überfällt und bewältigt. Täglich Kehren die Jungen nod zurück zum Borit, wo jie die Nacht verbringen, bis ihlieglih jchon im September die Herbitreile angetreten wird, von der jie zurückkehren, jobald Strom und Bäche vom Eije befreit jind durd „des Srühlings holden, belebenden Blick“. 123 Der Slußadler ift Kosmopolit im eigentlichiten Sinne des Worts. Er bewohnt alle nördlihen Länder der alten.und neuen Welt ebenjo wie die Küjtengebiete des Indiihen Ozeans vom Roten Meer an bis nad dem malaiijchen Archipel und dem Norden Aultraliens. In Alaska und den Budfonsbailändern ilt er heimisch, im Süden der Dereinigten Staaten kennt man ihn gleichfalls, aber auch über den größten Teil von Südamerika iit er verbreitet. Swar hat man mit Recht die amerikanijchen Sijchadler, ebenjo die der auftraliich-papuanilchen Regionen als bejondere Subjpezies von unjerer europäilch-aliatiihen Form getrennt, doch ilt die Unterjcheidung nicht immer leicht; es jind eben nur lokale Darietäten derjelben Art, die zum Teil mehr in der Lebensweije als in der äußeren Erjcheinung von- einander abweichen. Während in Mitteleuropa im Lauf der legten fünfzig Jahre die Sifchadler infolge fortgejeßter Nachitellung als Brutvögel jehr jelten geworden jind — die meilten Horte, aber immerhin nur vereinzelt, finden jihb noch auf der Seenplatte, die NMorddeutjchland von Oitpreußen an bis Mecklenburg durchzieht — gewährt Nordamerika, bejonders die ganze Külte des Atlantiihen Ozeans von Kanada und NWeujchottland bis nach Slorida, ja bis tief in den Meerbujen von Nleriko, dem „american osprey“ oder „gray sea eagle“, gewiß auf lange Jahre nody Jichere Alyle; ja einige Gegenden beherbergen auf engem Raume Hunderte diejer jtolzen Dögel, 3. B. die Grafichaft Monmouth in New JIerjey. Bald bauen lie ihre Horte auf die Gipfel der hödhiten Bäume, bald auf Steinklippen unmittelbar an die Meereskülte, bald tragen jie ganze Wagenladungen von Holz, Sweigen und Seegras auf den bloßen Sand zujammen. An den \onderbariten ®rten hat man jchon das Heit des Silchadlers gefunden: auf dem Dad} eines verlaljenen Haujes, auf dem Rand eines Schorniteins, ja Matrojen entdeckten es einit auf einer im Ozean hin= und herrollenden Boje, wo das jcharfe, truthahnartige Pfeifen der jungen Dögel es war, das jie im Mebel warnte vor der Nähe der Klippen. Die meilten Horite beherbergte noch vor kurzem Plum Island, an der Mündung vom Long Island-Sund. Der nur drei Meilen lange Strand trug ungefähr 500 Horite, die Jahr für Jahr bezogen und in jedem Srühling mit frijchem Material vergrößert und ausgebejjert wurden. Auch an andern Drten wachen die merkwürdigen Weiter nicht jelten zu geradezu fabelhafter Höhe und Breite an, jo daß einzelne zu berühmten Wahrzeichen der Landjchaft geworden ind, allen Bewohnern bekannt. Die jonderbariten bejchreibt Mr. Charles S. Allen; jie itanden auf Sedernbäumen, deren Stämme jidy etwa 10 Suß erhoben. Darüber hatten die Dögel die ganze, gleichfalls 10 Suß hohe Krone des Baumes zu einem ungeheuren Nejt verflochten. Aus langen Stöken und Pfählen hatten jie die Grundlage für den Horit errichtet, eine Plattform von 10 bis 15 Su Durchmejjer, die jelbit über die größten 124 Durt Fones. Nordamerikanijher Sijhadler. Anflug zum Borit. Burt Jones. Nordamerikanijher Sijchyadler, vom Horjt abjtreichend. Sweige der seder hervorragte. Hierauf lag nun grobes und feineres Material, höher und höher gejchichtet, jo daf; die ganze Krone des Baums darunter verjhwand. Der jolide Bau Ronnte mit Leichtigkeit das Gewicht eines Mannes tragen. Oben eine Majje Sand und viel altes Mijtmaterial. Was hatten die Dögel alles zujammengetragen, freilich nicht das Paar, das augenblicklich hier brütete, jondern all die Gejchlechter, die im Laufe der j WW r* iv » Durt Jones. Nordamerikanijher Sijhadler. Slugjpiele. Seit Bejiter diejes Adlerhorites waren! Strandrecht in weitgehenden Sinn hatten die Dögel geübt. Nur einiges jei genannt aus dem interejlanten Derzeichnis, das Mr. Allen zujammengelitellt hat: Sahdauben, Teile von Rudern und Booten, von ledernen Schwimmjacen, Silchnete, Seile, Eier vom Hai, Heuredhen, alte Bejen, Sederwedel, Gummijchuhe und andere Schuhe, auch eine Schuhbürite und ein Stiefelknecht dazu, ein Daar Hojen, Dögel 1. 9 129 ein Strohhut, ein Stück von einem Südwelter, Sijchleinen mit Haken und Senkblei, Sinnkannen, Aujterjchalen, ein Sruchtkorb, eine Matte, glänzende Steine, gebleichte Rippen von Schafen, Knochen von Kaßen, Kuhdünger u.v.a. Auch Sedern und Slügel einer Krähe wurden gefunden, die jedenfalls von einem Dogel herrührten, der jeinen Tod fand, als er die Eier jtehlen wollte. Denn jo gutmütig der Siüchaar auch it allem gegenüber, was Schnabel und Sedern trägt, mit Nejtplünderern veriteht er nicht Spaß. Anderjeits duldet es der Kköniglihe Raubovogel, daß jich Rleine Dögel im Schuße der mächtigen Swingburg anjiedeln und zwar nicht nur auf demjelben Baum, jondern jogar in den Spalten jeines Horites. Ein Bild des Friedens, wenn oben auf dem Wall jeines Stammjclojjes der Siichaar fuht, während unten durch ein Ajtloch der Kleiber oder die Tannenmeije hineinjchlüpft, mit Nahrung im Schnabel für die piependen Jungen, und wenn zugleich die Hohltaube heranfliegt, um nad ihrem Swillingspärchen zu jehen, das jie in den tieferen Schichten des Raubvogelhorites großzieht. In manchen Gegenden Amerikas jind es bejonders die Purpuraßeln, denen der Sild: adler gern ein jiheres Plätchen in jeinem Horjt einräumt, wie in Kriegs- zeiten der Burgherr dem bedrängten Bewohner des Landes; er erlaubt es jogar den vertrauensjeligen Dögeln, in Iujtiger Gejellichaft jein Rönig: lih Heim zu umjchwärmen. In einem der bejchriebenen Horite fand Mr. Allen nicht weniger als fünf Paar Amjeln angejiedelt, eine Familie Saunkönige und „engliihe Sperlinge“, aud; hatten Nacdhtreiher ihre Nejter unter dem Schuße der friedlichen Raubvögel erbaut. Und nicht nur Sicherheit ward ihnen hier, auch die Rejte der königlichen Tafel waren manchem von ihnen willkommen. Ein friedliches Baumdorf fleifiger Be- wohner, alle bejchäftigt, die zahlreichen Kleinen zu füttern! In höheren Breiten — in Amerika wie in der alten Welt — ilt der Sijchadler ein ausgejprocdyener Sugvogel; jeine Lebensweije, die ihn jo ganz an das Waller fejjelt, zwingt ihn ja dazu, in der rauhen Jahreszeit alle Gegenden zu verlajjen, wo der jtrenge Herr des Nordens mit Schnee und Eis jeinen Einzug hält. Er wartet aber das Kommen des Winters nicht ab, jondern begibt jich jchon im September auf die Reije; dann jieht man im Binnenland wohl einzelne jchweben hoch an der glänzenden Himmels- glocke, weitgejpannt die beitändig Ichlagenden Sittiche, falt rechtwinklig am Bug und auslaufend in die langen Schwingen, die an der Spibe zwei oder drei deutlich erkennbare Swilchenräume lajjen. Der kurze Schwanz erjcheint in der Mitte flach ausgebuchtet, der Kopf weit vorwärts geitreckt. Wo ein filchreiches Wafjer winkt, da raltet der Reijende gern, bisweilen mehrere Tage, ja Wochen, oft zu jeinem Derderben. Im $Srühjahr, meiltens jehr pünktlicy, wenn die Sonne den Äquator eben erreicht hat, Rehrt er zurück ins alte Revier. Südlichere Länder, wie das Gebiet ums Mittelmeer 150 oder die amerikaniichen Südjtaaten verläßt der Silchadler auch in der Rühleren Jahreszeit nicht, nur jtreicht er dann auc dort unruhig von einer Gegend zur andern. Seähaft wird er erit, wenn er den alten Horit wieder ausbejjert auf der Eiche im Sorit, auf der Kiefer am Strand, auf der Klippe, wo die Brandung ji bricht. Nach dem preußilchen Wildjchongejeg von 1904 jind alle Adler zu jagdbaren Dögeln ernannt worden, d. h. nur die Jagdberechtigten dürfen den König der Dögel erlegen; eine Schonzeit wird ihm freilich nicht ge= währt. Außerdem ilt es allen Sijchereiberechtigten geitattet, den Sijchadler ohne Anwendung von Schußwaffen zu fangen und zu töten (Preußilches Sijchereigejeß). Prämien, welche man ausjeßt für Einlieferung jeiner Fänge, reizen dazu, die Derfolgung diejes Adlers planmäßig zu betreiben. So zahlten die dem deutjchen Sijcherverein angejchlojjenen Dereine in drei Jahren 86 jolcher Prämien! It es da ein Wunder, wenn die |chönen jtolzen Dögel von Jahr zu Jahr jeltener auftreten im deutjchen Land, ja als Brutvögel in abjehbarer Seit verjchwunden jein werden. In Schottland jucht man den Silchadler, von dem man bis vor Rurzem nur nod) drei brütende Paare Rannte, mit allen Mitteln zu erhalten; jelbit zu Geldprämien und Ordens: medaillen hat man Sufludt genommen — jollten wir in Deutjchland nicht aud) unjere ganze Kraft daran jegen, dak uns wenigitens einige Horite diejer und anderer Adler bewahrt bleiben! — Eine traurige Perjpektive, die ji dem Naturfreund eröffnet! Noch ein halbes Jahrhundert: der alte Recke im Sorit, er wankt nicht und weicht nicht; aber die Stammburg des edeln Gejchlechts, die jeinen Wipfel krönte — verjunken, vergeijen. Kein Adler zieht jeine Kreije mehr über dem Wald oder Iteht rüttelnd über dem Spiegel des Sees; Ruhe haben die Fijche im Wajjer, feilt wird ihr Rücken, und vielleicht bringen jie ihrem Pächter fünfzig Mark mehr ein im Jahre, als früher — vielleicht ! Geld und Geldeswert! Gibt es nicht noch höhere Ideale ? Der Kiebib. Don Hermann Löns. Sangjam tritt von den Uferwiejen das Waller zurück. Am Rande der Überfhwemmungsmarke fault das Genilt, das das Waller anjpülte, ein MWirrwarr von Stengeln, Halmen, Rohr, Schilf, Binjen, Blütenköpfen, Samen Rapjeln, Wurzeln, Knollen, untermijcht mit Mujchelfchalen, Schneckenhäufern, Schmetterlingspuppen, Käferflügeln, Silchreiten und Salterflügeln. Die Sonne brütet auf den faulenden Rückjtänden des Sommers und lockt Taujende von großen und Rleinen Kerbtieren, Larven und Raupen, die Wellenjchlag und Nactfrojt überjtanden, hervor, und jo wimmelt der ganze Kiesüberzug der MWiejfe von buntem Leben. Ein Slug Kiebie trippelt an dem ÖGenilt entlang. Ihre goldögrünen Rückenfedern |chimmern in der Märzjonne und ihre roten Schultern funkeln im hellen Lichte. Ab und zu ruft einer Rlagend ‚‚Kiebitt”, jpreizt die Schwingen und fächert den Stoß, daß die weißen Binden hell aufleuchten, er jträubt den Schopf, macht einen Diener, dab der weile Nacken aufblißt, und dann jteigt er empor, ruft jauchgend „Kuwitt, Riuwitt, huitt”, lauft dahin, da es dumpf „Wutt wutt wutt“ Rlingt, macht einen jähen Bogen nad) unten, überjchlägt fi nad hinten, jauchzt wieder und taumelt über die Wajjer- lachen, auf denen nordilche Möven fi von den Kleinen Wellen jchaukeln laffen, und läßt jich auf der fahlen Wieje nieder. Ein Hund taucht bei dem Gehöfte auf. Langjam Rommt er heran- gebummelt. Er will das Ufer abjuchen, ob er nicht wieder, wie geitern, einen quten Knochen findet. Aber jchon hat der Kiebif ihn erjpäht. ‚‚Pieswi”, erklingt es und noch einmal „‚pieswi“. Und nun jtehen alle die zwanzig Kiebiße, die auf der Reife vom Süden hier ralteten, auf, wie eine jchwarz- weite Wolke weht es empor, es teilt jih in jchwarzweiße Sehen, die hin und her flattern, jie jaujfen in jähem Stoß über die Wiejen, taumeln im Bogen über das Waller, und mit ‚‚Dieswi“ und „Hiswitt“, „Kiebitt“ und „Buitthuiet“ jtößt bald diejer, bald jener nach dem Hunde, der ich erit dumm umjieht und dann ärgerlich nad! dem Hofe zurücktrollt. 152 - j pi n PN “, Ri“ 78 ae Er Wr NEE Steenhnizen, Zandvoort, Holland, Mai 1904. Kiebiß beim Nejt. M Wi in B Die ganze Nacht über rufen die Kiebiße in den najjen Wiejen; am Morgen aber jind fie fort. Andere kommen vom Süden und verjchwinden wieder nad) ihren Brutpläßen in Pommern, Ojtpreußen, Ditfriesland, Hol- itein, wieder andere rücken nad), die in Dänemark und Schweden, England und Norwegen brüten, zwei Paare aber bleiben in der Marjdy am Slujje. Das eine richtet jich häuslich auf dem Stück Unland ein, über das der Sluf in jedem Srühling den Sand jchiebt. Dilteln jpriefen dort und ftarre Binfen und weil das Stück Land hod) liegt, kann der Kiebit; von da aus die Gegend überjpähen. Das andere Paar nimmt nad) dem Abzugsgraben hin Wohnung, wo allerlei totes Gejtrüpp, Schilf und Schaftheu wirr umherliegt und die Krötenbinje dichte Rajen bildet. Ab und zu taucht nod) ein Slug verjpäteter Kiebiße hier auf, dejjen überzählige Hähne jich mit den beiden Plaßhähnen um die Weibchen balgen. Sie liefern jich heiße Schlachten zu Lande und in der Luft, fahren mit ge- iträubten Bollen fauchend und zijchend aufeinander los, jteigen empor, jtoßen ji mit den Schnäbeln, jchlagen jiy mit den Sittichen, Ichreien und quieken dabei, fuchteln mit den Schwingen, daß es heult und brummt, aber die beiden Plaßhähne find wackere Degen und wenn jich aud; drei junge Hähne eine Woche lang hier zwijhen Sluß und Seld umhertreiben und die Weibchen beläftigen, jchlieglicy müljen fie doch weichen und anderswo ihr Glück ver- juchen, bis auf den einen, der in feiner Liebestollheit nicht acht gab und dem Sperberweibchen zur Beute wurde. Ippig Ichiet und fprieft unter der Srühlingsionne alles Gras und Kraut. Die Dijteln jpreizen ihre Stachelblätter und die Binjen recken ihre ipiten Halme und an der Seit erjcheint es den Kiebiten zu jein, dafür zu forgen, daß ihr Geichleht troß Wiejel und JIltis, Sucds und Kaße, Habiht und Weihe blühe, wachje und gedeihe. Und troß des Hlenjchen. Bier haben fie nichts zu fürchten. Der Bauer nimmt ihnen die Eier nicht. Er hat Reine Seit für jolhe Dummbeiten und er weil; aud, da ihm die Kiebite die Raupen der Graseulen und die Ackerjchnecken wegfangen. Aber an anderen Orten, da läuft hungriges und gelögieriges Menjchenvolk in den Wiejen und Mooren herum und nimmt den jchönen Dögeln die Eier fort zum Dank dafür, da fie mit Slug und Stimme das Sand beleben und Acer und Wieje von Ungeziefer befreien, und der deutjche Mann von Bildung und Bejit jeßt jich hin und jchlemmt Kiebißeier und \himpft dabei über die rohen Italiener, die den Deutichen die Singvögel fortfangen, und er entrüftet ji ungeheuer darüber, daß ein armer Teufel ji einen Hänfling oder einen Stiegliß für den Käfig fängt, um jeine Sreude an dem Dögelchen zu haben und in feiner engen, dumpfen Miets- Rlaufe einmal etwas anderes zu hören, als Straßenlärm und Kindergejchrei. 155 Die Kiebite in der Slußwieje brauchen den Menjchen nicht zu fürchten. Aber der Sperber macht ihnen Not, denn alle paar Tage kommt er an: geitrichen und greift, was er Kriegen Bann, heute den Star, morgen die Miejenitelze, übermorgen die Rohrammer oder die Lerche. Darum paßt der Kiebighahn jcharf auf, unterdes die Henne ihre Mejtmulde zwijchen den Diiteln jcharrt und mit Wurzeln und Halmen ausfüttert, und wenn er warnt und mit jchwankendem Sluge hin und her taumelt, jteigt auch die Henne in die Luft und wirbelt mit jo unberechenbarem Öeflatter über der Wieje, dak das Sperberweibchen nicht daran denkt, fie zu Ichlagen. Die hellgraue Wiejenweihe, die jeden Morgen und jeden Abend hier auf Mläuje- jagd fliegt, kümmert jid) um die alten Kiebige gar nicht. Dier Eier liegen nun in dem leite zwilchen den Diiteln, gelblichbraun, wie der Sand, und mit jchwarzen Slecken bedeckt, als wüchle Nloos auf ihnen. In dem Tejte zwilchen dem Schachtelhalmgenilte am Graben jind die Eier dunkler, wie der Boden, der dort auch einen tieferen Ton hat. Eifrig brüten die Weibchen und juchen nur dann und wann nach Nahrung. Geht der Bauer durd) die Wiejen, jo drücken fich die Weibchen platt auf das Kejt und die Hähne umfliegen den Mann und locken und rufen Rläglich, bis er vorüber ilt; dann lajjen jie jih auf einer hohen Stelle nieder und juchen erit wieder nach Gewürm, bis er ganz hinten in den Wiejen verjchwindet. Ab und zu verirrt ji auch die Kaße hierher, aber die Kiebite jegen ihr dann gleich jo zu, dak ie bald nach dem Hofe zurückjchleicht, und aud der Wachtelkönig hält es für geraten, den Mejtern fernzubleiben, denn jofort jeßt es Schnabeljtöße und STügeljchläge und eilig Rriecht er in das Gras zurück. In der Mittagszeit, wenn die Sonne ganz heil jcheint, treiben jich die beiden Hähne auf der Sandbank am Ufer herum. Da waten jie bis an die Brujt in das Waller, rennen am feuchten Ufer hin und her, nehmen ein Sandbad, pußen jih und fliegen dann mit weiten Slügeljchlägen lang: Jam den Sluß entlang, bis jie jich wieder auf der Wieje niederlajjen und eifrig nady Raupen, Schnecken, Würmern und Käfern juchen. So wie jid aber eine Krähe oder Eliter zeigt, fahren jie darauf los, jtoßen darnad) und vollführen einen jolhen Lärm, dat das Raubgelindel es aufgibt, nad) den Eiern zu juchen und von dannen fliegt. Bald aber heift es, nocd; achtjamer zu fein, denn bei jeder Henne wimmeln jeßt vier kleine, hochbeinige, bunte Wollklümpchen herum, deren Sottelkleidchen es nicht anzufehen ilt, daß es jich einmal in das jchwarz- weiß=golögrünsRupferrote Prachtkleid verwandeln wird. Wie die MTäufe hufchen fie hinter den Hennen her, rennen bald hocdhbeinig zwijchen den Binjen umher, Käferchen und Räupchen auflejend, bald jchlüpfen jie tief- geduckt durch das Gekräut. Sowie aber der Warnruf der Alten erjchallt, 156 Steenhuizen. Wassenaar, Holland, Nai 1900. Kiebiß am Tejt. Ein jeltenes Gelege von fünf Eiern. a ind fie verfhwunden im Gras und Geitrüpp, drücken ie ih zwilchen Stengel und Halme, und wie jie da liegen, jehen jie mit ihren langen Schußdaunen aus, wie verjchimmelte Kotballen oder moosbewacdlene Erd- Rlumpen. Immer länger wird das Gras und Sauerampfer, Hahnenfuß und Licht: nelke jchmücken es mit bunten Sarben. Immer verjteckter it das Leben der beiden Kiebitfamilien. In dem langen Graje ilt jo viel Gewürm, dab die Kiebite jich nicht auf den Sand und den Schlamm des Mfers hinaus zu trauen brauchen; die heifen Stunden verträumen jie im Deriteck und erit des Abends jtöbern jie am Ufer umher, wo die Jungen, jchon fait jo groß wie die Alten, zum erjten Male ihre Schwingen erproben. Dem einen bekam das jchlecht, denn der Suchs, der Nachts gern am Ufer entlang Ichnürt, weil es da immer etwas zu rauben gibt, riß ihn, und von der anderen Samilie griff der Waldkauz, der hier laichende Rotfedern filchen wollte, aud) ein Junges, das auf der mondbejcienenen Sandbank nad) Würmern jtocherte. Im Juli Rommen die Mäher und den Kiebißen wird es zu laut in der Wieje; jo ziehen jie über Nacht fort. Ein paar Tage treiben jie jich auf den Kartoffelfeldern umher und juchen Schnecken und Raupen, und dann wandern die einen in die Mlarjch hinein und die anderen in das Hügelland, wo die Wiejen Nahrung genug bieten, bis es ihnen auch dort nicht mehr gefällt und jie auch der Marjch zuitreichen, wo viele Hunderte von Kiebißen zwilchen dem jchweren Dieh auf und ab trippelm und dafür jorgen, da die Graseulenraupen verjchwinden. Aber auch dort wird das Gras gejchnitten und jo teilen jid) die Scharen, wandern nad) den Stoppelfeldern und Braden und halten die Schnecken Rurz, verweilen hier eine halbe Woche, dort ein paar Tage, und wo ein feuchtes Seld ihnen Sutter bietet, dort bleiben jie, bis die Raupen und Schnecken alle jind und es jie weiter treibt. Die Leute in den Städten, die in den heifen Nächten bei offenen Senitern jchlafen, hören das Rufen der |treichenden Kiebite hoch über den Dächern und fragen ich verwundert, was das für unbekannte Dogelitimmen jind, denn jo dünn und jo Rlagend hört es jih an. Ruhelos jtreifen die Kiebife im Lande umher, erjcheinen dort, wo ie niemals brüten, auf den Äckern des Hügellandes und in den Dorbergen, ja jelbit auf den hochgelegenen Bergweiden lajjen jie jich jehen, bleiben aber nur einen Tag und juchen wieder das tiefe Land auf. Je rauher die Luft und je kälter die Nächte werden, um jo mehr eilen jie dem Süden zu und nur noch einige verjpätete Trupps jeten auf den Rahlen Seldern die Suche nad Raupen und Schnecken fort, bis auch ihnen die Nächte zu Ralt werden und fie dorthin ziehen, wo der Tijch bejjer für Jie gedeckt ilt. 159 Mancen von ihnen jchlägt unterwegs der Habicht oder der Wander: falke, andere tötet der Schneejturm in den Alpen, viele verjchlingt das Meer und unzählige enden in Heben und Laufdohnen, denn überall jtellt ihnen der Menjch nad), weil jie hübjh und nüßlich Jind. Und jo wird der Schöne Dogel immer jparjamer im lieben Daterlande und immer jhüßt ihn dort, wo man von Dogelihuß jo viele jchöne Worte macht, nod) Rein Gejeß, und nach wie vor raubt man ihm die Eier und der deutjche Bildungs: phililter läßt fie ich jchmecken und bedenkt nicht, dal er jchlimmer handelt, als der Mann im weljfchen Lande, denn der fängt die Dögel, die durd) jein Land ziehen, der Deutjche aber nimmt jeinen eigenen nüßlichen Brut- vögeln die Gelege und rottet jie langjam, aber jicher, aus. 140 Der Purpurreiher. Don Martin Braef. Tief liegt die Erde im Abendfrieden, rund eine Scheibe; auf ihrem Rand der feurige Sonnenball, der den weltlichen Himmel eintaudt in glühendes Rot. Es dehnt jic) die Ebene, unendlich weit; Rein Berg und kein Hügel, Rein Tal, keine Schludt. Langjam zieht die Theih, „die blonde Theiß“, jeßt ein rojiges Band, ihre gewundene Straße. Baumgruppen begleiten jie; Sümpfe und Tümpel, tote Wajlerarme zur Rechten und Linken, ganz verwadlen von Rohr und von Scilf, von Weidengeitrüpp und un= durchdringlihem Bujchwerk, daß nur hier und da ein Rleiner Wajjer- jpiegel jilbern emporbligt, hinauf in die Höhe. Draußen dehnt Jid) die Weide. In Gruppen lagern weiße Rinder mit gewaltigen Hörnern; die Dferdeherde, bewacht vom berittenen Cjikos, hat jicy gejammelt am Sieh- Brunnen, der gewaltigen Arms die langgeitreckte, weihleuchtende Cjarda überragt, das einzige Haus in der Runde. Stundenweit keine Stadt, Rein Dorf, Rein Gehöft. Still zieht der Silchreiher heim zu den Horiten, weldye die alten Eichen tragen dort am Rande des Slujjes, und aud) jein etwas Rleinerer Detter, der Purpurreiher, jchwebt in den Lüften, Bewegung juchend beim Abend- flug nach der Hitze des Tags, die ihn zurückhielt im hohen Rohrwald am Sumpfe. Polternd erhob er jih aus dem jchüßenden Dickicht mit ein paar Sprüngen, dab die Enten und Wajjerhühner erjchreckt auffuhren und Rlatjchend das Weite juchten. Kräftige Slügelichläge jhwangen ihn dann haltig empor, und nun jchwebt er dahin über dem Waller und Röhricht, träge rudernd in jtiller Luft. Den Hals hat er zurückgelegt, förmlich zu= jammengefalten, daß das Genick mit den beiden langen Sedern, jchmalen Bändern von jchwarzer Seide vergleichbar, oben auf der Halswurzel ruht, der mächtige Schnabelkiel aber auf der Kehle, die von den jilberweihen Enden der Kropffedern umflattert wird, ein herrlicher Schmuck. Die langen Ständer, noch vergrößert durd) die zufammengelegten Sehen, hält der fliegende Dogel weit ausgeitreckt nad) hinten, das Ruder des Rleinen Schwanzes zu 141 unterjtüßen. Sein jcharfes Auge jieht alle Einzelheiten der Landichaft, die geringiten Bewegungen im Scilf — vielleicht ilt’s der Abendwind, viel- leicht ein Genojje, der vorjichtig heranjchreitet zum offenen Waller, um Siihe zu fangen zum Abendfchmaus — die Kleinen Wellen des Waljer- jpiegels, wenn ein Taucher in der Tiefe verjchwindet, die Enten, welde einfallen im Röhricht der jeichten Bucht, den Sifch, der emporichnellt, nad) den Injekten zu jchnappen über dem Waller, und au das Dußend Krähen, das mit heilerem Schrei der untergehenden Sonne entgegenzieht; jein Auge hatte die jchwarzen ÖGejellen jchyon erjpäht, als jie jich aufichwangen aus jener Baumgruppe fern am Horizont, wo jie wahrjcheinlich den Horiten der Sijchreiher einen Bejud, abitatteten, den Inhalt der Eier zu Ichlürfen oder die Silchreite zu verzehren und die aus dem Teite gefallenen Jungen; es liegt ja jo viel Genießbares am Boden, wo Reiher ihre Kolonien ge- gründet haben. Jet it das dunkle Raubgejindel dem einjam jchwebenden Purpur- reiher ganz nahe. Schon jtoßen die erjten von oben herab nad) dem großen Dogel, der jofort feine Slügelichläge verdoppelt, um den Hu: dringlichiten zu erreichen mit der gefährlichen Waffe, dem jpigen Schnabel; blißartig jchieht diefer empor. Doch vergebens; gejchickt weichen die Krähen dem Bajonettangriff aus, und nun juchen aud ihre Genojjen ten Reiher von unten her zu bedrängen, daß er hinüberjhwankt und herüber; un- jiher der flatternde Slug, nicht mehr das gemädhliche Streichen von vorhin. JIeßt umjhwärmen die häflich RKräcdhzenden Krähen den Purpurreiher von allen Seiten. It es Ernit, it es neckilches Spiel? Kaum Rann jich der Große der Übermadht wehren — da, ein gellender Schrei aus den Kehlen der Schwarzen, gemeinjam wie auf Kommando; ein Rreijchender Ruf des Reihers, und auseinander tiebt fie, die ganze Schar in toller Halt. Sie hatten den kleinen Punkt nicht bemerkt hoch über jih an der Himmels- glocke, wie er jeine Kreije 309 und dann regungslos jtand, ein winziger Dogel mit ausgebreiteten Slügeln, als jei er angenagelt am blauen Gewölbe ; lie hatten es nicht gejehen, wie er jenkrecht plößlic) herabichoß, Ichnell wie der Pfeil von der Sehne, wie er heranwuchs zum gefährlichen Seinde; ein Moment nur, und er war mitten unter ihnen. Aber der Stoß ging fehl. Nach allen Richtungen fliehen fie, zu Tode erjchrocken, und reißenden Slugs umkreijt der Wanderfalke die kleine vom Röhricht umjfäumte Släche, von neuem lültern auf Beute. Schon jteht er wieder wie feitgebannt, frei \hwebend im Luftraum. Er hat das Teihhühncden bemerkt, wie es er- \hreckt hinabtauchte ins Waller; er hat die Kleine Bewegung am Blatte der Seeroje gejehen, und jein jcharfes Salkenauge, dem nichts entgeht, erkennt das Köpfchen des geängiteten Tieres, wie es jcheu hervorlugt unter dem Blattwerk. Ein neuer Stoß, wie ein Stein herabjchmettert von 142 Durpurreiher, brütend. N EUREN IT A 7 ER Y Pa r A Steenhuizen. Naardermeer, Holland, uni 1905. Purpurreiher. Nejt mit Öelege. der Höhe; mit jicherem Griff hat er die Beute erhajht und trägt ie kreijchend auf eine jchilffreie Stelle, die blutige Mahlzeit zu halten. Aber wo jteckt unjer Purpurreiher, der nody vor wenig Minuten jo gemädjlidy jchwebte im Abendglanz ? Nur ein Klein Dögelchen wüßt’ es zu jagen, das an den Schilfitengeln wohlgemut Rlettert. Saujend war er hinabgefahren in den Wald der Riedgräjer und Binjen, daß; die Blätter rajchelnd aneinanderjchlugen und die Halme Rnickend zerbrachen. Hier lißt Dögel 1. 10 145 er nun bewegungslos am moraltigen Boden, jtill, mäuschenitill — der Schreck hat ihm die Glieder gelähmt. Sujammengeknict jind die Ständer, jo dat der fait jenkrecht geitreckte, nur ein wenig nad) vorn geneigte Körper auf den Serien und der langen Sohle der Läufe ruht; geradlinig dehnt jic) der Hals jchräg nad) oben, Schnabel und Hals in derjelben Richtung. Aalglatt liegt das Gefieder an, jelbit der jchöne Sederichmuck jchmiegt ji eng an Kropf und an Bals: ein jeltjames Bild! Das ilt Rein Dogel mehr, Rein Tier, ein alter, zugejpißter Pfahl, ein Weidenjtumpf, abgehackt, 3erjtümmelt bis auf den einzigen Alt, der jchräg nad) oben zeigt, ein abgeitorbenes Schilfbüjchel ijt’s, aus dem noch eine Rute emporwädjlt. Dazu das Aldhgrau der Oberjeite, das ins Dlivenbraun jpielt, die lebhafte Roitfarbe des Haljes mit den jchwarzen Längsflekchen, der gelbe Schnabel, die jchmalen, roft- braunen Bänderitreifen, die den Rücken zieren, in Jilbergrauen Spiten endend: dies alles gleicht den vertrockneten Schilf-z und Rohrbüjcheln der Umgebung jo vollkommen, dab unjer Reiher wohl gelichert it, jelbjt wenn der Räuber wiederkehren und von neuem jeine Kreije ziehen jollte hod) in den Lüften, wo jeinem Salkengejicht jo leicht nichts entgeht, jelbit in der Dämmerung nidt. Dod, die Gefahr it vorüber. Schnell bricht die Nacht herein; jchon hebt jich die glühende Scheibe des Dollmonds am öltlichen Himmel. Tiefe Stille. Leije nur rajchelt der Wind in dem Schilfe — unbeweglich verharri unjer Reiher. Da wird es laut in dem Röhricht; die Schilfjänger jtimmen ihr wunderlidy Lied an, ein Gewirr von Tönen, ein Schwirren der Luft, ein Singen ohn’ Anfang und Ende — doc; ohne Sucen verharrt unjer Reiher. Silbern glißert im Mondlicht der Spiegel des Wajjers, phantajtilch tanzen darauf die Jchwarzen Schatten der Binjen; Rläffend der Schrei einer Eule, und jeßt von fernher der rauhe Paarungsruf der Rohrdommel „U ü prumb —- ü prumb“; wie es weithin jchallt durd) die Stille des Abends! Das endlicd ilt das Seichen für den Reiher, feinen Plaß zu ver- laljen und die gewohnte Schlafitelle aufzujuchen. Mit einem Ruck zieht er den Hals ein, mit einem zweiten richtet er jih empor auf die gejtreckten Läufe; jegt jchüttelt er das Gefieder, dab die langen lanzettförmigen Schmuc- federn herumwirbeln, wie die Blätter des Schilfs, wenn der Sturmwind jie peitjcht; und nun jchreitet er vorjichtig zwijchen den hohen Sumpf: pflanzen hindurch, geduct jeine Haltung. Noch ein paar Schritte durd) Wajjer und tiefen Moralt, und jchon hat er den dichten Schilf- und Rohr- bujch erreicht, in dem jein Weibchen geduldig jißt, brütend auf den vier Eiern im Mejte. Ruhig läßt er jich nieder auf die Sohlen des Laufs, wie ein Hund jißt auf jeinen Binterpfoten; den Hals zieht er ein und den Schnabel jenkt er zu Boden. So jchläft er im jichern Geitrüpp bis an den 146 grauenden Morgen, wo der Hunger ihn mahnt an das Srühjtück, das das Waljer ihm bietet. Graulichter Nebel wallt über der Landjchaft, vom Mlorgenwind Teile bewegt, der in den Halmen und Scdilfblättern rajchelt. Da erhebt jich der Reiher vom Lager. Ein paarmal breitet er die Sittiche aus, jtreckt jie und recht jie, dann einige Sprünge, und nun jchreitet er, hochgehoben die langen Stelzen, hinaus an das Waller. Wie es wimmelt hier zwilchen dem Wurzelgeflecht der alten Weiden von jungen Wajjerfröichen und Kaul- quappen, ein präcdhtiger Nlorgenimbiß ! Immer wieder jtößt der jenkredt gehaltene Schnabel ins jeichte Gewäller, und nie verfehlt er die Beute. Auch andere Purpurreiher jtellen jid) ein, denn in der Nähe brüten wohl zehn oder zwanzig Pärchen der Art. Es hebt jid) der Hebel, und golden übergießt das himmlishe Licht Waller und Röhricht und das jchmucke Gefieder der jtattlihen Dögel, das erit jet im Sonnenjtrahl in jeiner ganzen Pracht jid) entfaltet. Seidenartiger Glanz liegt auf dem tiefjchwarzen Scheitel; roltrot leuchten die Seiten des Sförmig getragenen Haljes, rein= weil; die Kehle, und jo warm das dunkle Braunrot der Brult, in tiefe, Jatte Durpurfarbe jpielend bei jeder Bewegung. Aber das jchönite Jind doch die Itrahlenförmigen Schmuckfedern am Kropf und am Rücken, die itets zittern, auch beim leijeiten Luftzug, und mit zartem jilbernen Haud das Gefieder übergießen: ein prächtiges Sarbenjpiel. Audy das Kleinere Weibchen, das jeßt gleichfalls erjcheint, um im jeichten Wajjer zu filchen, hat ein hübjches Gewand, doc) nicht jo leuchtend die Farben, mehr roitgelb als rojtrot, dazu die flatternden Bänder im Genick viel Kleiner und die Schulterfedern in weniger Strahlen geipalten. In größter Halt taucht es die Schnabelipige ins Waller und jchlukt und jchluckt immer von neuem. Das Brutgejchäft darf ja nicht lange unterbrochen werden, damit die warmen Eier nicht auskühlen; die paar Hälmchen, welche die Mutter vor dem Der- lajien des Heites gar jorglam mit dem Schnabel über das Gelege gebreitet, bieten ja nur einen geringen Schuß. Immer neue Srehluitige fliegen herbei oder treten aus dem Dunkel des Röhrichts; au ein paar Sijchreiher find unter ihnen, ein paar Rallenreiher, und dort im Schilf Klettern munter einige kleine Rohrdommeln umher, die Halme mit den Sehen umjpannend, als ob jie’s den munteren Schilfjängern abgeguct hätten. Hoch! Lautes Gejchrei und Gekreiih! Wer jtört die Stille des Morgens? Unjer Purpur- reiher iüt’s; futterneidiich auf einen Genojjen, der jid) in jeiner Nähe nieder- gelaljen, war er mit ausgebreiteten Sittihen ihm entgegengeiprungen. Sischend aber empfängt ihn der andere, und nun jtürzen die beiden Kämpen geiträubten Gefieders gegeneinander, daß die Schnäbel heftig zulammen- krachen. Bald bedecken einige Federn die Wahlitatt, und der jchwächere Gegner jchlägt jich zurück in die Büjche. 10* 147 Die Sonne jteigt höher am jtahlblauen Himmel. Surück zum Nejt ruft die Pflicht. Unverjehrt findet das Weibchen den jtattlihen Bau in dem durch Sumpf und Moralt fait unzugänglihen Rohrbujh. Auf ge- Rnickten Schilfitengeln ruht er, nur in geringer Höhe vom Boden. Hundert dünne Halme tragen die Lalt der zujammengejchleppten Rohritengel, die zerbrohen und gebogen eine jichere Unterlage bilden. Seineres Schilf, Binjen, Riljpen und Gras liegen darauf, locker und Runitlos, eingedrückt in der Mitte zu flacher Mulde, welche die vier Eier zujammenhält. Sie ähneln denen, die unjer grauer Silchreiher legt, nur etwas Kleiner ind lie, nicht größer als Hühnereier, und bleicher von Sarbe, arünlih und matt, ohne Glanz. Erit im Mai hatten die Gatten den breiten, flachen Bau mit vieler Mühe errichtet, obgleid) jie jchon einen Monat zurück waren von der Reile; aber die Degetation war damals noch nicht üppig genug, den nötigen Schuß zu gewähren. Heute it jie herangewadjlen, daß die taujend Schilfitengel von allen Seiten das Mejt überragen und ihr Blatt: werk es auch von der Höhe dem lülternen Blick der Krähen und Elitern verbirgt. Ende Mai war das Gelege vollzählig, und heute — drei Wochen iit’s her, dab die Alte brütet — heute it das eine der Eier angepickt, eine winzige Öffnung, und vorwißig Schaut ein klein Schnäbeldhen daraus hervor. Behutjam hilft die Mutter mit ihrer langen Pinzette ein wenig nach, und bald hat jich das Kleine jeiner engen Sejjeln befreit. Sorgjam nimmt es die Alte unter den jchüßenden Slügel; mit angezogenem Hals, den langen Schnabel gejenkt über den Neitrand, jo hoct jie am jchilfigen Lager. Die Sonne jteigt höher, das Dieh auf der Weide birgt ji vor den jengenden Strahlen im Schatten der hohen Akazien am Siehbrunnen; Rohr: ammer und Scilfjänger jchweigen; am laujchigen Pläßchen jißt brütend Srau Reiher und — träumt. Da jaujt es im Röhriht. Mit Sutter Rehrt das Männchen zurück, die Gattin zu äten. Sijche jind es, die er im Kehljack bewahrt und nun auf dem Heitrand ihr bietet. Er kennt die Stelle gar gut, wo Jie jo leicht zu fangen jind, bejonders jeßt in der heißen trockenen Seit, da der Waljeritand niedrig und alles, was lebt, vereinigt ijt auf Rleinerem Raum. Auch Waljerinjekten gab’s dort und Würmer im Schlamme veriteckt, jelbit ein Maäuslein wurde erwilhht, das im Wurzelgeflecht der alten Weiden herumlief. Dier Wochen jpäter, heie vier Wochen! Was gab es doch Arbeit für die jorgenden Eltern! Don dem Waller zum Kejt und wieder zum Wajjler, jo ging es den ganzen Tag vom Morgengrauen an bis jpät in den Abend. Unerfjättlidy jind vier jolhe Kinder, und die Nachbarn im Rohrbujh an der andern Seite des Sumpfes haben gar fünf hungrige Kleine zu äßen. Aber wie jie aud) herangewacdjlen jind in diefen vier Wochen! Schon ver- juhen jie es, jich aufzurichten im Tejte; da jieht man es ja, wahrhaftig, 148 ARTE Juni 1906, Naardermeer, Holland, Alter Dogel auf dem Nejt mit Jungen im Röhridt. PR — „SS — - „= =) n- 7 = (3 Steenhuizen. Fi N az Sr DER >y m Sieenhuizen. Naardermeer, Holland, Juni 1905. Purpurreiher. Eben ausgejchlüpfte Junge. die Mutter haben fie bald an Größe erreicht, und doc, lajjen jie jich nod) immer füttern aus dem Kropf ihrer Eltern. JIett wagt ichon eins, auf den äußerften Rand des Mejtes zu treten und, mit den Sittichen balancierend, den Geichwiltern jeine Künjte zu zeigen. Swilchen dem langen, rotgrauen Slaum des Rückens und den weißlihen Dunen der Unterjeite brechen jchon einige wirkliche Sedern hervor, dülter rojtgelb und ajchgrau. Aber bis 149 das erite Jugendkleidchen fertig, bis die Benickfedern wenigitens 4-5 Senti- meter lanq jind und das lockere Gefieder am Kropf, am Rücken und an den Schultern es bereits ahnen läßt, zu wel präcdtigem Schmuck es lid) einitmals entwicelt: acht oder zehn Wochen ziehen gewiß; noch ins Land, und dann hat die erwachlene Jugend wohl längit es vergeljen, wo ihre Wiege einit jtand. Tägli; machen die Jungen Sortichritte; jett verjuchen jie’s jchon, den Kleinen Sijh mit dem Schnabel zu greifen, den ihnen der Dater auf den NMejtrand legt, jet hüpft eins flatternd auf den Weidenzweig in der Nähe des Horites, jett jigen alle vier im Erlengebüjch, das ji aus dem Röhricht erhebt, jeßt flattern jie jhon von einem Bujch zum andern und \hauen, wie groß die Welt, und jeßt folgt das Kühnite von ihnen dem Dater, um freilih nad ein paar Slügeljchlägen im hohen Schilf zu ver: Jinken, aus dem es Jidy aber glücklich bindurcharbeitet bis zum |hlammigen Ufer, wo es belohnt wird mit einem Leckerbijien für jeine Heldentat. Hoc) einmal findet’s den Weg zurück ins laujchige Neit, eng jchmiegt es jih an die Gejchwilter, noch einmal jperren jie die Schnäbel den Alten entgegen, die das Abendbrot bringen, noch einmal verjucht es die Mutter, jo gut es geht, die erwachlenen Kinder unter die Slügel zu nehmen -- der lette Abend im Elternhaus! Der anbredhende Morgen findet die Kleine Ge- jellfichaft Ihon draußen am Waller. Silhe fangen jie und Srölche und Kaulquappen. Öelehrige Schüler! Ein paarmal zeigen’s ihnen die Alten, wie es gemacht wird; nur ruhig und ohne Halt, bedächtig und lauernd! Sie haben’s begriffen, und bald it ihre Erziehung vollendet. Tod, ein paar Tage. Schon tlt die Jugend gänzlid) jich jelbjt überlajjen. Sluggewandt juchen jie jeßt bald dieje, bald jene Sijchitelle auf; jtunden- weit entfernen jie Jid) voneinander und machen Bekanntichaft mit andern ihres Gejchlehts. Sie kennen die Eltern nicht mehr, die Eltern nicht jie. Derlajjen jteht im Schilfbujch der Horit, der jie barg; bald wird es ganz jtill jein in jeiner Umgebung. Kürzer |hon werden die Tage. Die reiche Srudt der Selder ilt längit geborgen in Scheuern und mächtigen Seimen; die Trauben warten der Ernte, und die Melonen, die grün und gelb zwijchen den Rebitöcken liegen. Da heift es Abjchied nehmen von der Heimat. In Schöner Spirale |chweben die Reiher empor, jett zwei, jet jind es vier; noch ein leßter Blick auf Sumpf und auf Röhricht, auf die glißernde Theif, und fort jtreichen jie nah dem Süden, in jchräger Linie geordnet die vier Segler der Lüfte, mutig und kühn, nicht achtend der Nacht, die hereinbricht. Wie weit eure Reije? Dielleicht übers Meer hinüber nadı Afrika, vielleiht winkt eud Ichon ein Jicheres Ajyl im jonnigen Lande der Griechen und Römer, an der Külte Kleinajiens, auf den Injeln im Ägäilhen Meer. Ja wenn jie er- 150 zählen könnten, was jie erlebt auf der Reile! Und ob jie wohl aud zurückkehren werden an den Ort, da jie geboren? Etwas vom Sigeuner der ungarilchen Heimat liegt ihnen im Blut. Einmal ins bayrijcye Donau= tal jtreichen, in die Sruchtebenen Schlejiens an den Dderfluß, nacdı Mord: deutjchland gar, jich häuslid) niederzulajjen in den Donauauen bei Wien, oder in Holland zu brüten, wo hundert Wajjerarme durch Selder und Wiejen ziehn, das it ihre Att. „Sei euc; der Galtlihe gewogen“ allüberall, ihr Ichönen Dögel des leife raujchenden Rohrwalds in jumpfiger Ebene! 151 Saungrasmüce und Gartenfpötter. Don Martin Braef. Es gibt jo viele liebliche Dogelarten im deutjchen Land, die den meilten Menjchen unbekannt find, obgleich fie mit Dorliebe die Nähe von Gärten und menjclichen Wohnjtätten aufjuchen. Sie weilen nur Rurze Seit in der nördlichen Heimat, vier oder fünf Monate etwa, jo lange nur, bis jie alle Gejchäfte, die mit der Sortpflanzung verbunden find, glücklich bejorgt haben; dann jind fie verihwunden auf lange, lange Seit. Ihr Kleid ilt unauffällig, unjcheinbar ; dazu halten die flinken Dögelchen nicht ftand, audy ilt das Blattwerk an Baum und Strauch, unter dem die munteren Tiere jo jchnell dahinhujhen, dem Beobadhıter außerordentlich hinderlich, will er einen im Gezweig verjteckten Dogel belaujhen. Wie anders bei den Standvögeln, deren dunkles oder buntes Gefieder ji) jo prächtig ab- hebt vom bejchneiten Tannenajt, von der leeren, jchneebedeckten Slur! Und auch die Stimme jo mandyer Kleinen Sommervögel, jelbit wenn fie charakterijtiich genug ilt, daß der Geübte den Dogel daran erkennt, aus dem vollen Konzert läßt jich der einzelne jo jchwer heraushören. Das ilt ja im Wonnemond ein Singen ohne Ende, die ganze Luft ijt erfüllt von einem Meer von Tönen, das hin und her wogt, bald anjchwillt zu ge- waltiger Slut, bald wieder nur janfte Wellen über jeine leicht gekräufelte Oberfläche gleiten läßt, ein Klingen und Schwirren der Luft von taujend und abertaujfend Tönen: wie jchwer ilt es, jeden einzelnen Sänger zu be- ftimmen, jede einzelne Dogelkehle zu nennen ! Su den Mujikanten, die, wenigitens in den Gärten und Parks, ganz wejentlich zu diefem allgemeinen Chorgejang beitragen, gehören in eriter Linie jene äußerlich unjcheinbaren, aber gar trefflihen Sängerinnen, die den jeltiamen Samiliennamen „brasmücke” führen, in zweiter Linie aber aud) der allezeit heitere Gartenjpötter, der jener Sippe nahe verwandt it. Gerade über diefe Dögel herricht aus den angeführten Gründen nod) viel Unklarheit bei unjerm Dolke. „Grasmücke“ — der Name ilt gut gewählt, nur muß man jeinen Urjprung veritehen. Gra—smücke ilt abzuteilen; gra ilt „grau“, jmücke aber hängt mit dem mittelhochdeutjchen jmiegen — „Ichlüpfen“ zujammen ; 152 R. Paul. Glogau, Juni 1907; Gartenlaubvogel am Nejt mit Jungen. Grasmücke würde alfo „‚Graufclüpfer” bedeuten, und in der Tat, die kleinen Dögelchen in ihrem vorzugsweile unjcheinbar grauen Kleid veritehen es, jid) mit wirkli unglaublicher Gewandtheit aud im dichtelten Unterholz, jelbit in fait undurchdringlichem Dornengeitrüpp hurtig und jicher zu be- wegen. Den Grasmückengefang im allgemeinen zu charakterijieren, ilt nicht leiht. Eiligft jagen die Töne einander, da man ihnen Raum zu folgen vermag; bald werden fie laut und hell vorgetragen, bald ilt es nur ein leifes, oft etwas rauhes und hartes Gezwitjcher. JIett jind es fünf oder 155 jechs Töne, die im buntejten Wechjel immer wiederkehren, jett eine große, \hwer zu beitimmende Nlenge, die ji an die vorihriftsmäßigen Intervalle keineswegs bindet, jondern ganz willkürli abweiht von den Halbton- Itufen, ja verquickt zu jein jcheint aus Nachbartönen, jo daf joldhen Gejang Rein Mujiker wiedergeben kann in jeiner Notenichrift. Was allen Gras- mücken gemeinjam, das tt ihr Warnungsruf, den jie auch bei der ge= ringften Beunruhigung hören lajjen; er klingt wie ein hartes „teck tech“ oder „thäck tihäk” und gleiht dem Ton, den man mittels kräftigen Aufeinanderjchlagens zweier Kleiner Kiejeliteine hervorbringen kann. Der Sängerpreis ijt — das unterliegt gar keinem Sweifel — unter allen Örasmücken dem Plattmöndh zu reihen; an dem Ichwarzen Köpfchen erkennt man den munteren Dogel jofort. Sein voller Gejang beiteht aus zwei ganz deutlicdy gejchiedenen Teilen, einem angenehmen, piano vorge= tragenen Dorgejang und einer jih anjchliefenden flötenartigen, hödhlt an mutig Rlingenden Strophe, die in einem folch kräftigen Sorte tönt, wie man es der kleinen Sängerkehle Raum zugetraut hätte, lultig und Reck — ein friiher Jodler des Alplers. Die bartengrasmüce trägt unter all ihren Derwandten das längite Lied vor, das aus wunderbar flötenartigen, weichen und doch lauten Tönen beiteht, jehr abwecjilungsreiche Melodien aufweilt und meilt ohne jede Unterbrechung in gleichmäßig jchnellem Slujje, doc nicht m zu haltigem Tempo, gejungen wird. Sehr ähnlich, aber auffallend kurz, it das Lied der großen Sperbergrasmücde, die als Ileßte ihrer Sippe gewöhnlich erit Mitte Mai bei uns einzieht. Bejcheidenere Zeiltungen weilt die Dorngrasmüce auf. Ihr Lied zerfällt in einen zwitjchernden, leijen Dorgejang, der jedoch oft weggelajlen wird, und in eine laute, jcharf und raub klingende Schlußitrophe. Während letterer jit der Dogel auf einem freien Ajtchen, jo daß man ihn dann leicht an den deutlich braunen — miht grauen — Flügeln erkennt, oder er jteigt nach Art des Baum: piepers aud) gern ein paar Meter hody in die Luft empor, um Jich dann wieder auf demjelben Plate niederzulalien. Aud) der Warnungsruf „oi oi ol... ." oder ‚„Wwoid word woid“ ilt für die Dorngrasmücke charakteriltilch; jie läßt ihn ganz Jicher hören, wenn man jich ihrem Brutgebiet nähert. Endlih die KRleinite von allen, ein ebenjo fleifiger Sänger, die Saungrasmücke, was it ie doch für ein lieber, niedlicher Dogel! Sie bewohnt jeden größeren Garten, wo dichtes Bujchwerk ihr Unter: Ihlupf gewährt; aber jelbit im Rleiniten Dorgärtchen jiedelt Jie ich nicht jelten an, wenn nur ein Stachelbeeritrauch ihr zur Derfügung jteht für das leicht gebaute Tejtchen, eine Jelängerjelieberlaube, eine Spalier= wand am Haus, ein Reilighaufen in einem verborgenen Winkel. In der legten oder vorlegten Aprilwoche Rehrt jie gewöhnlid) von der Reije zurück. Das Grau des Köpfchens jett ji) jcharf gegen das Weiß der Kehle 154 uadung A990 UNS unag JPdoagnvjusjıng ee b h B a Ka j di HEN: fe ” fe Paul. Glogau, Mai 1907. Saungrasmücke am Nejt mit Jungen. ab; jelbjt beim Umherhüpfen des unruhigen Dögelhens kann man’s ganz deutlich erkennen. Sein Gejang zerfällt aud in zwei Teile, in ein Piano, das aus einer Reihe unregelmäßiger, zwitjchernder, zum Teil etwas rauher Töne beiteht, und einem kurzen Sorte, in welchem diejelbe Wote außerordentlich rajch jechs- bis achtmal angejchlagen wird. Meilt hört man nur die zweite Hälfte, weil das Piano unjer Ohr nicht erreicht, oder weil es der Dogel überhaupt wegläft und jidy mit dem Sorte begnügt. Diejes klingt rauh und klappernd „didlidlidlidlidlidl" und hat entfernte Ahn- lichkeit mit dem Klappern einer Rleinen Mühle, wie jie den Kindern als Spielzeug dient, welchem Umjtand das Dögelhen, das in Gärten und An- lagen, in lichten Gehößen, kurz überall zu finden ilt, wo jich günitige 157 Schlupfgelegenheiten bieten, die volkstümlichen Namen ‚„Klappergrasmücke” und ‚„Müllerchen” verdankt. Liebliche Szenen jpielen jich ab im Samilienleben des Kleinen Dogels. In einer Bartenhece, nur 1,50 Meter über dem Boden, jteht das Hejtchen, locker zujammengefügt aus dürren Stengeln, trockenen Grashalmen, feinen Würzelden u. dergl.; auch Gejpinite von Raupen und Spinnen werden gern als Bindemittel verwendet. Der halbRugelige Innenraum ijt mit Dferdehaaren, Schweinsboriten und einigen weichen Hälmchen ausgekleidet ; er weilt jo winzige Größenverhältnijle auf — der Durchmeller des oberen Randes beträgt nur 8-9, die Tiefe des Napfes nicht mehr als 5 —6 öenti= meter —, daß es kaum zu begreifen ilt, wie die fünf, manchmal jogar jechs Gejchwilter in dem Rleinen Raum Plat finden können. Auf dem Tejtrand lißt der alte Dogel — ob es das Männcen ilt oder das Weibchen, kann man nicht entjcheiden, jo ähnlich Jind jich beide in ihrer äußeren Erjcheinung — er hat einem jeiner Kinder ein Räupchen gebradıt oder eine Injekten- puppe, und nun |perren auch die andern drei oder vier Schnäbel jid) ihm entgegen, dab ihm Angit werden möchte vor dem Riejenappetit jeiner Spröß- linge. Aber es dauert nicht lange, jo ziehen jich die Köpfchen wieder zurück ins Mejt, das verlangende Piepen verjtummt, noch ein letter Blick auf die Kleinen in der luftigen Wiege — es ilt alles in Drönung — und hurtig jchlüpft der Alte durch Hecken und Gejträuh, um nad) ein paar Augenblicken ein zweites jeiner Kinder mit einem Biljen zu beglücken. Bei Annäherung eines Nlenjchen oder eines Raubtiers jucht das ‚„Mlüllerchen” durch ein jchlaues Manöver den wirklichen oder vermeint- lihen Seind von der geliebten Tiltitelle zu entfernen. Wir haben die Sweige eines Johannisbeeritrauchs auseinandergebogen, in dejlen Grün joeben die Kleine Saungrasmücke verjchwand. Da ilt das Hejt mit den fünf piependen Jungen, auf dem Rand der alte Dogel; eine grüngelbe Raupe hält er im Schnabel. Unverwandt jchaut uns das Müllerchen an mit jeinen großen, jeelenvollen Augen. Keine Bewegung, Rein Sucken. Auch die Kleinen haben ihr Piepen eingeitellt und die Köpfchen mit den breiten, lichtrandigen Schnäbeln zurückgezogen. Gleichlam eritarrt ilt das Bildchen, nur die Raupe Jucht jidy) ihrem Bejiter zu entwinden. Plößlich löjen wir durch eine kleine Bewegung den Bann: das Müllerchen fällt zu Boden, uns vor die Füße, und wie gelähmt hüpft es nun mit halbgeöffneten Slügeln im niedrigen Gras davon, als wollte es unjre Aufmerkjamkeit von dem Tlejt ablenken auf jeine eigne hilfloje Perjon. JIeßt liegt es platt auf der Erde, jet itolpert es über ein Äjtchen; ruckweile jchiebt der zuckende Su den Kleinen Körper vorwärts: ein Rlägliches Bild des Jammers! Der Unkundige folgt dem taumelnden Dogel, der bejtrebt zu jein jcheint, möglichit aus der Nähe des Neites zu kommen; jeßt glaubt man das gebredhlihe Wejen fallen zu 158 UÖUNT 199 uaaymg wupg Apnwusvadunde können — da plößlid” ein kräftiger Slügeljchlag, und hoch oben im dichtbelaubten Gezweig Jißt unjer Mlüllerhen und jchaut triumphierend herab auf den Störenfried, der ganz verblüfft ilt von dem jeltjamen Illanöver. Aud) andre Grasmücken, ferner der Sitislaubvogel, der Kiebiß, das Rebhuhn wenden in ähnlichen Sällen denjelben Kniff an. Intellekt oder Injtinkt ? jo fragt man jih unwillkürlih. Es jcheint ji) um eine Art Hnpnotismus zu handeln. Der Schreck der fremden Erjcheinung raubt dem geängiteten Dogel die Bejinnung, „er wirft jih ihm auf die Merven”, dah er nicht mehr Herr feiner Bewegungen üt, jondern wie gelähmt hin und her taumelt, bis endlich die Angit ich mildert, die Lähmungserjcheinungen Ichwinden, Nerven und Muskeln dem Willen des Tieres wieder gehorchen. Sold) Ichlaues Manöver ablichtlih, mit vollem Bewußtjein in Szene geje&t zu haben, das darf man dem Tierchen denn doch nicht zutrauen, joweit man aud) entfernt jein mag, feine geiltigen Eigenichaften zu tief einzujchäßen. Be- rade darin, daß der Ablauf der Doritellungen mit unbedingter Hotwendig- keit, aljo mechanijch, ganz bejtimmte Strebungen auslölt, Tiegt eine viel jiherere Gewähr für die Erhaltung des Individuums und jeiner lad}: kommenjchaft, als wenn das Tier in jeder Rritiichen Lage auf jeine Ur- teilskraft angewiejen wäre; wie oft würde dieje verjagen! Dod) laljen wir das Philofophieren; joviel jteht feit, dab in ungezählten Sällen die Mutterliebe es ilt, welche die niedlihen weißen Eier mit den dunkeln Punkten und Slecken vor dem Untergang rettet und jpäter die jchnell heran- wachlenden Jungen vor mander Gefahr behütet. Allerliebite Dogelkinder find die Kleinen, wenn jie, roch ganz un beholfen im Sliegen, das gemeinjame Nejtchen verlajjen haben und nun piepend und die Schnäbel jperrend am Boden jifen oder auf einem niedrigen Sweig des Geiträuhs. Sie werden noch eine Seitlang von Dater und Mutter gefüttert, die ihnen unermüdlicy die beiten Leckerbiljen bringen -—— In= jekteneier und Rleine Puppen, Blattläuje, Räupchen oder aud) ein fliegendes Kerbtier — jie ermahnen, jicy bei drohender Gefahr zu veritecken, und mit unaufhörlihem Lockruf ihnen Mut machen, von einem Ajtchen auf das benadhbarte zu hüpfen, bis jie es jchlielich gelernt haben, aud) die winzigen Schwingen zu gebrauchen. Aber Meilter im Slug zu jein, das überlajien unjre Grasmücen den Mauerjeglern und Schwalben; ihr Talent beiteht darin, behende von Sweig zu Sweig zu hüpfen, aus einem Straud) in den andern zu jchlüpfen, von einer Baumkrone zur nädjten, allzeit munter und beweglich); die dichtelte Hecke ilt nicht dicht, das undurdhdring- lichite Geält nicht engmajchig genug, der Ichlanke, gejchmeidige Körper des unruhigen Dögelhens weiß immer noch eine Lücke zu finden, um in ge- bückter Haltung hindurdygugleiten. Selten nur überfliegt unjre Saungras- mücke eine längere baum- und jtrauchfreie Strecke, und wenn es einmal Dögel I. 11 161 geichieht, jo jchieft fie fofort in das Blattwerk des eriten Bujches, der jich ihr bietet, dem Auge des Beobadhters entjhwindend. Klein nur tt das Gebiet, in dem die Dögelchen heimijch jind während ihres Aufenthalts bei uns; in der Nähe des Neites jpielt jich ihr ganzes Leben und Treiben ab. Aber aud) für fie naht die Stunde, wo es heift: wandern, auf, in die Serne! Ach, wie jchnell it diefe Abjchiedsjtunde da! Kaum fünf Monate weilen die Tierchen in der deutjichen Heimat, da heißt es Lebewohl, jhon im Augujt. Und doch jcheint die Sonne noch jo warm, an Injekten ijt kein Mangel; die jühen Kirjchen, von deren Sleilch jie jo gern Rojfteten, jind wohl längjt zur Heige gegangen, die Träubchen der Johannisbeere desgleichen, aber der Weinitock bietet jeine Früchte in reicher Sülle, der Traubenholunder rote, der gemeine Slieder jchwarze Beeren, der Saulbeerbaum lockt, der Brombeerjtrauh ——- umjonit, nichts hält das wanderluitige Dögelchen zurück; es hebt jid) empor an einem Itillen Abend, und fort geht es jüöwärts die ganze Macht hindurdy — wohin? wer kann es jagen! Lebhafter nody, wenigjtens lauter und auffälliger, ilt das Gebahren des Bartenjpötters. Er Iteht den Laubjängern in Geitalt, Färbung und Lebensweije näher als den Grasmücken, was auch jein zweiter deutjcher ITame „bartenlaubjänger” andeuten will. Die Sonne ilt nody nicht aufgegangen im Mai, da weckt er den Garten plößlich durch jeine lauten Töne, wunderbar flötend und dann wieder rauh und jo jcharf, chneidend Icharf, wie Reine andere Dogelitimme. Selbjt in den Nachmittagsitunden verjtummt der nimmermüde Bejang des gelblichen Dögelchens nur auf Rurze Minuten; Gärten und Park: anlagen belebt er wie Raum ein zweiter Sänger. Aber freilich, Stümper gibt es unter ihnen ebenjoviel, als wirkliche Dirtuojen, und jo bezeichnet der Name „Baltardnachtigall”, wie man unjern Gelb» oder Gartenjpötter wohl aud) nennt, jeine Sangesleiltung nicht übel; bald muß man auf den eriten, bald darf man auf den zweiten Teil des Wortes den Nachdruck legen. Es jind wirklich lieblicye und wohlklingende Strophen, die einzelne diejer Sänger mit großem Seuer, mit viel Bravour vorzutragen pflegen. ‚Die Bajtard- nachtigall jingt,“ jagt A. Doigt, „mit der Halt und Dirtuojität eines JIongleurs; ohne Swilchenpaujen folgt ein Motiv aufs andere, indem jedes jo lange wiederholt wird, bis ihr das nädlte einfällt, die kunjtvolleren und vieltönigen zwei= oder dreimal, die Rurzen und jchärfiten jechs-, fieben- und mehrmal.“ Schlechte Sänger freilich verfügen kaum über ein paar Rlangvolle Strophen und jtoßen meilt nur zijchende oder rauhe, nomentlid) aber Rreijchende Töne aus, an denen nichts weiter zu bewundern ijt als die außerordentliche Kraft, mit der jie der Rleine Dogel in die Welt ruft. Gbebrüder Müller jagen jehr richtig: „Der Eindruck ilt derjenige der Leichtfertigkeit und der Bajazzennatur. Oft verleßt er die einfachlten Regeln 162 K. Sofel. Fallingbostel, Juni 1907. Dorngrasmücke. Nejt mit Oelege. der Althetik, indem er durd unmotivierte Sprünge und Wendungen, durd Sich und Kreijchtöne gemein und alltäglich wird.“ Der Gartenlaubvogel heift auch „Spottvogel“ oder gar „Sprad)- meilter“, und nicht mit Unrecht, obwohl es jcheint, daß manche Beobachter jein Nahahmungstalent doch überjhäßen, wenn jie demjelben Dogel den Schlag der Wachtel, den Ruf des Pirols, das Switjchern der Schwalben, das Slöten der Amjel und noch ein Dußend anderer Dogelitimmen zu: Ihreiben. Um das jogenannte „‚Spotten” freilebender Dögel it es über- haupt eine eigene Sache. Anklänge an andere Gelänge und Stimmen Rann man falt bei jedem Dogel heraushören; aber ob der vermeintliche Spötter einen gefiederten Kollegen wirklicy imitiert, oder ob der, wie es jcheint, nacgeahmte Ruf auch ihm von Natur mehr oder weniger eigen ilt, das läßt jid) nicht ohne weiteres entjcheiden. So ilt das „Karrakiet“ des Drojjel- rohrjängers, das jo viele Gartenjpötter mit vollendeter Dirtuolität zum beiten geben, ebenjo das Schmaßen und Pfeifen der Stare, gewiß nicht als Nachahmung aufzufalien, zumal erjteres auch) in Gegenden gehört wird, al 163 denen Rohrjänger völlig fremd find. Anderjeits vernimmt man den Schreck- ruf der Amjel, das „idliaidlio” des Pirols, das krähende „dääh“ aus dem Belang des Seiligs, das „wäh, wäh, wäh” des Wendehaljes immer und immer wieder, allerdings von verjchiedenen Gartenjpöttern, in jo voll: Rommener Weile, daß an einer Nachahmung diejer Rufe nicht qezweifelt werden Rann. Wie die Grasmücken, jo wählt audy der Gartenjpötter Laubwälder und Seldgehölze, Garten und Parkanlagen, mit bejonderer Dorliebe Obit- gärten in den Dörfern zu jeinem Aufenthalt. Die Bäume jind längit dicht belaubt, wenn er eintrifft, jo daß man das Dögelchen mit jeinem graugrünen Oberkleid und der bla jchwefelgelben Unterjeite meilt erjt nad) langem Suchen entdeckt, zumal es während des Gelanges ruhig im Laubwerk zu Jißen pflegt. Sein Heit jteht in der Krone eines jungen Ahorn, im Wipfel niedriger Linden oder Dbitbäume, in Balel- nußs, Slieder- oder Holunderbüjchen, meilt nur 1'/, 2 oder 3 Neter über dem Boden. Es beweilt durch jeinen jorgfältigen Bau die große Kunit: fertigkeit diejer Dögel und gewährt, bejonders wenn die vier oder fünf, bis- weilen jogar jechs zart rolafarbenen, dunkelgepunkteten Eier in dem ganz regelmäßig gebauten, Rugelförmigen Napf liegen, einen entzückenden An: blick. Staunenswert, wie es der kleine Dogeljchnabel fertig bringt, oft recht verjchiedenartiges Material, dürre Gräjer und Halme, Baltfajern, Raupen: geipinite, Pflanzen und Tierwolle, weile Birkenjchale, Leinwandfäden u. dergl. zu einer Mejtwand zu vereinigen, jo glatt und rund, als jei Jie gedrecdhlelt. Der obere Rand wird bejonders Jorgfältig mit Samenwolle ausgepolitert, die Innenwand aber weid, gefüttert mit feinen Hälmden, zarten Örasrilpen, auch mit einzelnen Sederchen. Den Eindringling, der ih dem Tejte nähert, juchen die geängiteten Dögel durch fortgejeßtes quä- Rendes Schreien zu vertreiben, während ihr Locruf, mit dem Jie aud) die Jungen zulammenrufen, fajt wie eine $rage Rlingt: ‚deck der... . dedehoi ?“ Bisweilen muß die Baltardnachtigall die Stehmutter des Kuckucks abgeben, und es ilt rührend, wie liebevoll jic) die kleinen Dögel aud) diejer undank: baren Aufgabe widmen und wie gewiljenhaft jie das unerjättliche Pflege: kind großziehen. Den Abzugstermin des belbipötters anzugeben, ilt jchwierig. Man be- merkt eines Tages, daß er aus dem Garten verjhwunden it; unbeobachtet, heimlich hat er jich eines Abends im Augujt gewillermaßen fortgejchlichen. Allein oder höchltens familienweije trat er die Reile an. Schon Anfang Juli war es jtiller und jtiller geworden; die kleinen Sänger hatten „alle Hände voll zu tun“, die hungrigen Gelbjchnäbel zu jättigen, jo daß jie das Singen vergaßen. Die Mlenjchen aber gewöhnten jich an die Ruhe, die jo ganz allmählic einzog in die Gärten; der Naturfreund jah einzelne Grasmücen 164 wohl noch durchs Geiträuch jchlüpfen, er beobachtete nod) einen Garten: jpötter im grünen Laubdadh, er hörte jeinen Locruf. Als er Jich aber jpäter des vieljtimmigen Chores erinnerte und nochmals nadhjchaute nad den Rleinen Sängern — da war jein Suchen umjonit. Das europäilche Brutgebiet des Gartenjpötters it Rleiner, als das der Dorngrasmüce. Während dieje ganz Europa, ausgenommen nur die nörd- lichiten Länder bewohnt, bejchränkt ji der Gelbjpötter auf das mittlere und öltliche Gebiet unfers Erdteils. Der iberijchen Halbinjel und Süd: frankreidy fehlt er, ebenjo kommt er in England nur ganz vereinzelt vor. 165 | Die Waldjchnepfe. | | Don Hermann Löns. | Warme, weiche Winde wehten von Süden und wecten den Wald. Am Grenzgraben glühte des Huflattihs Blüte auf, aus dem Dorjahrs- laube jprofjen die Simjen, Leberblümchen, Scharbockskraut und Windröschen machten den Boden bunt. richt allein ilt es mehr Häher und Specht, Bujjard und Krähe, die im Walde allein das Wort haben. Die Amjel jingt und der Fink jchlägt, Rotkehlchen und Braunelle zwitjchern, vom Bornzacen der Eiche ruft der Ringeltauber und über den Rahlen Kronen Richert der Turmfalke. Belbe Salter und jammetbraune mit bunten Augenflecken taumeln um die grauen Stämme, die Blindjchleiche jonnt ji) auf weichem Mloofe, die Eidechje rajchelt durch das dürre Gras und in allen Tümpeln murren die braunen Sröjche. Oben in den Kronen halten die Bergfinken, die Rotörojjeln und die Kramtspögel Abjchiedsverfammlungen ab. Wenn die Dämmerung in den Wald fällt, überall die Mäufje rajcheln, nur nod) eine Amjel jingt, das lette Rotkehlchen verjtummt und der Wald- kauz jein Höllengelächter erhebt, dann Iölt jich unter dem Weidornbujche im hohen Holze Rlatjchend ein jchwarzer Schatten aus dem Laube, jchwenkt gerade zwilchen den Stämmen hindurdy, rudert mit hajtigen Slügeljchlägen am Rande der Blöhe hin, jteigt über die blühenden Ejpen, jenkt jich bis auf das Rahle Birkengebüjh und taucht im Dunkel unter. Auf der breiten Schneije erjcheint er wieder, der nächtliche Dogel. Eben nody war jein Slug hajtig und unjtät, jet wird er eulenhaft lang: Jam und ruhig. Und jeßt erjchallt irgendwo ein merkwürdiger, Jonder- barer Ton, ein tiefes, weithin hörbares Quarren, dumpf und hohl, und es it überall zu gleicher Seit und doch nirgendswo, es jcheint, als ob es vom Boden komme, aber es hört ji auch wieder an, als Rlänge es hoch aus der Luft herab, ein unheimlicher, gejpenjtiger, unirdilcher und dabei doc) jo warmer, gemütlicher und Rojender Laut. Swei Schatten zickzacken jet über die Büjche dahin. Hajtig geht die wilde Jagd hoch über Gipfel und Wipfel, den Sahrweg entlang, in die Schneije hinein, jett dicht über die blumige Blöße, nun hoch über die kahlen Alte, ein jcharfes, zijchendes Gejchrille erklingt, gefolgt von dem 166 -Sunpsllipg 'ualdauplgju m aplıupyıaawy Amerikanijhe Waldjchnepfe, Balzitellung. tiefen, dumpfen, hohlen Quarren, drei Schatten jind es nun, zwei davon jtechen fi) mit den langen Schnäbeln, bis der eine Schatten abjichwenkt und im Dickicht verfinkt. Die beiden anderen aber jagen no in ge= \penitigem Minnefpiel über Bujch und Baum und fallen jchließlich im quel- ligen Grunde ein. Jäh jtiebt die rote Waldmaus, die an einer Reimenden Eichel nagte, davon, wie die beiden Schatten in das feuchte Moos fallen. Und jie wagt ih nit wieder aus ihrem Loce, die Maus, denn es erhebt jidy jeßt ein lautes Rajheln und ein wildes Rumoren, ein jeltiames Pfeifen und ein jonderbares Wilpern. Hin und her rennt, tief geduckt, lockend und pfeifend das eine Ding, und hinter ihm her trippelt das andere, den langen Schnabel an die Brult gepreft, den Hals aufgeblajen, die Slügel gejpreizt, die Stoßfedern hoch aufgerichtet und weit gefächert, dah die Silber- jpißen der Unterfeite leuchten und jchimmern, und es pfeift durchdringend und es zilcht Schrill, dürre Halme Rniltern, welkes Laub raucht, jcyneller wird das Getrippel, jchriller das Gewilper, bis es unter lautem STügel- Ichlagen endigt. Auf den quelligen Grund fällt das Licht des Mondes. Swilchen den glißernden Blättern von Aaronitab und Scharbockskraut hujchen die beiden Schatten umher, eifrig mit den langen Schnäbeln im najjen Mooje umber- itochernd. Ab und zu bleibt das eine jtehen, bohrt den Schnabel tief in 169 TALIUN, A Amerikanijhe Waldjchnepfe, laufend. den weichen Grund, verjeßt jchnell trampelnd den Boden in Erjchütterung, \hüttelt heftig den dicken Kopf, dann fährt der Schnabel hajtig aus der Erde und faht den Regenwurm, der, geängltigt von der Erjchütterung des Bodens, aus jeiner Röhre krod. So treiben es die beiden Dögel die ganze Nacdıt. Wenn der eine fein Gefieder erhebt und einer anderen quelligen Stelle zujtreicht, um dort weiter zu wurmen, jo Itreicht der andere jtumm hinterdrein. Die Dunkelheit zerfließt zu grauer Dämmerung, der Mond verliert jein Licht und die Blumen tauchen aus dem Dunkel auf, laut fludht der Kauz dem Tag und die Sröjche murren über das Kommen der Sonne, da heben die Schnepfen wieder ihren Minneflug an. Im Sickzack geht es 170 H. Maisch. Waldjchnepfe, brütend. u® y I 179 - Ed Amerikanijhe Waldjchnepfe, Öelege. um die Büjche, in geradem Striche die Wege entlang, im Bogen um die Überhälter und im Schwunge unter den Eichwipfeln am Rande der Rodung her, Icharf ertönt wieder das dünne Schrillen, hohl das dumpfe Auarren, und dort, wo der fröhlich knojpende Weifdornbujc und die voll begrünte Traubenkirfche ein dichtes Derhau bilden, fällt das Pärchen wieder ein, trippelt im Laube umher, rennt durch die Blumen, wilpert und jchrillt, ziiht und faucht, und mit Sedergeraihel und Sittiggeflatter endet das jeltiame Minnejpiel. Don der großen Wieje rufen die Kraniche. Die Amjel jingt und der Tauber ruft, die Krähe quarrt und der Specht trommelt, die Buchenjtämme lohen rot auf in der Sonne und wie Smaragden funkelt es am Weißdorn- buiche. Die Tiere des Tages rühren ich allerorten; es jingt und Rlingt aus jeden: Wipfel und rijpelt und krijpelt in allen Grasbüjchen. Schon bligen Sliegen dahin, ein Käfer brummt dur das Geitrüpp, Spikmäuje jagen jih am Graben. Die beiden nächtlichen Dögel aber jind jpurlos verjhwunden. Das Rotkehlchen, das hochbeinig und Rrummnacig unter den Weih- dornbusch Ichlüpft, um Würmchen und Käferchen zu juchen, jährt zujammen. 175 Das jchwarze, runde Ding da, jo groß wie eine Heidelbeere und ebenjo blank, bewegte jich plößlich. Erjchreckt flattert das Dögelchen davon. Das runde, jchwarze, blanke Ding aber ilt verfjchwunden. Jebt ilt es wieder da, und nun ilt es abermals fort. Und jet hat es jich verdoppelt, denn die Schnepfe drehte den Kopf und jtocherte mit dem Schnabel nad den Sederläufen, die fie unter dem Slügel quälen. Sie fpreizt den Slügel, legt jich auf die Seite, kraßt ji mit den Sehen, Itochert mit dem Schnabel hier und da im Gefieder herum, reckt fih, fächhert den Schwanz, faltet ihn zujammen, verdreht den Hals auf jeltiame Art, fchnurrt und faucdht in der warmen Sonne, jcharrt jich ihren Lagerplaß etwas bequemer, tut ji wieder nieder und verjchmilzt mit dem braunen, von der Sonne bunt gefleckten und von den gelben Grashalmen gemujterten toten Laube jo vollitändig, dah das Reh, das aufmerkjam dorthin äugt, wo es eben nod) jo laut rajchelte, vertraut weiter zieht, weil es nichts Lebendes gqewahr wird unter den Sweigen des Dornbujches. Eine Dierieljtunde vergeht. Ein Haje ilt vorbeigehoppelt, ein Eich: kätchen Ram dahergerannt, noch ein Reh 30g vorüber, da jtiebt die Amjel, die mit viel Getöje im Laube nah Schnecken fuchte, laut jchimpfend ab. Aus dem Graben jteigt der Suchs hervor, jo langjam, jo leije, da er kein Blatt rührt, keinen Halm Rnict. Die jchwarze, jpiße Wafe jchnuppert hin und jchnuppert her, die Gehöre jpielen nad) allen Richtungen, blit;- jhnell gehen die berniteingelben Seher umher. Er ijt feiner Sache richt ganz jicher. Deshalb jchnürt er ein Stückhen am Graben herunter und prüft jchnuppernd die Luft, und jchnürt wieder zurück und nimmt wieder Witterung. Und dann äugt er unverwandt nach dem Dornbujche. Seine Seher funkeln, die weile Blume am Ende der bujhigen Lunte zuct leife, aus den jchwarzen Lefzen quellen jilberne Gejchmacksfäden hervor und tropfen auf den Boden. JIefit madıt er fich ganz niedrig, jeßt einen Lauf voran, zieht den anderen nad), jchiebt den Leib vorwärts, da das rechte Schulterblatt den Balg jtraff jpannt, die Gehöre legen fich zurück, die Seher jchließen ji, und dann madt der Fuchs einen jähen Sat und äugt verdußt und dumm der Schnepfe nach, die mit quäkendem Angitlaut und lautem Slügelklatjchen an der anderen Seite des Dornbujches heraus- fährt und eilig zwijchen den Stämmen fortzickzackt. Es geht ihr noch öfter jo oder ähnlich, der Schnepfe. War es geitern der Suds, jo ilt es heute der Hund. Mit der Nafe jtand er über ihr und hinter ihm der Körfter. „Sa!“ rief er und der Hund jprang ein. Klappernd jtand die Schnepfe auf, jchlug einen Haken, und nod) einen, da ging jie hin und über fie fort pfiffen die Schrote. Am anderen Tage diejelbe Gejchichte und am dritten noch einmal. Da wurde es ihr un- gemütlih und als der Abend in den Wald Ram, nahm fie jih auf und 174 Amerikanijche Waldjchnepfe, Slugbilder. 4 ie nz a a8 x eye f Wr a SLRTE br go, Anfang Aßril 1905. ber Strom Maisch. H. itplaßes. licht des Mi Gejamtan Waldjchnepfe, brütend. Dögel I. wei Amerikanijche Waldjchnepfe, brütend. verließ das ungalftlihe Hoß; jo eilig hatte fie es, daf; jie nicht daran dachte, ihrem ÖGenojjen Kunde von ihrem Sluge zu geben, und jo gewahrte der Sörjter, der ich auf Schnepfen angeitellt hatte, jie erit, als jie jhon an ihm vorüber war, und der Schnappichuß, den er ihr nachwarf, rik nur einen blühenden Ejpenzweig herunter ; der Schnepfe aber tat er Rein Leid an. Die ruderte haftig und ungejtüm über die Wiejen, Kkreilte über einem feuchten Wäldchen, aber als es auch dort blifte und Rracdhte, Itrich Jie weiter und kam jpät in der Nacht in einem großen Walde an. Als jie den im Morgengrauen durdhitrich, fand fie, daf er Jich gut für jie eigne. Es war ein wilder, wenig durchforiteter Wald mit viel Unterwuchs, Dorn: gebüjch, jungen Sichten und wildem Sarngeitrüpp. An feuchten, quelligen Stellen fehlte es nicht, und die vielen alten Kuhfladen bewiejen, dab hier nody) Weidevieh ging, daß es aljo niemals an Regenwürmern, Sliegen- maden und Mijtkäfern fehlen würde. So war alles da, was die Schnepfe brauchte, und fie ließ es jich hier gefallen, wurmte jich abends und morgens dick und jatt und verjchlief den Tag unter dichtem, dürrem Sarnkraut, dellen rajchelnde Blätter das Nahen jedes Seindes ankündigte, oder unter einem Dornbujche, einer breitältigen Jungfichte oder zwijchen Brombeer- ranken, und Suchs und Marder, die jie witterten, mußten jo abziehen, wie jie gekommen waren. 19% 179 Im April, als das Unterholz3 jchon dicht begrünt war und der ganze Boden von bunten Blumen prangte, juchte fie jih an einer trocenen, warmen Stelle, an der von der Holabfuhr viel dürres Gezweig liegen geblieben war und rechts und links die Ranken der Brombeerbüjche Suß- angeln legten, die Sucds und Marder gern vermeiden, eine Rleine Boden= vertiefung, die jie ein wenig tiefer jcharrte und ein bifchen mit dürren Grasblättern verjah. Da jaf jie drei Wochen lang auf den vier großen bunten Eiern, die dem faulen Laube jo jehr glichen, dat nod) nicht einmal der Eichelhäher jie entdeckte. Und jie jelber, die Schnepfe, vertraute ihrem waldbodenfarbigen Gefieder jo jehr, dal ie, als eines Dormittags der Habicht dicht über ihr aufhakte, ruhig liegen blieb und wartete, bis der Strauchdieb abitrid. Eines Tages jchlüpfte das erite Junge aus; ein naljes, Rleines, ge= itreiftes, wolliges Ding jchälte jid) aus den Eitrümmern heraus. Sorgjam half jie ihm dabei und nahm es, als es trocken war, unter die Slügel. Bald drängten jich vier jolche Rleine wollige Dinger an ihre Brut, und als die Schatten der Bäume länger wurden, verlief jie mit ihnen das Weit und führte lie in das Erlenbruh, wo das bewirr von lebendem und totem Gekräut und die halbfaulen und dürren Sweige den Boden dicht bedeckten. Dort zeigte jie ihnen, wie man die Schnecke aus dem Mlooje und die Raupe aus dem Laube zieht, jie gab ihnen an, wie man die trockenen Kuhfladen durd)= bohren muß, um die weihen Sliegenmaden und die jchwarzen Käfer zu finden, und brachte es ihnen bei, den Stecher in die Erde zu jtecken und ihn zu rütteln und tüchtig dabei mit den Ständern zu trampeln, bis es dem Regenwurm da unten ungemütlich wird und er jidy nad) oben jchlängelt. Dann muß man jchnell zufaljen, den Kopf nad) hinten werfen, den Wurm in die Luft Schleudern, den Schnabel öffnen, jo dal der Wurm gleich hinten in den Schlund fällt. Aber niemals darf man dabei verpaljen, aufmerkjam hinter und neben ji zu äugen, denn nicht umjonit hat die Schnepfe ihre Augen jo hod) oben am Kopfe und jo tief nach dem lTacken hin, und wenn lie wurmt und den Stecher im Erdboden hat, wären nach vorne |tehende Augen ganz wertlos für jie, denn ihre Nahrung jucht jie nicht mit den Augen, dafür hat jie die feineren Tajtnerven in der weichen Schnabel: \pite, die fie, wie eine Sange, unter dem Laube auf= und zuklappen Rann. An einem jchönen Nachmittage war die alte Schnepfe in großer Not. Sie hatte jchon längere Seit an dem Knacen und Brechen und an dem Brüllen des Diehes vernommen, daß die Hütejungen näher heran trieben; lie hatte jicy nichts Arges dabei gedadt. Mit einem Mlale hörte jie es aber dicht bei jidy brechen und knacken, fie hörte ein lautes, hajtiges Hecheln, ein Pfeifen und Rufen, und da jtand der Hund dicht bei ihr und ihren Kleinen und die Hütejungens liefen hinzu, um zu jehen, was es da gäbe. Nun galt 180 Amerikanijhe Waldjchnepfe, wurmend. \ plg] M DSE gut gUaFNIg aldau \ D Ipaglaa jpgvul uud uoa gjpy Q P 1 (m < ı1q aldauplgjvc uaoa uoa gjpy "Qua 1 pswpW H Er HOAIS 0 u sAagpt rk "s00/ 224g } Supfur 4 ur "SA2ZGMOAIS Pe Er % wäh, Re . es, erit den Hund fortzulocken; die dummen Buben waren nicht jo ge= fährli. Ungejchickt flatterte jie vor dem Hunde hin, ab und zu laufend, dann wieder emporflatternd und herunterfallend, als hätte jie einen lahmen Slügel. Ängjtlich rief jie dabei laut „Dak, daR“. Der dumme Köter fiel aud darauf hinein. Er kümmerte ji nicht um die Kleinen und |prang auf die Alte zu. Wenn er dachte, er hätte fie jchon, flatterte fie fort, und jo lockte jie ihn immer weiter und die beiden Hütejungen, die mit ihren Peitjchen nah) ihr fjchlugen, aud, immer weiter, aus dem Erlenbrude heraus durch das hohe Holz bis vor den Tannenkamp und da erhob jie jich, ftrich erjt den Sahrweg entlang und langte auf Umwegen bei ihren Kleinen an, die fich tief unter das Gejtrüpp gedrückt hatten, eins hier, eins da, und die anderen wieder anderswo. Als jie jie zujammengeloct hatte, führte fie jie aus dem Erlenbruche in die Sichtendickung, wo jie vor dem Hunde und den Jungens Jiher waren. Als der Sommer auf der Höhe war, konnten die Jungen fliegen, und an dumpfen, lauen Abenden jtrichen jie über die Blöhen und ÖGeitelle und pfiffen und quarrten mit den Alten um die Wette. Das dauerte aber nur eine kurze Seit, dann verteilten jie ji) und jtrihen nad anderen Wäldern. Die Alte aber blieb in ihrem Brutwalde bis in den Herbit hinein. Da bekam jie Gejellihaft. In einer Nacht langten die erjten Schnepfen aus dem Worden an, und jede Macht kamen neue, und wenn die einen weiterjtrichen, trafen andere ein, und es war die Nacht über ein eifriges Wurmen und Bohren an allen Pfügen und Wegeslahen und überall, wo Untermalt im Boden jteckte. Eines Tages, als der Wind jharf wehte, gefiel es der Schnepfe nicht mehr in ihrem Walde, und abends erhob jie jih und jtrich, jo weit wie fie Ronnte, und das tat jie jede Nacht, bis fie an das große Waljer kam, an deilen Ufer Palmen und Sitronen jtehen. Aber audy dort gefiel es ihr nicht; fie jehnte fi} nad einem großen Sumpfjee, in dejjen Röhricht Ele- fanten und Nilpferde Ieben und an dejjen Ufern bunte, Rreilchende Dögel in den Palmen umherturnen, und jo fahte jie Mut und flog des Hacdıts bis zu der anderen Küjte und die nächte Nacht noch weiter, über den gelben Sand, unter deijen trocknen Dornbüjchen fie den Tag verlebte, und endlich langte jie an dem großen See an, wo goldgrüne Miltkäfer, jo dick wie ein Schnepfenkopf, in der Lojung der Elefanten wühlten und der Schlamm von fetten Larven wimmelte. Da war das große Stelldichein der Waldjchnepfen. Da kamen die Deutjchen zujammen und die Norweger, die aus Finnland und die vom Ural, die Schnepfen der Tatra und die aus dem Donaulande, und dort lebte man herrlih und in Sreuden, bis der Srühling im Horden einzog und jede Schnepfe dahin zurückrief, wo jie aus dem Ei gefallen war. 185 Die Lad), Silber- und Sturmmöwe. Don Martin Braeß. Dielleiht ilt’s nur eine Phraje, wenn man die vielfältigen Stimmen der Natur in Beziehung jeßt zu den jo außerordentlich verjchiedenen Ört- lichkeiten, die durch jie belebt werden, ein leeres Gbejchwät, wenn man behauptet: die jauchzenden, jchmetternden Jubelchöre der fingenden Lerchen jtimmen zu der Reimenden Lenzesflur, das unausiprehlich innige Schluchzen und Seufzen der Nachtigall harmoniere mit dem nädhtlich dunkeln Gebüjc am Rande des vom Mondjchein verjilberten Wajlerjpiegels; in den lichten, mit maiengrünem Unterholz bejtandenen Laubwald gehöre Rotkehlchens melancholiiche Strophe, das Rreilchende Schackern der Eliter aber auf die einlame winterlihe Slur. Möglich, daß Dogelitimme und Örtlichkeit wirk- lich nichts miteinander zu tun haben, möglich, dal es nur liebe Erinnerungs- bilder jind —- das jungbelaubte Buchen: oder Eichenwäldchen am Rande der blumigen Wieje im Talgrund, das beim Pirolruf wieder auftaucht vor unjerer Seele, das gelbe Weizenfeld am Sommerabend, mit dem der traute Ruf unjerer Daktylenjängerin, der Wachtel, unlösbar verbunden ilt, der jchneebedeckte Sichtenbeitand, den uns das Lied des Kreuzichnabels von neuem vorzaubert - aber wenn irgendwo, jei es nun mit mehr oder weniger Recht, von einer Harmonie örtlicher Derhältnijfe mit der Stimme eines Dogels gejprohen werden darf, jo gibt es wohl Reinen Laut, der beijer pajjen würde zu dem Schwall der Mleereswoge, als der gellende Möwenjchrei ! Wie der Sturm heult und die jchweren Wolken am Himmel dahinjagt ! Wie die dunkeln Wogen mit den blendend weißen Kämmen auf ihren Rücken dahergerollt kommen; wie jie ji tojend brechen an den Steil- klippen des Urgelteins, daß der weile Gilcht emporgeworfen wird, zer- jtäubend in Millionen jilberner Tropfen! Ein gewaltiger Aufruhr der Elemente ilt’s, ein Riefenkampf gigantijcher Kräfte, ein Donnern und Brüllen, ein Kradhen und Schlagen — wie ohnmäcdhtig der Menjch, wie Klein jedes Leben gegenüber jolcher Naturgewalt! Und doch, hörit du den Rreijchenden Schrei, der jie übertönt, die brandende Woge, jo Ichneidend, jo jchrill! Wer it der Lehrmeilter gewejen, wer hat fie erzeugt, dieje gellende Stimme der Möwen? Tlicht das Raujchen des Hochwalds, nicht das Plätjchern des Baches, der Sturm, vermählt mit der See, und die Rrachende Brandung, ihr 186 IUEJOoymAg aawmvluamed ul uagjvalplaas aplızuay gun vomgwulpvT -to6r zung "puvjjog Mamınoipas jasu] je uaz1 Mn Y 13335 Da # eh Steenhnizen. Texel, Holland, Juni 1905. Sahmöwen, Junge verlajjen eben das Mejt. Kind. Die Kühnen, wie fie Tahen des Aufruhrs: unjere Icharfe Stimme Ichneidet hindurch durdy all euer Braujen und Donnern, und wir lajjen uns tragen vom Sturm, und wir ruhen auf wogender See! Wer hat jie geihaffen, die Iangen, breiten STügel mit der |chmalen gebogenen Spibe, die ftarken Schäfte der Sedern, die langen Knochen der Arme, wer hat fie gebildet, die Shwimmhäute zwijchen den Sehen, den jeitlich zujammen- 189 C. O. Bartels, Sahmöwen im Kieler Hafen. gedrückten Lauf, Ruder von hödjiter Dollendung ? Der Sturm, der die Ihwebende Möwe hebt, die See, auf der fie ruht, wie es aud) woge und walle. Wer hat ihr das Kleid gegeben von jchneeiger Weihe und den zartblauen Mlantel über die Schulter geworfen? Die See hat’s gewollt, die blaue See, gejhmüct mit den glänzenden Kämmen der Wellen, und der unendliche Himmel darüber, auf dejjen tiefblauem Grund die weißen Wolken einherziehen. Luft und Wafjer jprach bei der Schöpfung: „Ein Bild, das uns gleich jei!” Da erhob fich Rreilchenden Rufs die filber- glänzende Möwe. Slatternd jchwebt jie am Himmel, dicht fliegt jie über den Wellen; den lichten Seglern folgt jie hinaus übers Meer, mit den Wolken zieht jie ins Land. Wo ein See oder Teich des Himmels Bläue mit den jchneeweißen Wolken widerjpiegelt, da erkennt fie die Heimat — die Mutter it's, das unendliche Meer, das blauen Auges emporjchaut — wo ein Schiff auf dem Rücken des Stromes langjam dahinzieht, da flattert die Möwe: Grüß mir das Mleer und die felligen Klippen am Strand und die Brandung im Sturm! 190 upplug=-uppps uag nv uvomowwmanys "loor ynß Steenhuizen. Wassenaar, Holland, Juni 1900. Silbermöwe, brütend. Sylt, Juni 1907. Rejt mit Gelege der Silbermöwe. 195 Dögel I. RR RL EN Steenhuizen. Texel, Holland, uni 1905. Sahmöwe, brütend. Bei uns in Deutjchland it die bekannteite aller Möwenarten die Sahmöwe. Ihr Derbreitungsgebiet umfaßt das meerumjchlungene Schles= wig-Holitein und erjtreckt jich tief hinein übers Binnenland bis zu den deutjchen Mittelgebirgen, ja hinauf bis zum Oberrhein und zur Hod) ebene, welhe die Donau durchzieht. Freilich brütet jie nur an ge= eigneten Binnengewäljern des Seftlands, ganz bejonders im Elbgebiet, 3. B. in Sadhjjen, an der oberen Dder und ihren Gewällern, auf manden Seen in Mecklenburg und in Oftpreußen, an der unteren Wejer ujw. Aber aud; außerhalb Deutjchlands, im jüdlihen Rufland, 3. B. am Schwarzen Meer, in der Moldau, in Ungarn, in Italien und Srankreich, England, Holland, in der Schweiz, in Dänemark und dem jüdlichen Schweden: überall kennt man den Ruf und den eleganten Flug diejer Möwe. Audy alle ge- mäßigten Striche Aliens bewohnt jie, vom Ural an bis Kamtjhatka, Japan und das nördliche China. Und wollten wir weiter audy die Gegenden erwähnen, die der Dogel zur Sugzeit berührt, wir müßten jie alle auf- zählen die Länder Nordafrikas, von Senegambien an bis nad Ägnpten 15 195 und Nubien, die Länder Aliens an den Külten des Roten Meers und des perjiihen Bujens, Indien und fern im Oiten die Philippinen. Lahmöwe — der Name ilt nicht übel gewählt; fie lachen bald Heiler und tief, namentlid) wenn jie etwas Derdächtiges bemerkt haben; ‚„‚ga gagaga“ (Doigt), oder auch hell wie ein Kind: ‚„Räckäckäk” (Naumann), oder in der Wut, wenn jie einen Seind anfallen, heftig und häßlicy: „Rrräck äck äck“. Häufiger aber hört man ihren Locton „Rriäh“. Wenn eine zurückbleibt hinter der Schar der Schweitern, wenn eine andere zu fchnell vorauseilt, wenn jich einige trennen von der Gejellichaft, wenn neue Ankömmlinge begrüßt werden, wenn irgend etwas die Aufmerkjamkeit fejjelt: immer ertönt es, dies jtereotype „Rriäh”, jcharf und durchdringend, Rrähenartig und doch nicht ganz ohne Mletallklang. Am ärgiten it natürlich das Schreien an den Brutpläßen, wo bisweilen Taujende von Möwen auf engem Raum verjammelt jind. Bejonders wenn fie ji hier von einem Mlenjchen be- obachtet willen, dann juchen die gejelligen Tiere durd) verdoppelten Lärm den Störenfried zu verjcheuhen, und erit, wenn jicy diejer verborgen hält in einem Deriteck, legt jih nach einiger Seit der gräßliche Aufruhr, um aber jofort wieder loszubrechen, jobald jih hoch in den Lüften ein Raub- vogel zeigt oder auch nur ein unschuldig Entlein dem Ufer fich nähert. Schöner als ihre Stimme ilt die äußere Erjcheinung der Lachmöwe, ja gerade dieje Art ilt vielleicht die anmutigite der ganzen Möwenjippe. Nicht größer it der Körper als der einer Seldtaube; nur jind die Slügel um vieles länger, jo dak die Möwe, bejonders im Slug, ungleich größer erjcheint. Elegant ilt ihr Bau, vollendet die Harmonie aller Glieder : die roten Ständer jind für den Körper weder zu lang noch zu Rurz, der ebenjo gefärbte Schnabel nur von mittlerer Stärke, das große, dunkelbraune Auge blickt jeelenvoll, die Sorm des Kopfes ilt taubenähnlich, bejonders der Ausdruck des Gejichts, und dann weld; eine Schlankheit des Leibes, wie elegant die langen, Jichelförmig gebogenen Spiben der Slügel, die in der Ruhe übereinandergelegt, die Sedern des Schwanzes weit überragen! Das Schönjte aber ilt die anmutige Färbung des Sederkleides, die nach den Jahreszeiten jich ändert. Die alten Dögel — Männchen und Weibchen gleichen einander jo vollkommen, daß man jie äußerlid) nicht unterjcheiden Rann — tragen im Winter ein jchneeweißes Bewand und darüber einen wunderbar abgetönten „‚möwenblauen“ Mantel, der den Rücken, die Schultern, die Flügel und die inneriten Schwungfedern bedeckt. Mit diefem reinen Weiß und zarten Blau Rontrajtieren die tief- Ihwarzen Spiten der Slügel aufs jchönjte, und der Rräftig orangerote Schnabel jowie die ebenjo gefärbten Süße erhöhen den Sarbenreiz der ganzen Erjcheinung. od) jchöner aber ilt das Srühjahrskleid unjerer Möwe, das Jie angezogen hat, wenn jie im Lenz an ihren Brutpläßen erjcheint. Eine jchwarzbraune Kappe hat jie dann über den Kopf gezogen, die vorn 196 PH un aaplayr Vmowmımanyg Steenhuizen. Wassenaar, Holland, Funı 1906. Silbermöwe beim Nejt mit Jungen. herabreicht bis zur Kehle, das Genick aber freiläßt. Don dem blendenden Weiß; des Haljes hebt jich dies tiefe Braun in wirkungsvoller Weile ab, und aud) der Schnabel, der gleich den Ständern im Srühling blutrot gefärbt erjcheint, it ein herrlicher Schmuck. Im Spätiommer und im Dorfrühling geht der Wechlel des Kleides vor ji. Unter den ausgefärbten Alten trifft man aber jtets auch jüngere Dögel mit ibergangskleidern an, an denen die Sarben weniger rein jind, ein trübes Roitbraun oder ein gelbliches Weiß nimmt in der Jugend jtets einen mehr oder weniger großen Raum ein. Erit im dritten Srühling — aljo wenn fie zwei Jahre alt jind — erhalten die Jungvögel das Hodhzeitskleid, wie es die Alten tragen; erjt dann werden fie fortpflanzungsfähig. 199 Eigentlicy jind die Lachhmöwen an den deutjchen Küjten und im Binnenlande Sugvögel; fie überwintern aber fchon in gemäßigten Breiten, regelmäßig 3. B. in Südfrankreih, an manden Seen der Schweiz, in Holland, in gelinden Wintern halten auch bei uns ganze Scharen aus, in Schleswig=holltein, an der Elbe und andern großen offenen Gewäljlern. Durch ihren gewandten Slug und ihr unermüdliches Rufen beleben die jchönen Tiere die Winterlandichaft aufs anmutigite. Meuer- dings jind in diejer Beziehung die „Alltermöwen“ von Hamburg bekannt geworden. Wie riejige Schneeflocken wirbeln die ungeheuern Scharen hier mitten in der Großitadt über dem Wajjer. Das Publikum heißt fie will- kommen und erfreut jid) an dem lebendigen Treiben; es opfert den munteren Sliegern manden Nickel, und die Händler mit den Kleinen Stinten in den PDapierdüten machen ein gutes Gejchäft. Wie gejchickt die Möwen die empor- geworfenen Silhe im Sluge auffangen, wie fie jich flatternd jammeln um den Leckerbijjen, den man ihnen hier auf den jteinernen Pfeiler des Brücken- geländers gelegt hat! Jede möchte ihn jo gern erwilchen, und doch Jcheuen jie die allzu große Nähe der Menjchen. Aber jchlieflich jiegt doch die Gier, und die Dreiltejte nimmt den Siih auf halbe Armeslänge vor dem Su: \chauer weg. Kein Sweifel, erjt durch die Fütterung feitens des Publikums find die Möwen veranlaft worden, hier an der Unterelbe in folhen Schwärmen zu überwintern; ihre Sahl hat zugenommen von Winter zu Winter. Tod Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts waren es immer nur einzelne Dögel oder ganz Rleine Schwärme, die jich auf der Alfter um diele Jahreszeit zeigten; jet aber wirbeln an jedem Wintertag Taujende durd) die Luft oder lajjen jicdy auf dem Eis oder im Wajjer nieder, um den Brot- biljen, den Siih aufzunehmen, der im Slug nicht erhafht wurde, wenn die futterneidilchen Dögel mit Gekreijdy einander verdrängten. Natürlic) geht nun auf den Eisjchollen die Balgerei weiter, und der unbeteiligte Dritte erihnappt gewöhnlich die Beute. Wehen endlich wieder die Srühlings- füfte, dab das Eis jchmilzt auf Slüffen und Seen, beginnt es draußen zu Ipriefen und zu grünen, jo verfehlen aud; die beiten Leckerbiljen ihre Wirkung als SLockmittel; die Dögel ziehen jih zurük in die Umgebung der Stadt, an Seen und Slüjfe, Sümpfe und Brüche und beginnen nun, vermehrt durdy die Scharen der vom Süden heimkehrenden Wanderer, ihr Liebesleben. Schmal ilt wohl noch die Koft, die Mutter Natur ihren Kindern jpendet um dieje Seit; aber Liebesjehnfuht, — was die Dhiliiter audy jagen mögen —- mächtiger ilt fie als Hunger ! Die Lahmöwen brüten Rolonienweije, oft zu vielen Taujenden bei- einander. Dabei vermeiden jie die unmittelbare Nähe der WMeereskülte, juhen vielmehr landeinwärts gelegene Wallerflähen auf, die mit Rohr 200 7 y - Inseln, EM en = ._ = — _ .- — a pur: >= S - —_ — _ uw) _ .= jun = je7] je} 2 je2] pe = _ = -_ — =]] j=7] > > je nn rmmöwe. Stu Steenhuizen. Texel, Holland, Juni 1905. LSahmöwe, Dunenjunge im Mejt. und Scilf, Seggen und Binjen dicht beitanden jind, oder weite morajtige Slächen, bisweilen au jchilfreiche Ufer größerer Slüjle oder grüne Injeln in Strom und in See. Die Neiter einer Gejellichaft jtehen ziemlich nahe beieinander, jedes einzelne auf einem niedergetretenen Schilfbüjchel oder im Öraje jumpfiger Wiejen, in dem Pflanzengewirr der Dünenlandichaft, auch jchwimmend auf zulammengetriebenen Schilfitengeln am Rande des Röhrichts, auf trockenen Stellen zwilihen dem Scilf uw. Im April treffen jie die eriten Anjtalten zum Brüten, indem jicy die einzelnen Paare, natürlicy unter Gejchrei und Gezänk, ein pajjendes Plägchen wählen, Schilf und Gras niedertreten, hierauf Halme von Rohr, Stroh u. dergl., oft in großen Mlajjen, herbeilchaffen und dann in die Runitlos aufgejchichteten Stoffe eine jeichte Dertiefung eindrücken. Im Mai liegen die Eier in der flachen Hiltmulde, gewöhnlidy drei Stück, mandymal aud nur zwei. Diele ind — übrigens wie alle Möweneier — von überrajchender Größe, größer als Kiebißeier, dabei jehr verjchieden in der Form, bald jchlank, bald rundlich, Rreilelförmig oder oval. Auch die Grundfarbe der rauhen, glanz- 205 [ofen Schale weilt außerordentliche Derjchiedenheiten auf: olivenbraun oder grün, matt gelbli oder licht blaugrün. Graue und olivenbraune bis Ihwarzbraune Punkte, Slecken, Strichel bedecken die Eijchale, bald ziemlid) gleihmäßig, bald mehr am jtumpfen Pol oder aud; Rranzförmig einige Sentimeter von diefem entfernt, während die licht blaugrünen Eier gewöhnlid) Reine Seichnung tragen. Männchen und Weibchen bejorgen das Brutgejhäft abwecdjjelnd. Schon nad) 16 bis 18 Tagen jchlüpfen die Jungen aus den Eiern, obwohl die Eltern durchaus nicht jo brütlujtig zu jein jcheinen, wie manche andere Dögel; wenigitens lajjen jie jich durd) jede Kleinigkeit bei ihrer Bejchäftigung itören und fliegen Rreilchend auf. In einer großen ÖGejelljchaft gibt’s eben immer Unterhaltung, dank, Lärm und Gejchrei. Die Kleinen, welde ein dichter, weicher Slaum einhüllt, bla gelblihbraun mit manchen jchwarz- braunen Seichnungen, bleiben noch jo lange im Teit, bis jie notdürftig fliegen können. Ihre vötlichweilen Schnäbeldhen jtrecken jie den Alten entgegen, die ihnen Injekten bringen oder kleines Gewürm. Nah adıt Tagen etwa verlajjen jie die Kinderjtube und jchwimmen ein Weilchen auf dem Wajjer umher, um jedody bald wieder das traute Heim aufzu- juchen oder ein anderes trockenes Pläßchen. Auch im Slattern üben ji jpäter die Jungen, fallen freilidy anfangs bei diefem kühnen Unternehmen immer wieder zwilchen das Röhricht; aber jchlieglih wird doch aus dem Slattern ein wirkliches Sliegen, und es dauert nicht lange, jo tun Jie’s den Eltern gleid) in den janften, leichten Slügeljchlägen, denen man keine Anjtrengung mehr anmerkt, in kühnen Schwenkungen, ruhigem Schweben und Kreijen; die Luft wird immer mehr ihr eigentliches Element, während der Aufenthalt auf dem Waljer in gleihem Mafe zurücktritt. Jet kümmern ih die Alten natürlich nicht mehr um ihre nun erwachlenen Kinder; aber anfangs, bevor dieje fertig fliegen konnten, da bewadhten die bejorgten Eltern jeden Schritt der niedlichen Möwcen, braten ihnen Äßung, nahmen lie in Schuß vor zuÖringlihen Nachbarn und verteidigten jie mutig jelbit gegen größere Seinde, wie Weihen, Störchye, Reiher, wohl aud) gegen Hunde, welche die Kolonie beunruhigten. seigt jich jolch gefiederter oder vier- beiniger Störenfried, jo erhebt ji auf das Alarmgejchrei der eriten Hlöwe, die ihn bemerkte, die ganze große Gejellihaft, umjhwärmt mit gräßlichem Gekreilh den Gefürdhteten und jtöht jo wütend nad) ihm, daß er ge- wöhnlich nichts eiligeres zu tun hat, als das Bereich der mutigen Dögel zu verlajjen. Nur wo einzelne junge Möwen plößlidy überrajcht werden von einem Salken, einem Habicht, einer Rohrweihe oder auch von einem näcdhtlicherweile heranjchleichenden Suchs, da fallen jie dem Räuber ge- wöhnlih zum Opfer. Aud) die Eier werden von den genannten Seinden 204 Ho wı dung adıllpnagjoy Vagwwanıs Pr kay33eH1T 23330 (42W1 17 777738, "Zo6r zug “uzasu] - 7135 auny 7754172504 M. Behr. Sylt, Juni 1907. Slugbild der Silbermöwe. bedroht; die jchlimmiten Mejtplünderer aber jcheinen die Krähen zu Jein, die nicht jelten in gleich großer Kopfzahl die brütenden Möwen überfallen. Im Juli wird es jtill am Brutplaße; die Neiter Itehen verlajjen. Sedern, Eijchalen, verwejende Junge, die verunglückt jind, Kot, nieder- getretenes Scilf erzählen aber in bereöter Spradhe von dem regen Leben und Treiben, das hier nod) vor wenig Wochen oder Tagen herrichte, von Liebe und Eiferjuht, Sank und Streit, Elternjorge und Elternglüc. In alle Winde haben jie jich zeritreut, die Alten jowohl wie die Jungvögel; nur hie und da jien noch ein paar brütend auf den Meitern, da ihnen das erite Gelege zerjtört ward kurz vor dem Ausjchlüpfen, oder jchweben über dem MWajljer. Lebtere jind vielleiht Junge vom vorigen Jahre, die heuer no nicht zur Brut jchritten. Anfang Augujit wird es dann ganz jtill; auch die Jungvögel, die merkwürdigerweile erit nad) den Alten ab- ziehen, haben die Umgebung ihrer Geburtsitätte verlajjen. Sie treiben ic wohl jet auf anderen Seen und Teichen umher, wo jie Nahrung und Sicherheit finden, um dann gemeinjam das eigentliche Herbit- und Winter- 207 * Der } Ä $ rn % Ka 15% Be; & ; v. Jan. Scilly- Inseln, Fuli 1907. Sturmmöwe. Eben gejchlüpfte Junge im Neit. quartier weiter im Süden aufzujuchen. Immer ziehen fie in großen Schwärmen, immer mit viel Lärm und Gejchrei; eine einzelne Lachmöwe jieht man nur äußerjt jelten auf der Wanderung. Dabei nehmen ich unjere Reijenden viel Seit; jie weilen, wo es ihnen behagt, und jo beobachtet man bei uns bisweilen nody im Oktober ganze Schwärme von Möwen, wie jie ji) tummeln in der Nähe eines Gewäjjers. So gejellig die Lachmöwen untereinander jind, am Brutplat wie auf der Reije, jo jchließen fie jich doc; gegen andere, jelbjt nah verwandte Arten jehr jtreng ab. Sie vertreiben durch Stoßen und Beifjen jeden Dogel, der mit ihnen wandern will, und dulden namentlich in der Nähe ihres Niit: plaßes kein anderes gefiedertes Wejen. Es find immer Ausnahmefälle, wenn man, wie 3. B. in Jütland und in Schleswig an der Schlei, einige Sahmöwen in friedlichem Derein mit zahlreihen Brand-Seejchwalben an gemeinjamen Brutpläßen antrifft. Diel enger begrenzt, wenigjtens was Deutjchland betrifft, ilt das Gebiet der Silbermöwe. Sie meidet als Brutvogel das Binnenland gänzlich, 208 ılayr un amgwwmanys abung 72514172804 Dögel I. Steenhuizen, Wassenaar, Holland, uni 1900. Silbermöwe. Srijc; ausgejchlüpfte Junge und ein vom Jungen jchon angepictes Ei. indem jie jih auf unjer NWordjeegeitade beichränkt; an der Ditjee brütet jie nit. In den Dünen auf der Nordjpie von Sylt nilteten jeit un- denklichen Seiten diefe Möwen in jo ungeheuern Scharen, daß nod) vor kaum einem Jahrhundert gegen 530000 Eier gejammelt werden konnten. Jeßt hat die Sahl der hier brütenden Dögel bereits beträdhtlid abge- nommen. Dasjelbe gilt auch von den übrigen Injeln. Nur die Dogel- Rolonien von Borkum und Langeoog beherbergen noch bedeutende Mengen, etwa 2000—4000 Paare. Der Juilter Dogelkolonie fehlt die Silbermöwe, während jie auf dem gegenüberliegenden Nemmert in 80 Paaren niltet. Auf dem Oitende von Vordernen und dem von Spikeroog brüten nur wenige Paare (nad Leege). Sreilih außerhalb Deutjcylands it das europäilche 14* 211 Derbreitungsgebiet auch diejer Möwe jehr groß. Die Külten Skandinaviens bewohnt jie bis hinauf ins Eismeer, desgleihen die britiichen Injeln und die Färöer; nach Süden aber jchiebt jie ihre Brutpläße vor bis ins nördliche Stankreid. Die Silbermöwen find mehr Strich als Sugvögel; außerhalb der Brut: zeit Itreifen jie weit umher, jo daß man die jchönen Tiere dann wohl aud tief im Binnenlande über Seen und Slüjjen gewahrt. Wenn aber die Srüh- lingsjonne im April das erjte Grün hervorlokt in den Dünen, da |tellen ji) die für unjere Nordjeekülte jo charakteriltiichen Möwen an ihren alten Brutjtätten wieder ein, und ihre herrlichen Slugkünjte, die jie hier üben, erfreuen jeden Naturfreund. Mit Iangjamen, kräftigen Slügeljchlägen gleiten die weihen Dögel an dem tiefblauen Himmel dahin. Ohne jede Bewegung \chrauben jie jich in Spiralen empor zu bedeutender Höhe; ein paar Schläge der Schwingen, und dann mit ausgebreiteten Slügeln ein ruhiges Schweben unverrückt an demjelben ©rt, troß des jtarken Gegenwinds in der Höhe. Jett wird ganz unerwartet der Körper jeitwärts geworfen, und nun jchieft er hinab in weitem Bogen nach dem Wajjerjpiegel, um jofort wieder empor= zulteigen hoch in die Lüfte. Dabei jtoßen die unermüdlichen Slugkünitler ein tiefes Lachen aus „hahaha“, oder ein weitichallendes ‚‚Rjaukjaukjau”, wie eine Rlagende Menjchenitimme. It endlich die Niftitelle erkoren, jo wird in dem Dünenjande eine flache Mulde ausgejcharrt und aus Halmen des Sandhafers oder anderer Gräler, aus Wurzelfajern u. dergl. eine Unter: lage für die drei Eier gejhaffen. Bisweilen ruht das Kkunitloje Mejt ganz frei im Sande, meilt jedod) jteht es im Schuße eines Sandhaferbujches oder zwilchen Heidekraut, in einem Haufen trocknen Tanges, ja jelbit zwilchen Mujchelichalen, die das Mleer angejpült hat. Die Eier erreichen die Größe von Gänjeeiern, obwohl die Silbermöwe nicht jtärker ijt als der Kolkrabe. An Geitalt und Färbung zeigen aud) fie die größten Derjchiedenheiten. Die meilten tragen auf blaß olivengrünem Grunde größere und Rleinere Sleken, Tüpfel, Punkte und gekrümmte Linien von tiefbrauner und ajchgrauer Särbung; aber jelbjit himmelblaue Eier ohne irgendwelche Andeutung einer Seichnung kommen bisweilen vor. Dier Wochen beträgt die Brütezeit; dann jchlüpfen die Jungen, gehüllt in ein I\hmußigweißes, oben dunkelgeflecktes, wolliges Dunenkleid, aus den Schalen. Die unbeholfenen Kleinen weilen wohl noch ein paar Tage im leite; jobald jie aber gehen können, jtreichen jie mit häßlichem Gejchrei in den Dünen umher, und die Alten bringen fleißig Sutter herbei für ihre allzeit hungrige Nahkommenjchaft. Später, wenn jid) ordentliche Sedern an den Seiten der Brult und am ganzen Unterleib hervorgedrängt haben, wagen ji die jungen Möwcen ins Waller; bald wacjen ihnen aud; Schwingen und Schwanzfedern, und nun unternehmen jie bereits Slugverjuche, anfangs 212 1amowwanys nu uplug-uppps 'pung Jelu2doq 199 In addıly "lo6r ung sn M, Behr. } Sylt, Juni 1907. Slugbild der Sturmmöwe. nur niedrig über dem Boden dahinflatternd, bald aber höher und höher aufiteigend in die Lüfte. Erit im dritten Jahre werden die Jungvögel fort- pflanzungsfähig, und erit dann erhalten fie das prächtige Gewand ihrer Eltern. Kopf, Bals, Bruit, Bauch, Schwanz und die Deckfedern unter den Slügeln leuchten in blendendem Weiß; Slügel und Schultern zeigen das bekannte Möwenblau ; die Schwingen find jchwarz gefärbt, tragen aber weile Enden. Den hochgelben Schnabel ziert unmittelbar hinter der Spite des Unter- ichnabels ein leuchtend roter Sleck; jchwefelgelb it die Iris, und die Süße blaf fleiihfarben. Don Augult an wird dies Hocdhzeitskleid dann verdrängt von einem Winterkleide, das kleine matt graubraune Schaftflecke auf Kopf und Bals zeigt. In der Gejellihaft von Lac: und Silbermöwen beobadtet man auf den oltfriefiichen Injeln und an der Seitlandsküfte dahinter nicht jelten aud die Sturmmöwe; felbit tiefer im oftfriejiihen Binnenland begegnet man ihr bisweilen, wo jie Nahrung juchend dem Pfluge folgt. Ihre Sahl vermehrt ji im Laufe des Sommers und Herbites, und während die Haupt: 215 C. O. Bartels. Februar 1908. Sutter juchende Möwen im Kieler Hafen. majje der andern Möwen jich zeritreut, überwintern viele von ihnen in diejer Begend. Aber nicht nur an der Nordjee — namentlich auf Sylt und am Jadebujen — jondern auh an der Ditjeeküfte trifft man größere oder kleinere Brutkolonien, 3. B. bei Heiligenhafen auf Poel und Tangenwerder an der mecklenburgiihen Külte. In Rußland geht dieje Möwe hinauf bis zum Eismeer, ebenjo in Skandinavien bis zum Darangerfjord. Sie be= wohnt Schottland, die Hebriden, Orkney= und Shetland-Injeln, brütet aber auh auf den Scilly:Injeln, aljo nody unter 50° n. Br. Im Winter halten ji die jchönen Tiere, die auf ihrem Kleid falt genau diejelben Sarben und seichnungen wie die Silbermöwen tragen, jic aber durch die viel geringere Größe und jchlankere Geitalt auf den eriten Blik von ihnen unterjcheiden, gern an den Slugmündungen, 3. B. an der Elbe, oder an gejhüßten Buchten auf — in und vor dem Kieler Hafen jind jie nädlt den Lachmöwen das ganze Jahr hindurch zahlreic) anzutreffen — wandern aber aud an den Slüjjen bisweilen tief ins Binnen- land hinauf. So hat man jie auf den größeren Seen Oberbayerns und der 216 layr un abung arldnplad ungp mowwanys -lo6r ınß “upasu] - M23S uvE °R A. Bachmann. Sylt. Silbermöwe. Schweiz öfters beobadhıtet. „Im Srühling (Ende März bis eventuell Ende April) bedeckt fie regelmäßig, öfters zu Taufenden, die überjhwemmten Pregelwiejen von Infterburg bis zur Mündung oft mehrere Wochen bis zum Aufhören der lÜberichwenmung, in manden Jahren itark mit Lachmöwen gemijht“ (Chriltoleit). Im Brutgejhäft und in der ganzen Sebensweije ähnelt die Sturm möwe ihren Derwandten. Su Anfang Mai ericheint jie in größeren oder kleineren Scharen an den Brutpläßen; ihre Neiter jtehen auf Grasbüjcheln, zwiichen Steinen, ganz frei auf dem Boden oder auch an manchen Orten in Getreidefeldern. Sie find aus wenig Halmen und Würzelchen, etwas Tang u. dergl. oder auch aus einer großen Mlenge aufgehäuften Materials gebaut. Die Eier — zwei bis drei zählt das volle Gelege — jind in der Färbung den Lahmöweneiern ähnlich, doch bedeutend größer als diefe. Im Brüten und in der Erziehung der Jungen bietet die Sturmmöwe keine Bejonderheiten. Meiit verweilen die Kleinen noch längere Zeit im Neft, jhwimmen, jobald ihnen die Sedern zwilchen den Dumen am Unterleib hervorkeimen, behend 219 im Wajjer umher, und wenn jie erwacdlen jind und fliegen können, ver- laljen jie mit den Alten die Brutpläße. Die Sturmmöwe gilt den Bewohnern der deutjchen Nordjeeküjte als MWetterprophet. Auf fie bezieht ji das oitfriejiiche Sprichwort: „‚Ulewen in’t Land, Unweer vör d’ Hand.“ Stürmilches Wetter it ihr jo zuwider, daß fie bei hohem Wellengange das Meer verläßt und, früher als jede andere Möwe, hinter die jhüßenden Deiche flüchtet, wohl aud) viele Meilen weit ins Land jtreicht, um hier teils auf größeren bewällern, teils aud auf Äckern zu verweilen, bis der Sturm jich gelegt hat. So kommt es, dab jie bisweilen in großer Anzahl ganz unerwartet in Gegenden erjcheint, wo Jie jich jonjt nie oder nur ausnahmsweije jehen läßt. Man hat den Möwen den Dorwurf gemadt, dab Jie arge Sijchräuber jeien. Dies gilt jedocy nur in bejchränktem Maße, und zwar am wenigiten von der bei uns verbreitetiten Art, der Kleinen Lacdmöwe. Wenn jie in großem Bogen aus der Luft auf den Wajlerjpiegel herabichieft, um etwas Geniebares aufzunehmen, jo taucht jie doch eben bloß mit dem Kopf ins Waller, infolgedejjen jie nur dann ein Rleines Sichchen zu erwilchen vermag, wenn diejes zufällig der Oberflähe jehr nahe it. In jeichten GBewällern, kleinen jchlammreichen Pfüßen wird die Beute an Sijchen freilich reihliher ausfallen, zumal die Lachmöwen dann auch jchwimmend und watend dem Silhfang obliegen. Gejchicktere Sicher jcheinen die größeren Sturmmöwen zu fein, obgleicy aud) jie hödjltens mit Kopf und Hals ins Waller tauchen. Ihre Sertigkeit aber, von der Höhe aus nad) einem an der Oberfläche des Wallers jchwimmenden Siche herabzultoßen, mit jicherem Schnabelgriff die Beute zu erfallen und ji mit ihr in weitem Bogen wieder emporzujchwingen, jeßt jeden Beobadter in Eritaunen. Aucd, der großen Silbermöwe ilt jeder Silch ein Leckerbijjen; aber wie lange Strecken lieht man jie abjuchen, ehe ihr einmal der Sang eines Kleinen Silches gelingt! Nur nad) Itärkerem Wellenjchlage wird ihre Beute an halb er- matteten oder toten und geitrandeten Sijchen etwas größer jein. Die Der- öffentlichungen Rörigs beitätigen das Gejagte; bloß etwa ein Drittel der unterfuhten Möwen zeigten Silchrefte (Schuppen und ÖGräten) in ihrem Magen. Die Hauptnahrung, namentlih im Srühling und Sommer, jcheint aus Injekten zu beitehen, welche die Möwen teils vom Wajler, teils vom Sande aufnehmen: Wallerkäfer, Waljerwanzen, Libellen, aber aud) Mai: Räfer, Spinnen, Heujchrecken, Ameijen u. a. Die Möwen bejuchen gern friichgepflügte Acker, um hier auf Engerlinge, Maulwurfsgrillen und Regen würmer zu fahnden; jelbit Mäuje hat man jie fangen jehen, die eine Lieblingskojt namentlich der Sturmmöwen jind. In der Maikäferzeit flattern die Lachmöwen bisweilen in ganzen ÖGejellichaften um die Bäume, die von 220 [7.7 C. O. Bartels. Februar 1908. Ruhende Möwen im Kieler Hafen. den braunen Gejellen heimgejucht werden, und füllen ihren Schlund mit der willkommenen Beute. Auch fliegende Injekten erhajchen lie gejchickt, 3.B. Ameijen, wenn diefe ihren Hochzeitsreigen in der Luft aufführen. Kleine Kondylien, Krebje und allerlei Würmer werden natürlicy aud) nicht ver- ihmäht;; die weiten Watten liefern den Möwen zur Ebbezeit in reichem Maße jolhe Kolt. Dazu vervollitändigen vegetabiliihe Stoffe den Speijezettel: Algen, Hafer- und Weizenkörner, Blaubeeren, Krähenbeeren u. a. Nan jieht, der Schaden, den die Möwen durd das Wegfangen von Sijchen ausüben, wird reichlid quitt gemacht durch die Dertilgung Ichädlicher In- jekten und Mäufe. Unjere drei Möwenarten, bejonders die Lachmöwe, dürfen wir zuverläflig zu den nüßlichiten Waljervögeln rechnen; der Ackers- mann in den Marjchen weiß es, dab fie ihm treue Derbündete Jind. Aber joll man den Nuten eines Gejchöpfes immer nur bejtimmen nad) Geld und Geldeswert? Gibt es nicht noch andere, ideale Gejichtspunkte ? Möwen über dem blauen Spiegel des Sees find die herrlichite Sierde der Sandichaft. Kreiihender Möwenjchrei in den einjamen Klippen it Miujik, 221 wir fühlen die Harmonie mit der feljigen Küjte und der tojenden Brandung. Möwen, den Dampfern folgend weit hinaus in das Meer, Rannit du dir anmutigeres, freundlicheres Öeleit denken, wenn du Abjchied nimmit von der Heimat? Und doch, wie übel hat der Menjch jeit jeher den lieblichen Geichöpfen mitgejpielt! In barbarijchiter Weile hat er die Dögel mit töd- lihem Blei an ihren Brutpläßen überfallen, majjenhaft jie ihrer wohl: jchmeckenden Eier beraubt. Hoch heute glaubt mancher Badegalt unjerer Seebäder, jeine Mußejtunden nicht bejjer ausfüllen zu können, als durch gedankenlojes Abjchießen der harmlojen Tiere. Das Reichsgejet, betr. den Schuß von Dögeln, vom 22. März 1888 erlaubt noch) immer das Ein Jammeln, Seilbieten und den Derkauf der Eier von Strandvögeln, See= \hwalben, Möwen und Kiebifen. So ilt es kein Wunder, da die leicht: bejhwingten Scharen, denen ja auch, die fortichreitende Kultur die Eriltenz- bedingungen mehr und mehr raubt, in jtetiger jtarker Abnahme begriffen ind. Wie ilt die Silbermöwenkolonie auf Borkum zujammengejchmolzen ! Wie armjelig der Rleine Reit auf Norderney! Auf Baltrum, auf Wangeroog Reine einzige niltende Möwe! Die Gejete gewähren den Dögeln Beinen oder nicht genügenden Schuß vor Mord und Eierraub. „Unter dem jebt herrijchenden Ausrottungsiyitem,” jchreibt Otto Leege, der beite Kenner diejer traurigen Sultände, „wird man es über kurz oder lang dahin bringen, dat die herrlichite Sierde der Nordjeegeitade (die Silbermöwe) der Niythe an gehören wird.” Möge diefem Dernichtungskriege, den Gedankenlojigkeit führt, aber aud) Roheit und Lujt am seritören, durd; gejebliche Schranken Einhalt geboten werden, ehe es audy hier heikt: Su jpät! Der rotrükige Würger. Don Martin Braeß. Schmeichelnamen jind’s nicht, die das Dolk einem der jchmuckiten Dögel unferer Heimat gegeben hat. „Würger“, ‚Neuntöter“, Dorndreher“ und ähnliche Bezeichnungen weilen auf ein gar graujames Handwerk hin. An die Raubritter des Mittelalters denkt man dabei und an die Solterqualen ihrer Gefangenen in den dunkeln Burgverließen. Gott jei Dank, ganz jo Ihlimm treibt’s der Rleine Dogel nun nicht, und wenn wir ihm in den Sitten die erite Senjur auch vorenthalten müljen, jein Wandel ilt dody um vieles bejjer, als jein Ruf. Mer die Hecken vor den Dörfern, die Dornbüjche am Rande von Feld» gehölzen, Wiejen und Laubwäldern, die hohen Giniter-, Schleh- und Weih- dorniträucher, wie jie verftreut find am jteinigen Hang, von Mitte Mai an einer genauen Unterjuhung unterzieht, der findet gar nicht jelten Mai- käfer, Maulwurfsgrillen, Heujhrecken, Hummeln, Raupen, aud) kleine Stöjche, vielleicht jogar ein Mäuschen oder einen Jungvogel aufgejpießt auf den jpifen Dornen. Oft trägt ein einziger Schlehen- oder Weihdorn- itrauch ein ganzes Dußend joldy graujam hingemordeter oder nody zuckender Opfer, und der Uneingeweihte ilt vielleicht empört über die Roheit böjer Buben, denen er jolhe Schandtat zujchreibt. Doch gemadh! Der Mlörder, in dejlen Reich wir eingedrungen jind, jißt in der Nähe. Ein Dogel ilt’s; von dem oberiten Wipfel des Pflaumenbaums herab hier am Wege läßt er jeinen rauhen Ruf, ein hartes, Rurzes „gäck, gäck“ mehrmals hinter: einander hören. Dann fliegt er mit langgezogenem „gwäh-ä“ herab auf einen Schlehenjtraud, der die Hecke am Rande des Feldes überragt. Jebt Rann man den Burjchen ganz deutlich erkennen. Stolz jißt er da in aufrehhter Haltung, einem Raubvogel gleich, und doch ilt er nicht größer als eine Seldlerche. Der etwas ausgebreitete Schwanz wippt auf und ab, audh nad rechts und nadı links jchlägt ihn der Dogel, daf es fait ausjieht, als ob er ihn im Kreije bewege. Wie mutig das große Auge aus dem breiten jchwarzen Streifen herausblickt, der von der Schnabelwurzel bis an den Nacken zieht; wie kühn die Spite des Oberjchnabels hakenförmig 223 ji) krümmt, und wie das aalglatt anliegende Gefieder jo blank und Ichmuck it, der Rültung eines Ritters zu vergleichen. Bejonders hübjch nimmt ji die weiße Kehle aus und die rojig angehaudhte Brujt; aber aud) der alchblaue Oberkopf und Hinterhals und das jchöne Rojtbraun des Rückens gereichen dem Dogel zur Sierde: wirklid) eine der |hmuditen Erjcheinungen unjerer Ornis! Wenn man ji; den Würger jo groß dächte wie einen Adler, an Majeltät in Haltung und Blik würde er dem König der ge= fiederten Welt nicht das geringite nachgeben ! Aber was er wohl beabjichtigt mit der jonderbaren Gewohnheit, auf jeinem Lieblingsitraudh allerlei Beute aufzulpießen? Genau weiß man’s nicht; doch wird man kaum fehlgehen in der Annahme, daß es eine Speijes oder Dorratskammer ilt, die jich der Kluge Dogel in den Seiten des llberflufles anlegt, um davon zu zehren, wenn ungünftige Witterung den Injektenfang erjchwert. Keineswegs |pieft er, wie das Dolk wohl glaubt, jede Beute auf, ehe er jie verjchluckt oder feinen Jungen bringt. Nur wenn er gejättigt it, dann jammelt er auf den Dornen an, was der Augenblick ihm bietet. Größere Tiere, wie Sröjche, Mäufe, Mejtvögel, wird er gewih aud) aus dem Grunde gern aufipiegen, um jie leichter verzehren zu können, jtückweis, gewiljermaßen wie von einer Babel. Don den auf: gejpieften Mäufjen 3. B. zerrt er nur das Sleilh aus dem Balg heraus; diejer aber und die Knochen bleiben den Ameijen übrig zum Abnagen. Einige wollen aud) wiljen, der Würger jei ein rechter Gourmet, der das Sleilcd nicht gern frijcdy genieße, jondern „abgelegen“; ja er |hwärme für einen gewillen Hautgout, wie mandye Leute ihn verlangen beim Hajen und bei anderem Wild. Die Speijekarte des rotrückigen Würgers hat man in letter Seit jehr eingehender Durdjicht unterzogen, aber troßdem ilt unter den Ornitho- logen und Haturfreunden Einigung nicht erzielt worden. Die einen be- zeichnen den Dogel als jchlimmiten Feind unjerer Sänger, der nicht nur den Neitvögeln nadjitelle, jondern auch bereits ausgeflogene Junge ergreife. Einen Dornöreher dürfe man daher im Garten nicht dulden; er vertreibe durch jeine Mordjucht die nüßlichen Kleinvögel. Andere wieder jind der Meinung, der vielumitrittene Dogel erlaube jih nur ganz ausnahmsweile einmal einen Übergriff, ja er gehöre infolge der Dertilgung jo vieler \hädlicher Injekten und bei feiner Dorliebe für Mäufe zu den nüßlichiten Tieren. Kein Sweifel, es werden ji unjere Würger individuell verjchieden verhalten; mancdye, denen die Gelegenheit fehlte, haben vielleicht niemals ein Neitjunges gekoftet, jondern jtets jih begnügt mit Käfern, Haufflüglern, Schmetterlingen, Würmern u. dergl., anderen wieder hat nichts jo gut gejchmeckt wie das nackte Dögelhen im Ieit, das fie wohl anfangs für einen Engerling hielten, und dieje find es nun, die planmäßig Neitraub 224 R. Paul Glogau, Funi 1907. Rotrükiger Würger. Männchen am Tejt mit Jungen. Dögel I. 15 treiben. Wenn man nur die Magenunterjuchungen berüklichtigt, welche verjchiedene Sorjcher veröffentliht haben, jo wird man jich leicht über- zeugen, da der rotrückige Würger jeine Nahrung hauptjählich der Klafle der Injekten entnimmt, wobei er natürlic) Reinen Unterjchied macht zwilchen nüßlihen und jchädlichen Kerbtieren — Maikäfer, Rüjjel- und Bockkäfer ind ihm ebenjo recht wie die nüßlichen Totengräber, Laufkäfer oder Erd- hummeln. Daneben aber finden ji in jeinem Magen oft liberbleibjel von Mäujen, und nur ganz ausnahmsweije deutet einmal ein Reit auf Dogelraub hin. Aucd die Gewöllunteriuhungen, denen jih €. Rzehak jeit mehr als 20 Jahren gewidmet hat, jind geeignet, den rotrücigen Würger in den Augen der Naturfreunde zu rehabilitieren. ie fand der genannte Sorjcher in diejen länglidy ovalen Gebilden, die der Neuntöter hervorwürgt, wie’s ja auch die Eulen tun, die Rotkehlchen, Grasmücken u. a., den geringiten Dogelreit, Rein Knöchelchen, Rein Sederchen; dagegen it er geneigt, den Nubßen, den der rotrücige Würger durch Dertilgung von Mäujen jtiftet, jehr hoch einzujhäßen. Wie dem aud) jei, wer es mit eigenen Augen gejehen, wie der gefiederte Räuber ein junges Rotkehlchen beim Kopfe ergreift und aus dem Tejte herauszerrt, wie er jein Opfer im bogigen Slug nad} jeiner Sleijhbank trägt und ihm dort mit kräftigem Ruck den jpiten Schlehendorn durdy den Hals treibt; wer es jelbit ge- jehen, wie er jeiner Beute zunädit die Schädeldecke einihlägt, um zu dem köftlichiten Leckerbiljen, dem zarten Gehirn, zu gelangen; wer junge Sperlinge, Grasmücken, jelbjt junge Rebhühncen aufgejpießt gefunden: dem Rönnen all die Magen- und Gewöllunterfuhungen doch nur jo viel beweijen, da& in der Regel der rotrücige Würger jich mit Injekten, Würmern und Mäujen begnügt, und daß es individuelle Ausnahmen jein mögen, welche die ganze Gejellihaft in Mifjkredit gebracht haben. Der qute Name einer Samilie wird nur zu leicht heruntergerijjen durch einzelne Mijjetäter. Die gejhwäßige Sama vergrößert das Derbrechen und dichtet noch weitere hinzu von raffinierter Heimtücke und Binterlilt. So erzählt fich das Dolk, dak die Mordlujt unjeres Dogels erit dann geitillt jei, wenn er neun Jung: vögel oder andere unjchuldige Opfer aufgejpiegt habe, auch betöre er kleine, dem Net vor kurzem entflogene Dögelchen dadurdh, dak er die Stimme ihrer Eltern in täujchendjter Weile nachyahme. An diejem Ammen- märden, diejer „Jäger: oder Dogelitellerjage”, wie jchon Dater Bedjtein ih ausdrückt, it nur das eine wahr, dab der rotrückige Würger den Gejang und die Lockrufe recht verjchiedener Dögel vorzüglich zu Ropieren veriteht. Am beiten offenbart jich diefe Gabe an gefangenen Würgern, die eben aus diefem Grunde ji großer Beliebtheit als Stubenvögel er- freuen. So jchreibt Karl Müller über den reichen mujikaliihen Dorrat, 15 * 227 den einer feiner Pfleglinge zum beiten gab, folgendes: „Suerit ließ er den Ruf und das Schnalzen der Nachtigall hören, worauf eine zijchende Strophe folgte, die mit einem Triller endete, dann flötete er das Lied der Schwarzamfel tief und melodilch, hierauf trug er den Gejang des Baum- piepers jo täufchend und mit jolcyer Überjchwänglichkeit im Ausdruck vor, da man in Wahrheit glaubte, das janfte, langgezogene, leile verhallende Lied von einem auf und niederiteigenden Pieper jelbit zu hören. In un: mittelbarem Sujammenhang folgten dann Wachtel:, Seldhuhn:, Unken-, Kuckucks-, Bujjard- und andere Rufe, verjchiedene Teile aus den Liedern der Grasmücken, Rlangvolle Drojjeltöne, der Überijchlag des Mönchs und zuleßt die mannigfadjiten Locktöne im Berbite ziehender Meijenfamilien und Goldhähnden.“ In der freien Natur kann man oft lange warten, ehe man von einem Würgermännden etwas anderes hört, als den oben angeführten Ruf „gäck, gäck“ oder den jcharfen Warnungslaut „täck”“, wie er jo cha= rakterijtiichb it für die Grasmücen. Hat man aber das Glück, den wirk- lihen Gejang zu vernehmen, jo wird man jtaunen über die Modulations= fähigkeit diejer Sängerkehle. Ein lujtiges Quodlibet ijt’s, was uns der \hmuce Burjche vorträgt, ohne Gliederung, ohne Pauje, alles hinter: einander und durcheinander. Jebt das Switjchern der Schwalbe, jet das Liedchen des Goldammers, des Stieglifes, dann wieder das „Rarrakiet” des Droljelrohrjängers, der Locruf des Rebhuhns uw. und dazwilchen das leije geprefte Switjchern, wie es Mutter Natur dem Taujendkünitler in den Schnabel gelegt hat. Das ganze lultige Durcheinander wird allerdings mit ziemlich |hwacher Stimme vorgetragen, namentlich erreichen die Imi= tationen die Stärke des Originals in den meilten Sällen bei weitem nicht. In der Nähe jeines Iejtes ilt unjer Würger ein gar jtreitlujtiger Herr. Er duldet hier keinen andern Dogel und verfolgt jeden Eindringling eifrigit. Auch größere Dögel, wie Amjel und Singdrojjel, jelbjit der große Bunt: \peht und der Grünfjpecht, nehmen Reifaus, wenn der Rleine Kerl mit \häckerndem Schrei und wütender Bebärde von jeinem Lieblingsliß Jich herab- türzt; niedrig über dem Boden fliegend, jagt er dem Davoneilenden ein Stükchen nah, um ji) dann in jchön aufiteigendem Bogen wieder dem Altchen zuzuwenden, das er joeben verlajjen. Selbjt wildernde Kaßen greift er mutig an, wenn fie jich lüjtern in die Nähe des Neites jchleichen, und jogar vor den Menjchen fürchtet er jich nicht, jobald es gilt, feine Brut zu verteidigen. Dor Elitern und Krähen, diejen jchlimmiten Strauchrittern der Seldgehölze, die der wachlame Dogel jtets mit aufgeregtem „tächk, täck“ empfängt, jind die Meitjungen durd; die dichten Dornen, in denen die luftige Wiege jteht, meilt genügend gejhüßt. 228 Rotrükiger Würger. Männchen am Nejt mit Jungen. vaköd DD Das Heit it manchmal recht jorgfältig gebaut aus trocknen Halmen, zarten Wurzeln, Moos u. dergl., innen jchön ausgekleidet mit Haaren und Wolle; mandmal aber erjcheint der Kleine Bau jo locker zujammengefügt, daß man jich wundert, wie er Wind und Wetter zu troßen vermag. Sreilich iit das Weit immer gut geborgen im dichtejten Sweig- und Blattwerk der Hecken und Dornbüjche, oder auh am Waldrand im Ajtquirl eines jungen Nadelbaums; 1-2 Meter Höhe über dem Boden jcheint dabei unjerm Dogel am meilten zuzujagen. Ende Mai oder Anfang Juni ilt das Gelege vollzählig. Die fünf, bisweilen auch jechs Eier fallen in der Färbung recht verjchieden aus; bald it die Grundfarbe gelblich, bald grünlich, bald rötlich, und auch die graue oder rotbraune Punkt: und Sleckenzeichnung ilt bald gleihmäßig über die ganze Schale ausgedehnt, bald umgibt jie Rranz- förmig den jtumpfen Pol. Das Weibchen jcheint die Eier allein auszu- brüten, während das Männchen gejchäftig für die Gattin allerlei Nahrung herbeiträgt, die es in der Nähe des Meites auf die Dornen jpieht, jo da der brütende Dogel die Eier nur auf kurze Seit zu verlajjen braucht, um ji} zu jättigen an der reich bejeten Tafel. Um die Mitte des Brachmonds jperren dann die grauen Dunenjungen die weitgeöffneten Schnäbel den fütternden Alten entgegen, die nun nicht genug Injekten herbeijchleppen können. Namentlih wenn es ji) zeigt, daß das brütende Weibchen mit einem Kuckucsei beglückt wurde, haben die Eltern, wie man jagt, alle Hände voll zu tun, den IHimmerjatt zufriedenzuftellen. Und gerade der votrükige Würger it es, der jehr häufig vom Kuckucsweibchen aus» erjehen wird, deilen Nahkommenjchaft großzuziehen; jo hat Dr. Ren für Leipzigs Umgebung nacıgewiejen, da bei weitem die meilten der dort ge= borenen Kucuce das Licht der Welt in dem Keit eines rotrückigen Würgers erblicken; aber aud) in anderen Gegenden überrajcht den Naturfreund gar nicht jelten der jcharlachrote, gelbgeränderte Abgrund eines Kuckucsradens, wenn er von oben in ein Würgerneit jchaut. Die von dem eingejchmuggelten Pflegling über den Nejtrand geworfenen Eier oder auch |hon die mit Dunen bedeckten Kinder der rechtmäßigen Hausbeliger findet man dann bisweilen am Boden. Wir wollen dem Würgerpaar diejen Dienit, den es als Kuckucks- pfleger im Haushalte der Natur jo häufig leiltet, auf die Kreditjeite jeines Kontobuchs jchreiben. Wenn die Jungpögel, die in ihrem JugendRleidchen der Mutter auffallend ähneln — Oberjeite graubraun, Unterjeite lichtgrau, überall dunkel gewellt — herangewadjlen jind, jo ziehen jie fort nad) dem Süden, und aud) die Alten verlajjen uns. Ihr Geichäft ilt bejorgt, nichts hält jie zurük. Ein jchöner, warmer Augujtabend jenkt jicy über die Slur; glühend rot ilt der Sonnenball untergegangen am weltlichen Himmel; da Tüftet 251 das Pärchen jeine Schwingen. Die eriten Strahlen der Morgenjonne be- grüßen die einfamen Wanderer in ferner, ferner Gegend, vielleiht nicht einmal mehr auf deutichem Boden. Wir aber vermiljen bei unjerm nädhiten Spaziergang nach der Iteinigen Halde das jcharfe „täck, täck“, mit dem uns jtets der jchmucke Dogel empfing, und nur das leere Mejt im Schlehen: itrauh, dazu ein paar Käfer und Hummeln auf den Dornen erzählen uns noh von dem Leben und Treiben des leuntöterpaars, das diejes Revier beherrjchte; drei Monate wird’s her jein, da es einzog, oder nur wenig länger. 252 Der weiße Stord.. Don Martin Braeß. „Der erjte Storh!” — Jauchyzend und lärmend entflieht die Jugend des Städtchens der dumpfen Schulitube; der Greis verläßt den Dfenlis, und au Großmütterlein wankt an der Hand des Enkels herfür, den Srüh- lingsboten zu begrüßen. Malern und Dichtern erichließt ji ein unge- ahnter Schatz; neuer Ideen; jelbjt ins dunkle Rathaus dringt ein Strahl der mit der Ankunft des Storhs erwachenden Srühlingsjonne, der alle Herzen des hochweilen Magiltrats milde jtimmt, und feiner Sejjelm ledig, gejellt jich der Delinquent zur frohjauczenden Schar auf der Galje. So ungefähr jchildert Hans Martin Uiteri den allgemeinen Jubel, den der „erite Storch” entfacht bei klein und groß, bei jung und alt. Aber nicht nur, wenn er von der Reife zurückkehrt, it der Adebar *), der Glückbringer, Gegenjtand allgemeiniter Aufmerkjamkeit, au während des ganzen Srühlings und Sommers wird all fein Tun beobachtet, und jeder weif; etwas von ihm zu erzählen. Jet bejjern jie das Hejt aus am Sirft des Kirchendachs, daumenftarke Reijer, Dornen, aud; wohl Eröklumpen herzutragend — jeßt fit die Störchin brütend auf den Eiern — jeßt itrecken jchon vier junge Störche die Schnäbel dem herzufliegenden Alten entgegen — jett werden die eriten Slugübungen rings um den Kirchturm unternommen und jeßt... fort find jie alle, dem rauhen Winter zu entfliehen. In der Tat, der Story it unfer volkstümlichiter Dogel; Jelbit die HBausichwalbe, die doc) das engite Sreundjchaftsbündnis mit dem Nlenjchen geichloffen, Kann jidy in diefer Beziehung nicht mit ihm ınejjen: jie it Sreundin und Schüßling des einzelnen Gehöfts, der Stordy aber gehört der ganzen Gemeinde, er erfreut ji der Teilnahme der Gejamtheit, und als ob er das wühte, jucht er Jic) jo gern das Dad der Kirche aus für feinen Borit oder den hohen Giebel vom Rathaus. Was für ein hübjches, gemütliches Bild, wenn die Störche kurz vor Sonnenuntergang heimgekehrt find von der jumpfigen Wieje gleich dem *) Adebar (Edebar, Odebar) oder Heilebart heit der Stordy in Norddeutjcland. Althochdeutih: odeboro; boro — Träger, beran — tragen, öd — gut; heilbaere — heil-, glückbringend. 235 M, Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Mai 1907. Stordhnejt mit altem Dogel (jtehend) und vier Jungen ; die Jungen beim Erwachen, eines gähnend. müden Landmann und nun droben am Sirjt des Dadhs jich jo gut abheben vom geröteten Abendhimmel, dat fie größer erjcheinen, viel qrößer als jie in Wirklichkeit find. JIe&t biegt der eine den Hals zurück, daß der Kopf den Rücken berührt und die verlängerten Federn am Kropf einen wirren, aufwärtsitehenden Bujch bilden. Der Schnabel it nad) Hinten gerichtet, horizontal liegt er auf dem Rücken, und nun beginnt das jeltjame, holperige Derschen, das jtimmungsvolle Klappern, indem der Dogel beide Schnabel- hälften jchnell und heftig zufjammenjchlägt, wobei der Hals jih allmählich hebt und, einen weiten Bogen bejchreibend, fich jchlieflich hinabbeugt bis vor die Brult. Jet ift das KRlappernde Liedchen zu Ende, doch bald beginnt es von neuem, und aud der andere der beiden Gatten be= teiligt ji) an der mujikaliichen Übung. Wie Iujtig, wenn jpäter die Jungen gleichfalls anfangen zu Rlappern, wenn jie mit flatternden Slügeln im Mejte herumjpringen, jicy ein wenig in die Luft erheben, dann auf den Dadfirit hüpfen, dann wieder ins Mejt, bis fie jchließlich den eriten un- 254 M. Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Mai 1907. Storchnejt mit altem Dogel (jtehend) und vier Jungen; die Jungen jchlafend. jiheren Slug wagen hinüber zum Nahbarhaus. Wie reizvoll der An- blik, den auf einer Wieje einheritolzierende Störche gewähren! Mit abgemejjenen Schritten voll Ernit und Würde, voll Anitand und Hoheit durhwandeln jie, die langen Beine bedächtig hebend, die grünen Sluren. Wie herrlich der freie Slug der ftattlichen Dögel, wenn jie ji mit ein paar Sprüngen erhoben haben vom Boden, die mächtigen Sittiche anfangs hajtig und jchnell bewegten, nun aber jo ruhig jchwimmen im Luftmeer, den langen Hals und den Schnabel weit nad) vorn, die Ständer nad) hinten gejtreckt, die Slügel ausgebreitet, daß Jich die Schwingen an den Spißen teilen, riejigen Singern vergleihbar. Schöne Kreije bejchreibend, jo gleiten jie an dem blauen Himmelsgewölbe dahin, niedrig anfangs, dann immer höher in riejigen Spiralen, nur ruckweije einmal mit den Slügeln \hlagend, höher und höher bis zu den Wolken hinauf, und dann wieder janft jich jenkend aus der unermeßlichen Höhe hinab zum Horit auf dem winzigen Kirchlein. Dom eriten Tage an, da die Störche eintreffen aus 255 ihrem Winterquartier, bis zu dem Augenblick, wo jie Rlappernd Abjchied nehmen vom Melt und vom Dorf, Itets jind jie Gegenjtand allgemeiniter Beobachtung und erfreuen jich der Teilnahme aller. Einen bejtimmten Ankunftstag hält Sreund Langbein nicht inne; er richtet jich vielmehr nach der jeweiligen Witterung des Srühjahrs, aud erjcheint er in jüdlicheren Gegenden ungleich früher, als weiter im Norden. Die le&ten Tage des Februar bis hin zur Mitte des April, das mögen An: fangs= und Endtermin jein für die Seit, da man innerhalb Deutjcylands die Störche erwarten darf. Gewöhnlicdy it das bekannte Storchenpaar auf einmal wieder da, ohne dab man weil, wann und woher es kam, und zu den jeltenen Glücksfällen gehört es, die Weitgereilten zu beobachten im Augenblick, da jie das erjehnte Siel der langen Fahrt endlich erreichen, ob= gleich die Störche immer des Tags ziehen. In jchwindelnder Höhe jchweben wohl hundert und mehr; das blendend weile Gefieder hebt jich jchön ab von dem jtrahlenden Blau des Himmels, und ruhig, gemejlen alle Be wequngen diejer jchneeigen Wolke am S$irmament. Bejonnenheit, llber- legung beherricht den einzelnen, wie die Gejamtheit. Plößlicy Töjen jich ein paar winzige, lichte Slöckhen ab von der weihiglänzenden Majie; in langen Spirallinien jenken jie ji) aus ungemejjener Höhe; zu wirk: lihen Störchen wachen jie an — deutlich erkennbar das charakteriitilche Slugbild. Noch weit ausgeholt jeßt ein letter Halbkreis, und flügelichlagend faht das Paar feiten Su auf dem Dadjfirit des jtrohgedeckten Bauern: haujes, jeines Haujes, wo auch nod) das alte Wagenrad liegt unter dem wirren Haufen von Älten und Sweigen, die die Heimgekehrten vielleicht jahrelang jchon benußten zur Aufzucht der Jungen. Wie jie klappern vor Sreude und Lult, daf jie wieder daheim jind — daheim! Dder ilt es ein Gruß für die Weggenofjen hoch in den Lüften? Keine Spur mehr von ihnen. Raid trägt der Sittich den Dogel und hoch über dem Erdbewohner, dab diejer die winzigen Stäubchen nicht mehr erkennt an der himmlischen Wölbung. Häufig geichieht es aud, dab zuerit nur das Männchen zurückkehrt und nod) einige Tage warten muß, ehe es jein Weibchen begrüßen kann an der heimijchen Stätte. Aber wie jieht der Horit aus! Der Sturm hat ihn tüchtig zerzauft und die Majle des Schnees im vergangenen Winter ihn jtark zerdrückt und verjchoben; daß er das Gleichgewicht nicht ganz verloren und nicht abgejtürzt ilt in die Tiefe, erjcheint fait als Wunder. ärgerlich zupfen jie hier und zupfen jie da: wer weiß, ob in einer Woche wir fertig! Aber erit verlangt der Magen nad Speile. Mutter Natur ilt noc) Rarg im zeitigen Srühjahr ; doch wo Waljer und jumpfige Wieje, da findet jich Itets etwas für den Schnabel — „alles Leben kommt aus dem Waller“. Bekannt ilt die Gegend dem Paar, jeder Weg, jeder Baum. Dort die gewundene Linie 256 -quadayjluv aaynS u Pdoq RB uwdung ana pw Houlpaıors Zo6r zung ““yy 'v ua/v i "yovg4any "WW R N ee IT. Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Juni 1907. Stordhnejt mit vier Jungen. Alter Dogel abjliegend. der blühenden Weiden und das Erlengebüjch mit jeinen nod} Rahlen Sweigen bezeichnet den Graben, der mit Waljer gefüllt durch die weite Wieje dahin- zieht. Sröjche gab es hier jtets am Rande des Wajjers und in den Seiten- gräben auch mancherlei kleines Getier, Blutegel, Kaulquappen, Schnecen, aud; Waijerkäfer und Larven, Regenwürmer und Sichhen; alles was Rriecht und |hwimmt, nur her damit, es wird jchon |chmecken ! Aber der Srojch, das iit und bleibt doch immer der Lieblingsbiljen des \hwarz-weißen Hausfreunds; ja es jcheint fait, als ob der Stord) jeine Ankunft in der nördlichen Heimat nad dem Erwachen des Grasfrojhs richte, der itets der erite it auf dem Plan von der ganzen Raltblütigen Sippjhaft. Im Laufe des März wird es regelmäßig jchon Tebhaft in den Teichen, Sümpfen, jelbit kleineren Pfüßen, die zurückgeblieben jind von der Schneejchmelze. Und jchon er: wacht auch die Liebe im Herzen der Lurche; die Ufer der Gräben und Tümpel jind alle umlagert von den Derliebten, die einander umarmen, tagelang an nichts denken, als nur an die Paarung. Das ilt jo etwas für den Magen des Heimgekehrten, ausgehungert auf langer Sahrt. Wie 239 er leije heranjchleicht, jeden Schritt überlegt, die langen Stelzen vorjichtig hebt und ganz behutjam nur auftritt, damit auch das Rleinjte Geräujc) ver- mieden werde und im Boden jede Erjchütterung. JIeßt jteht er am Rande des Grabens, mit gerundetem Rücken liegt der Körper horizontal auf den Ständern, die im jchöniten Sinnoberrot prangen; es jenkt ji} der Hals in ebenmähßigem Bogen, der Kopf ein wenig gehoben, der Schnabel jchräg abwärts gerichtet. Da jchnellt bligartig die lange Pinzette hinab, der Srojc it erfaßt — nein, eine Doublette! Ein paar jtoßartige Bewegungen no mit dem wagerecht gehaltenen Schnabel, daß das Pärchen zwilchen den Kiefer- rändern haltig und ruckweis hingleitet nacy dem Schlunde ; dann ein Schluck, und jein gemeinjames Grab findet das Liebespaar im hungrigen Magen. Nun wird der Beutezug fortgejeßt; nad) wenig Schritten zeigt ic) Jchon wieder ein Billen, und jtets geht der erfahrene Jäger jo vorlichtig zu Werke, dab nur jelten das auserjehene Opfer nod) rechtzeitig entkommt. In den eriten Tagen des April erwachen dann auch der Kammold) und der Kleinere gewöhnliche Teichmoldh; jie werden nicht gern von Sreund Langbein ver- zehrt, aber in der Not jind fie doch bejjer als nichts. Dagegen bleiben die Erdkröten, die ich auch Ichon um dieje Seit an den jtehenden Gewällern zum Laichen einfinden, jowie ihre näheren Derwandten regelmäßig verjchont. Sie haben nichts zu fürchten von dem gefräßigen Schnabel; denn der |charfe Saft ihrer Hautdrüjen jcheint dem Storch, wie übrigens fajt allen Lurd): liebhabern, jo unangenehm zu fein, daß der fette Biljen auch beim größten Hunger verjchmäht wird. Ebenjo hält der Storch nicht viel von den Laub: fröjchen, noch weniger von den Unken, die freilid, erit dann auftreten, wenn die Natur mit freigebiger Hand Nahrung jpendet im llberflup. Auch entfernt vom Wajjer, am trocknen Bange, am Rande des Seld- gehölzes, auf Acker und Wieje, findet jih jchon Ende März mande will: kommene Beute. Die Eidechjen jind bereits munter und beginnen ji zu häuten, um dann aud) der Mlinne zu pflegen. Sreilicy ilt es jchwerer, die flinken Tiere zu erwilchen, zumal jie jich nicht weit entfernen von der Höhlung, in der jie nur zu jchnell entichwunden jind; aber Ausdauer führt auch dann noch zum Stel. Regungslos jteht der langbeinige Wegelagerer auf der Lauer, den Schnabel nad dem Loc) gerichtet, das den erjehnten kleinen Saurier birgt. Wehe, wenn ihn der goldene Strahl der Srüh- lingsionne hervorlockt aus dem jihern Gewahrjam; ein Stoß, ein Schluck, und vorbei ilt’s — vorbei. Audy Mäufen und Maulwürfen, jelbjt jungen unerfahrenen Karniceln und Bajen jtellt Sreund Adebar in ähnlicher Weile nach. Blindjchleichen, die ji jonnen am Waldesrand, Ringelnattern, die ih lautlos durdys Gras jchlängeln am Badufer, wo jie dem gefiederten Jäger Konkurrenz machen auf feinen Beutezügen nah Srölchen, Jind leicht zu ergreifen; jelbjt die Kreugotter, eine der eriten Schlangen, die ihr Winter: 240 uolpuuywsdusds saquafjog wo uayun syu Bromkoörlıyg wog Ing DWpaoyldu ng en. 'e + WO "7 = e7 . M, Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Funi 1907. Storchnejt mit vier Jungen. Alter Dogel abfliegend. quartier verläßt, ein erfahrener Story fürchtet jich nicht vor Oder gefähr- lihen Natter, wenn fie aud) zijhend den Kopf erhebt zum verderblichen Biß. Der Igel frikt fie ja aud, und dem Story kann fie noch weniger etwas anhaben, da die langen Stelzen von feiter Haut umgeben jind, wie der hornige Schnabel. Im Nu it der Kopf des Reptils zerjchmeitert, und vorbei ilt alle Gefahr. Im Magen bleibt ja das Gift völlig wirkungs= los; nur unter die Haut und in die Blutgefäße darf es nicht kommen. Döllig immun, wie die Menjchen wohl glauben, ilt der Storch nicht, ebenjo- wenig wie Meijter Swinegel; aber gejchickt jind jie beide beim Ergreifen und Töten der Giftichlange, und darauf Rommt’s an! Im Wiejental wählt das Gras höher und höher, bunte Blumen ihmücken den Teppich, die Saat ilt emporgejchollen, und alle Bäume jind ihon belaubt, jelbjt die Eichen haben bereits die gelbgrünen Blättchen getrieben zur Sreude der Maikäfer. Alle Rleinen Sänger jind da; der Gras=- mücken Lied tönt aus Hecke und Bujch, der Kuckuk ruft, und aud) der Pirol flötet feine füße Strophe feit ein paar Tagen. Die Rohrjänger beleben Dögel 1. 16 241 E 2 M, Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Mai 1907. Stordhnejt. Alter Storhy das Wajjermoos auf dem Tejtboden ausbreitend, die Jungen machen Plaß. das Schilf, die Unken jtimmen ihren melandpoliihen Rundgejang an — Glokenton aus der Tiefe des Wafjers — die Seldgrillen zirpen, und zwei Wachtelmänncen überbieten jich im Wettgejang gegen Abend. Leben überall, frohes, fröhliches Leben. Alle Not hat ein Ende; überreich ijt der Til gedeckt von der freigebigen Mutter Natur für jedes Gejchöpf, groß oder Rlein. Audh unjer Hausfreund findet genug für den Schnabel, wo es aud jei. Im Sumpf jchreitet jet der Waljerfrojh zur Sort: pflanzung ; viele Taujende Eier, von lichten Gallerthüllen umgeben, jehen ihrer Entwicklung entgegen. Da ilt es gut, wenn tüchtig aufgeräumt wird unter den |pringenden Lurchen, welche die Teiche und Sümpfe als ihr ureignes Königreich betrachten, wo nur jie zu befehlen haben. Und was fällt nicht alles jo gelegentlich mit ab bei der Srojchjagd, Biljen, die nicht jatt machen, aber doch gern mitgenommen werden: Schwimm= und Wajjer- Räfer mandherlei Art und ihre Larven, zierlihe Libellen und dickköpfige Wajlerjungfern, wenn Jie regungslos am Schilf- oder Weidenblatt jißen, 242 IT. Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Mai 1907. Stordhnejt. Alter Stordy bringt Wajjermoos zum Auskleiden des Nejtbodens. aber auch ein wildes oder zahmes Entchen, das unvorlichtig jJich entfernt hat von der Samilie, Kiebitjunge oder jolhe von Wajjer- und Strand- läufern, vielleicht auch einmal eine Nackt: oder Gehäusichnecke. Die be- gehrtejte Beute bei der Wajjerjagd, das jind aber neben den Sröjchen die Siihe. Handlange etwa oder Kleinere werden bevorzugt; die kann der Stordy ungerjtückelt verjchlingen, während er ji mit größeren lange ab- plagen muß. Aber freilich, jo leicht jind die flinken Slojjenträger nicht zu erlangen. „Im Trüben it gut filhen“, das Sprichwort befolgt auch der Storch; geduldig jteht er im jeichten, jchlammigen Waller und wartet auf eine Schleie, eine Karaujche, einen Schlammpeißker oder Hecht, Aal oder Karpfen. Manchmal verfehlt der Schnabel das lockende Stiel; aber zur Saichzeit, wenn die SHilhe in größeren Mengen nady dem Rand der Ge: wäljer Rommen, oder wenn unter der Blut der Sommerjonne eine jeichte Budt falt ausgetrocknet ilt, da die Siiche matt werden und abzuitehen beginnen, da hält der jchwarz-weiße Sicher gar reichlihe Ernte. Aud auf trockneren Stellen der Wieje und im Getreide, auf Rainen und Seld- 16 * 243 wegen winkt manch Rleine Beute. Heujchrecken und Heimen, Maulwurfs- grillen und allerlei größere Käfer, die auf den Halmen und Blättern jigen oder gejchäftig über den Boden laufen, wandern hier in den Magen des Nimmerjatten, aud) mandye Lerchen:, Wachtel oder Rebhuhnmutter weiß davon zu erzählen, wie ihr Kkläglicy Geichrei das unbarmherzige Langbein nicht abhielt, all die Kleinen eben ausgefallenen Dunenjungen aufzujpießen und zu verjchlucken, eins nach dem andern, oder zwei auf einmal. Aber außer der freien, fröhlichen Jagd gibt es jet im Wonnemond nod andere Bejchäftigungen für unjern Hausfreund, die aud) bejorgt jein wollen. Der Bau des lejtes freilich ijt Tängjt zu Ende geführt, anderthalb Meter breit mag es jein, und beinahe einen Meter hod) liegen die Stäbe und Stecken, Reis- holz und Dornen, auch Rajenjtücke und Erdöklumpen übereinander. Seineres Reilig, Rohrhalme, Schilfblätter find Runitlos dazwilchen gefügt, und innen Rleiden weichere Grasitückchen und Moos, Stroh, Mit, Stoppeln, Haare und Fäden, Leinwandfeßen, wohl aud) Papierjtückchen die flache Dertiefung aus. Auf Wieje und Seld, an den Wegen und in den Gärten hat das Paar all dieje Stoffe zujammengelejen und mit ihnen in ein paar Tagen den alten Bau ausgebejjert, daß er der Gattin von neuem zum Wochenbett dienen kann. Allemal hatten jie freudig geklappert, wenn wieder ein Stückchen fertig, eine Lücke ausgefüllt war oder der eingedrückte Nejtrand verbeljert. Klappern gehört bei ihnen zum Handwerk; Rlappernd madıt der Storch jeine Liebeserklärung, und Rlappernd antwortet ihm die Er- Rorene; er Rlappert aus Sreude und Rlappert aus Ärger, Rlappernd nimmt er Bejit vom angeltammten Borjt, und klappernd verabichiedet er jich vor der Reife. Und wie verjchieden ilt feine Dortragsweile dabei! JIett geht es ganz piano, ohne dab die gewöhnliche Stellung verändert wird, jet wieder forte mit weit ausgeholter Pendelbewegung des Halfes, crescendo oder decrescendo, wie es der augenblicklichen Stimmung entjprict. Noch Ende April hatte dann das Weibchen das erite Ei in den Horit gelegt, dem dann innerhalb mehrerer Tage drei oder vier weitere folgten, eins wie das andere rein weiß, glatt die Schale und jhwac glänzend, in der Größe etwa die Mitte haltend zwilchen Enten» und Gänjeeiern. Gewiß, dem Weibchen fällt beim Brutgejhäft der größere Anteil zu, zumal es regelmäßig des Nachts auf den Eiern jitt, während das Männchen, das eine Bein emporgezogen, auf dem Kejtrand Poito gefaßt hat oder auf dem Dadfirst, am Sims des Schorniteins. Aber tagsüber Ilölt jih das Paar mehrmals ab, und es jcheint, als könne es der brütende Gatte Raum er- warten, bis der andere ji} wieder am Horite blicken läßt. Denn fobald er ankommt, erhebt ji der Dogel im TNeite und fliegt ab nad) eiliger Begrüßung, während der andere jich niederläßt, noch eine Seitlang hin- und herrückt, bis er die richtige Lage gefunden, dann am Mejtrand einiges 244 Re a En x % Dir - Dr EEE ALT, RE du Bois- Reymond. Eiche b. Potsdam, Mai 1903. Stordnejt. Alter Story Rlappernd. bejjert und ordnet, um jchlieglich eingezogenen Haljes träumend zu warten, bis für ihn wieder die Stunde jchlägt, wo er jein Jagdrevier von neuem aufluchen darf. Nah reichlich vier Wochen jchlüpfen die Kleinen Störhe aus den Eiern, in Größe und Gejtalt jungen Gänshen ähnlid, nur mit etwas längerem Schnabel, der aber nicht rot ausjieht, wie bei den Eltern, fondern jhwarz. Ganz dünn fteht der zarte Slaum auf dem Körperden, dab überall die bloße Haut hindurchjchimmert und Dater oder Mutter an kühlen Tagen die Jungen unter die wärmenden Slügel nehmen müljen. Nach zwei Wochen erit brechen die Sproffen der jchwarzen Schwungfedern durch und die Kiele am Schwanze; bald bedeckt ji Bruft, Hals und Rüden mit einem neuen Slaum, reinweif; und wollig, welcher jchließlih — aber erit nach drei Wochen etwa — den wirklichen weihen und jchwarzen Sedern weichen muß. Auch der Schnabel verfärbt jich allmählich; Tangjam jchiebt fi ein gelbrötlicher Anflug vom Grunde aus vor über den jchwärzlic braunen Sirit und die Ränder; dann geht die Sarbe über ins Orange- gelb und jchlielich ins Rötlihe, nur an der Schnabeljpiße nod etwas Schwarz laliend. Gleichzeitig färben ji audy die gelblihen Beine röter, und die anfangs dunkle Stelle am Serjengelenk jhwindet. Aber che die Jungen foweit, was gibt es nicht zu jorgen, zu jchaffen, zu denken, zu tun tagaus, tagein für die liebenden Eltern. Dier Kinder oder gar fünf zu jättigen, ilt Reine Kleinigkeit; dazu dürfen die beiden Gatten nie gleicy- zeitig ausziehen, Sutter herbeizujchleppen, jondern abwechjelnd muß eins beim Borite bleiben, damit die Kleinen nie ohne Aufjicht und Schuß ind. Zum Glück wachen die Tage um dieje Seit wie der Appetit der fröhlichen Kinderichar; jchon um vier Uhr früh, wenn es noch dämmert, Rann der Dater ausfliegen, das erjte Srühjtück zu holen, und wenn die Sonne längit untergegangen ilt, die „hellen Nächte“ im Juni finden unjern Jäger oder Sicher no immer bei feiner Arbeit am Sumpf. Wicht jelten ijt er der lette der Hausbewohner, der ji zur Ruhe begibt. Der Morgen it angebrochen; bleigraue Dämmerung weicht dem Licht. Schnell taucht der Sonnenball auf im Nordoiten; jein eriter Strahl vergoldet den Hahn auf der Spite des Kirchleins, dann gleitet er herab an der weißen Wand des Turmes und weilt nun mit Wohlgefallen bei dem lieb- lihen Samilienbild auf dem Dadfirft. Am Rande des Meites |teht hod) aufgerichtet die Mutter der vier Storchenkinder, die eng aneinander ge= jchmiegt im warmen Bett jchlummern. Sie jcheinen zu träumen; denn bald läßt diejes, bald jenes ein leiles Saucen hören. Dann werden jie munter, eins nacı dem andern; fie richten ji auf und [hauen ih um, gähnen und jchnappen nad Luft. Wohlgefällig blickt die Alte auf die fröhlid) heranwaclende Schar; bisweilen beugt jie jich nieder, ein Sweiglein am 247 | M, Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Mai 1907. Stordhnejt. Alter Storch den Nejtrand ausbejjernd. Nejtrand zu ordnen. Dann jteht fie wieder unbeweglich, nur den Blick wendet jie bald in die Serne, bald zu den Kindern. So vergeht eine Stunde. Plöglich ein freudiges Klappern, ein Sucken der Slügel, ein unruhiges Trippeln der Süße. Leile raufht es am Nejte; der Gemahl Rehrt zurück von jeinem Beutezug. Auch die Jungen begrüßen ihn mit gurgelnden Tönen und ver- juhen zu Rlappern, ganz leije und dumpf, während die Mutter fid, erhebt, um nun auch für Abung zu jorgen, weih; jie doc, dat der Dater ihr Hüter- amt treu übernimmt. Schwer beladen ilt er angekommen. Im Schnabel trägt er einen großen Klumpen Wajjermoos, den er auf den Boden des Nejtes ausbreitet, während die Kleinen Pla machen, ungejchickt ihren Körper rückwärts jchiebend nad) dem erhöhten Nejtrand. Mit den Schnäbeln unterjuchen jie dann das Geichenk, das ihnen der Alte mitgebracht hat, ganz genau. Aber bald mahnt jie der Hunger, wehmütig winjelnd den Dater zu bitten, ihnen doch endlich auch das Srühjtück vorzulegen, das jie gewöhnt ind, um dieje Seit zu erhalten. Wer könnte dem verlangenden Piepen der niedlichen Kinder widerjtehen! Gegen die Mitte des Neites jenkt der 248 M, Auerbach. Leoßoldshafen a. Rh., Mai 1907. Storähnejt. Alter Stordy die Agung ausbrehend. Alte den Schnabel; wohl um das Doppelte des gewöhnlichen Umfanges Ihwillt der Hals an, und alles, was er im Kropf gejammelt, das |peit er aus vor den hungrigen Schnäbeln. Das ilt ein Leckermahl! Sriedlic vereint liegen Eidechlen, Salamander, Sröjche und Kleine Siihe — nun juht euch; aus, was euer Herz begehrt! Bisweilen heilt es jchnell zu- greifen; denn nicht fjelten gejchieht es, daß ein Srölchlein noch lebend ausgeipien wird und dann mit kühnem Sat über den Heitrand hüpft, um freilih im nädjiten Augenblick zerjchmettert auf der Dorfitraße zu liegen, mit freudigem Gejchnatter von den Enten da unten empfangen. Das $rüh- jtück it bald verzehrt, und zur gemütlichen Siejta legen jich die Köpfchen ins weiche Gefieder. Aber nicht lange dauert die behagliche Ruhe, eins nady dem andern rückt ungeduldig auf jeinem Plätchen umher. Die Derdauung geht ichnell vor jich bei Dogelkindern, die geäßt wurden, jo gut wie bei NMenjcenkindern, denen die Mutter die Bruit oder die MNlilchflajche reichte. „Ein jchlechter Dogel, der jein Hejt beijchmußt!” Streng halten 249 die Eltern auf genaue Befolgung diejes Gebots. Und jo erhebt jich denn ein Störchlein nad) dem andern auf die jchwankenden Beine, richtet jeine Kehrjeite nady dem Rande des Horites, und mit merklicem Druck jendet es in weitem Bogen die Urjache jeiner Bejchwerde hinaus auf das Kirchen: dad), das auf beiden Seiten bereits überzogen it mit weißer Krulte; dann läßt es jicdy wieder befriedigt auf jeine Serjen nieder neben jeinen Gejchwiltern. Auch Papa Stordy hat ji platt auf das Heit gejeßt, um auszuruhen; aber bald erhebt er jich wieder, hier und da richtet er einige Reiler am Neitrand in die Höhe, um ein Unglück zu verhüten, wie es jich voriges Jahr ereignete, da eines der Kleinen aus dem leite heraus= fiel hinab in die Tiefe. Wieder ijt eine Stunde vergangen; die Sonne jcheint heil; herab von dem jtahlblauen Himmel. Die Rleinen, halbgeöffneten Schnäbel haben jich alle nad) Weiten gewendet, von wo ein leichter Wind etwas Kühlung bringt. Da raujcht es wieder ganz leije. Die Mutter ilt da ; der Dater verläßt jeinen Poiten, und alles wiederholt jih von neuem. Wieder bitten und winjeln die Kleinen; aber diesmal jcheint ji die Mutter nicht erweichen zu lajjen. Leije jtreicheln die Kinder mit ihren Schnäbelchen zärtlich piepend die lange Pinzette: öffne dich endlich und jpende uns Sutter! — Umjonit; \ollte der Jagdzug vergeblid,) gewejen jein? Traurig jenkt jid) ein Köpfchen, ein Schnäbelcyen nach dem andern. Aber immer von neuem beginnt das Rlägliche Piepen, eine Dierteljtunde lang oder länger, bis endlich die Bitte der Kleinen erfüllt wird. Wie fie zugreifen, alle vier auf einmal nad) derjelben Eidechje! Keins will nachgeben, jie zerren und ziehen und kommen dem lHejtrand jo nahe, daß man die Dorlicht der Eltern veriteht, die immer von neuem den jchütenden Wall um die Kleinen erhöhen. Endlid) ein Ruc, das größte der Jungen hat die Beute erobert und jchluckt jie eiligjt hinab ; nur in Magen ilt jie jicher vor den Angriffen der Brüder und Schweitern. So geht es den ganzen Tag bis jpät an den Abend ; nur in den Mittags itunden, wenn die Sonne bejonders heiß herabbrennt vom Himmel, wird eine längere Pauje gemadt. Dann jtehen beide Eltern am BHorit oder Rauern neben den Jungen, der Ruhe zu pflegen. Später, wenn die Kinder ihon größer, dann verlajjen beide Alten nicht jelten gleichzeitig das Haus und juchen gemeinjam ihr Jagdrevier auf; denn der Appetit der Kleinen Nimmerjatte ilt unheimlih gewacjlen von Tag zu Tag, daf die doppelte Ration nur eben genügt. JIett jtehen die jungen Störche bisweilen jchon Itundenlang aufrecht im Borit, eriteigen Rühn jeinen Rand und jchauen hinab in die Tiefe. Dft jpringen fie unruhig umher und lüften die Slügel, an denen die Schwungfedern jchon zu jtattlicher Länge gewadjlen ind. Ihr Kleid gleicht dem von Dater und Mutter jchon vollkommen, wenigitens in den Sarben und ihrer Derteilung: tiefjhwarz jämtliche Schwungfedern, 250 M, Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Funi 1907. Junge Störde im Nejt; die Lojung wird im Bogen über den Nejtrand befördert. ebenjo die erjte Reihe der Slügeldecken darüber und die längiten der Schulter- federn, alles übrige aber reinweiß. Auch die verlängerten Spibfedern am Kropf jind bereits zu einem flatternden Bujch herangewadjlen, mit dem der Wind fein Iujtiges Spiel treibt. Nur der Schnabel zeigt immer nod) wenig Rot, und über den Ständern mit den auffallend dicken Gelenken liegt kaum ein rötliher Anflug auf dem gelblihen Grau. Jett erhebt Jich jchon eins der Jungen ein wenig in die Luft, heftig mit den Slügeln jchlagend, doch nicht höher als einige Sentimeter; dann faht der Kühne wieder vor- lihtig Su auf dem Mejtrand, der jchon ganz niedergetreten it von der kleinen unternehmungslujtigen Kinderjchar. Plößlicy ein munteres Klappern aller vier Schnäbel, laut und vernehmbar, da man’s jchon drunten auf der Galje hört und die Knaben ji verwundert zurufen: „Klappern haben jie ja au jchon gelernt, die Gelbjchnäbel!“ Dann ein leiles, jehnfüchtiges Piepen. Einer der Alten naht. Stehend erwarten die vier lüfternen Kinder den leckeren Bifjen, den er diesmal im Schnabel hält, ein erbeutetes Mäuslein. Wie fie die Hälje zurückziehen, um dann mit 251 Wucht den Schnabel nah dem Biljen vorjchnellen zu können. Auf die Mitte des Meites jind aller Blicke und Schnäbel gerichtet, wo ihnen regel- mäßig das Ejjen jerviert wird; nur ab und zu blinzelt eins mit jchräg gehaltenem Kopf nach dem Papa, der noch ein Weilchen zögert, ehe er jeine Beute preisgibt. Im Nu hat jie das Schnellite der Störchlein erfaßt und hinabgejchluckt mit Haut und mit Haar. Aber aud) die andern werden befriedigt, denn im Kropf bewahrt der Dater nody manchen leckeren Braten, den er den Kindern vorjeßt. Diesmal war er wohl am Feld auf der Jagd oder am Rande der Wieje; denn noch zwei Mäuslein hat er zur Strecke gebracht, dazu eine Spikmaus, eine Eidehje und einen Maulwurf. In wenig Hlinuten it alles im Hagen der Kleinen verjhwunden. Hur der dicke Bewohner der Unterwelt mit den quergeltellten Dorderpfoten madıt einige Bejchwerden; von einem Schnabel wandert er in den andern. Endlich hat ihn eins der Störchlein mundgerecht gefaßt, und mit dem Kopf voran gleitet der große Biljen den Hals hinab. Nur wenige Minuten bleibt diesmal der alte Dogel beim Kejt; er jtreicht ab und jet jich auf ein be- nachbartes Dach, jchon jeit einiger Seit jein Lieblingsjit, wie der weile Kot bezeugt, der reichlich über die roten Siegel gejprißt ilt. Nach einer Dierteljtunde erjcheint die Mutter am Horit; es wiederholt ji diejelbe Szene. Dom Silchfange Kommt fie. Drei oder vier Kleine Sijchlein, die jofort verjchluckt jind, jeßt fie den Kindern vor; dann würgt lie nicht ohne Anitrengung ihre größte Beute aus dem Kropf, einen Karpfen, im Gewicht gewiß von einem Kilo, wenn nicht darüber. Was jollen die Storchenkinder mit dem unförmlichen Biljen beginnen! Sie zerren ihn bin und her, jind aber natürlich nicht imjtande, den großen Sich zu Ichlucen, nicht einmal emporheben können jie ihn troß aller Kraftanitrengung. Bald geben jie ihre fruchtlofen Bemühungen auf. Auch der Dater, der unter- dejjen wieder herzugeflogen ilt, jcheint jich von der Ungeniefbarkeit des Biljens überzeugt zu haben; mit jeinem kräftigen Schnabel ergreift er den Karpfen und befördert ihn in kühnem Schwunge hinab auf die Dorfitraße. Die Störche jind aber nicht die einzigen Bewohner des Mejtes. Tief unten in dem mächtigen Reilighaufen, wo die jtärkiten Sweige auf dem Dad} liegen, da piept es und flattert’s. Mehrere Spaßenfamilien haben ih hier angejiedelt; ihre zahlreichen Jungen find glücklich ausgekommen und bettelr mit zitternden Slügeln die herbeifliegenden Eltern um Sutter. Ein hübjches Bild: Elternliebe da oben im alten Stammfjcloß der Däter, Elternliebe da unten vor den dunkeln Eingängen zum Kellergeichoß! Der- acdhteter Dogel der Gajje, der jtattliche Bote Wotans, der den Blit trägt von der himmlijchen Wolke, der die Menjchen erfreut mit Kinderjegen, an Elternglüc, an Elternjorge nichts hat er voraus vor dem unjcheinbaren Gejchöpf der gefiederten Welt! 252 M. Auerbach. Leopoldshafen a. Rh., Juni 1907. Junge Störche im Heit; erjte Slugverjuce. Noch ein paar Tage, und die jungen Langbeine beginnen jich zu üben im richtigen Gebraudy ihrer Schwingen. Anfangs freilih nur jchüchterne Derjuhe: mit den Slügeln flatternd jpringen jie im Yeite herum; dann \hwebt bald der eine, bald der andere über dem Horit, ohne jich jedoch aus dejjen Bereich zu entfernen. Unermüdlich zeigen’s ihnen die Alten, wie man die Schwingen lüftet, ein oder zweimal emporjpringt, dem Körper einen kräftigen Abjtoß gibt mit den Beinen, oder wie man den Slug hemmt durch die jenkredht geitellten Sittiche und dann mit jchräg vorwärts gehaltenen Sühen jich niederläßt. Nicht lange dauert’s, und der Kühnite unternimmt ‚wirkli das Wagjtük; glüclidy erreiht er das Dad, wo der Dater jteht am jenkrecht abfallenden Giebel. Gutes Beijpiel ermutigt; einer folgt jet dem andern, und alle erreichen ihr Siel: in langer Reihe hocken jie nebeneinander auf der Höhe des Dadfirjts. Der Rückflug zum Mejt it jchon leichter. So wird luftig weiter geübt. Jebt geht’s jchon über den Abgrund nad) dem andern Sirjt, der quer zu jenem geitellt it, und jett der erite wirkliche Ausflug hinüber aufs Dach des Pfarrhaujes 253 | H, Schumann. Holzhausen b. Bismark, Juni 1906. Slugbild des weißen Stordes. oder der Schule jenjeits des blühenden Sriedhofs — junges Leben hod) über den Gräbern! Bald trägt der fihere Slug die unternehmungsluitige Schar von einem Dach hin zum andern — Welt, wie bilt du jo groß! — und dann ohne Station wieder zurück zum behaglihen Borit. Nun ilt es Seit, dah die Eltern die erjte Erkurfion mit ihren erwaclenen Sprößlingen antreten nadı der jumpfigen Wieje, damit jie allmählich Iernen, den hüpfenden Srojh im Gras zu erhajchen oder gar eine Ringelnatter zu erbeuten. Am $eld wird die Jagd auf Mäufe geübt, und auf der Dieh- trift Iernen die wißbegierigen Schüler, wie man dem Maulwurf auflauert, wenn er nahe unter der Oberfläche wühlt, und wie man ihn dann im richtigen Augenblick packt mit wohlgezieltem Stoß. Den ganzen Tag find lie jet draußen in Slur und Seld, aber am Abend kehrt die ganze Ge: jellichaft regelmäßig zurück ins fichere Neft. Nach und nad werden die Jungen jelbitändiger, und ganz allmählich löjen jidh die innigen Bande zwilhen Eltern und Kindern, jowie die Be- ziehungen der Gejchwilter, die einit jo traulich jaßen aneinander gejchmiegt 254 H. Schumann. Holzhausen b. Bismark, Juni 1900. Störche überfliegen eine Diehweide. und jid) füttern ließen und pflegen von der Liebe, die die gröhte, die heiligite iit auf der Welt. Weue Bekanntichaften werden gemacht, neue Sreund- haften werden geichlojfen. Draußen vor dem Dorf thront gleichfalls ein Storchneit auf dem breiten Kopf einer alten Pappel, und die verfallene Burgruine, welche die Gegend beherrjcht, trägt ein drittes. Hier jind fünf, dort drei Junge dem Horite entwaclen und treiben jih nun mit unjern Sreunden gemeinfam umher auf Acer und Wieje. Auch von den Nacdbar- dörfern kommt bisweilen Bejucd, ein oder zwei Samilien. Ein paar vor- jährige Junge jtellen fid} ein, die noch keinen Hausitand gegründet haben, vielleicht aud) einige ältere, Hageltolze, die bisher in abgelegenen Gegenden ein zurückgezogenes Leben führten. Oft erhebt jicdy die ganze Gejellichaft, um gemeinjam die große jumpfige Niederung aufzujuchen jenjeits des Waldes, jeit die Menjchen es willen, bekannt und vertraut allen Störchen des Baus. Selbit Sremdlinge jtellen ji ein, ganze Süge, aus dem Norden kommend; lie rajten mehrere Tage in der frojch- und filchreichen Gegend, um Jich hier noch mit andern zu vereinigen und die große Gejellichaftsreile vorzubereiten, 259 die im Laufe des Erntemonats angetreten wird. Allerlei Slugübungen unternehmen jie, kühne Schwenkungen hoc in der Luft, als ob jie eine Mufterung abhalten wollten, und raujchend jenkt ji) die weile Wolke dann wieder zu Boden, da die grüne Trift bedeckt erjcheint mit jchneeigem Slor. Das ilt ein freudiges Klappern ohne Ende, ein feindliches Silchen und Slügelihlagen — die Menjchen jagen, jie halten Gerichtstag und töten jeden, der ji verging durch Ehebrud) oder der den Jungen nicht die nötige Sorgfalt gewidmet, mit jcharfem Slorettito. It dann der Tag der Abreile gekommen, jo erhebt jich das ganze Heer unter vereintem Schnabelklappern; in Schneckenlinien jchwingt jich’s hinauf, und bald verjchwindet es dem Auge des Erdbewohners. Wo jie zu überwintern gedenken ? Ob jie die ganze Reije zurücklegen ohne längeren Aufenthalt unterwegs? Ja wer das wühte! In Europa fcheint Reiner zu bleiben während des Winters, audy nicht in den mildeiten Strichen am Mittelländilchen Mleer. Hinüber geht es nah Afrika, und wenn aud) einige jchon diesjeits der großen MWülte, in Marokko oder Algerien, das Alyl erblicken mögen, das jie aufnehmen joll, die große Majje zieht weiter, viel weiter. An der Küfte entlang geht die Fahrt — vielleicht wird aud) einmal Madeira berührt oder auf den Kanarijhen Injeln gerajtet — dann oltwärts ins Innere. Senegambien, Oberguinea, dort werden jie weilen jechs oder jieben Hlonate, die hier traulich brüteten am Dadh des Kirdhleins. Die Sahara zu überfliegen jcheinen fie nicht. Die mehr im Oiten unjeres Erdteils brüteten, in Rußland, Galizien, Ungarn Rumänien ujw., nehmen ihren Weg übers Agäifche Meer und dann nady Ägypten und Nubien. Aber jie bleiben nicht im Lande der Pharaonen, jondern ziehen Jüdwärts bis zum Äquator, ja über denjelben hinaus, und manches Tangbein, das jeine Jungen äßte mit Srölchen und Silchen, die es im Warthebrud fing, lauert während des nördlichen Winters auf Beute im hohen Schilf am Diktoriajee oder an einem Sufluß des Tanganjika. Einige jtreifen jogar bis zum Kaplande hin; hier zeigen fie ich einzeln oder gejellihaftsweile im Dezember und Januar, ein merkwürdiges Seitenjtück zu den Abirrungen im Norden, wo man dem Storch fchon in der Umgebung von Morwegens Hauptitadt, im mittleren Schweden, in Ejthland und im Petersburger Gouvernement begegnet ilt; jelbit nad) Finnland haben jich einzelne jchon wiederholt verflogen. Der nördlichite Storch aber, den man jemals be= obadhtet, ward in Tornea von der Domkirche (66° n. Br.) herabgejchojjen. Die nördliche Grenze jeiner Sommerheimat, aljo des Gebiets, wo der Stord) als regelmäßiger Brutvogel auftritt, läuft durd; das nördliche Livland (59°) und das jüdliche Schweden; Dänemark |chlieht fie ein wie die deutjche und holländiiche Külte, ebenjo die ganze Seitlandsküjte Welteuropas; nad 256 | | \ i B Ki Bass. x 23 Sr a BEST HA. Schumann. Holzhausen b, Bismark, Juni 1900. Kreijende Störde. Dögel I. 17 H. Schumann. Holzhausen b. Bismark, Funi 1906. Slugbild des weißen Stordes. Diten aber jenkt fie ji durdy) Rußland bis zu den Ufern des Araljees und weiter durch das mittlere Ajien, Sibirien nicht erreichend, bis hin nad) Japan. Keineswegs bewohnt nun aber der Storch alle Länder und Gegenden jüdlih diejer Linie. Swar ilt er nirgends völlig unbekannt, aber infolge der von Jahr zu Jahr fortjchreitenden Kultivierung des Bodens — Trocken- legen von Sümpfen und Brüchen, Ausrotten alter, überjtändiger Bäume ujw. — ganz bejonders aber infolge der eifrigen Nachitellungen, jeitdem man erkannt hat, daß der Dogel Jagd und Sijcherei ziemlichen Schaden zufügt, iit der Storch in manchen Gegenden bereits zur Seltenheit geworden. Dies gilt von mandyen Gebieten Dänemarks jo gut wie ÖjterreichUngarns oder der Schweiz, von vielen Teilen Srankreichs, Spaniens, Portugals, Italiens. Nach England, wo ehemals der Storch jehr häufig gewejen jein joll, ver- fliegt jich nur jelten nod) einer, und diejer fällt dann jicher einem Schüßen zum Opfer. In Deutjchland bevorzugt der jchwarzweiße Hausfreund die Küftenländer, aljo Hannover, Oldenburg, Mecklenburg, Dommern, Weit: lrfe= 259 und Ojtpreußen, aud) in Brandenburg und Pojen trifft man ihn nod) immer ziemlid) häufig. In Mitteldeutjchland tritt er bereits recht vereinzelt auf, und nicht etwa fehlt er nur den gebirgigen Gebieten, auch in niedrig gelegenen Ländereien mit feuchten Wiejen und Slußniederungen kommt er vielfad) nur ausnahmsweije vor. In Süddeutjchland beherbergen die Täler der Donau und ihrer NMebenflüfjje, jowie die oberrheinijche Tiefebene noch viele Störche. Hier wetteifern manche Dörfer im Reichtum an ge= mütlichen Storchneitern auf den Dächern mit den Ortjchaften orddeutjchlands. Das Dorado aber von Freund Langbein, in Europa wenigitens, it die Türkei, wo er noch heute als geradezu heiliger Dogel allgemein ver- ehrt wird. Häufer, Hütten, alte Bäume, jelbit die Türme von Mlojcheen ind bejegt von zahlreichen Storcdyenneitern. Wehe, wenn jemand einem der Dögel ein Leid zufügen jollte! Unglük würde die Hausbewohner treffen, der Blig würde zünden, der Tod jeine Ernte halten. Ahnlicher Aberglaube war früher allgemein auch verbreitet in Deutjchland. Der Storch war der Götterbote; neues Leben bringt er herab vom Himmel auf Feld und Slur nad langer Winternacdht, junges Leben trägt er in die Familie der Menjchen. Donar, dem Herrn des Gewitters, war er geweiht, wie alles, was rötlihe Sarbe, die Sarbe des Seuers, aufweilt, der Fuchs, das Eichhörnchen, das Rotkehldyen; Reine Gewalt hat das verheerende Element über ihn und fein Mejt. Und jollten auch die Machbarhäujer in Slammen itehen, die Störche jchöpfen mit dem Schnabel Waller aus dem nädjiten Graben und jprengen es von der Höhe herab auf den Horit und das ge= fährdete Haus. Wehe, wer einen Storch tötet, wer jidy mit dejjen Blute bejudelt! Krankheit und Armut werden des Mlörders Los. Wehe dem, wer eins der Jungen raubt aus dem Horjt! Don dem Herd nimmt der Erzürnte die glühende Kohle und wirft den Feuerbrand in die Sparren des Dadhs, da der ganze Hof vom Feuer ergriffen wird. Armer Adebar! Die Götter hat man gejtürzt vom himmlischen Thron, den frommen Aberglauben ausgeriljen aus den Herzen des Dolks. Was iit dein Los? Derhaßt bilt du dem Jäger und Silcher; mit tödlichem Blei verfolgen jie dich. Allmählid) verjchwindeit du aus manchem Gau, der Jeit Menjchengedenken dir Heimat bot und jicheren Schuß. Mandy) jtrohgedecktes Bauernhaus hat dich und dein Kejt, jeine jchönite Sierde, verloren, und einlam liegt nun die jumpfige Wieje. Die Kinder, deren Entzücken du bilt, weinen, daß jie did) nur noch Rennen nad) deinem Konterfei im Bilder: budy, und der Naturfreund Rlagt: die Welt wird ärmer! Der S$rühling Rommt; mit Blumen, mit Dogelgejang zieht er ein; wo bleibjt du, ge-= mütlicher Hausfreund ? Adebar, Romm, du Ölückbringer, wir brauchen 6Glük — wahres Glück! 260 Der Girliß. Don Martin Braef. Einer der Kleiniten ilt’s von den Kleinen. Hoch, hoch lift er auf dem oberiten trocknen Sacken des alten Nußbaums, der Wache hält vor dem Hoftor, und gar eifrig zwitjchert er jein jchnurriges Liedchen hinaus in den jonnigen Tag. Ganz eigenartig Rlingt’s, ganz anders als die Stimmen der übrigen Sänger, jofort erkennt man den Rleinen Girli an den jeltjamen Sauten. Schön ilt das Liedchen nicht, Reine Klangfülle, Rein zierlicher Strophenbau ; aber es paßt gut in die zitternde, heije Luft des Mittags, wenn die andern Sänger jchweigen, Kühlung juchend in der jchattigen Baumkrone ; es paßt gut zu dem jtrahlenden Blau des Himmels, gut zu Wieje und Held, die jehnfüchtig warten auf Regen. Salt wie der brille eintönig Liedchen Rlingt es, die hier am Seldrain zirpt, unermüdlich, nur ab und zu ganz kurz eine Daufe — „Birngrille” nennt man den Girlik in manden Gegenden Deutjchlands. Eigentlich jind’s nur zwei Töne, über die des Dögleins Kehle verfügt, eine Sekunde auseinanderliegend oder nicht ganz jo weit. Klirrend zittert erit der höhere Ton dur die Luft, dann unvermittelt der tiefere, jebt Ihließt fic) wieder der höhere an — lang wird er ausgehalten — nun wieder der andre; jo geht es fort in einem Suge, lückenlos, langweilig, einjchläfernd fait. Erjt nach einer ganzen Weile folgt eine Pauje; dann beginnt das jelt- jame Liedchen von neuem. Unrein find die beiden Töne, gepreht wie des Bausrötels Stimme, doch nicht ganz jo metalliih; auch an Grauammers „Schnirrrps“ erinnert die Klangfarbe, nur etwas feiner und reiner, als diefer unmulikaliihe Laut des plumpen Gejellen. Aber horh! Etwas hat er doch noch gelernt: eine Reihe perlender Töne, klangvoll, metallijch wie das Klingeln einer Rleinen elektrijchen Glocke. Er jchaltet jie ein zwijchen die beiden jtereotypen Laute feines Gejangs, jet wieder und jet noch einmal; aber dann geht’s weiter langweilig leiernd, in einem Atem, abwechjelnd nur die höhere Tonitufe mit der tieferen. Und jo drollig benimmt fich der Kleine Kerl, während er jingt auf jeinem erhabenen Sißplaß. Bei jedem Wechjel der Stimmlage wendet er das runde Köpfchen; jet jehaut er nad rechts und jeßt nad) links: rechts 261 perlen und jchnurren die hohen Töne hinaus in die Landichaft, links dann die tieferen, oder umgekehrt, je nachdem er das Liedchen begonnen. Den Takt hält er immer wie ein Konzertmeilter — jchaut mid) nur an, was id) kann! — mit einem Ruck fliegt das Köpfchen nad) links, mit einem Ruck dann nad rechts. Und er hat recht, der Rleine unmujikalijche Sänger, daß er’s jo madt: die Stärke der beiden Töne erjcheint dem Beobachter dadurd) verjchieden, das bejcheidene Liedchen gewinnt wenigitens etwas an Reiz. Jett fliegt das Döglein ab übers Feld in jehr jchnellem, leichtem und wogendent Slug; jeine perlende Tour Rlingt dabei mehrmals Rlar durd) die Luft. Auf dem hödhlten Baum des Seldgehölzes läßt es jich nieder und jingt von neuem jein zweitönig Liedchen. Aber nicht lange gefällt’s ihm hier; jhon Rommt es zurück und jeßt jich auf den Dadıifirjt des Haujes. Deutlicd) hebt jid) der kleine Dogel hier ab von dem jtrahlenden Blau des Himmels. Wunderjchön gelb ilt das Köpfchen gefärbt, der Hals und die Bruit; an den Seiten braunjchwarze Slecken, der Rücken dunkel geitreift und gefleckt. An boldammers Kleid erinnert die Derteilung der Farben, doch it das Hocdhgelb goldiger noch und reiner. Wieder einige Strophen, dann ilt der Kleine hinter dem Hauje verjhwunden ; er wird wohl im Garten zwijchen den Beeten allerlei Samen von Küchengewächlen oder Unkraut auflefen und im Kropfe an: jammeln, um die Gattin liebreich zu äßen, die geduldig im Meit fißt, das Ausjchlüpfen der Jungen aus den winzigen Eiern erwartend. Unjere Großpäter kannten den Girlit nod) nicht; denn ins mittlere Deutjcyland Ram er vor fünfzig Jahren nur jelten, und weiter nach Norden zu fehlte er völlig. „Ein Jüdlicher Dogel“ — jo heilt es bei Naumann — „man findet ihn im mittäglihen Europa, wo er in manchen Ländern häufig vor- kommt, 3. B. in Spanien, dem jüdlichen Srankreich, in Italien, Griechen: land, au) in den an Italien grenzenden Teilen der Schweiz, im jüdlichen und jüdweltlichen Deutjchland, aber hier jchon weniger häufig.“ Das ilt nun anders geworden; der Girliß ilt einer der Dögel, die ihr Derbreitungs- gebiet in den le&ten Jahrzehnten nadıy Norden beträchtlich) erweitert haben, und aud) in der Gegenwart jucht er noch immer an Boden zu gewinnen, indem er jeine Brutpläße weiter nad) Norden und ODiten verlegt. In Sachjlen und Thüringen, in Schlefien, Brandenburg, Hannover war der Girli nody vor 50 Jahren ein jeltener Brutvogel; jet ilt er hier überall häufig, wo er geeignete Pläße findet, Obitgärten, die er bejonders liebt, Alleen, Ufer an Bäcen und Slüjjen, mit Weiden und hohen Erlen beitanden, Waldränder, die Acker und Wieje jäumen, oder Gehölze mit hohen Bäumen zwijchen den Seldern. Die Nähe menjchlicher Wohnungen jucht er mit Dorliebe auf; er nijtet in den Anlagen der Städte, auf alten Sriedhöfen, wenn jie von hod): tämmigen Bäumen bejchattet werden, in größeren Gärten und Darks. Aus: gedehnte Waldungen aber, namentlidy Nadelholzwälder, meidet er, ebenjo 262 rauhere Höhenlagen. Dörfer, veriteckt in laujhigem Grün, oder Kleinere Saubholzbeitände inmitten bebauten Landes, das ilt das Ideal des munteren Dogels. Audy in Pommern, Weit: und Ojtpreußen Rennt man den Girliß Ihon, ja für die gartenreihe Umgebung von Danzig kann er geradezu als Charaktervogel heute bezeichnet werden, der jid) durch jein munteres Wejen und fein fleikiges Lied jedem bemerkbar madıt. Selbjt in Dänemark wurde der Kleine Einwanderer jchon beobadıtet, dagegen beherbergt ihn England immer nod nur als jeltenen Galt. Schritt für Schritt hat der Girliß in Mitteleuropa an Boden gewonnen, nicht |prungweije, jondern ganz allmählic) vordringend nach Norden; man kann es im einzelnen deutlich verfolgen. Dor 1845 war er in Böhmen nod ein jehr jeltener Dogel, um 1849 erjchien er zuerjt in Galizien, in Preußiich-Schlejien Anfang der 60er Jahre; jeit 1877 iit er als Brutvogel in Rujjifch-Polen nachgewiejen. Um diejelbe Seit begann er im mittleren Erzgebirge einzuwandern, wo er |chon nad) wenig Jahren hier und dort ein recht häufiger Dogel ward. Anfang der 80er Jahre eroberte er ji die Provinz Sachen, und jo ging es weiter; von Jahr zu Jahr verlegte er jeine Brutpläße immer mehr nad) Norden. Der Naturfreund darf jidh diejer Bereicherung der heimatlichen Dogelwelt freuen — ein fleikiger Sänger mehr, wenn auch jein Lied nur bejcheiden — und von irgend welchem Schaden kann man nicht reden; denn frift das Dögelchen auch bisweilen mandy Samen- Rörnchen weg, das der Gärtner im Küchengarten ausgejtreut hat, Salat, Mohn, Hanf u. dergl., jo vertilgt es daneben doch auch wieder viel Sämereien von Unkraut, das den Nutgewäcdjen hinderlic ilt. Der nädjlte Derwandte des Girliß it unjer gelber Stubengenojje, oder eigentlich der Stammvater diejes Kulturprodukts, der auf den Kanarilchen Injeln und den Azoren heimijche und dort wilölebende Kanarienvogel; ja das Derwandtichaftsperhältnis diejer beiden ilt jo innig, daß leßterer nur für eine größere Rajje des Girlif gehalten werden kann. Mit dem Girlit paart jih der Kanarienvogel ohne Schwierigkeit; die Nachkommen ind Dögel von geringerer Größe, grünlihgrau in der Särbung, dem wilden Kanarienvogel aufßerordentlih ähnlich, oder gelb und grau gefleckt, mit einem kurzen dicken Schnabel. Solhe Mijchlinge jind fortpflanzungsfähig, jelbjt durch viele Generationen hindurch, wie erfahrene Süchter verjichern, ein Beweis für die nahe Derwandtichaft der beiden Ureltern. Sür Deutjchland it der Girlif ein Sugvogel, wenn auch in bejonders milden Wintern hier und da ein einzelner oder eine kleine Gejellichaft den Kampf mit den Nahrungsjorgen aufnehmen mag, den die rauhe Jahreszeit itets mit jich bringt. Dereint mit Seiligen oder Hänflingen jtreifen die Allzu- kühnen dann im Lande umher, von Erlen= und Birkenjamen jich nährend, oder fie fuchen am Rande des Waldes, an unbebauten Ödländereien die Kräuter und Stauden auf, die über dem Schnee hervorragen, Wegerich, Ampfer, Nacht: 263 kerzen, Dijlteln, Sichorie u. a.; einige Samenkörner finden ji hier immer noch für die kleinen hungernden Schnäbel. Aber das jind Ausnahmen; die Mehrzahl der Girlie jucht im Oktober die jüdlichen Länder unjers Erdteils auf, viele zu ihrem Derderben; denn der lülterne Südeuropäer jcheut jid) nicht, jelbjt das Rleinite Dögelchen für die Küche zu fangen — ein winziger Biljen ! Bisweilen jchon Ende März, meilt aber erit im April kehren die Dögel zurück, paarweile, höchitens in kleineren Trupps; der erite Sonnenjtrahl Ihon reizt jie, ihr eigentümliches Liedchen zum beiten zu geben. Noch ent: behren die Bäume des grünen Schmucks, und jo ilt es leicht, das verliebte Pärchen zu beobachten, wie es ji} munter umbhertreibt im Ajtwerk. Unauf- hörlich lockt eins das andere, jobald jie ji) nur ein Stückchen entfernt haben, bis beide wieder vereint jiten auf demjelben Sweige, wo Jie jidy jchnäbeln und liebkojen und jich gegenjeitig aus dem Kropfe füttern. Dann fliegt das Männchen auf den Wipfel und jchnurrt und leiert jein Liedchen Kerunter ; doch bald flattert es auf den nädlten Baum, zitternden Sluges und jeßt wieder jchwebend, jingt ein paar Strophen von dort und Rehrt wieder zurück, oder es jteigt wohl auch wie der Baumpieper trillernd jchräg in die Luft, um ji wieder niederzulajjen auf jeinem Lieblingsplaß. Das viel unjcheinbarer gefärbte Weibchen — das Gelb ijt matter und wird durdy jtärker hervor- tretende braunjchwarze Längsflecken beeinträchtigt — jieht diejem Liebes- jpiel nicht gleichgültig zu. Aufgeregt hüpft es, Reine Sekunde in Ruhe, von einem Aftchen zum andern, bis es plößlic abitreicht; der Gatte hinter ihm her mit hellklingendem Ruf. Im lejtbau jind die Dögel wahre Künitler ; jie veritehen es, troß ihres winzigen Kegeljchnabels, der nur ein wenig aus dem Rleinen Gejihtchen herausjchaut, ein jehr hübjch geflochtenes Het herzuitellen, etwa nad) der Art des Budfinken, nur merklich Rleiner. In den oberiten Gabelzweigen höherer Bäume legen jie es an, aber ebenjogern auf niedrigem Seitenalte, nur zwei oder drei Meter über dem Boden; dabei bevorzugen fie das dichte Blattwerk von Laubbäumen, wie Linden, Rofßkajtanien, Buchen, Eichen, Ahornbäume, Erlen, Apfel, Birnbäume u. a., doc) trägt bisweilen aud) eine Sichte oder Weimutskiefer den zierlihen Bau. Diejer beiteht aus feinen MWürzelchen, die häufig mit Baumflechten durchwebt jind; innen aber ijt der tiefe, Jorgfältig gerundete Napf mit Federn und weichen Haaren aufs wärmite gepolitert, auch mit Pferdehaaren und Schweinsboriten ausgelegt, die den Eiern und |päter den Jungen eine fichere und glatte Unterlage gewähren. In manchen Gegenden erleichtern jich die Girlie das Aufjuchen der Niftitoffe dadurd, daß jie dieje einem vorjährigen Sinkennejt entnehmen, welches jie volljtändig zerzaujen. Anfang Mai it dann das Gelege vollzählig, meilt vier oder fünf, bisweilen auch jechs winzige, zartichalige Eier; mit ihren dunkeln, blut: 264 Jungen. Bun o Be © rm pen = S en > — - roten oder braunrötlichen Punkten, die jich meilt am itumpfen Ende kranz- artig anordnen, jehen jie jehr niedlich aus und jind den Eiern des Erlenzeiligs zum Derwecjeln ähnlih. Das Brutgejhäft jcheint das Weibchen allein zu bejorgen, während das zärtliche Männchen oft hinzufliegt, jich an den Meitrand klammert und aus dem Kropfe die Gattin füttert. Sind die Jungen den Eiern entjchlüpft, jo werden jie von den Alten wahrjcheinlich in den eriten Tagen mit Rleinen Injektenlarven, Blattläujfen u. dergl. gefüttert, wie es ja aud Seilige und Buchfinken machen; bald aber gewöhnen jich die Kleinen an die derberen Pflanzenjamen, zumal ihnen dieje jorgfältig enthüllt und im Kropfe aufgeweicht von den Alten gereicht werden. Hat die Jugend das Heft verlallen, jo führen die Eltern jie auf die be- müjebeete im Garten, auf Schuttabladepläße, auf Kompojthaufen oder hinaus auf den Acker, in die Eröbeerplantagen und in die Weinberge. Hier gibt es Unkrautjamen in Nlenge, vom Gänjefuß und vom Kreuzkraut, von Dogel- miere, Hlelden, Löwenzahn, von Wegbreit, Habichtskraut ulw. Am liebiten freilich ift ihnen Hanf» und Mohnjamen, Rübjen, Lein, Salatjamen. S$reund- Ihaften werden hierbei gejchlojjen mit den Kindern anderer Samilien, und nach einer Woche finden jich die Jungvögel auch ohne Begleitung der Eltern an jolchen bevorzugten Orten ein, Gejellihaften von zwanzig Köpfen und mehr, während die Mutter bereits wieder das erjte Ei ins Meitchen legt und der Dater die jorgenfreie Seit benußt, fein gejchwäßiges Liedchen vom hohen Wipfel herab vorzutragen, jchwirrend und hell. Seinen Gejang vernimmt man aud; nody im Hochjommer, nachdem bereits die zweite Brut, meilt aus nur vier Köpfen beitehend, flügge und jelbjtändig geworden. Später, wenn die Tage jchon merklicdy Rürzer werden, wenn es zu „herbiteln“ beginnt, da Ihlagen ji; die Girlie zu Rleineren oder größeren Gejelljchaften zujammen und jtreichen, bisweilen in Gemeinjchaft mit Seiligen, im Lande umher, bald auf einem Krautacer Jicy niederlajjend, bald im Geält von Birken oder Erlen, um den reifenden Samen zu probieren. Im OKtober aber ilt gewöhnlich die ganze Rleine Sippjchaft verjhwunden. Sechs Monate etwa, dann Jind jie wieder da, und nicht als zufällig verichlagene Gälte kommen jie in ein fremdes, unbekanntes Land, wie nod) vor einem halben Jahrhundert vereinzelt ihre Däter, nein, die Heimat ilt es, die ihnen winkt nad) langer Fahrt, die traute Heimat, wo jie ihr Nejt jchon bauten Jahr um Jahr in der ehrwürdigen Linde, in dem Nußbaum am Tor des Gehöfts, wo jie jedes Plätchen Rennen, jeden Winkel, der ihnen Nahrung verjprict. Das Bürgerredit halt du dir erworben im deutjchen Land, du winziges Döglein des Südens; wir wollen’s dir wahren und jedem Seind wehren, der es wagt, dein Glück zu jtören, das aud) vom rauheren Land dir geboten wird, dem du vertrault. 265 Die Schwarzdrofiel. Don Martin Braeß. Nicht viel länger ilt es her, als ein halbes Jahrhundert, daf die eriten goldjchnäbligen Sänger den dunkeln Wald mit der Stadt vertaujchten. In Naumanns berühmter Haturgejchichte der Dögel Mitteleuropas, die in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erjchien, ilt noch mit keiner Silbe der Amjel als Bewohnerin der Großitadt gedacht, nicht einmal der kleineren Ortjchaften unjers Daterlands. Damals haujte der heute allbeRannte Dogel ausjchlieflid) im Walde, bejonders dort, wo junge MTadelbäume un: durchöringliche Dickichte bilden, am liebiten, wenn jie mit Wacdholderbüjchen durchjeßt jind, in Laubwäldern, die dichtes Unterholz und hohes Dornen: gejtrüpp aufweilen, oder in Sumpfwaldungen mit Erlen und Bujchweiden. Nur ausnahmsweije unternahm mal einer der jhwarzen Gejellen einen Slug nach dem nahen Seldögehölz, ängjtlich über die freie Fläche dahineilend, um Ichnell wieder zurückzukehren in den dunkeln Wald; dort nur fühlte er ji heimild). Das ilt nun anders geworden. Der Sug nad der Stadt hat unjern Schwarzrok mit jolher Macht gepackt, da heute gewiß nur noch ein ver- hältnismäßig Kleiner Bruchteil jeiner urjprünglichen Heimat treu geblieben it. Und dies gilt für den nördlichen Teil Deutichlands jo gut wie für Mittel: und Süddeutjchland, für die Ebene wie fürs Gebirge. Was die erite Urjache zu diejer merkwürdigen Deränderung gewejen jein mag, ilt eine offene Stage. Jedenfalls hat die auffällige Dermehrung der Park» und Garten anlagen unjerer großen Städte in den letten Jahrzehnten, die maljenhafte Anpflanzung vieler beerentragender, meilt ausländijcher Gehölze, die den Schwarzörojjeln den Tijch auch in der kälteren Jahreszeit reichlich decken, die vielerorts geübte Winterfütterung der Dögel ein gut Teil dazu beigetragen, ebenjo der allgemeine Schuß, den man heute den Singvögeln, bejonders aud) während der Brutzeit, in reihhem Mae gewährt. In der lieblich grünen Hauptitadt Württembergs jcheint die Sache ihren Anfang genommen zu haben; wenigitens führen mande Autoritäten auf ornithologiihem Gebiet, Brehm u. a., als merkwürdige Beijpiele dafür, wie heimijch ein wildlebender Dogel in der Nähe des Menjchen werden kann, 266 ‚Mai 1905. Vorschoten, Holland r Shwarzamijel. Siteenhuizen. Nejt mit Gelege de jobald er jich ausreichenden Schußes bewußt ift, die Stockenten im Berliner Tiergarten an und die Schwarzamjeln in Stuttgarts Promenaden. Bald machte ji audy in andern Gegenden, bejonders in Nord- und Mitteldeutic- land, bei den Amjeln der Sug nad) der Stadt geltend; in immer größeren Mengen erjchienen jie in den öffentlichen Anlagen, jowie in den Rleineren Gärten der Dorjtädte. Und dieje von Jahr zu Jahr jtetig wachjende Der- mehrung der Stadtamfeln hat ihren ungejtörten Sortgang genommen bis zur Gegenwart. Heute find die meilten Ortichaften unjerer Heimat, ganz bejonders die größeren Städte, jo überfüllt von den Ihwarzen Suwanderern, da; Jich ihre Menge bereits unangenehm fühlbar macht. Nädit dem Haus- jperling ilt ja mancherorts die Amfel der Dogel, der fi) der gröhten Kopfzahl erfreut, und viele Städte, die früher vielleicht neidijch auf die württembergijche Rejidenz blickten und fich aud) folk jchwarze Stadtkapelle herbeiwünjchten, die nichts Roltet und doch mufiziert vom grauen Morgen bis zum Einbrud) der Nacht, möchten gern einige taufend Stück abgeben, wenn jemand wäre, der jie einfinge ohne Aufjehen, und jemand, der fie haben wollte. Obitzüchter und Gartenfreunde jind bejonders jchlecht auf die Amfeln zu Iprechen. Anfang der 70er Jahre [hon wurden die eriten Klagen laut, jie haben jich geiteigert von Jahr zu Jahr. Und man muß ihnen recht geben, der Schaden, den diefe Dögel an Beeren und Srüchten anrichten, ijt nicht gering. Was die Sailon gerade bietet, das jchmeckt ihrem lüfternen Gaumen, erit die Erdbeeren, dann die Träubchen am Johannisbeeritraudh; bald folgt die Kirjchenernte, füße Srühbirnen locken, und den Bejchluf bildet die hochwillkommene Weinleje. Es gibt Gärten, wo die Amfeln tatjächlich auch nicht eine reife Kirjche am Baume lajjen, wo jie’s jchlimmer nod} treiben als Sperling und Star, Wein- berge, die Jahr für Jahr empfindlich gebrandfchatt werden, Erdbeerfelder, wo die lältigen Bejucher den Boden zerkraßen und die reifen Srüchte an- picken, bald hier und bald dort, und auf jolche Weile noch mehr verderben, als jie wirklich genießen. Wie ärgerlich für den Gärtner, wenn die Schwerz- röce in den Srühlingsbeeten jharren, dab die zarten Pflänzchen entwurzelt auf dem Boden liegen, oder wenn jie jpäter auf dem mit foviel Nühe und Sorgfalt hergerichteten Teppichbeet herumlaufen und mit ihren Kraßfüßen das Werk des Gärtners Rorrigieren, als hätten jie die Arbeit eines Schul- jungen vor ji. Keine Stage, die Stadtamjeln find im Laufe der Seit zu einer Quelle von mancherlei Ärger geworden ! Es gibt Raum ein zweites Beifpiel aus der Dogelwelt, welches jo an- |haulid) zeigt, wie ein Wechjel des Aufenthaltsorts auch Deränderungen alt überlieferter Lebensgewohnheiten nad} jich zieht, ja fogar gewilje Cha= raktereigenjchaften herausbildet, die früher dem Dogel völlig fremd waren. Ehemals, als jich die Amjel nod} fait ausjchlielich den Wald zum Aufent- 269 haltsort erkoren hatte, da 30g jte im Spätherbit gleich der Singdrojjel regel: mäßig nady Süden. Höcditens wo Bäche oder warme Quellen in der Tähe, konnte man in den Laubwäldern und Erlenbrüchen einzelne diejer Dögel aud) im Winter beobachten. Sie verhielten ji aljo etwa wie heutzutage die Stare, von denen ja auch immer einige Rleinere Schwärme an gejhüßten Stellen bei uns zu überwintern pflegen. JIeßt aber ilt aus dem Sug- und Stricvogel ein regelrechter Standvogel geworden. Anfangs waren es fait ausjchließlich die Zweiz, drei: und mehrjährigen Amjelmännden -—- „Ichwarz wie Kohle, mit dem Schnabel gelb wie Hold“ — welche das Wagnis unter- nahmen, dem eisbärtigen Herricher des Nordens Troß zu bieten. Später ent- Ihlojjen ji aud einige Weibchen dazu, bei ihren Eheherrn auszuharren; bald waren es im wejentlichen nur nody die Jungvögel, welche dem Wander- trieb folgten und ji von September an auf die Reile begaben, und heute \heint die ganze Gejellichaft, joweit jie die Städte bewohnt, Raum noch etwas zu wiljen von der alten Tradition ihrer Doreltern. Die jhwarzbraunen, an Kehle und Kropfgegend licht gefärbten Weibchen find im Winter ebenjo häufig zu jehen, wie die Shmucken Männcen im jchwarzen Gewand, und auch Jung: vögel vom vergangenen Srühling hüpfen munter im Schnee der Gärten und Anlagen umher, Jünglinge, die bereits wie die Däter ausjehen, nur daß jie am Unterleib breite dunkelgraue Sederränder zeigen und nod) des reinen Bolögelbs am Schnabel entbehren, doch aud; jolche, die der Frau Mlutter fait vollkommen gleichen und jich erit im nädjiten Jahre während der Maujer endgültig verfärben — jie jtammen wahrjcheinlich aus einer jpäten zweiten oder gar dritten Brut — dazu Iungfrauen, die jtark mit Rojtfarbe überlaufen und an den unteren Teilen reichlich mit dunkelbraunen Slecken beitreut jind: kurz, alt wie jung, Hännlein wie Weiblein, alle bleiben heute der Heimat treu und verlajjen den Ort nicht mehr, wo jie das Licht der Welt erblicten. In der Stadt gibt es ja ruhige Winkel genug, in die man fic zurückziehen kann, wenn der Schneejturm durchs Land brault, Beeren hängen am ent: blätterten Baum und Strauch audy im Winter, und vom Tijche des Hlenjchen fällt mander Bijlen, willkommen dem hungrigen Schnabel. Wo eine mildherzige Hand der Dogelwelt Sutter itreut, da jtellen jid) die Amjeln mit unter den erjten Gälten ein, die dankbar die Babe in Empfang nehmen; denn Scheu vor dem Menjchen, jede Ängitlichkeit haben jie Längit abgelegt. Am $utterbrett vor dem Seniter, aucdy in der belebteiten Straße, lien und picen fie; im Sutterhaus tun fie jicy gütlicy zwijchen dem Straud)- werk des Parks. Ja jie meinen nicht felten, nur ihretwegen habe der Mlenjch jolhe Einrichtungen getroffen; denn mit wütender Gebärde jagen jie oft die zierlihen Meilen vom Plaße, die Sinken, die Spaten, oder das liebliche Rotkehlchen, das einzeln jid) naht, zaghaft und furdtjam; jie jpreizen jidh, als wär’n Jie allein die Herren der Welt. Mur der pojlierliche Kleiber läßt 270 April 1900. München, Ende Brütende Shwarzamjel, F. von Pfistermeister. 2 +4 MT, Auerbach. Karlsruhe, 27. Mai 1907. Brütende Shwarzamjel. jich nicht foppen; haltig ergreift er den großen Biljen, den eben der golögelbe Schnabel der Amjel jich ausjuchte, und eilends fliegt er dann ab, während ganz veröußt der Schwarzrok ihm nadjichaut mit feinen großen tiefbraunen Augen. Die Amjel ijt der erite Srühlingsjänger, an dejlen zarter, melodienreicher Strophe jich das Herz des Stadtbewohners erfreut. Gewih, auch der Winter it nicht ftumm; der glöckchenhelle Ruf der Meifen erjchallt Iujtig herab vom bejchneiten Baumzweig, jelbjt bei jtrengiter Kälte; der winzige Saunkönig jchmettert jeine Rleine Sanfare hinaus in die jchneebedeckte Landjchaft; die Haubenlerche, die auf ihren jtämmigen Beindhen jo emjig in den Gajjen herum- trippelt, jingt von einem Bretterzaun herab ihr bejcheidenes Liedöchen, jobald der goldene Strahl der Winterjonne jich taujendfad) bricht an den glibernden Kriltallen der weißen Decke. Aber das jind alles mehr Troßgejänge: Winter, wir fürchten dich nicht, wie du aud jtürmit und jchneilt und alles jchlägit in eilige Sejleln! Uns jchadeit du nicht; wir Kleinen, wir bleiben die Sieger ! In den Riljen der jchwanken Sweige jchlummert jo manches Kerbtier dem kommenden Srühling entgegen ; zwijchen dem Dornengeitrüpp im verborgenen Dögel 1. 18 273 Winkel träumen Spinnen, Injektenpuppen von Lenz und von Liebe; wir finden jie alle, und auf den Straßen der Stadt bietet jih mander Bijjen dem hungrigen Schnabel. Winter, zum Troß jingen wir dir unfer keck heraus- forderndes Lieöchen ! Anders die Amjel, wenn im Sebruar gegen Abend eine lindere Luft zum eritenmal wieder über die Erde jich legt und jchmeichelnd fpielt in den kahlen Wipfeln der Bäume, dann auf den Boden jich jenkt, dat am Suße der Stämme die Schneedecke weicht und die eriten weißen Knofpen der zarten Srühlings- glöckchen jich aufrichten, befreit von der Lafjt. Oben im Wipfel des höchiten Baums jißt der Dogel; jcharf hebt er jich ab vom lichten Himmelsgewölbe. Den Hals etwas eingezogen, den Schnabel jhräg aufwärts gerichtet, die Slügel gejenkt, unbeweglicy und jtill, was mag er doch finnen? Db er jchläft, ob er träumt?... Da, ganz leije ein paar tremolierende Töne, weid) wie ein Bauch; dann eine Paufe. JIett hinaufgezogen, Rräftiger fchon, eine Tonfigur, jchmelzend und jehnjuchtsvoll, dann ein andres Motiv, fiher und rein, und jeßt länger die Strophe, zart und duftig wie ein Gedicht, Schwellend zur größeren Kraft; und dann jo leis, wie eriterbend. Das ilt nicht Troß, der hier |pricht, Rein Kampfgejang, nicht bejtimmt für das Dhr des Seindes, nicht für den Sreund. Das ilt ein Selbitgejpräch, ein Traum, ein Dichten und Sinnen, Ausdruck der inneriten Seele; das Herz ilt jo voll — voll Sehnjudt, wonad) ? Doll Luit und voll Sorge zugleich, voll Wehmut, warum? ... Das Lied perlt empor aus den Tiefen der Brujt, ganz leije zittert die Kehle, jonit Reine Bewegung. Nun eine längere Pauje; als jei er ergriffen von den Gefühlen, von den eignen Tönen, verharrt der Dogel in jeiner Stellung. Ob er wohl hört, wie drüben am andern Ende des Parks ein zweites Männchen beginnt mit den füßen, ergreifenden Strophen; ob er wohl jieht, wie dunkel der Abend jich jenkt über Wieje und Hain? Jet hebt er nod) einmal an, ganz leije und zart, und dann — wer jtört den Srieden des weichen, wohligen Abends! — mit jcharfem „‚tack, tack“, mit gellendem Schrei „gaigiggiggigaigig“ jtreicht unjer Sänger jeßt ab und jtürzt jich hinunter ins dichte Gebüjch auf der andern Seite des Weges. Dann hüpft er von Ajtchen zu Ältchen in den dunkelften Winkel, den die Fangen Nadeln der Weimutskiefer bejchatten, der nächtlichen Ruhe zu pflegen. Länglt it er munter, wenn die Sebruarjonne des folgenden Tags jo jpät erjcheint über den Höhen am öltlichen Himmel. Aber jingen am Morgen, dazu fehlt der Amjel die Stimmung; noch verfügt jie ja nur über jo zarte, Ihmelzende Töne, über Strophen voll Wehmut, voll unausipredhlicher Sehn- Jucht, wie jte nicht pajjen zum goldenen Morgen, der jo kräftig, jo fchaffens- freudig emporjteigt über der Erde. Emjig hüpft die Amjel am Boden, unter Hecken und Säunen umher, auf den fchneefreien Slecken der Wieje, um nach Injektenlarven und Regenwürmern zu juchen ; denn die Nacht war lang, 274 "/o06I zvzir 197 te ug u jplwovtıvaps RE) I er HM 18* en ERZ DR etz 1 D M,. Auerbach. Karlsruhe, 27. Mai 1907. Shwarzamjelweibdhen am leit. und der Magen fordert fein Recht, ein ausgiebig Srühltück. Unter dem Moos und dem feuchten, halbfaulen Laube jchlummert jo manches ÖBetier, auc) in der oberiten Schicht der darunter liegenden Erde. Hurtig wenden die Süße das vertrocknete Laub, und die goldöne Pinzette durchitöbert auch den verborgeniten Winkel, dat die Blätter tanzend umherwirbeln. Mit gejenktem Kopf und wagredht gehaltenem Körper rennt jeßt der Dogel eiligiten Laufs eine Strecke dahin — fo hujcht eine Ratte vorüber — dann macht er plößlic, halt am Wurzelgeflecht des altehrwürdigen Baums, wo der faulende Holzmull jo manden Biljen verbirgt. Wie eine Henne im Sand, jo jcharrt er zwilchen den Wurzeln und pickt hier und pickt da. It alles durchlucht, dann geht’s weiter. Regte ji dort nicht etwas zwilchen den kurzen Spiben des Örajes ? Burtig in langen Säßen hüpft die Amjel dahin und äugt und Taujcht mit Ihiefgehaltenem Kopfe jekundenlang über der Stelle. Plößlich bohrt ic der Schnabel hinein in den feuchten Boden zwilchen die feinen Wurzeln der Halme, und richtig, der Wurm ilt erwilcht; an dem einen Ende hat ihn der Dogel gepackt. Aber nun gilt es, den fetten Bewohner der Erde heraus 277 zuziehen aus feiner dunkeln Behaujung. Wie die Amjel da zerrt, jo ungeduldig und hajtig, wie die Sühe jid) jtemmen, wie der Gequälte jich jchrecklich zieht in die Länge! Plößli ein Ruck, da der Dogel zwei Schritte zurücfährt. Der Wurm ilt ihm jicher. Mit Gewalt jchlägt er ihn dann ein paarmal gegen den Boden, wendet ihn hin und her zwilchen den Rändern des Schnabels, bis er die Lage einnimmt, die zum Derjchlingen jich eignet, und — weg ilt er, verichwunden im Schlund jeines Seindes. Noch einen Augenblick verharrt die Amjel ohne Bewegung in der eingenommenen Stellung — ilt wirklidh, jo jcheint ie zu denken, der gute Biljen nun auch jicher im Magen ? —- dann hüpft jie weiter, nach neuer Beute ausjchauend, horchend aufs feinite Geräufd. Immer bleibt jie am Boden bei ihren Jagden; nur zum Sutterbrett fliegt lie empor, zwei Stock hoch, wenn’s jein mub, und mehr. Am Baum und am Straudy, da jucht jie nur Beeren und Obit, nicht Injekten, Duppen und Eier, und wenn jpäter in wärmerer seit eine Sliege vorbeilummt oder ein Schmetterling ihr dicht vorübertaumelt am Schnabel, jie \chnappt nicht danadı ; nur was Rriecht und was zappelt am Boden, was jchläft und jchlummert im Gras, im welken Laub, im lockeren Humus, Würmer und Maden und Larven, Ipazierende Käfer, langjam Rriechende Schnecken und eiligjt flüchtende Spinnen, das it ihr recht für den Schnabel. Swei oder drei Abende noch jtudierte die Amjel ihr Lied auf demjelben Baum, ganz verjunken in ji. Wie der Mujiker phantajiert in der däm- mernden Stille des Abends, wie die Singer die Taten berühren, die Saiten greifen, der Stimmung der Seele gehorchend, jo zittert die Jchluchzende Kehle, der halbgeöffnete Schnabel Strophe auf Strophe hinaus, dat weic, die Töne jidy wiegen in lauwarmer Luft: Poelie alles und alles Gefühl, ohne warum, ohne wozu. Aber jo leicht gibt der Winter die Herrichaft nicht auf. Veue Kälte jeßt ein, Schneelturm erbraujt — da verjtummt Sänger und Lied; unter den Sorgen ums tägliche Brot eritickt der Gejang. Aber jpäter im März, wenn die Kraft des Winters wie mit einem Schlage gebrochen, wenn der ÖGe- itrenge vor dem lieblichen Lenz jich flüchtet fern in die Berge, da jubelt und flötet mit Macht das Lied aus der Brut des gottbegnadeten Sängers, ein Liebeslied jet, heiß, innig und feurig: hör mich, Geliebte, erhöre mein Slehn ! Und ein Kampflied zugleich: hör mich, du anderer, der mit mir buhlt um die Bunjt der Erwählten, meiner, die ich mir erkor! Stell did) zum Kampf, halt du Mut! Wahre Wettgejänge finden jet jtatt unter den Männchen eines Reviers am frühen Morgen jowohl wie gegen Eintritt der nächtlichen Stille; dann ind die Intervalle zwilchen den einzelnen Slöten)trophen nur Kurz, jedes Motiv vom vorhergehenden verjchieden, jedes von unnachahmlicher Klang» fülle. Wohl ilt der Singdrofjelruf, wenn er im Srühlingswald des Abends von dem MWipfel der Fichte herabichallt, nod) jtärker, lauter, vielleicht aud) 278 Kuhfahl. Die Shwarzamjel are 4 & # EI 3 als Bewohnerin der Großitadt. Dresden, Mai bis Juni 1900. Mejt auf einem Senjtergejimje. abwechjlungsreicher, namentlicy in der Tonhöhe, aber die Motive ind kürzer, die Stimme ijt teilweife jchrill und Rlirrend, während der Amjelgejang durd das volle kKlangihöne Organ und durd die ruhige, gemejjene Dortragsweile etwas überaus Seierliches enthält. In der Seit der eriten Liebe bleibt es aber nicht beim Wettgejang zwijchen den Werbern; die Männchen rücken ji) näher und näher, bis fie jchlieflich in höchiter Eiferjucht aufeinander- jtürzen und fich beißen und jagen, wobei fie immer nody einzelne Strophen ihres Gejanges hervoritoßen, bis dann der Sieger aus voller Kehle jein Lied fingt vom hohen Baum herab, von der Wetterfahne am Dadjfirit, von einen Balkengerült. Welch Amjelweibchen könnte jold innigem Liebesflehen widerftehen ! Mit Teichtem Schwung, den etwas ausgebreiteten Schwanzfächer auf- und abwärts wippend, flügelzuckend hat es ji in die Nähe des un: ermüdlichen Sängers gejeßt; dann fliegt es plößlich ab, das Männden hinter ihm her. So jagen fie jih von Baum zu Baum; hajtig hüpfen jie durchs Geält und flattern dann ins dichte Gebüfch. „Der Minne Sold“, von dem der Sänger jo innig jang, er wird ihm zuteil. Mitte März etwa, bald früher, bald jpäter je nady der Witterung, be- ginnt das Pärchen den Nejtbau. Im Walde werden junge ladelbäume be: vorzugt oder Dornenhecken, Holzklaftern, am Bad ein Erlengebüjch oder der Kopf einer alten, niedrigen Weide; in Park und Garten aber ijt dem Pärchen jeder Plat; recht, der Schuß bietet vor der Unbill der Witterung und vor den lüftern umherjchleichenden Kaßen: ein niedriges Tarusgebüjch, ein Sebensbaum, ein Sliederjtraucd, eine Hecke, aber auch Efeu, der die Mauer bekleidet, das Weinjpalier an der Hauswand, jeder offene Schuppen, ein BHolzitaket, felbit eine Ecke am Seniter. Meilt jteht das ftattlihe Mejt nur in Mannshöhe, aber auch nahe am Boden, jelbit auf der Erde findet man es bisweilen. Gerade die Stadtamfel Ieiltet jiy manches Abjonderliche in ihrer Niltweije und wählt ®rte, die oftmals nicht jehr gejchickt jind; bejonders ilt es aber der Bau des Neites jelbit, der auf eine gewilje Entartung im Der: gleich mit der Waldamfel hinweilt. Dieje baut den tiefen, halbkugelförmigen Napf, deilen oberiter Rand jtets jtark einwärts gebogen ilt, viel jorgfältiger. Sein Äußeres bejteht aus Rünitlich verflochtenen Würzelcen, Stengeln, Oras= halmen, jehr häufig ilt aud;) etwas Moos beigegeben; die innere Släche aber wird ausgejchmiert mit feuchter Erde oder Schlamm, jo dah die Wand glatt ericheint, ähnlich, wenn auch nicht jo vollendet jchön, wie bei der Singdrojjel, die Holzmull dazu verwendet. Das Nejt der Stadtamjel dagegen ijt meilt ein recht unförmlicher und infolge der maljenhaft herbeigejchleppten erdigen Beitandteile ein außerordentlich jhwerer Bau, den die Altchen des jungen Nadelbäumchens kaum zu tragen vermögen. Nicht jelten iit die Außenleite jehr liederlich gebaut, daß Halme, Gräjer, Wurzeln wirr hervorragen, aud wird die regelmäßige Rundung nicht immer gewahrt. Meijt it das Meit 281 Ende März jchon fertig; es birgt dann Anfang April das volle Gelege, vier oder fünf, ausnahmsweile wohl auch jechs blaugrünliche Eier, reichlich mit hell rojtfarbigen Slecken, Punkten und Stricheln bejtreut. Micht jelten ver- zögert jich die Brutzeit um einige Wochen, bejonders wenn die Dögel gejtört wurden beim Neitbau ; aber auch Beijpiele gibt es von vorzeitiger Brut, ind doh Fälle bekannt, daß in Norddeutichland flügge Amjeln jchon Mitte Sebruar die Kinderjtube verließen. Dierzehn bis fünfzehn Tage jißt das Weibchen brütend auf den Eiern; mittags wird es gewöhnlid) für ein paar Stunden abgelölt von dem Männcden, das um dieje Seit eine Pauje macht im Mufizieren. Audh an der Aufzudt und Pflege der Jungen beteiligen jich beide Eltern; unermüdlich |chleppen jie Würmer und Injektenlarven herbei für die hungrigen Schnäbel, die jic) ihnen entgegenjtrecken wie auf Kommando. Trichterförmig tjt der Rachen geöffnet, ein weiter Schlund, in dejjen Tiefe auch der größte Biljen jofort jpurlos verjchwindet. Geduld lernen jollt ihr, jchon in der zartelten Jugend, jo denkt die Alte, wenn Jie, den Wurm im Schnabel, am Teite erjcheint; denn jo jtürmijd; audy die vier oder fünf gelbrandigen Schnäbel fich öffnen, jo jehr jid) die nackten Hälje jtrecken und dehnen, die Mutter wartet ein paar Sekunden, ehe jie die Gier der Kinder befriedigt; ja es jenken jich nicht jelten die Köpfchen enttäujcht, leife piepend jchon zurück ins Heit, bis jie bei einer Bewegung des alten Dogels wieder emporjchießen, der nun haltiq dem einen der Jungen den jehnlichit erwarteten Biljen tief in den Rachen jtößt. Aud) auf Reinlichkeit halten die Alten, und das ijt nötig; denn nod) jind die Kinder jo Rlein, dah fie es nicht veritehen, den Kot zum Leit hinaus- zujenden, wie jie es jpäter tun. Deshalb ergreift der fütternde Dogel, jobald er jich jeiner Gabe entledigt hat, mit dem Schnabel den weihen Kotballen, den er wohl regelmäßig im Nejte vorfindet, und trägt ihn im Sluge ein Stück fort, damit er den herumjchleichenden Räubern nicht die Mähe der Kinderwiege verrate. Bisweilen jollen die Alten den Kot ihrer Kleinen jogar verjchlingen — unappetitlicy gewiß, aber praktijch, denn im Magen ilt er am jicheriten. Erfahrung hat den Dogel gewißigt; der Seinde ind ja jo viele, da manche Brut ein KRläglihes Ende nimmt. An erjter Stelle die Hauskaße, die ja jo oft ihre gute Erziehung vergift und itatt auf Mäuje und Ratten in der Wohnung des Mlenjchen Jagd macht auf halbflügge Dogeljunge im Garten und Park, die vorzeitig das warme VHejtchen ver- ließen, oder hinaufklettert an Baum und Straudy und gierig ein Dogelkind nad) dem andern mit der krallenbewaffneten Pfote aus der Iuftigen Wiege herauslangt. Das ilt ein Gezeter der wachlamen Amjeln, wenn eine Kabe jidy zeigt. Erit nur ein dumpfes „‚tack, ta”, dann durchöringend und jcharf „tie, tie, fir...“ ohne Ende, Ichlieflih das Angitgejchrei, gellend und 282 Kuhfahl. Dresden, Mai bis Juni 1900. Die Shwarzamjel als Bewohnerin der Großjtadt. Nejt auf einem Senjtergejimje. & ö > = u i Te on d jhneidend „gaigiggiggaigig ...“ Unruhig hüpfen die bejorgten Eltern umher, von dem Baum ins ÖGeiträuch, vom Geiträud, auf den Weg, dann aufs Gartengeländer, auf das Dach des Schuppens, den der Räuber um: ichleicht. JIett fliegt das Männchen unmittelbar über den Kopf der Kate dahin, ein=, zweimal, dat dieje jtehen bleibt und jich dann duckt und mihver- gnügt blinzelnd emporjchaut, während jie bisher gleichgültige Miene machte zum ärgerlichen Spektakel, als ging jie das ganze Öegzeter nichts an. Natür- lih jind auch andere Dogeleltern aufmerkjam geworden auf die Gefahr und vermehren den Aufruhr. Wie die Kohlmeijen zanken und meckern, ob- gleich gerade ihre Brut in dem Aijtloch des Pflaumenbaums ficher ilt vor der Kate, die nicht jo tief reichen Rann mit ihrer häkelnden Pfote; wie das kleine „Müllerchen“ unruhig im Geält herumjchlüpft, ohne Aufhören „ge, Be“ rufend, jchnarrend und hart; wie das Hausrotihwänzchen jo eigentümlich Ihmaßt „huid Ge be Be“ und jo drollig dazu Rnickit, als wollte es dem Räuber jein Kompliment machen; jet jchnurrt auch der Kleinjte der Kleinen, die niedliche Blaumeije, im höditen Sorn, und die Gartengrasmücke ruft ohne Ende „wädwädwäd ...." Heute ilt nichts für den gefürchteten Meit- räuber; ungemütlidy wird’s ihm bei dem lärmenden Schreien und Sanken, dah er jich zurückzieht durd ein Loch hinein in das Dunkel des Schuppens. Da verjtummen die Kleinen geängiteten Dögel und gehen wieder ihren ÖGe- Ihäften nad); nur die Amjeln jchelten noch weiter „tir, fir, fir...“ und fliegen mit ausgebreitetem Schwanz aufgeregt noch umher, bis jchließlich aud) bei ihnen das winzige Dogelherz jicy beruhigt. Mit dem eriten Wurm, den jie finden, jind Angit und Sorge vergeljen. Wie die Gänje im Hof, jo jind die Amjeln die wachlamiten Polizilten im Park und im Wald; jie alarmieren alle gefiederten Mitbewohner des Reviers, jobald jich etwas Derdächtiges zeigt, und groß mag die Sahl der Dogelbruten jein, die auf jolche Weile ihre Rettung den Amjeln verdanken. Auch wenn ein Eichhörnchen naht, oder ein Marder, ein Iltis, ein Wiejel heranjchleicht, wenn jJich eine Schlange blicken läßt, die Dögel melden’s jofort. Aud) den Eichelhäher empfängt die Schwarzdrofjel mit lautem Gejchrei, ebenjo Elitern und Krähen, jelbjt den Kuckuck, den jie wegen eines falkenähnlichen Slugs und jeines Sperberkleides für einen Raubvogel halten mag und deshalb fürchtet, obgleich ihr und ihrem lHeit die am Boden jchleichenden Feinde gewih gefährlicher jind, als die gefiederten Räuber. Auch das vierfühige Öetier des Waldes veriteht das Alarmjignal der Amjel, und mancher Jäger hat den Ichwarzen Dogel jchon verwünjdt, der ihm das Wild vericheudhte. Man hat der Amjel den Dorwurf gemadt, jie beunruhige durch ihr zänkijches und ungejtümes Wejen Rleinere Dögel, dal dieje jchliehlicdy die Nähe der Schwarzröcke mieden. Aber futterneidilch und frehigierig zeigen li} die Schwarzdroljeln nur im Winter ; da verjagen jie oftmals jeden andern 285 Dogel vom Sutterplaß. Wenn aber dann die milde Srühlingsionne überall reiche Nahrungsquellen aufjichließt, wenn die Amjeln bejchäftigt jind mit Nejtbau, mit Brüten und Pflege der Jungen, da verhalten fie jich verträglich und friedlich. Unbehelligt laljen jie in ihrer unmittelbaren Nachbarjchaft Singdrofjleln, Sinken, Grünlinge, Boldammern, Hänflinge, verjchiedene Bras= mückenarten, Laubjänger und andere Kleinvögel gleichfalls ihre Jungen ausbrüten und füttern. Unter unjerm Amjelnejt in der Altgabel des Baums zieht Jich, von dichtem Gebüjch verdeckt, ein langer Saun hin. Hier reiht jich Neit an Meit in kurzen Swilchenräumen. Suerjt ein zweites Amjelneit, dann das einer Singdroljel, Sreund Spab hat jich aud) eingeitellt, es folgt ein drittes Amjelneit, ein viertes, nun auf einem Sliederbujch der kunitvolle Bau eines Buchfinkenpärchens, hierauf unter Grasbüjcheln ganz veriteckt, ange- lehnt an die untere Leilte des Sauns, das Meit eines Rotkehlchens, Amjel und Singdrofjel wieder, und fo weiter in buntem Wechjel. Wäre jolch enges Sulammenleben denkbar, wenn die Amjel wirklich die Rleineren Dögel aus ihrer Nähe vertriebe, wenn jie die Schuld trüge, dab hie und da in Garten und Park die Singvögel jeltener werden ? Dielleicht einzig mit der Nachtigall, welche die Ruhe liebt, verträgt jie jich in mandyen Gegenden nicht gut; doch it dies nur eine Dermutung. Aber jeit einem Dierteljahrhundert erhebt man noch viel jchwerere Dorwürfe gegen die Amjel. Man Rlagt jie des Neitraubs an, und etwas Wahres ilt an der Sadje. Doc handelt es jich hierbei immer nur um einzelne libeltäter, die den Ruf der ganzen Sippe untergraben, und es würde ungerecht jein, den Stab über alle zu brechen, weil ein paar jid) als Mijjetäter erweilen. Bei der Jagd auf dem Boden, beim Durdjitöbern des Unterholzes findet der Dogel natürlic jedes Heft, das auf der Erde ruht oder wenig darüber, und da ereignet jich’s denn, daf er was zappeln jieht, wie ein Wurm zappelt. Eilig hüpft er herbei in weiten, hajtigen Sprüngen. Wehe, mit hurtigem Griff packt er das Döglein am Halle, zerrt es mit kräf- tigem Ruck aus dem Meit und fliegt eilend davon; an geeigneter Stelle zerhact er jein Opfer in Stücke, die er dann gierig verjchlingt. So holt Jich der entartete Dogel ein Nejtjunges nach dem andern, unbekümmert um das Angitgejchrei der Grasmüceneltern, um das Slattern des Rotkehlchens oder des boldammers. Und wie bei den Räubern mag’s fein, den Gewaltigen aus dem Katengejchlechte, die nach Menjchenblut düriten, wenn es ihnen nur einmal gelungen, im Kampf mit dem Herrn der Schöpfung zu Jiegen und zu frejlen vom Körper des Unglücklichen; Amjeln, die gekoitet haben vom zarten Sleijch neitjunger Dögel, werden auch weiterhin Mejtraub treiben und viele Bruten vernichten in der Nähe des eigenen Neites. Doch es ind Ausnahmen, die den Menjchen nicht berechtigen, dem ganzen Gejchlechte der 286 Kuhfahl. Dresden, Mai bis Juni 1900. Shwarzamjel als Bewohnerin der Großjtadt. Die Alte hudert die Jungen. 0006, I April München, Ende termeister. Es . 2 . - _ © De pe} S —_ om) = © en - ._ — U = S — — je] © o = — ve o = w — = = be} En ._ - - nd — — o - _— © — _ E Ihwarzen Mufikanten den Krieg zu erklären; der einzelne Mijjetäter nur muß vernichtet werden, denn an feine Bejjerung darf man nicht glauben. Woher dieje jchlimme Entartung ? Im Walde hat man nie über jolche Mibgriffe zu Klagen; hier folgt die Amjel noch genau der Mutter Tatur, die Infekten und Würmer und Beeren ihr zur Nahrung bejtimmt hat, wie ihren Dettern und Bafen, dem ganzen Drojjelgejchlechte. Der Sug nad) der Stadt ift’s, der einzelne Amjeln verdorben — audy manchem Menjchen geht es nicht befjer. Enger beieinander wohnen im Garten, im Park die Singvögel, als draußen im Sorit; einer [haut dem Nachbar ins Haus, und oft herricht heftige Konkurrenz beim Erwerb ihrer Nahrung. Ein Übergriff in fremdes Bereich, wie leicht ijt’s gejchehen; der Starke vergewaltigt den Schwachen. Dielleiht find au die Menjchen nicht ganz frei von Schuld an diejer Be= ihmecksverirrung der Schwarzdrolfel. Durch fortgejegte Fütterung der Dögel mit Sleijchreiten während des ganzen Winters kann manche Amjel förmlid) erzogen werden zum Liebhaber folder Nahrung, jo daf fie dann im Frühling diefen Genuß nicht entbehren will und fi} nun Übergriffe an den Neitjungen der kleinen Sänger erlaubt. Artgenojjen aber, die jie bei jolhem Raube be- obachıten, werden es ihr nur zu leicht nadhtun; denn der Nahahmungstrieb ilt groß — unter Menjchen wie Tieren, im Guten jowohl wie im Böjen. Oft verlaljen die Amjeljungen vorzeitig das Weit; denn von Haus aus jind alle Drojjeln jchreckhafte Dögel, und eine geringe Störung |chon kann die Urjache fein, daß die Amjelkinder aus ihrem jichern Bewahrjam heraus= flattern, wenn ihnen die fproffenden Schwungfedern den Dienjt nod, fait völlig verfagen. Dann hüpfen jie am Boden umher, die Eltern mit zitternden Slügeln und leifem Piepen um Nahrung bettelnd. So drollig jehen jie aus in ihrem weichen, molligen Kinderkleidchen, das namentli an Kopf und Bals jtark mit Roitfarbe überlaufen, an den unteren Teilen aber mit vielen dunkelbraunen, nieren- und mondförmigen Slecken beitreut it, während die Sedern der Oberfeite rojtfarbene Schaftitriche zeigen. Kurz und gedrungen erjcheint die Figur, da das Schwänzchen noch fehlt, und der kindliche Ausdruck des Kleinen Perjönhens wird noch erhöht durch die gelben NTundwinkel und Augenlidrändchen. Das ijt die gefährlichite Seit für die Jungamjel; der \chleichenden Kate, dem Marder und Wiejel fallen jo viele der unerfahrenen Tiere zum Opfer. Denn nicht immer rettet der Eltern wacdjames Auge, ihr Warnungslignal den unbeholfenen Dogel, der hüpfen und rennen und flattern kann, jid) aber nod) nicht zu erheben vermag auf den Baum, der ihm Sicherheit bietet. Ein Auffchrei, die Kate hat ihn am Kragen und erwürgt nun das Kind vor den Augen der Eltern, jo jehr diefe auc, kreijchend und klagend den Räuber umjhwärmen. Aber jedes Srühjahr läht immerhin eine ftattlihe Anzahl von Jung- amfeln in unfern Gärten heranwadjlen; das ilt dann Leben in Bujdy und Dögel I. 19 289 in Straudy vom früheiten Morgen bis |pät in die dämmernde Nacht, gehört doch die Amjel zu den frühejten von all den gefiederten Srühaufitehern, und an den langen Abenden ilt es ihr Lied und das der Singdrojjel, das noch immer ertönt, wenn die andern Sänger bereits zur Ruhe gegangen. Sopiele Dögel jchweigen oder jingen doch nur jelten, wenn jie Junge haben im Meit; aber die Amjel erübrigt audy) im Drang der Gejchäfte jeden Tag mand Dierteljtündchen, wo jie jid) ganz hingibt dem jeelenvollen Bejange. Schon lit die Gattin zum zweitenmal brütend im Meite; es ijt noch dasjelbe, in dem die vorigen Jungen jie groß3og, jo jauber, jo reinlich, als jei es von neuem erbaut. Und nun alles wieder, wie vor ein paar Wochen: die Jungen durd)= picken die Ralkige Schale und jchlüpfen aus dem finitern Gefängnis; jie lajjen jich füttern und lajjen jih wärmen, fie wachen heran und flattern über den Nejtrand; fie werden noch ein Weilchen geführt von den Eltern und be= wacht und verteidigt; dann find fie groß — nun geht eure eigenen Wege und |chlagt euch durd in der Welt! Selbit eine dritte Brut ziehen ältere Pärchen, freilich nur ausnahmsweile, noch auf in dem Teit, das ic bewährte Ihon zweimal; dann aber Schluß! Sür Nachkommenjchaft it nun qründ- li gelorgt. Schon wimmelt der Park von zahlreichem Jungvolk ver: Ichiedeniten Alters; man fieht’s an den Kleidern. Im Juli maujern die ältejten jchon, die jüngeren erjt im Auguit und September, ja manche — die legten Nejthäkchen find’s — tragen jelbit im Oktober nod; immer ihr roit= farben Kleidchen. Nur gut, daß der Herbjt mit freigebiger Hand von jeinem überfluß |pendet, Beeren und Obit allerart, jonjt würde gar bald Schmalhans als Küchenmeifter regieren. Aber die Welt ilt ja groß; nad) allen Richtungen iteht fie offen dem leicht beweglichen Dogel. Auswandern heift die Lojung bei vielen, erjt nur ein Stück, von dort wieder weiter. Das Derbreitungsgebiet der Amjel ilt groß; es eritreckt ich über ganz Europa, mit Ausnahme nur der nördlichiten Teile, über Nordafrika und tief hinein in das innerjte Afien bis zu den Bergen Kajchmirs. Überall gibt es ja Wald und dichtes Gebüfjch, überall Garten und Park in den Städten und Dörfern, überall Rleine Gehölze und Hecken zwijchen den Seldern; ob Gebirge, ob jumpfige Ebene, der Amjel ilt’s gleich. Hinreichende Nahrung begehrt jie und Schuß vor den Feinden; wo dies jich ihr bietet, da läßt fie jih nieder und erfreut den galtlihen Ort mit melodijchem Lied. 290 Der Kolibri. Don Elje Soffel. Kolibri! Sür den Nichteingeborenen Klingt der Name wie eins jener farbenpräcdhtigen Märchen, die uns der Orient jchenkt: ein Märchen, um heimlich daran weiter zu bauen, ein Bild, um es liebend auszujhmücken in träumerijcher Stunde. Und Märchen bleibt er auch für den, der ihn gejehen, da alles, was an ihm entzüct, den unnennbaren Sauber um ihn webt, zugleich dasjenige ift, was ihn uns entrückt, und für immer in jener Serne hält, die dem Genuß feines Anblicks den Reiz des Slüchtigen, der nie reitlos befriedigten Sehnjucht gibt. Ein Dögelchen, kleiner als mander unferer großen Schmetterlinge, dejlen Sihtihönheit und Sartheit das jchönjte und zartejte feiner Art weit hinter ji) läßt, ein Sauberbild, jchwindend im Entitehen, ein Schönheitsgedanke und flüchtig wie diejer, ein Roltbar zerbrechlicher Bejit, nimmer zu halten, darum ewig begehrt! Nie zu ruhigem Genießen verweilend, immer enteilend, eh’ er recht da. Ein farbig aufzuckender Blit blendet unjer Auge. Mein, es ilt nur Täujchung, Sonnengeflimmer auf betauten Sweigen. Aber dort, es jhwankt ja die Blüte, goldögelbe Dolde, jchwer und weich, Teile wogend; zwei fremd-jüße Augen dringen in deine, dem ein heihjummender Ton nod) in Obr und Herzen hängt, und aufwärts wirft jich’s wie ein Schrei der Luft, Sunken jtreuend, Strahlen werfend, wie Seuer zeritiebend ! Und diejes Raum Geglaubte, Unbegreifliche, dejfen Schönheit ein Hauch, das dem Tode geweiht, wenn nur auf Stunden aus jeinen Bedingungen ge= rilfen, ilt von einem Lebenstrieb erfüllt, der mit der Glut jeiner Sarben gleichen Schritt hält. Raitlos, geizend im Genuß, jpielerijch in der Gefahr, in jelbtjicherer Surctlofigkeit dieje als unmöglich ablehnend, verwegen bis zur Tollkühnheit, vertrauend in arglojer Kinderweile, ein plößlicher, bligen- der, unbegriffener, darum nicht anzugreifender Schreck jelbjt den Mächtigen jeiner Derwandten. Sülle und Überjchwang liebend, braucend wie einen Teil feiner jelbit, mit diefen wandernd, ziehend, überall dem überflutenden, vollitreuenden, jauchzenden Leben nach, bis dorthin, wo es, jchnee- und eisgefangen, Rärglid, bemeljenen, hei genojjenen Srühling jchenkt. — 19* 291 Goldkolibri im Slug aus einer Blüte Honig jaugend. Bilder von fremdgroßartiger Schönheit jteigen auf: Sonnenglut über brennenden Mejas, die gleich ungeheuern Tijchen aufragen, von SnkRlopen= hand emporgehalten, aus deren Bajaltplatte gepanzerte Kaktusblüten auf: gleißen, jtechenden Slammen gleich, vom Sonnenlicht entzündet, globaugig _ an Stachelkolben jitend, großblütig angeheftet wie blifender Ordensitern, weicharmig in die Luft fallend vom heimatlichen Sels, oder als blajjes Licht auf reichem Kandelaber jitend. Daneben jpitzüngige Agave, Palmlilie, fremd jidy abjondernd, in ihr eigenes Leben jtarrend, das der Macht mehr angehört als dem Tage, wo in lichterfüllter Dämmerung die jchwere weile Glocke an zu tönen fängt, ein jeltiamer ARkord zu dem grünlid) leuchtenden Geitein, — phosphorn bineinhängt in den Raum. Und als habe Dulkan die Ichönjten jeiner Steine aus der Tiefe gebrochen, um jie einmal im Licht der Sonne jpielen zu jehen, jo irren flüchtige Sunken über das Ganze, Strahlen farbigen Lichtes \hiefend, in zitternde Schleierwolke gehüllt, wie fejtgebannt vor den Blüten in der Luft jtehend. Dder du fiehit den Frühling, den jchönheitbraufenden, über Kalifornien ziehen. Auf waldigen Bergen, in Dickidhten ijt Lilienteppic, gebreitet. Wald: geißblatt, heimlich-verliebt, jchlingt zartwirre Arme um Eiche und Lorbeer, glückleuchtend aus hundert Rorallroten Blütenkelchen, feierdufthauchen?d. 292 Goldkolibri; Nejt mit Gelege in einer Brombeerhece. Goldkolibri; die Mutter fächelt den Jungen mit den Schwingen Kühlung zu. Manzanila und Madronafträucher haben ihre Slammen aufgelteckt. Und heimlicy wie der Dieb in der Nacht, plößlicy wie Liebesfeuer und vergänglich wie diejes, fremd wie das Glück und jchön wie das Märcen, jhimmernd wie Waffen find fie gekommen, flüchtiges Heer am blühenden Morgen, eingefallen ins Blütenmeer. Slügelichwirrend, Liebeslied girrend, an Blumen weidend, Lüfte durchichneidend wie blitiender Stahl. Ihr Slug ijt dem Auge Trug. Ihre Gegenwart jtets Dergangenheit. Pflicht des Genießens läßt ihm nicht Seit. Den Raubvogel jchreckt er, dein juchendes Auge nect er, Nahrung nimmt er vom Strauß deiner Hand, die er fand, als jein Taumelflug ihn vorübertrug, noch ehe dir klar, ob der dic, beraubt, Salter oder Dogel war ? * * * Und weiter geht jein Derlangen. Einzig Lieb’ und Liebespflichten bringen den Slüchtigen zu einer Seit ruhigen Derweilens. Don dürrem Sweige herab, an dem er jchlaftrunken ge= hangen, inmitten verwirrender Blütenwildnis zirpt er ein Liedchen, das an die höchiten Töne einer Dioline erinnert, Rlein von Umfang, doch hell, zu den 295 lauten Sarbtönen jeines Kleides gejtimmt, an das Geigen der Injekten mahnen?. In halber Höhe jchwebend, auf blühendem Objtbaum, in dichtem Sarren- geiträuch, von Rhododendron oder Jelängerjelieber überragt, mit Moos und Slechten überkleidet, it — eine halbe Eierjchale groß — das Heim errichtet. Einen Bohnenkern groß ilt die Hülle für das lebende Juwel. Da bildet jich der Sauber aus. Hat er aber erjt das Licht der Sonne erblickt, jpiegeln die Junge Goldkolibris, ausgefiedert, Kurz vor dem Derlajjen des Meites. Auglein — jchwarzblinkender Turmalin — erjt die Umgebung wieder, hat er, lujtatmend vom Rand des Meites die Gerne gejpürt, jo it Rein Halten mehr. Kurze Probe hält er vielleicht, jic) jelbjt zum Beweije, dann aber, der angeborenen Kunft jicher, im jubelnden Bejiß jeiner Sähigkeiten, wirft er ih dem Leben entgegen. Und zweifach beginnt aufs neue das Spiel: das Seit- und Rückwärtsfliegen, wie ein Pfeil Geradeausichießen, als Rakete aufwärtsiteigen oder als Mleteor vom Himmel fallen, im Sickzak um die Bäume jchlängeln und jchwirrend vor den Blumen jchweben, aus der Tiefe heißgefärbter Blumenkelche Injekten und Honig zu najchen. 296 Junge Goldkolibris im Stupfelkleid. Goldkolibri; der alte Dogel füttert die Jungen. Die Alten aber, die durch Liebesjpiel und Liebesfolgen — nody einmal find fie zur Brut gefehritten — in ihrem alljährlihen Sug nad) dem Norden aufgehalten worden, finden wir in Teras wieder. Der wandernde Srühling hat fie mitgenommen. Über weite Prärien ziehen die Wolken, darunter die Herden. Gleich jilbriger Woge wallen manns- hohe Gräfer, vom Wind gewiegt und fingen ruhelos ein einfames Lied, dejjen Schluß immer neuer Anfang, deilen Anfang ohne Ende. Narrenunkräuter treiben ihr heimlich-unheimlidh Wejen, dab die Tiere, wenn jie davon ge= noffen, wie toll jich gebärdend, hinausrajen in die Steppe. Juwelgras nickt und Sternblume leuchtet, Helianthus ijt hier beheimatet. Hochgewadjlene Blütengejchlechter führt der Srühling im Gefolge. Auf den Kolibri wartet „painted-cup“, grünlichgelb mit jcharlachrotem Keld, „osweys-tea” mit roten Blütenköpfchen und würzig duftendem Blatt, deren Sippe weithin im Sande in vielen Samilien anjäjlig, rotblühende Kardinalsblume. Der Kolibri braucht leuchtende Sarben. Was jic feinem Blick ent- gegendrängt, wenn er in jähem Sluge vorüberjauft, ji ihm von weiten anträgt, das ijt fein. Nicht juchen will er, jondern auf jeinem Wege finden. Mennigrot find die acht Sentimeter Iangen Blütendolden der Kolibriblume, die er in Meriko umjchwärmt, [charlachrot, inwendig gelb die blattwinkelig 299 blühenden Kelche der Trompetenblume. Purpurrot punktiert, gelb gefleckt die weißen in fuhlangen Rijpen prangenden Kinder der Katalpa. Blumennymphe: it es nicht Sujammengehörigkeit, Entgegenkommen, das auf Notwendigkeit beruht, wenn der Leuchtende mit den Leuchtenden lich begegnet ? Goldkolibri; der alte Dogel füttert die Jungen. Wenn das Schimmerköpfchen im lichten Dunkel eines Blütenkelches zum eigenen Glanz nody fremden Schmuck anlegt und goldöbejtäubt wieder zum Dorjchein Rommt, den Samen zu hundert neuen Blumenleben nichtahnend mit hinwegtragend ? Darum liebt der Kolibri Blumen, die ihren Honig heimlich veriteckt am Grunde glocken- oder trichterförmiger Blüten tragen, für fie it das feine 300 ibhen. rıwe Brütendes Goldkoli Werkzeug des Rlingenjpiten Schnabels, der Sunge gebaut. Und unbewußt leiltet er damit zugleich Liebes- und Lebensdienit. — Doch nod) fehlt der Norden in der Reihe der Bilder. Denn bis zum Polarkreis zieht alljährlich der Kleine Wanderer. Einen Weltteil durch folgt er der Blüte. Yiody wartet auf ihn die üppige Wildnis appalahiiher Wälder, an deren Rand die Kaltanie jteht, wo zu Süßen des Hikory: und Tulpenbaums Dikichte von Sarnen wuchern, Wälder im Kleinen, die janften Kerzen der Azaleen durdy das Halbdunkel jhimmern und Orchideen, jeltiam geformt, plantajtijchjündige Märchen erzählen, Schlingpflanzen die hohen Geitalten der Waldbäume umgarnt halten. Genieft dort heißen kurzen Sommer und eilt, vorüber an dunkeln Wäldern mit den jchweigjam ernit ragenden Riejen der Douglas und Baljamtanne, Sedern und Ulmen, dem jchroffen Küjten- gebirge Labradors zu, den Abhängen mächtiger Kanons, wo zwilchen Erlen und Dlatanen das Hejt des jchwarzkehligen und Costaskolibri aufgehängt it. Erjt mit dem Eintreten des Srojtes Rehrt er nad) jüdlichen Staaten zurück. Kolibri — Blumennymphe, Splphe, Elfe. Wicht umfjonjt find deine Namen aus dem Reich des Märchens genommen ! Montezumas Kleid war mit dem Glanz deiner Federn geziert. Micht nach Sonne und Sternen mußte er greifen wie Allerleirauhb, deren drei Kleider aus Sonne, Mond und Sternen gewebt waren. Don der Erde jelbjit nahm er das Ichönite, um jeine Herrlichkeit zu jchmücken ! Die Kohlmeile. Don Hermann Löns. Die Köchin rüjtet jich dazu, die Weihnachtsgans zurechtzumadhen. Sie ttellt die Schale für die Abfälle auf die Anrichte, legt das Mefjer zur Hand und holt die Gans, die unter dem Küchenfenjter hängt, herein. Schon will jie daran gehen, den Braten ofengerecht zu machen, da werden ihre Augen ganz groß und ihr pausbäckiges Gejicht nimmt den Ausdruck maßlojejter Entrüjtung an. Ganz tief bückt fie jich auf den Braten herab und jieht mit Entjeßen, dab an vielen Stellen die jchöne fette Haut abgefrefjen it und dab jich an der Brujt Löcher befinden, die tief in das Sleijch hinein- gehen. Entjett jchlägt fie die derben Hände zujammen und läuft zu der Hausfrau, der das Unglück zu melden. Die macht aud erjt ein langes Gejicht, laht dann aber und meint, dann müfte ein wenig geflickt werden; un appetitlich wäre der Braten nicht weiter, denn Dögel wären daran gewejien, nicht vielleicht Ratten oder Kaßen. Während die Köchin dabei geht, mit Nadel und Saden den Schaden wieder gutzumadhen, jchnurrt ein Dogel vor das Seniterbrett, fieht nad) dem Haken, an dem acht Tage lang die Gans hing, ruft einige Male „Pink pink“ und jtöht dann, als er feinen Sutterplaß leer findet, ein heileres Wutgelächter aus. Laut klingt es: „Trärrärrärrärr”, dab die Köchin erjtaunt hinausjieht. Aber jie denkt nicht daran, daf diejer hübjche Kleine Dogel mit dem jchwarzen Köpfchen, den weißen Bäckcdhen, dem weil und grün gefleckten Nacken und der golögelben, jchwarz geitriemten Weite, der da jo munter hin und her \pringt, der Bratenverderber gewejen jein könnte, denn mit dem Rleinen Schnäbelchen, denkt jie, Jolche Löcher zu hacken, das ilt wohl nicht gut möglid). Die Kohlmeije ijt derweilen in den Garten hinuntergeflogen. Auf dem toten, verpilzten Alte des Pflaumenbaumes läßt jie jich nieder, lockt, lacht, ruft, Schnurrt in den Schneebeerenbujch und von da in den Birnbaum. Da gibt es etwas für ihren Schnabel. Um den einen Sweig zieht jich eine läng= liche, glatte, runde Walze, die Eierwalze des böjen Ringeljpinners. Mlit zähem Leim hat der Spinner Ei an Ei gekettet, jo dab die Walze aus einer feiten, harten Majje beiteht. Keine Grasmücke, Rein Baumläufer, Rein Gold= hähnchen wird damit fertig. Für die Kohlmeile ijt es aber ein Dergnügen, Ei 04 um Ei loszumeißeln und ehe eine Dierteljtunde vergangen it, ilt die Eierwalze verfjchwunden und im näditen Mai wird Rein Raupenneit den Baum ver: unitalten. Nicht weit von dem Garten liegt der Wald. Dahin jchnurrt die teile jet. Bier, in dem Winterlaube der jungen Buche, Rlettert jie herum, dal das roftbraune Laub rajlelt. Iedes zufammengerollte Blatt wird aufgerollt und geht das nicht, auseinandergehakt. Da ilt ein Häufchen Schmetterlingseier. „Szi Bi da da da“ lacht die Meije und pflückt ein Ei nad dem anderen herunter. Und dort fit, in dichtem Gejpinit verborgen, eine Puppe. Die wird aus ihrem Lager geriljen und freigelegt. Auf einem Eichenajte nimmt die Meije Plab. Die Puppe hält fie zwijchen den Sehen und hämmert mit dem kurzen, fcharfen Schnabel darauf herum, dab die Fugen jich löfen. Und dann zieht fie der leckeren Inhalt heraus und verjpeilt ihn, fröhlich dabei lockend und Richernd. Ein lauter Ruf ertönt aus dem Inneren des Waldes, ein helles „Iüc, jück, jück“. Prrr, jhwirrt die Meije davon, denn fie weih, was das bedeutet. Sie findet Gejellichaft. Geführt von einem jchwarzweihroten Specdte jucht dort ein Meilentrupp das Holz ab. Das lockt und ruft und piept und zirpt, lacht und Richert, pfeift und Kullert, rajjelt durch das Dürrlaub, rajdhelt an der Rinde, fchnurrt und burrt, Rlettert hier, hämmert da, pickt dort, hängt überkopf an den Sweigen, zimmert an den Alten, guckt hinter jede Rinden- jpalte, jhaut in jede Borkenriße, erfüllt die ganze Waldecke mit Lärm und Sarben. Allen voran jchnurrt der bunte Specht, bleibt an einem Hornzacen hängen, rutjcht um ihn herum, meißelt mit kräftigen Schlägen, daß Rinden- jtücke und Slechtenkruften in den Schnee bröckeln, legt Käfer und Larven bloß, jticht fie mit der Harpunenzunge an und jchlingt jie herunter. Unter ihm in der Eiche toben ein Dußend Kohlmeijen herum. liberall Teuchten ihre gelben Weiten, blifen ihre weißen Backen. bier zimmert eine an einem Rindenrijje herum, in dem Schmetterlingseier jiten, dort legt eine andere einen Käfer frei, der unter der grauen Slechte veriteckt jißt; die dritte meißelt aus einer Knofjpe den Wurm heraus, eine vierte hHämmert eine Buchennuf auf, die fie in einen Rindenjpalt klemmte. Andere hüpfen auf der Erde umher, juhen im Mooje und im Sallaube nad) eritarrten Käfern und Raupen oder klopfen die Rinde von den modernden Alten, um Larven und Käfer zu entdecken. Und ebenjo machen es ein halbes Dußend Sumpf- meilen, ebenjoviel Tannenmeijen, Haubenmeijen und Blaumeijen, während ein Kleiber es dem Spechte gleich tut und ein Baumläufer jtumm um den Stamm der Eiche rutjcht und mit dem dünnen, Rrummen Schnäbelchen in allen Riten nad) Ungeziefer jtochert. Die zierlichen Schwanzmeijen aber Robolzen in dem dünniten Gezweige umher und juchen nach Schmetterlingseiern, und ebenjo machen es die winzigen Goldhähndhen, deren jchüchternes Bepiepe aus Dögel I. 20 <205 allen Kronen erklingt. So hujcht die bunte Schar hinter dem Spechte her durch den Wald und jorgt dafür, da im Srühling nicht allzuviel Wickler und Borkenkäfer, Spinner und Spanner erjcheinen und dem Sörjter Ärger und dem Staate Schaden verurjachen. Wenn es dann Srühling wird, die Sonne |chon ab und zu Kraft bekommt, dann wird die Kohlmeije lujtig und heiter. Sang Jie bisher etwas betrübt: „Spinn’ lütting, |pinn’ Tütting”, jo pfeift jie jeßt aus voller Bruit: „Spinn’ dicke, |pinn’ dicke”, und das Bauernmädchen, das hinter dem blühenden Ge- ranienjtock das Spinnrad jchnurren läßt, lacht, denn es weiß, nun hat die langweilige Winterarbeit bald ein Ende und die lujtige Arbeit in Garten und Seld beginnt wieder. Die Meije denkt aber nicht an die Arbeit des Mädchens, jie denkt daran, dat jeden Tag mehr fette Spinnen und Räupchen und Käfer zum Dorjchein Rommen, und vergnügt fängt jie jich ein Srolt- \pannerweibchen und verjpeilt es unter fröhlichem „Pink, pink” und „Szi Bi da da da“. Und dann jchnurrt jie auf einen Alt, der in der vollen Sonne liegt, und läutet von da aus den Srühling ein, bald jehnjühtig und zärtlidy: „ot düt, Zi düi”, bald Reck und lultig: „Sizidi, zizidi, ziztdt“. Don weitem Rlingt es ebenjo, aber auch heiler und grob: „‚Szi tärrärrär”. Da lockt ein anderer Meijenhahn und umwirbt ein hübjches Weibchen, das gefalljüchtig auf einem Saulbaume jitt und leije lockend mit dem Schwanze wippt. Der Meijenhahn jchnurrt heran, nimmt bei ihm Plaß und rückt lockend und pfeifend immer näher. Und dann blält er die Kehle auf, jpreizt die Slügel, fächert den Schwanz, jträubt die Kopffedern und jingt ein jeltiames Liebeslied, ein jonderbares, leiles Lied, wobei er auf dem Sweige hin und her trippelt, jich verbeugt und als dicke, pluitrige Sederkugel zu der Henne binflattert. Aus der Eiche Rommt nod} ein jolcher Sederball heruntergeflaitert, nimmt auch auf dem Saulbaum Plaß, jingt dasjelbe jchnurrige Lied, rückt dem Weibchen immer näher, jingt und lockt immer zärtlicher, und die Henne jieht bald nach rechts und bald nady links und piept leile und niedlich. Und plöglich jtoßen beide Hähne einen heileren Schrei aus, fahren aufeinander los, flattern gegeneinander an, hacken mit den Schnäbeln, greifen mit den Krallen, fallen ji) und wirbeln als jhwarzweißgelber Ball durch die Sweige und in das Sallaub, wo jie ji) quiekend und piepend und fauchend und ziichend umeinander herumdrehen, dat Moosflökchen, Blätter und Sederchen herum: itieben. Dann lajjen jie ji los und arg zerzauit flattert der eine davon, und der andere fliegt auf einen niedrigen Alt, ruft jchadenfroh, ordnet ein Gefieder, jtößt wieder zu dem Weibchen und madıt ihr noch eifriger als zuvor den Hof, den Wald mit jeinem hellen Singjang erfüllend. Eines Tages hat das Weibchen ein Baumlod) entdeckt, das ihr zujagt. Es jißt in doppelter Mannshöhe in einer Eiche, it nach Oiten geöffnet, hübjch rund und glatt und jo eng, daß nur eine Meile und jonjt nichts einjchlüpfen 506 Dr. Bethge. Weisser Hirsch b. Dresden, 27. November 1905. Kohlmeije. kann. Srohlokend ruft jie das Hähnchen herbei, und nun jchlüpfen beide abwechjelnd aus und ein, zimmern in der Höhle herum, fchaffen faule Späne, Spinnengewebe und tote Käfer heraus und tragen Baultoffe heran, Hloos= zweige, Grashalme, Haare, Wollfäden und Federn. In der Dickung liegt ein verludertes Reh. Das Wildbret hat jid) der Fuchs geholt und überall liegen Seßen der Haut und Haare herum. Sortwährend fliegen die Hleilen in die Dikung und tragen ein Bündel Haare nach dem anderen zu Neite. Dann entdecken jie eine tote Krähe und zupfen ihr die Sedern aus, und frech, wie jte jind, holen jie ji von dem Abfallplate und dem Geflügelhofe der Höriterei alles, was jie an brauchbaren Haaren und Federn und Fäden finden. Das Reit ilt Raum fertig, da liegt jchon ein weißes, rotgetüpfeltes Ei darin, und bald darauf ein zweites, und jo geht es weiter, bis zehn Eier beieinander liegen. Den ganzen Tag über brütet das Weibchen, aber über Mittag Rommt es hervor und das Männchen nimmt jeine Stelle ein. Einmal verjucht eine Eichkaße, die Eier zu Itehlen, aber das Loch it zu eng. Ein anderes Mal erklettert ein Junge den Miltbaum und fühlt mit einem Singer 20 * 307 in das Neitloh. Aber da fährt der Meifenhahn in die Höhe und faucht jo fürchterlich, daß der Junge erijchroken zurücprallt, den Halt verliert, zu Boden fällt und gejchunden und hinkend von dannen zieht. Die Meilen haben fortan Ruhe. Eine Woche geht hin und abermals eine, da piepit es dünn und fein in dem leitlochye. Nun haben die Alten Raum Seit, an jich zu denken. sehn Schnäbelcyen jind zu jtopfen und viele hundert Male am Tage heift es nun hin= und herzufliegen und Räupchen und Käferchen, Sliegen und Mücken, Spinnen und Blattläuje herbeizutragen. Don früh bis jpät jind die Alten tätig, um die zehn Kleinen Iimmerjatte zu jtopfen, und kaum Rommen jie dazu, mittags zum Bache zu fliegen und jich zu tränken. Aber die Kleinen wacjen auch auf das beite. Kaum haben jie mehr Plaß in der Meithöhle und es ilt hohe Seit, dah jie flügge werden. Endlicd) jind jie jo weit. Erit wagt das eine jich auf den Rand des leit- loches, piepjt dort unbeholfen herum und folgt endlich mit unlicherem STuge dem Locktone der Henne. Mit Not und Mühe erreicht es einen Sweig, Rrallt ji) daran, flattert ängitlidy und jitt jchliehlich tief atmend da. Nun jchwirrt ein zweites herbei und ein drittes, und Ichlieflich alle, und aud) das Heit- häkchen wagt den Slug in die Welt und nach vielen vergeblichen Slugverjuchen und Purzelbäumen in das Moos und das Laub finden jid) alle zehn Stummel: \hwänze auf einem Sweige zujammen, rücken eng aneinander und piepjen unaufhörlich nad) Sutter. Sortwährend jchnurren die Alten hin und her und itopfen die immerfort gierende Brut, bis die Kleinen es lernen, ihnen zu folgen. Nun geht ein luitiges Leben los. Heute wird im Buchenwald aejagt, morgen in den Sichten,; übermorgen treiben jich die zwölf Mleijen in dem Unterholze am Waldrande umher, tags darauf tummeln jie fich in den Weiden zwilchen Bach und Wieje. Das Nejthäkchen verjchwindet jpurlos; der Sperber griff es, und als die Samilie nad) langem Bejinnen mit ängitlichen Slügel- Ichlägen die Reije über die Wiejen nach dem fernen Walde wagte, jchlug der Lerchenfalke das zweitälteite Stück. Aber die zehn übrigen reijen weiter, tauchen bald im Garten des Sorithaujes, bald im Dorfe auf, durchreilen viele Büjche und Wälder und vertilgen Unmengen von Ungeziefer, und fchlieflidh, wie die Kleinen jchon lange Schwänze haben und jchöne goldgelbe Brültchen, trennen jich die Jungen von den Alten und verjuchen ihr Glück allein. Die Alten jtreifen, bald allein, bald mit anderen Meijen zujammen, no eine Seitlang umher, aber dann fliegen jie wieder zu ihrem lejtbaume am Waldrande bei der großen Stadt hin. Wieder lockt und jingt das Männchen zärtlich, wieder beiteht es Kämpfe mit anderen Männdyen, wieder Jiegt es. Dann wird das Mejt gejäubert und frijch ausgepolitert und bald jißt das Weibchen auf dem zweiten Gelege und Ende Juni jind wieder acht hHungrige Belbjchnäbel zu jtopfen. Im Juli it auch die zweite Brut flügge und madt 508 mit den Alten die Reife in die weite Welt und von da ab Itreifen fie mit anderen Meilen, Goldhähnchen, Kleibern und Baumläufern, oft geführt von einem bunten Spechte, durch das Land, vertilgen in dem Sichtenwalde die Nonne und den Kiefernipanner, im Buchenwalde Wicklerraupen, im Garten Blutläufe und in den Kohlfeldern die Puppen der Weißlinge. Wenn der Spätherbit mit Sturm und Regen kommt, den Heijen ilt es gleich. Sie jind immer lujtig, immer munter, und immer hungrig. Not leiden lie nie, auch wenn der Schnee hoch liegt, denn an allen Stämmen und Älten und Sweigen finden jie Nahrung in Hülle und Hülle, und hier und da findet ji ein Knochen, ein verendetes Stück Wild, ein Bückingskopf, eine Speck- Ihwarte, und auf den Sutterpläßen vor den Senitern in den Städten jucht man jich Hanf und Mohn. Und hängt irgendwo ein Haje unter dem Küchen fenjter oder eine Bans, jo gibt es einen fetten Schmaus. Nur wenn Rauhreif die Sweige mit dicker Krujte umhüllt, jieht die Tafel mager aus. Aber das dauert nur einen Tag und dann find die Sweige wieder frei und bieten Schmetterlingseier zur Genüge, und die grauen Winter- motten fliegen bis zur Mitte des Winters, hier und da findet jich eine Buchen- nub, die über einen naßkalten, rauhen Tag hinweghilft, und wenn aud der Sperber ab und zu eine Meile greift oder der Kauz eine jchlägt, es bleiben noch immer genug übrig, um Ende Sebruar den Srühling einzuläuten. Die Blaumeile. Don Martin Braef. Anı Ufer des Teiches hängt ein alter Apfelbaum feine weitausgreifenden Älte über das Waller, ein „wundermilder Wirt“, der keine Bezahlung ver- langt. Honiglülterne Immen umjhwärmen die roligen Blüten im Srühling mit Gebrumm und Gejumm; übermütige Knaben werfen im Berbit nad) den rotwangigen Srücten; zwilchen dem Wurzelgeflecht wohnt die Wailerratte in jelbitgegrabener Höhlung; in den Rijjen der Rinde fchlummert mandes Injektenei und mande Puppe; aus dem Innern des Stamms aber tönt leiles Piepen von Jungvögeln, die jehnfüchtig die Ankunft der fütternden Eltern erwarten. Richtig, in wogigem Slug Rommt’s herbei aus dem Erlengebüfch jenjeits des Waljers, und im Hu ilt’s verfhwunden im Dunkel der Höhle — ein win: ziger Dogel mit einem Biljen im Schnabel. Lebhafter piepen die Stimmen; dod; bald wird es ruhig, nur ab und zu noch vereinzelt ein leijer, winjelnder Ton. Dann jchaut das Köpfchen des zierlichen Dogels wieder hervor aus dem Stammlod, einen Augenblick nur, um zu jehen, ob Rein Seind in der Nähe. Schneeweiß; die gerundeten Bäcchen, jharf umzirkelt darüber ein Mübchen, blau wie der Himmel, und vom winzigen Schnabel durch das Elißende Auge ein dunkler Strich nach dem jamtigen Blau im Genick. Wirklicd, ein reizendes Köpfchen, ein allerliebites Gefichtchen, jo munter und Reck, und jo inmpathilch die Färbung. Rotkäppchen gibt’s manche unter unjern gefiederten Sreunden: Spechte und feuerköpfiges Goldhähnden, Stieglit, Bluthänfling, Birken- und Leinzeilig, aber ein Blaukäppchen, jchön und rein in der Sarbe, trägt von allen Dögeln unjerer Heimat doch nur das Blaumeislein, die niedlichite Meife aus der ganzen Derwandtjchaft. Aber was hält das Tierchen in dem zierlichen Schnabel ? Ein erbjen- großes Klümpchen von fait reinweiler Sarbe. Beim Slug über den Teich läßt die Meije das Päckchen fallen, dat es jpurlos im Wafjer verjchwindet und dann im Magen eines der fetten Karpfen, die mit Schmatendem Maul nad) jedem Biljen hajchen, der die Wallerfläche berührt. Es gibt beiferes auf der Welt, denkt der Schuppen- und Slofjenträger; denn was er da Ihluckt, ijt nichts anderes als Kot von einem der Meijenjungen, eingehüllt in |chleimiger Haut. 510 “(syuy) olıowjgon gun (sypaa) alıawunvoıg "2061 emp SORRY RoN K. Spengler Rothehütte, 19. Januar 1908. Blaumeije. Iett fliegt der andere Dogel des Meijenpärdens herbei, die Mutter, wie’s |cheint; denn nicht ganz jo rein ijt das Blau und das Weiß, das Gelb der Unterjeite etwas lichter, audy die Slügel- und Schwanzdecken, die Schwingen und Steuerfedern mehr jchieferblau als lajurfarben. Eine grüne Spannerraupe bringt fie den Kleinen, und bald verläßt aud) fie wieder mit einem Kotbällchen im Schnabel die Höhle. So geht es den ganzen Tag, Biljen auf Bifjen, bald eine Raupe, Mlotte oder Spinne, bald ein kleiner Käfer, eine Larve, Sliege oder Mücke: alles wandert hinein zu den Jungen im Baum, und Paketchen um Paketchen weihen Kotes wandert wieder heraus. Ja, der Düngererport wird regelmäßig und ebenjo gewiljenhaft vollzogen, wie die Sütterung der hungrigen Schnäbel. Erit bekommt das Döglein den willkommenen Bilfen tief in den weitgeöffneten Rachen geitoßen, und dann [öft — natürlich nicht immer, aber dodh jehr oft — die Schluckbewegung zu: gleich Bewegungen des Hinterleibs aus, wodurd ein Kotbällhen aus dem Körper gefördert wird, der Reit einer früheren Mahlseit. 515 „Reinlichkeit its halbe Leben“ und „ein jchlechter Dogel, der jein Met bejchmußt“ — unjere Höhlenbrüter, übrigens auch die meilten Sreibrüter, be= jonders die Rleineren, willen den Wert einer vernünftigen Hygiene zu jchäßen. Dreizehn Tage lang bebrüten Männchen und Weibchen der Blaumeije ab- wechjelnd die Eier, und falt ebenjolange hocken dann act bis zehn Junge neben, ja teilweije aufeinander in dem engen Raum, und dod) bleiben Teit und Höhle und die ganze Umgebung jtets jauber und nett, ja das Mejt Rann, lobald die Kleinen auf eigenen Süßen jtehen, jofort wieder benußt werden zu einer zweiten Brut. Dazu gejchieht das ‚„Reinemachen“ der Kinderjtube aucd) mit Deritändnis, dal der helle, weilleuchtende Kot nicht zum Wegweijer wird für allerlei Raubgejindel. Die Erkremente einfad) zum lejte heraus: zuwerfen, das wäre töricht; die Alten tragen jie vielmehr eine Strecke weit fort; auch hüten jie jich jehr, ihrerjeits die unmittelbare Nähe der Hiltitelle zu bejchmußen. Die Jungen haben die jichere Höhle verlajjen. In Reihe und Glied lißen jie nebeneinander auf einem wageredhten Ajtchen, neun oder zehn Stück, niedliche Dinger, jo recht zum Photographieren. Die leuchtenden Sarben fehlen ihrem Kleidchen nody völlig, doch erkennt man an der Derteilung des matten gelblicyen Weiß und des Blaugrau bereits, daß es Blaumeijenkinder. Gejchäftia fliegen die Alten herbei, unermüdlich Sutter herzutragend. JIeft locken jie freundlich die Jungen zum Slug nad) einem anderen Plab; jeht zanken Jie jcharf, weil ihr Ruf nicht befolgt wird, und jeßt zetern jie laut: „zertr, gerrr, zertr ...“ Was ilt wohl paljiert? Jäher Schrecken ergreift die Gejellihaft. Wie die Kleinen Slügel da flattern von Altchen zu Altchen, ven Baum zu Baum, wie die Alten ängitlic) fchreien ‚‚ziltererrretet”, |chnurrend und |charf; auch die Kohlmeifen meckern und zetern, die Kleiber zijchen und \hnarren, der Gartenrotjhwanz jchnalzt aufgeregt „teck teck teck”, und die Amjel erhebt ihren jchrillen Alarmruf; denn alle haben fie Junge. Nur eiligjt hinab ins dichte Gebüjch, hier wo die Brombeer- und Himbeerranken Jiheren Schuß bieten, oder dort in die Hecke des Weihdorns, oder hinein in das Rofengeitrüpp, das die Mauer bekleidet! Ärgerlicy Rräcdygend und \hackernd hat der Todfeind jich niedergelaljen auf einem Objtbaum im Garten, eine Eliter, jchwarz und weil, grüngolden jchillernd und purpurn, graziös in Bewegung und Haltung, elegant vom $uß bis zum Scheitel, und dennod) ein Teufel, eine wahre Geihel für alle Rleinen Dögel. So lange unjere Meijen= jungen das leitchen im Baum noch bewohnten, da waren jie jiher; denn der Eingang erwies jich zu eng für das lülterne Eichhorn, jelbjt dem Wiejel und der Hajelmaus glücte es nicht, den gejchmeidigen Körper hindurd: zuzwängen; die Eliter wuht’ es genau, dat der Stamm zarte Jungpvögel barg, doch was wollte jie machen ? Auch die Kabe 30g ab, da jie ärgerlic, einjah, da ihre Pfote zu Rurz, um die piependen Meijenkinder aus der tiefen Höhlung 514 nolaappng wo ualıaunojg 000I Z&UDy7 "Z2740, I! K. Spengler. Rothehütte, 7. März 1908. Singende Blaumeije. herauszuhäkeln mit jpißiger Kralle. Aber jegt lauert Gefahr auf Schritt und auf Tritt. Der Sperber hockt am Rande des Waldes, im Nu hat er das Döglein gepackt; Habicht und Salke jchiefen wie der Sturmwind herbei, audy Krähen und Hähern darf man nicht trauen; der große Würger ilt gleichfalls ein jhlimmer ÖGejelle, vor dem felbit die Slucht ins Dornengeitrüpp und die Hece nicht immer jhüßt. Was haben die Alten in diefen Tagen zu jorgen, zu warnen, zu locken, zu jpähen — nicht eine Minute Ruhe den ganzen Tag! JIa wenn fie nur größer wären und kräftiger, an Mut follt’ es ihnen nicht fehlen. Neulich erjt hatten jie’s bewiejen, als jie mit den Jungen den benadhbarten Obitgarten bejuchten, wo der Yeuntöter wohnt. Der war jo frech, nach dem Rleiniten der Kinder zu Itoßen, um die Beute dann auf- zujpießen auf die Dornen des Schlehitrauchs neben Grillen, Hummeln und Jungfröfhen; aber heftig waren die Meijeneltern mit zeterndem Schrei auf den Böjewicht losgefahren, hatten jich nicht gefürchtet vor jeinem Itarken Schnabel mit der gekrümmten Spiße, jondern tüchtig darauf los gehackt, daf 517 dem Starken Dogel ganz Angit ward und er Reikaus nahm vor den winzigen Swergen, die jo bös ausjahen in ihrem wild gejträubten Gefieder. Aber auch die jchlimmite Seit geht vorüber. Nach vierzehn Tagen jchon ind die Meischen gewißigt; jie erkennen den Raubvogel fofort, wenn er als Rleines dunkles Pünktchen an der Himmelsglocke jchwebt — jchnell, jchnell ins dichte Geitrüpp ! — ie wiljen jelbit ihre Nahrung zu finden und Klettern in den Sweigen eifrigit herum bis in die dünniten Spißen, um glatte Räupchen und andere Injektenlarven, Motten und Spinnen, Duppen, Injekteneier, Käferchen, Sliegen und Kleinjchmetterlinge aufzujuhen; ie verjtehen es \chon, mit ihrem jpiten Schnabel zu hämmern, wenn hinter Schuppen und Borken jich eine Beute verbirgt, einen Ri in der Rinde zu weiten, um ein Kerbtier herauszuholen, oder ein Injektengejpinit mit Su und Schnabel auseinanderzureißen; jie bleiben jchön beieinander, unaufhörlich jic) lockend, und wenn es ’mal gilt, einen freien Raum zu überfliegen, ein Seld, eine Wieje, um drüben den Wald zu erreichen, der noch mehr an lMahrung ver: \pricht, da warten jie erit und halten Umjchau, ob Rein Seind in der Ylähe, der jie überrajcht auf ihrem Slug. Und turnen Rönnen jie jchon, jeht ein Klimmaug, jeßt eine Bauchwelle, als ob es nichts wäre, jeßt mit dem Kopf abwärts an der Spibe des Sweigleins, dazu hämmernd; jeßt Schaukelt jich eins an jhwanker Rute, wie an einem Trapez und benußt dann den Schwung, der es hinüberjchnellt nach einem anderen Äjtchen. Das jieht der Dater, und könnte er reden, jo würd’ er zur Mutter jagen: „Komm Alte, jchade wär’s um die Seit, denn früh nod) ilt es im Jahre; die Rojen blühn in den Gärten, auf dem Halm nod) wiegt jich die Ähre, die Stare haben noch immer Junge im Kalten, das Gartenrotihwänzchen jitt auf den Eiern, wir ver- juchen’s nodh einmal; hier braucht man uns nicyt mehr.“ Und beide jchnurren lie ab. Die Kinder merken es nicht, daß Dater und Mutter fie heimlich ver: lajjen, jie ziehen weiter und weiter, wohin? Das willen jie nicht; der alte Apfelbaum aber bekommt wieder Bejuch; die Spinne, die das Stammlod; be- hütet, wird weggejchnappt, und bald liegen wieder jieben oder acht Eierchen drinnen im Xleit, reinweiß, mit rojtfarbenen Pünktchen beitreut, jo zart: \chalia, daß der gelbrote Dotter hindurchichimmert, und die Sache beginnt wieder von neuem. Unterdeljen haben jic die Eritgeborenen anderen Samilien angejdloljen, eine ganze Gejellichaft, Jungvögel meilt, aber audy einige Alte, denn viele Blaumeijen brüten nur einmal im Jahre; Recke Kohlmeijen jind gleichfalls willkommen, auch nocdy andere Turner, 3. B. der langjchnäblige Baum: läufer und der drollige Kleiber, und endlicy die Kleiniten der Kleinen, Gold- hähncen, mit dem orangefarbenen Kopfpuß. Eine richtige Akrobatengejell- haft, Kletterer und Reckturner, Luftgymnaltiker und Seiltänzer, jeder mit bejonderen Tricks, jchwierig und gefährlich, wie’s jcheint, und dody jo leicht 518 Blaumeitje. ausgeführt, jo elegant, humoriftijch bisweilen, alles begleitet von zarter Nulik, wie jie paßt zu dem luftigen Sirkus und dem graziöjen Dygmäengejchledt. Etwas Sigeunerhaftes in diefem Artiltenvölkchen, heute hier, morgen da, heute eine große Gejelljchaft, morgen nur eine Rleine Bande, allezeit munter, allezeit luitig, leichtes Künitlerblut, queckjilbernes Leben! Wird die Jahreszeit rauher, dann jchließt man jich immer inniger aneinander, ein Enjemble, das ji zur Kunitreile zujammenfindet für die Winterjailon. Hier am Waldesrand gibt man Dorjtellung auf den Shwanken Reijern der Birken, die den Kiefernbejtand umjäumen; von einem Baum in hurtigem Slug geht es zum andern, in allen Stellungen, den undenkbariten auch, hängen die Turner an den Sweigen, picken hier an den Knojpen, dort an den Riljen der Rinde, unermüdlid) lockend und trällernd. Ein Blaumeischen, jo Rlein es audy üt, jcheint die Führung übernommen zu haben, alle andern folgen: Blau: und Kohlmeijen, Gold- hähnchen, ein paar Kleiber und ein ganzer Trupp Schwanzmeijen, die jich heute angejchloijen haben, ohne Kontrakt, echte Bajazzonaturen, komijd) ihre Gejichtchen und jpafhaft ihr jtruppig Habitchen mit dem langen Schwanz 519 an dem winzigen Körper. Je&t ijt der Führer am äußeriten Äjtchen des Baumes angekommen, der am weitelten in die Waldlichtung vortritt. Da jtöht er in jeine Rleine Trompete „tititetetetet“, das bedeutet halt! Und alle die Rleinen Blauköpfchen antworten „titi” und die Kohlmeilen „pink, pink, pink“, der Kleiber unmufikaliih und breit „twät, twät, twät“, die Boldhähnden ganz fein ‚„‚Nili=ji“, und die Schwanzmeilen pfeifen in den hödhiten Tönen „tititih”. Jett find audy die leiten angekommen. Da ertönt nocymals das Signal des niedlichen Sührers „tjätätä“, das heißt jet: Mut und hinüber! Beherzt ver- jucht er mit noch ein paar Meilen das Wagnis; aber nad) ein paar Slügel: \hlägen jchon madhen jie Rehrt und hängen jich wieder an die jchwanken Sweige, die fie eben verließen. Über weite, offene Strecken zu fliegen, it gegen ihre Natur ; denn jchußlos Jind jie hier preisgegeben jedem beutelüjternen Raubvogel. Aber jet jcheinen jie jich lebhaft Mut zuzujprechen, und jurrend im bogigen Slug geht’s hinüber an den Waldesrand jenjeits der Lichtung; in Halt folgt die ganze Schar ihren Sührern. Drüben ilt dann jofort alle Angit vergejjen, und die unterbrochene Doritellung beginnt nun von neuem. Der Winter ijt eingezogen mit feiner Not. Wie haben jo viele zu leiden unter Hunger und Kälte, bejonders die Tollkühnen, die eigentlich fortziehen jollten, aber es doch jo häufig verjuchen, ihrer Heimat treu zu bleiben, Stare, Lerchen, Amjeln, ein einzelnes Rotkehlchen und andere, daneben auch viele Standvögel, in erjter Reihe Körnerfreljer, denen der Schnee die Nahrungs: quellen verweht hat. Das ilt jet ein Sug nach den Städten und Dörfern; überall laden jich die Wintervögel beim Menjchen zu Galte, in dejjen Mähe immer etwas Öbenieibares au für jie abfallen wird, die Bewohner der Lüfte. Unjere Meilen haben es nicht nötig, mit Sorgen der harten Winterzeit entgegenzulehen; jie veritehen es ja, die Eier der Ihädlihen Soritjchmetter- linge hinter den Schuppen der Rinde, aus Knojpen und Nadelbüjcheln heraus- zuhämmern, Raupengejpinite zu zerreißen, auch zerhaden die Blaumeijen gern Eberejchbeeren, um den Inhalt der Kerne zu verjchlucken. Aber wenn die Menjchen es ihnen jo bequem machen und Sutterpläße einrichten, wo es Hanf gibt und Sonnenrojenjamen, Talg und jüße Nußkerne, da find die Meilen doch gleich bei der Hand und jchnabulieren nach Herzensluit. Und gerade die kleinen Blaumeijen veritehen es, jich Rejpekt zu verichaffen aud bei ihren größeren Konkurrenten. Kommt ihnen eine Kohlmeije, ein Kleiber zu nahe, hu! wie ie das Gefieder jträuben, wie grimmig ihre Gebärde, wie wütend ihr Gezeter: lat uns in Srieden! Wenn Rauhreif alle Riten der Bäume mit feiter, undurchdringlicher Krufte überzogen hat, dann mögen jolhe Sutteritellen auch den Meijen zur Wohltat werden, aber im allge- meinen bedürfen jie dieje wohlgemeinten Einrichtungen gewiß ebenjo wenig, wie boldhähnden oder Saunkönige, die ji Raum darum kümmern, weil 520 K. Spengler. Rothehütte, 20. fanuar 1908. Blaumeije. Dögel 1. 21 Dr. Bethge. Dresden, Dezember 1905. Blaumeije. jie im Wipfel und am Stamme der Bäume, im Unterhol3 oder Dornen- geltrüpp ihre winzige Nahrung allzeit zu finden willen. Aber hübjch ijt doch fol ein Sutterplat vor den Senitern, auf dem Balkon, bequem für die Meifen und fo unterhaltend und lehrreich für den freundlichen Spender! Bejonders ein Sutterbaum, auf deifen Sweige flüjliger Talg mit allerlei Sämereien und geriebenem Kochfleijch gegojfen wird, ein wirklicher Weihnadhtsbaum für die Dögel, er ahmt die natürlichen Ver- hältnijje am allerbeiten nad) und läft uns das Treiben der zutraulichen Meijen vom warmen Simmer aus beobadhter: eine Artiltenvoritellung, die faft nichts Roftet, amüfanter als jedes Dariete, und das kleine Konzert als Sugabe ertra. Plößlich hält Blaumeischen inne im Turnen, nachdem es eben nod} einen Biljen zwijchen den Sehen herausgeleckt hat; jo keck it es oben auf dem Wipfel des Bäumchens, jo jchön fein Gefieder, das die jtrahlende Märzjonne beleuchtet, ein herrlihes Sarbenbild von fajt tropiiher Pracht, und dabei die Übergänge fo zart von blau in grün, von grün in gelb ! 21* 525 Horch, welch reizendes Stimmchen, „zizizirrrr”, und dann etwas länger, „zigterrrziziereezizieerr“. So rein und fein, jo perlend die Töne, glöckchenhell und metalliich; jo froh und Iujtig fang unjer Blauköpfchen jchon jeit Mo: naten nicht. Hurtig jchwirrt es hinüber nach dem Baum, wo ein anderes Blauköpfchen fißt, trällert nochmals fein Liedchen, und beide jagen Jie dann durch das Altwerk, jchnurren hin nach dem Obitgarten, in bogigem Slug von einem Baume zum andern. So treiben jie es den ganzen Tag, Rümmern fich nicht mehr um die Genoljen, jind jich jelber genug und juchen nad) einer Höhlung, ihr Heim aufzujchylagen;; denn der Srühling it da in Garten und Slur, auf Anger und Wiejfe und — im eigenen Herzen. Überall wird probiert, es gibt ja jo mandye Höhlung in den alternden Bäumen; aber hier ilt der Eingang zu weit, gefährlich die Wohnung wegen des Räubergejindels, jene Höhle ilt feucht, dieje zu tief gelegen, und dort ilt das Loch jchon bezogen von einem Kohlmeijenpärchen. Aber wie wäre es hier? Diejer Auswudhs am Baumjtamme ilt wohl etwas jonderbar, zirkelrund ilt das Loch, der Eingang hebt jidy ein wenig, daß beim Regen kein herabjickernd Tröpfchen Mäjje ins Innere bringt, auch |hüßt eine Art Dad) die Wohnung in praktijchiter Weile. Hujch, hinein, zu jehen, wie’s inwendig ausjchaut. Geräumig die Höhle, pi; muldenförmig der Boden, an den Wänden ringförmige Riefen, bequem zum Einhaken der Süjchen; fir fertig die Wohnung, jofort zum Be- ziehen, nicht wie die im vorigen Jahre, wo es tagelang galt, mit dem Schnabel das morjche Holz zu bearbeiten, um die gewünfchte Tiefe und Weite mit vieler Müh’ zu gewinnen. Eine Mijchung von Erde und Sägemehl in der Höhle erjpart es den Mietern, jelbjt Sorge zu tragen für Brocken von Rinde und faulendes Holz zur Unterlage des Neites. „Sizizirrrr” ertönt es voll Sreude, wir haben, was wir gejucht, alles nad Wunjch! Hun jchnell an die Arbeit ! Dünne Hälmchen gibt’s überall, etwas Moos, ein paar Slechten find aud Ichnell bejchafft, ebenjo Haare und Sedern — drüben jenjeits der Mauer liegt der zerfete Balg eines Hafen, den vor Wochen jchwarze Krähen in Stücke geriljen, aud) fliegt manches Dunenflökchen umher in der Luft; man muß nur ausjchaun, wo jich’s zur Ruh’ jeßt. Wer wohl die Wohnung erbaut hat? Ein Specht, ein Kleiber, eine andere Meije? Die neuen Mieter Rümmert’s nicht weiter. Schon jitt das Weibchen und brütet, und herrlich blühen die Bäume, erit rofa das dunkle Beält des Pfirjichs, dann jchneeweiß der Kirjhbaum; im friihen Grün jungen Laubes jtehen am Birnbaum weiße Buketts, und endlid) treibt aud) der alte Apfelbaum rojigen Slor, jo jchön, jo duftig, als wollte er jagen: Jung bin ich nod) immer troß der Hülle der Jahre ! Doll Sreude jieht’s der Bejißer, voll Hoffnung auf reichlihe Ernte. Er hatte im Herbjt Mijtkäjten bejorgt für Meijen und fie an geeigneten Orten verteilt, um jo die nüßlichen Tierchen in jeinen Garten zu locken. Wie ijt 524 Dr. Bethge. Dresden, Dezember IYOo5. Blaumeije. jeine Mühe belohnt! Bis auf zwei oder drei jind alle bejeßt; hier ein Blaus meilenpärchen und dort ein Pärchen der Kohlmeije; auch Sumpfmeischen itellten jicd) ein in mehreren Paaren. Nun geht’s euch an den Kragen, ihr Spanner und Wickler, ihr Bohrer, Mlinierer, ihr Stecher, ihr Motten, ihr Milben, die ihr jo oft die Ernte jchon im Keime eriticktet. Oben im Wipfel des Birnbaums Sreund Starmaß vor feinem Häuschen, in halber Höl)e des Stammes Blaumeischen auf feinen Eiern im jihern Bewahrjam: überall frohes Leben. Blüht hoffnungsfreudig, ihr Bäume! Winzige Seinde, die euch in ganzen Scharen bejtürmen; aber kein Hinterhalt bleibt den zierlichen Meilen verborgen, wär’ er aud) noch jo veriteckt; jie willen jeden Winkel zu finden. Gefleckter Sliegenfänger. Don Martin Braef. Blühender Slieder an der Mauer des Sriedhofs und ein Kleines, grau: farbenes Döglein darauf. Ruhig, in aufrechter Haltung, jo fit es, die Süfchen halbveriteckt im lockern Gefieder; hin und wieder nur zucken die langen Slügel ein wenig. Das große, tiefbraune Auge, wie jchön es ilt, jo jeelenvoll, jo innig der Ausdruk! Umjchau hält das Döglein von hoher Warte herab, von dem freien Sweige des duftenden Straucys. Nach Bremfen, Sliegen und Mücken jpäht es, nady Schnaken, Schmetterlingen und andern fliegenden Injekten, die es behend im Sluge hinwegjchnappt. Jet Rommt joldy ein Kerbtier jummend in jeine Nähe, ein großer Brummer, der nichts ahnt von dem jtill Tauernden Seinde. Sofort hat ihn diejer aufs Siel ge= nommen. Mit leichtem Schwung verläßt er jein Pläßchen; behend eine Schwenkung, jchon hält das Döglein rüttelnd und flatternd über der großen, itahlblau glänzenden Sliege. Haltig eine gejchickte Bewegung, und ver: I\hwunden ijt die Beute im weit jicy öffnenden Schnabel, der über ihr zu: jammenklappt mit deutlich vernehmbarem Schnappen. Langjam wirbeln die glashellen Slügel des Kerbtiers herab auf den blühenden Grabhügel. Leben in jonniger Luft und Dunkel des Todes, wie nah) beieinander, ja un: zertrennlich beides auf Erden! In der näditen Sekunde jchon fit unjer Sliegenfänger oder Mücenjchnapper auf dem niedrigen Pfahl, der der Rofe feite Stüße gewährt. Mit jeltiamem Slügeljchütteln hat er jich niedergejeßt und läht nun die Schwingen nachläjlig hängen, nur ab und zu ruckweis ie anziehend, dabei auch wippend ein wenig mit dem fahlgrauen Schwanze. Lange Seit kann er jo jiten in jtillem Behagen. Aber heute gibt es zu tun; jo warm Iheint die Sonne, jo lieblih duften die blühenden Sträucher und all die buntfarbigen Kinder des Srühlings, daß es auch warm wird ums Herz dem vielgeitaltigen, Rleinen und großen Infektengefindel, das lujtig jpielt, wohlig im goldenen Strahle des Lichts. Jebt Rommt ein bunter Salter gemädhlid) vorbei; er taumelt von Blüte zu Blüte. Welch leichtes Spiel für den Dogel! Er jtürzt ji von jeinem Plaß herab, mit jicherem Griff hat er den Lebensfrohen gepackt an einem der Slügel und trägt ihn nad) jeinem Siß, wo er ihn unbarmherzig gegen den Pfahl klopft, daf der bunte Schmuck in 926 Seten herabjinkt; dann verjchlingt er den raupenartigen Körper. Einer £ibelle gejchieht dasjelbe und einer Schnarrheujchrecke, die in jurrendem Sluge herbeijchwirrt; die langen Sprungbeine mit den verdickten Schenkeln, das bleibt neben den Slügeln der traurige Reit der Mahlzeit, welchen der Dogel verjchmäht. JIett hat jich der unermüdliche Jäger das Kreuz auf dem brabjitein zum Ruhplat; erwählt; Sonnenjchein umflutet mit hellem Licht die Rleine Perjon und läßt jede Einzelheit am Gefieder deutlich erkennen. Braungrau der Rücken, wie das Sell eines Näuschens ; von der Stirn bis zum Hacken mehrere IR: 482, Lodge. Mai 1894. Geflekter Sliegenfänger, brütend. dunkle Längsitreifen; Kehle, Mitte der Bruit, der Bauch und die unteren Schwanzdecken weiß, die Seiten mit graubraunen Slecken. Der jdwarze Schnabel, in der Sorm ähnlich, wie ihn die Grasmücken haben, nur etwas kräftiger, ilt tief gejpalten bis unter das Auge — die gelblihen Mundwinkel zeigen es deutlich — und bejet ift er am GKrunde mit Ichräg nad) vorn ge- richteten Boritenhaaren, welche den Trichter des Rachens vergrößern jollen beim Erjchnappen der Beute. Jet jcheint am Boden jidy etwas zu regen, ein Wurm oder irgendein Käfer, der langjam des Wegs zieht. Schnell it der Dogel zur Stelle — fo hurtig, jo unvermittelt und plößlich jede Be- wegung, und doc; elegant und weic; und gejchmeidig — er hat es gepackt, 327 was da fich verriet, und verjchluckt es befriedigt; dann fit er wieder am Kreuze. £Sange am Boden zu hüpfen, das liebt er nicht, das überläht er den Amjeln, Sinken und Spaten; aber, wenn er jieht, daß ji) was regt auf der Erde, da nimmt er es mit, um dann jofort zurückzukehren zum Lieblings- plat, nach dem Sweig, nad) dem Pfahl, nad) der Mauer oder dem Dad). Durchs dichte Geitrüpp zu jchlüpfen, im Laubwerk der Bäume von Ältchen zu Ajtchen zu jpringen, ijt nicht jeine Art — jo jucht ji die Nahrung Saunkönig, Grasmücke und Laubjänger. Srei will er Umjchau halten über jein kleines Revier von freier Warte herab, wie der Wächter vom Burgfried. Was vorbeizieht die Straße, wird überfallen, jelbit das gewandt’ite Infekt; Slugkünjte helfen ihm nichts, der Sliegenjchnäpper verfehlt felten jein öiel, und wie im Schlaraffenland die gebratenen Tauben dem Saulen ins Maul, jo fliegt der dickköpfige Brummer dem Dogel direkt in den weitgeöffneten Schnabel. Selbjt Schweb- und Schwirrfliegen oder Wajjerjungfern, die bei- jpiellos jchnell find und den meilten Injektenfrejjern entgehen — jet rütteln jie hier in der Luft und im Hloment darauf find fie jchon dort — der Sliegen- ihnäpper weiß; fie zu packen. Sicher wie ein Raubvogel veriteht er jede Entfernung zu [häten, auch kennt er diejelben Schliche und übt jie, wie die Kleinen, nach denen er fahndet. Hat das Injekt, das er aufs Korn genommen, jeinen Plaß unerwartet verändert, jo jagt er ihm nad und hält rüttelnd über der Stelle, jcharf nad ihm äugend und — |chwapp! weg ilt’s, ver- Ihwunden im Rachen. So treibt es der jtille, harmloje Dogel jtundenlang, immer von feinem Sibplat herabjtürzend, wenn ein fliegend Injekt jein Auge eripäht, und immer zurückkehrend zu einem der drei oder vier Lieblingswarten jeines Gebiets. Dann wird wohl audy) ein Bad genommen mitten im Schüj- jelhen, das hier auf dem Grabe den Kranz von Dergiimeinnicht friich hält. Hei! wie das jprißt, daß das ganze Gefieder durchnäht wird und die jilbernen Tropfen herabfallen, wenn der Dogel Jich wieder emporjchwingt zum Pläßchen, wo er nun mit dem Schnabel die weichen Sederchen ordnet und jich |chüttelt, dab die Sonne das zarte, lockere Kleidchen bald trocknet. Zange ilt unfer Sliegenfchnäpper noch nicht zurück von der Reije; einer der Nachzügler it es, der jelten kommt, ehe der Wonnemond einzieht. Er lebt ja falt ausjchließlich von jummendem ÖGetier, das er einzeln fangen muß, nicht wie die Schwalbe, die oft jtundenlang fliegt und weite bebiete durd)- itreift. So ilt er gezwungen, zu warten, bis wirklich der Srühling gekommen im deutjhen Land, nachdem der Kalender ihn längjt jchon gemeldet. Und oft trifft der Dogel nocdy immer zu früh ein. So kalt und regnerijc it manchmal das Wetter um Pankraz und Servaz, da es dem Sliegenjchnäpper jchwer wird, genügend Nahrung zu finden; dann fißt er traurig auf jeinem Altchen, jtundenlang Ausjchau haltend nach einem geflügelten jechsbeinigen 928 lier. jpa ein it in einem W — _ — - = = je} - > je] _ = nfä ge Slie r BefleKkte R. Paul. Glogau, Juni 1900. Geflekter Sliegenfänger am Nejt mit Jungen. Wandersmann, der nicht kommen will, oder er fliegt unruhig hin an Nlauern und Säunen, um irgendein Infekt aufzunehmen, das dort in träger Ruhe verharrt, eine Spinne, die im Winkel auf Raub lauert und nun jelbit ge- frejjen wird. In die offenen Lauben, in die Glasveranden hujcht unjer Freund, um dort mühlos die Sliegen zu jchnappen, die an den Seniterjcheiben herum: laufen, oder wenn der Hunger zu arg, verjudt er es auch mit ein paar Beeren vom Johannisbeeritrauch und jpäter bei nahkaltem Nacdhjommer mit den Srücten des roten und jchwarzen Bolunders. Überhaupt jcheint der Dogel 529 nicht von robujter Natur, und wenn er auch weit nach Norden vordringt -— jelbjt bei Tromjö und bei Archangel brütet er noch — jo bevorzugt er doch mehr ein wärmeres Klima, wie es Deutjchland aufweilt und die Länder weitlich und jüdlic; davon; auch im mittleren und jfüdlichen Afien befindet der Dogel ji wohl. Aus demjelben Grunde find ihm Ebene und Hügelland lieber, als kältere Höhen, und fehlt er auch keinem unjerer Mittelgebirge völlig, \o iteigt er doch nicht über 700-900 Meter hinauf, wo er erit jpät im Mai jeinen Einzua hält. Und jo Rurz ilt fein Aufenthalt in der nördlichen Heimat; Ende Auguft, Anfang September reilt er jchon ab, unbemerkt, nädtlicher- weile, meilt paarweije nur oder in Rleineren Trupps. Weit übers Meer zieht er, bis ins innerite Afrika, jagt man, oder noch weiter, und nad) den Jjüdlichen Halbinjeln des aliatischen Evödteils. Gern jchließt jich der Sliegenjchnäpper dem Mlenjchen an. Wie die Schwalbe, die Saun= und Gartengrasmücke, der Gelbipötter u. a., jo gehört auch er zu den Charaktervögeln des deutichen Dorfs; nur wird jeine An wejenheit oft überjehen, da ich der Dogel fo till verhält. Don einem Gejang kann man Raum bei ihm reden; ein bejcheidenes Switjchern ilt es, das völlig verjchwindet in dem vielitimmigen Konzert der andern Sänger. Am lautelten ind die Dögelchen während der Paarungszeit; da rufen fie oft- ihr jchir- kendes „tzri”, und wenn jie dann Junge haben im Neit und die Kate jchleicht beutejuchend durdy Hof und durch Garten, da flattern jie unruhig umher und jchreien jo ängitlid) „tichierek, tichierek, Be, Be, tek, tek ....“ Am Rande des Laubwaldes Rann man das Mejtchen finden, im Obitgarten, im Erlen: gebüjch am Dorfbadh, an der Mauer des Friedhofs, am Anger auf einem Weidenkopf; nod) lieber aber jucht der zutrauliche Dogel die unmittelbarite Nähe des Mlenjchen auf, und fein ausgejprocdhenes Lieblingspläßchen das Icheint das Weinjpalier zu jein am Haufe oder die efeuumrankte Wand, oder die Laube, dicht mit Jungfernrebe bekleidet. Im Pfarrgarten it jolcy laujchiges Pläßchen. Mitte Mai itellte jich das brütluitige Pärchen ein und jchien gleich entjchloffen: hier it es qut, hier auf dem Balkenkopf unter dem jchüßenden Dad) der Laube, wo der Pfeifenitraud am Spalier in die Höh) Rlettert, da laßt uns Hütten baun! Die Menjchen jtören uns nicht, die am Wege vorbeigehn, und wenn der ehrwürdige Pfarrer und die Srau Mutter des Morgens das Srühjtück geniefen am Ihattigen Pläßchen, wenn fröhliche Kinderitimmen durch Hof und durch Garten erjchallen, was kann es uns jchrecken! Sreundlich jind fie uns alle, zumal wir mit emjigem Eifer die Plagegeilter vertilgen, die Menjchen und Dieh jo beläjtigen. Doriges Jahr, da bauten wir gar in ein Lod) der Mauer an der Eijenbahnbrücke dicht hinter dem Dorfe. Das war ein Rajjeln und Knattern, wenn der Sug darüber hinwegbraujte. Aber Gewöhnung ilt alles, und die Kleinen, jie Rannten’s nicht anders und duckten nicht mal die Köpfchen, wenn 350 die riejige Schlange daherjchnob. Aljo jchnell an die Arbeit! -— Und jo trugen fie denn gemeinjam die Stoffe zujammen zum netten Bau: feine Wurzeln und grünes Moos, aud) weihliche Slechten für die äußere Wandung, die gerundet ward durch wiederholtes Eindrücken des Körpers, Federn und Pferdehaare, das Innere weich und mollig zu füttern, auch einige Läppchen von Tuch, welche die Pfarrfrau zurückließ, als jie dem Jüngiten die zer- rillene Hoje ausflickte. Anfang Juni war’s endlich jo weit, daß das Weibchen dem Leite allmählih fünf niedliche Eier vertrauen Konnte; reizend jahen jie aus, 4 R. B. Lodge. Middlessex, August 1903. Geflekter Sliegenfänger. die glatten, zartichaligen Dinger: auf lichtem, blaugrünlihem Grunde rolt- farbene SIecken, hier heller, dort dunkler, und ein paar blaugraue Punkte dazwilchen. Der Pfarrer jah fie jicy an von dem Tijch aus, den er behutjam beitieg ; leile bog er die Sweige des Pfeifenitrauchs auseinander, und da bot jich ihm dies niedliche Bildchen vom ftillen Glück in dem Winkel. Nun jaß brütend die Alte auf ihrem Gelege, nachts und am Tag vom Nlorgen bis Abend, nur in den Mittagsitunden lief jie jich ablöfen vom Gatten, der jtets in der Nähe eifrig Injektenjagd trieb ; die beiten, die fettelten Biljen bradjt’ er dern Weibchen und jteckt’ fie ihm zärtlich in den weitgeöffneten Schnabel. Der Pfarrer jah’s und dachte bei jich: ich will dir die Sache erleichtern. Er oo ging und holte Mehlwürmer herbei aus dem Topf, der Itets bereit jtand im Haus, den gefiederten Stubengenojjen, Rotkehlcyen, Droljel und Plattmönd, von jeinem Inhalt zu jpenden. Sofort hatte der Dogel den auf den Weg ge- worfenen Wurm von jeinem Pläßchen eräugt und brachte ihn freudig dem Weibchen, und bald war er jo dreilt, den erwarteten Bijjen jelbjt vom Tijche zu nehmen, an welchem der Pfarrherr ja beim duftenden Kaffee. Auch das Weibchen verjäumte es nicht, in jeiner Sreizeit zu dem „Tijchlein deck dich“ zu fliegen, und mit jicherem Griff, rüttelnd über dem Wurm, diejen aufzu= nehmen zwijchen den Tajjen und Kannen. Auch aufs Seniterbrett des Haujes kamen die Dögel, wenn dort ein paar Würmer jich regten im Teller, ja jie Icheuten jich nicht, jelbjt ins Simmer zu fliegen, wenn die erjehnte Beute dort zappelte auf dem Tijcy oder dem Boden, und als der Pfarrer ins Seniter trat, einen Wurm in der Hand, da holten jich die herzhaften Dögel die Babe, wie ein zahmes Rotkehlchen flatternd und das Stel jcharf im Auge, plößlich drauf zufchießend und niemals die Beute verfehlend. Sie kannten den Pfiff ganz genau, mit dem der gütige Spender jeine Lieblinge einlud, und folgten ihm auch durch den Garten nad dem äuferjten Winkel, wenn von dorther der Lockruf ertönte. £ Jett hatten die Eltern jchon doppelte und dreifache Arbeit; denn die Kleinen waren den Eiern entjchlüpft und heifchten leife piepend nach Atzung. Und als fie jchließlic) das Mejt verliefen — es war in den eriten Tagen des Juli — wie freute jich alles im Pfarrhaus der glücklich beendeten Brut, ein Seittag für groß und für Rlein! Jedes mußte jid) die fünf Kleinen weihlid- grauen Sederbällchen anjchauen mit den Rurz zugeltugten Schwänzchen, wie lie unter den eifrigen Lockrufen der Eltern den eriten Schritt wagten hinaus in die Welt, und auf der Laube, auf den Gartenpfählen, dem Staket jaßen und mit zitternden Slügeln die Eltern baten: uns hungert! Und dann welch reizendes Bildchen! Die Alten brachten die ganze Kleine Gejellichaft mit in die Laube, wenn die Samilie am Tijche Jah, und liefen die dicken, jaftigen Würmer fich jchmecken. Das währte etwa eine Woche und einige Tage; dann hatte jich die Jugend zerjtreut, eins nach dem andern. Die Alten Kamen wohl länger, aber nur ausnahmsweije begleitet von einem der Kinder im zarten JIugendgefieder, das wejentlidh abweicht vom Kleide der Eltern. Grau und weil; betropft erjcheint es von oben und bräunlich geichuppt, die Unterjeite jchneeweik, nur Kehle und Oberbrujt mit dunkeln Sängslinien und verwajchenen Querwellen; bläulichgrau it die Farbe des Schnäbelchens und der Rleinen, Ihwädlichen Süße. Jet find fie alle verfchwunden, vielleicht weilen jie Jon im Süden, wo lie jid) treffen mögen mit ihrem Derwandten, dem jhwarzgrauen Sliegen- \hnäpper, der in dem hohlen Alt der Eiche oder Buche geniltet, draußen im Saubholzwald, da er die Nähe des Menjchen nicht jo bevorzugt. Db jie 952 IM, Behr. Cöthen, 2. Funi 1908. Geflekter Sliegenfänger; Nejt mit Gelege in einem Mauerlod. wohl wiederkommen, die zarten Genojjen des Sommers, wenn von neuem das jaftige Grün Gärten und Selder bedeckt? Es gibt ja jo viele laujchige Pläßchen in der friedlihen Nähe vom Pfarrhaus. Einmal brüteten jie dort auf dem Birnbaum in einem Nejte vom Budfink, der jeine erjite Brut glüklihb jchon ausgebraht hatte. Schnell flog die innere Ausitattung über Bord, und hurtig holte das Männchen friihe Stoffe herbei, Haare, Wolle und Federn, die dann das Weibchen ergriff, alles fein jäuberlich ordnend. Nacd; zwei Tagen jchon war die Wohnung im Stande, und in der Woche darauf ja das Weibchen brütend im zierlihen Neit des Sinken. Ja es jchien ihm der jaubere Bau mehr als jonit zu behagen; denn als zum Sonnwendfeite die Jugend dem Neite entflogen und bis zum Anfang des folgenden Mlonats von den Alten noch zärtlich gepflegt ward, was jah der Dater, als er am Neitchen vorbeiflog ? Wieder ein Ei, und am nädhlten Tage ein zweites und dann noch ein drittes und viertes — „‚meinetwegen, mir ilt’s Ihon recht“ — und die Sache nahm nochmals den Anfang, ausnahmsweile natürli. Wer weiß, ob die Jungen den Anjichluß nicht doch nody verpahten 99 zur weiten Sahrt nad) dem Süden, obgleich die Eltern jich jputeten, au lie nod) flügge zu bringen. Nur wenn die erite Brut verunglückt, ijt’s Sitte beim Sliegenjchnäpper- gejchlechte, nochmals zu brüten. Adh, es kommt ja oft vor, daß die Eltern Rlagend das leere Mejtchen umflattern, aus dem Katen, Marder, Wiejel die Eier genommen oder die Jungen. Selbit Ratten und Mäuje müljen mit zu den Seinden gezählt werden; am Weinjpalier, an der dicht verwachlenen Saube Rlettern die jhädlichen Nager empor ; Allesfrejjer im weiteiten Sinne des Worts. Raubvögel jind nicht jo zu fürchten; denn größere Slüge über Seld oder Wieje vermeiden unjere Schnäpper; ein jchüßender Bujch oder Straud) it jtets in der Nähe. Das jchlimmite it Kälte und Iangandauernder Regen im Sommer, der die Injektenjagd jo erichwert. Ganz ermattet fand voriges Jahr der Nachbar ein Junges am Seniter, wo es kraftlos herab- geflattert war, als es nach Sliegen jchnappte und Spinnen. Er nahm es mit in die Stube und bot ihm vom Rotkehlchenfutter. Wie fchnell jich’s erholte ! Den ganzen Berbjt und Winter vergalt es die Guttat durch fleifiges Fangen der Sliegen, die in der warmen Stube des Bauern jummten, majjenhaft wegen der Nähe des Diehs, jo lältig für alle Bewohner. Bald hatte das Döglein die Herzen der ganzen Samilie gewonnen, jelbit Großvaters Groll hatte es \hlieflid; bejänftigt; der war als erfahrener Imker nicht gut zu |preden auf Sliegenfänger, wie auf Kohlmeijen im Winter. Er hatte gejehen, da einzelne jeiner Pfleglinge von dem grauen Dögelchen weggejchnappt wurden, als jie mit Pollen beladen jchwerfällig zum Stocke zurückflogen, wertvolle Arbeitsbienen; die Drohnen gönnte er ihm und die Weipen. Im S$rühjahr ward der Rleine Gefangene der Sreiheit wiedergegeben, und möglich, da er es jebt war, der mit einem Gatten vereint ein Mejtchen jich baute an dem Holzaerült, das man errichtet hatte, die jchadhafte Biebelwand des Haujes zu reparieren. licht jtörte die brütenden Dögel das Hantieren der Leute. Aber da mußten die Balken und Bretter wieder entfernt werden, und nod lagen die Kleinen, eben den Eiern entichlüpft, hilflos im Weit. Ein vogel- freundlicher Maurer nahm das Ganze in jeine zwei geräumigen Hände und jeßte es behutjam in ein Rüjtloch der Hauswand. Dem unfreiwilligen Umzug Jahen die Dogeleltern bejorgt zu, aber nad wenig Minuten erjchienen jie mit Injekten im Schnabel am wohlgeborgenen Tejtchen. Alle fünf Junge kamen aus, wohlbehalten und munter ; jeßt weilen jie längjt jchon im Süden. Aber der Bejifer des Gehöfts will das Loc) in der Mauer lajjen, wie’s tt — wer weih, ob die Alten jich nicht erinnern des gajtlichen Heims, oder eins von den Jungen. Und wahrhaftig, ein Schandflec ilt’s nicht, das alte Rüftloch in der jchneeweil; getünchten Hauswand, wenigjtens nicht im Auge deljen, der weil, was es erlebt hat. 954 ger am Meit. Sliegenfän Wahrghr vg 2 BReR r Fe Die Singdrofjel. | Don Martin Braeß. | Wenn um die Seit der Srühlings-Tag= und Nachtgleiche die lauen Weit: und Südwinde den Grimm des Winters gebrochen haben, wenn die eriten Senzesblumen, die Anemonen, Primel und Leberblümchen, ihre weißen, gelben und blauen Blüteniterne dem Lichte zuwenden, wenn an der Hajel die Kätchen Ihwanken und die |pindelförmigen Blattknojpen der Buche zu jchwellen be- ginnen, dann hält mit der Singdroljel die rechte, jelige Srühlingsitimmung ihren Einzug im deutjchen Walde. Nod; hat der Rand der Sonnenjcheibe den öltlichen Horizont nicht be- rührt, noch Rämpft die erite Morgendämmerung mit dem Dunkel der Nacht, da erichallen Schon die jauchzenden Strophen der fleigigen Sängerin durd) den Itillen, jchlafenden Sorit, und längit it das Tagesgeitirn untergegangen am weltlichen Himmel, jchon hujchen graue Schatten über die Waldblöße, das Sirmament hat feine nächtlichen Lichter bereits angezündet: und nod immer jubelt die unermüdliche Sängerin ihr fröhlich Auferitehungslied hinaus in den friedlichen Abend. Es jcheint, als jei der Wald jelbit der Lehrmeilter der Singdrollel gewejen. So voll und abgerundet jind die einzelnen Strophen, tiefichattig wie das dichte Blätterdackh der Baumkronen, weid) und janft, der Mloosdecke gleid), die den Schritt des Wanderers dämpft; aber jet wieder, Hordy! Hell und glitiernd die trillernde Strophe, wie der goldene Sonnenitrahl, der über der Lichtung zittert. In toller Halt jagen fi nun die Töne, als gelte es einen Wettlauf mit den Walferwirbeln des Wildbahs in der Taljchlucht oder mit den Schlaglichtern, die von den Ichwankenden Baumwipfeln bald hierhin, bald dorthin geworfen werden. Leidenichaftliche Erregtheit, ungejtüme Luft, jo überfroh, jo überlaut, das ilt der Charakter des Gejangs. Magit du am itillen Abend, wenn nur nody die höchiten Wipfel der Söhren eingetaucht Jind ins purpurne Licht, oder bei glänzendem Sonnenjchein im taufrischen ITorgen dem Reichtum der Melodien laujchen, magit du die weithinjchallenden Rufe vernehmen, wenn der Wald eingehüllt ijt ins weihliche Grau wallender Nebel, und Tropfen auf Tropfen herabrinnt von Blatt und Sweig, um leije ji zu verkriehen im jchwellenden Mloospoliter, oder wenn der Srühlingsiturm durch den Sorit brault, dat jeder andere Sänger, jelbit der Recke Buchfink, Dögel 1. 22 337 verjtummt: der Singdrollel Ruf, jo freudig und hell, er wird einen Widerhall finden in der Bruit eines jeden, der es gelernt hat, mit O®hr und Herz zu laujhen den taujendfältigen Stimmen der Mutter Natur. Man hat das Lied der Singdroljel oft verglichen mit dem ihrer gold» \hnäbligen Baje, der Amjel. Welches ilt jchöner ? Müßige Frage; der Cha: rakter der beiden Gejänge ijt grundverjchteden. Gemejjen, janft und gezogen, abgerundet die tiefen melodijchen Töne, jo jchallt das Amjellied durch den Srühlingswald, durch den Ienzfrohen Garten und Park. Ernit jpricht Sic) aus in den getragenen Strophen, weihevolle Würde, dazu innige Sehnjucht und ruhige, jtille Sreude. Der Drojjelgejang dagegen beiteht aus Rurzen Motiven, die fait regelmäßig zweis, dreis oder viermal wiederholt werden; in der Klangfarbe und Stärke der Stimme, wie in der Tonhöhe jind jie außerordentlich verjchieden, und wenn auch diejelben Tongruppen, von denen jic} die meilten leicht in Noten wiedergeben lajjen — jo rein jind ihre Inter- valle — immer wiederkehren: die Derbindung und Aufeinanderfolge tt doc) jo abwecjjlungsreich, oft geradezu überrajchend und originell, dab der Gejang einer guten Singdroljel dem Hörer jtets neue Bewunderung entlokt. Mag auch die Amjel das vollere, Rlangjchönere Organ bejien und mag ihr Gejang an tiefen, melodijhen Tönen von der Singdrofjel nicht erreicht werden, in der gejchickten Derbindung der verjchiedenartigiten Strophen, im Erfinden neuer Tongruppen ilt die Drojjel die Meilterin. Der Land- und Sorjtmann, der die Stimmen der Natur gern jo auffaht, als jeien jie direkt an ihn gerichtet, legt den Drojjelitrophen, von denen ji die auffallenditen etwa durch die Silben tratü, trati, tirtirtirtir wiedergeben laljen, die Worte unter: „David, David, drei Nöjel für eine Kanne” oder „Prolit, profit, Lotterhans, Kuhdieb, Kuhdieb !" oder audy „Dürre Sicht’, dürre Sicht’, du Jäger, du Jäger, hack jie ab, ha jie ab!” Sehr gute Sänger unter den Singdroffeln trifft man in den deutjchen Mittelgebirgen und in den galiziich-ungariichen Karpathen an, während der Wiener Dogel- liebhaber diejenigen Drojjeln bevorzugt, die dem Derbreitungsgebiet des Sprojjers entitammen, dem fie dann mande Rufe abgelaujcht haben. Im übrigen jcheint ihr Nachahmungstalent nicht bejonders groß zu jein. Natürlich bei jung gekäfigten Dögeln bleibt es nicht ohne günitigen Einfluß auf die Entwicklung ihrer Stimme, wenn man in ihre Nähe andere gut jingende Dögel hängt oder ihnen recht häufig die Melodie irgend eines lujtigen Liedes vorpfeift — gerade für Reck vorgetragene Weijen, ein übermütiges Reiter- jtükchen u. dergl. legen die jungen Drojjeln viel mehr Interejje an den Tag, als für getragene Melodien — aber es ilt dies Reine ausjchließliche Bejonder- heit gerade diejer Sänger; andere Singvögel verhalten jicy ähnlid). Während des Gejanges jitt das Männchen gewöhnlid) auf dem oberjten MWipfel hoher Bäume, etwas geduckt in der Haltung und die Flügel nad): 998 Mai 1906 Holland, Vıruiden, el. — = © » on ker] = . N » © De} © j=1] © — Er} >) nl 2 = = = Steenhuizen. fällig gejenkt. Weit reißt es den Schnabel auf, dat die hellen Rufe von der Höhe herab fernhin jchallen über die waldbedeckte Ebene cder von einer Talwand zur andern. Es liegt etwas Herausforderndes in diejen hajtig aus- gejtoßenen Tonitufen, jo daß es jcheint, als jei wenigitens der erite Teiden- Ihaftlihe Srühlingsgejang nicht jo jehr beitimmt für das Ohr des Weibchens, als vielmehr für den Yebenbuhler, der das eben erit angeknüpfte oder wieder erneuerte Derhältnis jtören will. Der Sängerkrieg zweier oder mehrerer Singdroljeln am frühen Märzmorgen, das ilt dem Naturfreund Itets ein lieber Gruß des einziehenden Lenzes. Die Locrufe unjers Dogels gleichen denen der Amiel. „Sip, zip“ rufen lie jid) zu, was ihnen den in mandyem deutjchen Gau, beilpielsweije in Sachlen, beim DoIR allgemein üblichen Yamen ‚Sippe“ eingebradt hat. Mitunter vernimmt man auch einen hohen, gedehnten, fanften Laut, der aller- dings noch mehr an das feine „Sih“ des Rotkehlchens erinnert, als an das \härfere „Sirrb“ unjerer Amjel. Aber wenn die Singdroljel durch einen Schrek aufgeiheudht wird, dann ftößt fie ebenjo plößlich, vielleicht nicht ganz jo jchrill, das durchdringende Alarmjignal „‚Gigigigig”“ aus, das von der Amjel her jedermann bekannt ilt. Sie warnt damit auch andere Be= wohner des Waldes, vier- und zweibeinige, zur Dorjicht. Einen ganz bejtimmten Ankunftstermin, wie ihn 3. B. Pirol oder Mauer- jegler innehalten, kennt die Singdrojfel nicht; fie richtet ich mehr oder weniger nach der jeweiligen Witterung. Ende März treffen die meilten ein, und Mitte April jind wohl aud die letten Machzügler glücklich wieder daheim. In der Regel ziehen die Drofjeln des Nachts; man vernimmt ihre Lockitimmen, mit denen jic die Rleineren oder größeren Gejellichaften zulammenhalten, ganz deutlich hoch aus den Lüften. Wer es ihnen jagt: bis hierher und nicht weiter! Hier am Waldesrand oder dort im Talgrund war’s ja, wo du im verborgenen Mejtchen mit der Gattin die Jungen aufzogit — ja wer das wüßte! Und dody ilt Rein Sweifel, das Männchen, dejjen Stimme uns jo wohlbekRannt ilt vom letiten Sommer her, es hat das alte Revier wieder: gefunden und fingt nun jeine Strophen von demjelben Baumwipfel herab, der ihm jchon im vorigen Lenz als Lieblingsjit; diente. Und volltönend it der Rufunjeres Dogels bereits am eriten Tage nad) der Ankunft, nicht wie beim Plattmöndy 3. B. und andern Grasmücken, die jich erit allmählich ge- wiljermaßen hindurchringen müllen, ehe ihnen das Sorte des klangjchönen Überjchlags gelingt. „Wacht auf, wacht auf, ihr Schläfer, in Berg und Tal, in Wald und Held! Surüc bin id) von weiter Fahrt, glücklich zurück, neues Leben verkünd’ ich euch, neue Luft!“ Bereits wenige Tage nach der Rückkehr jucht fi das Drojlelpärchen einen paljenden Plat aus für die luftige Wiege der künftigen Brut. Laub- wälder mit dichtem Unterholz, junge Sichtenpflanzungen, größere und kleinere 941 Seldgehölze, Bufchweiden oder hohe, undurdydringliche Dorniträucher werden bejonders bevorzugt. Die meilten Hejter jtehen nicht viel über Mannshöhe, meijt in einem Altquirl, wie es unjer Bildchen zeigt, oder unterhalb des Gipfels, angelehnt an den Stamm, auf zwei oder drei Altchen, die hier ent- ipringen. Aber aud) fajt unmittelbar auf dem Boden, zwijchen Waldgräjern oder im dichten Heidekraut hat man ausnahmsweije Singdrojjelneiter ge- funden, ebenjo im Wipfel jehr hoher Bäume. Dünnwandig erjcheint der kleine Bau auf den eriten Blick, etwas zu luftig und deshalb hinfällig, und do darf man getrojt das Drojjelneit zu den vollendetiten Erzeugniljen tieriiher Baukunit zählen. Die Grundlage, welche aus Mloos, Reijerchen, Balmen, bisweilen auch aus etwas dürrem Laub bejiteht, ijt mit Rlebrigem Speichel jo feit an die Alte des Mijtbaums geheftet und die Stengel, Halme und Moofe der Nejtwand find jo jorgfältig miteinander verfilzt, da wohl die meilten Drofjelnejter die Stürme des nachfolgenden Winters überjtehen mögen. Die innere Wandung des tiefen, genau halbkugelförmigen Hapfes wird mit einem Brei aus Rlargekauten faulen Holzteilchen, reichlich mit Speichel vermijcht, aufs forgfältigite und reinlichite übertündt, jo daß es auslieht, als jei das Mejt mit einer hellfarbigen, wetterjtändigen Pappe aus- gekleidet. Unjer Bild läßt diefen eigentümlichen Überzug des Innenraums, der für das Singdrofjelneit jo charakteriftiich ilt, aufs deutlichite erkennen. Selbit weite Slüge jcheuen die bauenden Dögel nicht, um alte Wurzeljtöcke zu finden, die ihnen das Material für den Ausbau ihrer Nejtmulde liefern. Natürlic) erfordert dieje innere Auskleidung mit Holzmull und Speichel jhon deshalb einige Tage Seit, weil die anfangs weiche und Klebrige Hlajje, namentlich bei feuchter Witterung, nur ganz allmählid) trocknet und feit wird. Benüßen die Dögel das vorjährige Mejt wieder, das meilt nur einiger Reparatur oben am äußeren Rande bedarf, jo unterlajjen jie es doch nie, die Innenwand von neuem mit einer Schicht feinzerRauter und eingejpeichelter Bolzteilchen zu überziehen, jo daß man an den einzelnen Mulmlagen die verjchiedenen Seitabjchnitte des Nejtbaus bisweilen erkennen kann. Wie überall in der Dogelwelt, jo find au bei den Singdrojjeln die älteren Pärchen gejchicktere, jorgfältigere und Rlügere Baumeiiter, als die- jenigen, die jungverheiratet zum erjtenmal dem Kinderjegen entgegenjehen. Der Bau der erfahrenen Dogeleltern ilt deshalb jchöner und feiter, nament- lich erjcheint die innere Auskleidung des Meites jolider und bejjer geglättet. Natürlich gibt’s auch Ausnahmen, die fi) wohl aber dadurdh erklären lajjen, dak ja bisweilen ein älteres Männchen, dejlen Liebesgejang uns jchon in den le&ten Jahren erfreute, nach Derlujt der treuen Gattin wiederum gefreit und vielleicht gerade ein junges, dummes Ding gewählt hat, dem Mutter: hoffnung und die ganze Kleinkinderwirtichaft mit allem, was drum und dran hängt, etwas volljtändig Meues it. 542 R. Paul. [e7/ Singdrojjel am Nejt mit Jungen. In der zweiten Hälfte April findet man bereits das volle Gelege; ein hübjcher Anblick, denn die vier bis jechs meergrünen oder grünjpanfarbigen Eierchen mit den regellos zerjtreuten fchwarzen und jhwarzbraunen Punkten und Tupfen, bejonders in der Nähe des jtumpfen Endes, heben jich allerliebit ab von der lichten, reinlichen Niltmulde. Sechzehn Tage lang werden fie fait ausschließlich von dem Weibchen bebrütet, das nur um die warme Mittags: zeit ein paar Stunden dem Männchen feinen Pla anvertraut; dann liegen die jehnlichit erwarteten Kinder mit den großen unförmlichen Köpfen im 545 Neit, und die beiden Alten haben „alle Hände voll zu tun“, die jperrenden Schnäbel mit zarten Injektenlarven und jaftigen Würmchen zu befriedigen. In der eriten Hälfte Mai jind die Kleinen flügge. Noch ein Weilchen werden lie von den Eltern geführt, gefüttert, gewarnt und behütet. Bald aber heikt es auf eignen Füßen jtehen, denn jchon machen jid) die Alten mit dem Öe- danken an eine zweite Brut vertraut, und wirklich, bereits Anfang Juni liegen wieder drei bis vier niedliche grüne Eier im Neit, und in einigen Wochen, Anfang Juli etwa, ilt aud) die zweite Brut flügge, wenn alles gut geht. Eine Seitlang hängen Jid) die Kleinen wohl noch an die Rockzipfel von Dater und Mutter; aber lange dauert’s audy bei ihnen nicht, dann jind ie jelbitändig gleicd) den älteren Gejchwiltern. Es it erjtaunlich, wie gejchickt eben erjt dem Neit entflogene Singdrofjeln, denen das Rurz zugeltugte Shwänzchen Raum ein weniq aus dem zarten Jugendgefieder herausichaut, jich zwilchen Brom: beergejtrüpp und Sichtenreilig zu verbergen veritehen. Ihre Lieblingsnahrung, kleine Schnecken, Würmer, allerlei Larven und Käfer, lernen die Jungvögel jehr bald unter Laub und Mloos hervorziehen, von den Brasipigen oder den Sweigen der Hecke ablejen und ihnen nadhjpüren im feuchten Grunde der Wieje. Namentlid) juchen jie mit ihren Eltern die jchattigen Dläße auf, weil hier die Regenwürmer an der Oberfläche liegen oder unmittelbar darunter. Mit den Schnabel wenden jie das welke Laub, ein Blättchen nad) dem andern, und finden jo jeden Augenblick etwas beniefbares, eine Larve, eine Duppe, eine Nacktichnecke. Kann man bei jolcher Nahrungsweije die Dögel aus der Nähe beobadhten, jo wird man mit Belujtigung bemerken, wie fie ihre Tätigkeit oft einen Augenblick unterbrechen und, den Kopf wunderlich jchief haltend, jeRunden: lang unbeweglicy laujchen und äugen, ob nichts Derdächtiges jich zeige. Auch wenn die Drofjel auf dem Baumwipfel fitt, nimmt fie häufig, jogar während der kurzen Paujen zwilchen den einzelnen ÖGejangsitrophen, dieje jonderbar laujchende Haltung ein. Bei aller Beweglichkeit ilt jie eben ein recht vorlichtiger und zugleich bedäcdhtiger ‚Dogel. Im Sommer bietet jich den Drojjeln allerlei Sukojt zu der Injekten- nahrung; bejonders jind ihnen Erdbeeren und Heidelbeeren, jpäter aud Dreihelbeeren willkommen. In den Gartenanlagen plündern fie in Gemein: \haft mit Spaben und Amjeln die Kirfchbäume, zupfen wohl auch an den Träubchen der Johannisbeeerjträucher und Rolten von den frühreifen Wein- trauben ; doch ilt der Schaden, den fie hier anrichten, nicht zu vergleichen mit den Derluiten, die der Garten= oder Obitplantagenbejiger durd; Amjeln, Stare, Sperlinge und andere zweibeinige Diebe erleidet. Die jchwarzen Holunder- beeren und die Srüchte des Saulbaums werden auch nicht verichmäht; am liebjten aber jind den Drofjeln die jogenannten Dogelbeeren. In ganzen Scharen fallen jie dann im Derbit, wenn die Ebereijhbäume im Schmuck 544 Juni 1900. N Cothnen, Nahezu jlügge Singdrojjeln. ihrer Rorallenroten Srüchte prangen, über dieje ihre Lieblingskoit her. Im Erzgebirge zum Beijpiel, wo der Dogelbeerbaum geradezu majjenhaft angepflanzt ilt, Rann man um dieje Jahreszeit bisweilen mit einem einzigen Blick fajt alle bei uns heimijchen und durchziehenden Drojjelarten Deobadıten: Miltel- und Weindrojjeln, Amjeln, Wacholderdrofjeln, namentlicy aber unjere Singdrojleln. Sie alle geben jich hier ein Stelldichein, jo da man bisweilen an die Dogelwandtafel daheim erinnert wird, die alle Turdus-Arten auf gemeinjchaftlihem Bilde vereinigt. Die JIungvögel freilich, wenigitens die der eriten Brut, jcheinen dieje goldene Seit des Überflufles nicht abzuwarten. Wenn jie Ende Juli oder Anfang Auguit ihr erites Jugendkleid angelegt haben, jpukt ihnen bereits der Gedanke an die Abreile im Kopfe herum; jie jammeln jich zu Rleineren und größeren Scharen, und eines Morgens oder Abends geht es fort, dem unbekannten Süden zu. Die Alten, welche jich gleichfalls im Juli gemaujert haben, folgen von Mitte September an. Manche ziehen bei Tage, wohl die meilten bei Nacht, wie uns das lockende „‚Sip“ verrät, das man wie im Srühling audy bisweilen im Berbjt vom nächtlichen Himmel herab vernimmt. Aber eilig haben’s unjere Dögel nicht auf ihrer Herbitreije; im Gegenteil, lie rajten oft längere Seit vom wirklihen Sug und treiben ji manchmal tagelang in einer Gegend umher, wenn dieje ihnen reichlihe Nahrung an Holunder= oder Dogelbeeren bietet; mandymal fallen jie auch in Scharen ein auf einer Wieje, um dort Injektenkoit zu juchen. In riejigen Mengen treten die Singdroljeln auf den friejiihen Injeln auf, wo ihnen der Beerenreichtum des Sanddorns lange Seit eine willkommene Speije gewährt. Im ÖRtober und November jteigert jich die Sahl der Reijenden immer nodh; es jind Wan- derer aus nördlicheren Breiten oder öltlicheren Längen, denn bis zum Polar Rreis kommt die Singdroljel in Skandinavien als Brutvogel vor, in Sibirien aber reicht ihr Derbreitungsgebiet bis zum Baikaljee und Jeniljei. Dann ind bisweilen am Morgen alle Büjche von ihnen bejeßt, und über den Dünen wogen die Slüge auf und ab. Wohin die Reife geht? Nach Portugal, Spanien und Italien oder übers Meer nad Algier, Marokko und Tunis; aud) führt ein anderer Weg die Reijenden nah Palältina und Ägypten, ja jüdwärts bis Nubien. In neuerer Seit verjuhen es einige, dem grimmbärtigen Herrjcher des Nordens Troß zu bieten. Schon an der deutichen Hordjeekülte, wo der Winter feine Härte meilt weniger fühlen läßt, als im Binnenlande, harren manche aus, mehr noch in Süddeutichland und den ölterreichiichen Külten- ländern. Es jind dies jedenfalls Dögel, deren Yeit hoch oben im Norden itand ; doch jollen audy bereits hie und da einige überhaupt nicht mehr fort: ziehen, und jo liegt die Dermutung nahe, da die Singdroljel auf dem beiten Wege ilt, ji aus einem ausgejprochenen Sugvogel in einen Strich», ja einen 547 \e&haften Standvogel umzuwandeln, wie es ja im le&ten halben Jahrhundert der Amjel jo vollkommen gelungen ilt. Gleich diefen Ichwarzen Mujikanten haben ji auch die Singdrojleln, urfprünglich nur Bewohnerinnen des Waldes, jeit einigen Jahrzehnten in auffälliger Weile an den Mlenjcyen gewöhnt. In den Parkanlagen und Dromenaden mandyer größerer und Rleinerer Städte — wir nennen nur London, Hulum, Braunjchweig, Leipzig, Großenhain, Dresden, börlit, München, R. Paul. Glogau, Mai 1908. Singdrojjel am Nejt mit Jungen. Schweinfurt, Regensburg — ilt die Singdroljel eine ganz gewöhnliche Er- \heinung geworden. Der Stadtbewohner begegnet ihr heute jozujagen auf Schritt und Tritt in den Promenaden und in den größeren Gartenanlagen der Doritädte. Und eine Dreiltigkeit legt hier der muntere, von Haus aus ziemlich jcheue Dogel an den Tag, die wahrhaft in Erjtaunen jeßt. Salt un= mittelbar vor unjern Sühen jagt die Singdroffel auf dem Rafen oder dem Blumenbeet nad) ihrer Rleinen Beute, und mancher mag fie wohl auf den eriten Blick für ein Amjelweibchen halten, bis ihm der Dogel die Dorderjeite zukehrt mit den ovalen jchwarzbraunen Tropfenfleken auf dem gelblich- 948 weißen Grunde. An der verkehrsreicdhiten Straße jißt fie auf einem Baume oder gar auf einer Gartenmauer, auf dem Giebel eines Hauljes, auf dem hohen Gerüjtbalken eines Neubaus und jingt von hier aus, ganz wie die Amiel, ihr Morgen oder Abendlied. Dort am Staketzaun hat jie ein paar Suß über dem Boden ihr Mejt gebaut, nur dürftig bejchattet von niedrigem Bujchwerk, und unter den Augen eines taujendköpfigen Publikums zieht nun der vertrauensjelige Dogel jeine junge Brut auf, genau jo wie das dreilte R. Paul. Glogau, Mai 1908. Singdrojjel am Nejt mit Jungen. Amjelpärchen, das neben ihm nijtet, nur vier oder fünf Schritte entfernt. Das Rajjeln der Wagen, das Bellen der Hunde, das jchrille Warnungszeichen der elektrijchen Bahn, das alles jtört unjere Drofjel ebenjowenig, wie das laute, unruhige Gebaren ihrer größeren dunkelgefärbten Kujine. Nah unferen Erfahrungen vertragen fich beide Turdus-Arten ganz ausgezeichnet, wenigitens dort, wo ihnen der Tijch reichlich gedeckt ilt. Selbit an den Anblick der wil- deiten Raubtiere haben jich unjre Stadtdrofjeln in den letten Jahren voll- ltändig gewöhnt; die dünnen Sweige der Jungfernrebe, die hier im S0o- logijchen Garten das Gemäuer des Bärenzwingers lieblich überziehen, tragen 949 die dichtbejete Kinderjtube einer Sippe, und Meilter Det laujcht verwundert dem leilen Switichern und Piepen der Dogeljungen. Selbjt im Angelicht der mächtigen Könige unter den Dögeln wagen die Singdroljeln zu brüten; denn unmittelbar bei der großen Doliere für Adler und Geier jteht in einem Bretterverjchlag neben dem Tejt einer Amjel auch das einer Singdrojjel. Diejes wirklid; beijpielloje Dertrauen der beiden Drofjelarten — jelbit der freche Spaß ijt in mancher Beziehung bei weitem nicht jo dreilt — muß um jo mehr auffallen, als Amjel jowohl wie Sippe draußen im Walde ziemlid) jcheue Dögel jind. Nur auf eine gewilje Entfernung läht uns die Singdrojjel heran kommen, wenn jie von einem freiltehenden Baume herab ihr Lied hinausruft in die Weite; verjuchen wir es dann, uns dem Dogel noch mehr zu nähern, jo jtürzt er eiligjt herab und verjchwindet lautlos im dichten Unterholz. Den Ihüßenden Wald verläßt er jelten; meilt wagt er nur während der Morgen: und Abenddämmerung einen Slug nad den angrenzenden GBrasflächen, die ihm reiche Beute an Regenwürmern und Injektenkoit verjprechen, oder an den Rleinen Teich im Talgrund, der ihm ein erfriichendes Bad gewährt. Wir glauben Raum fehlzugehen, wenn wir vermuten, da diejen auffälligen „Sug nad) der Stadt“ in erjter Linie die Dermehrung der Park= und Gartenanlagen in den legten Jahrzehnten veranlakt hat, vielleiht aud) die majjenhafte Anpflanzung ausländilcher, namentlidy amerikanijcher Gehölze, die in der herbitlichen Jahreszeit allen Drojjeln den Tijch reichlich mit Beeren decken; endlid mag audy der allgemeine Schuß, den man heute den Singpögeln in jo hohem Mafe gewährt, dazu beigetragen haben. Und der Feinde find viele! Don den Säugetieren mögen Baummarder, großes und Rleines Wiejel, große Hajelmaus, namentlich aber aud) das nied- lihe Eichhörnchen die gefährlichiten jein — ie jtellen den Weitjungen und beionders den Eiern nah — während unter den gefiederten Straudhrittern Habicht und Sperber, die jelbit erfahrene Dögel packen, wenn jie einmal, in flachen Bogen fliegend, jich über freies Feld wagen, ferner Eliter und Eichelhäher den meilten Schaden anrichten. Bejonders im Srühjahr fällt manches Gelege den lülternen Seinden zum Opfer ; denn die Meiter jind dann bei der nod; wenig entwickelten Belaubung den Blicken jedes durch den Wald jtreifenden Räubers ausgejeßt. Man muß es jelbjt beobachtet haben, mit weld) angjtvollem Gezeter die Singdrofjeln eine Eliter oder einen Häher begrüßen, wenn Jid die genannten Dögel während der Brutzeit in der Nähe des Neites erblicken lafjen, und man wird nicht daran zweifeln, daf dies wohl die allerichlimmiten Hejtplünderer jind. Sreilich noch unbarmherziger erjcheint der Menjch felbit, der im Herbit die Droljeln auf die graujamite Weile in den mörderischen Schlingen fängt. Nur in einigen Ländern des Deutjchen Reichs, wie in Sachen, Thüringen und Baden, ilt der Dohnenitieg verboten, während er in fait allen Regierungs= 990 bezirken Preußens, in Braunjchweig, Mecklenburg uw. nody in der Jeit Jahrhunderten üblichen Weije betrieben wird. Dabei gilt dem Dohneniteller — gegen das Wort Jäger oder Förjter in diefem Sujammenhange jträubt jih die Feder — jowie dem MWildbrethändler jede Drojjelart, ja ich möchte jagen, jeder nur irgendwie verkaufsfähige Dogel als „„Krammetspogel”. Wie R. B. Lodge. London, Juli 1894. Singdrojjel. tatiftiich nachgewiejen ijt, find ungefähr 60 Prozent der gefangenen Dögel Singdrojjeln, für Preußen allein, das etwa 1100000 fog. „Krammetspögel“ fängt, aljo 660000 Stück! Man überzeuge ich jelbit im Herbit in den Sein- Roithandlungen der Großjtädte, wo die in den Schlingen erwürgten Tiere, zu Girlanden zujammengebunden, einen beklagenswerten Anblick bieten. Die Singdrojjel bejitt blafrojtgelbe Federn an den Unterflügeldecken, während bei der Mijtel- und der Wacholderdrofjel — Iettere ilt der „eigentliche Kram= sol metspogel” — dieje Stellen weiß, bei der Rot: oder Weindrojjel aber rojtrot gefärbt jind. Dies Unterjcheidungsmerkmal bietet Reine Schwierigkeit und iit abjolut jicher. Auf den eriten Blick jieht die Singdrojjel wohl der Miltel- droljel am ähnlichiten, doc) ilt die olivengraubraun gefärbte ©berjeite bei eriterer etwas dunkler, und die Slecken der Unterjeite jind nicht ganz jo häufig. Aubßerdem it die Singdrojjel um ein ganzes Stück Rleiner, nur 20 bis 22 Sentimeter lang, aljo nody nicht einmal jo groß, wie die allen bekannte Amjel, während die Mlilteldroljel mit 26 bis 27 Sentimeter Länge beinahe die Größe einer Turteltaube erreicht. Übrigens nimmt man zwilchen Männchen und Weibchen der Sippe Raum einen Größenunterjchied wahr, auch jtimmen Särbung und Seichnung bei beiden fo genau überein, dal uns der bloße Anblick das Gejchlecht nicht verrät. Sing= und Rotöroljeln wurden früher — vielleicht gejchieht’s auch heute noch — ihrer geringen Größe wegen von dem Dohneniteller als „‚Halbvögel”“ bezeichnet, während Miltelz, Schwarz-, Wacholder- und Ringdroljel „„Doppelvögel” genannt wurden; von eriteren gingen vier, von diejen nur zwei Stück auf ein „Klubb“. Nichts Schädigt den deutichen Dogeljchuß jo jehr, als der Krammetsvogel- fang. Sollte es nicht endlich gelingen, ihn gejeßlich zu Dejeitigen? Man be- gegnet je oft der Meinung, die Drojjeln, die bei uns im Dohnenitiege ge- fangen werden, jeien ausjchlieklich herzugereilte Sug= oder Stricdypögel, die — aus dem Norden und Oiten Rommend — ji nur vorübergehend bei uns aufhalten. Das entipricht der Wirklichkeit keineswegs, und um jo weniger, je früher der Krammetsvogelfang jeinen Anfang nimmt. Der Herbitzug ver: zögert jich oft bedeutend, wenn die Witterung mild und die Nahrung no reichlicy it. Gewi mögen am 21. September, wenn der Dohnenfang nad) dem Reichsgejet beginnen darf, die meilten der in Morddeutichland brütenden Droljeln ihre Heimat bereits verlajjen haben, aber in Mittel= und Süddeutjch- land treiben jie jich noch maljenhaft umher, und jo fallen taujende Deuticher Dögel deutjchen Sängern zum Opfer. Aber jelbit zugegeben, wir würden nur nordilche Singdrojjeln, nordiiche Amjeln fangen, dürfte joldy Entjichul= diqungsgrund jtichhaltig jein? Wir klagen die Südeuropäer an, daß Jie den deutjchen Wald, die deutiche Slur ihres jchöniten Schmuckes Derauben, wenn lie unfere Dögel auf dem Suge jo maljenhaft hinopfern für die Küche; aber verhalten wir uns unjern nördlichen Nachbarn, den Dänen, Schweden, Mor: wegern, Ruljen gegenüber etwa anders, wenn wir den Krammetsvogelfang nod} weiter betreiben in der bisher üblicyen Weile. Mit Recht entgegnen uns die Süöländer, über deren jinnlojes Treiben wir uns bejchyweren: Erit kehrt vor eurer eignen Tür ! Soll ein internationales Dogelichußgejet zuitande kommen, die Be- jeitigung des Krammetsvogelfangs muß die allererite Dorbe- dingung hierzu jein. 892 IOod,. Mai t. © dem m © „ on [o7] o ‘= .—_ N o Brütend Der Kleiber. Don Hermann Löns. Im fahlen Acker weckte die Märzjonne goldene Blumen; der Huflattic) kündet bejjere Seit. Im grauen Walde wacte der Hajelbujd) auf; jeine goldenen Troddeln bringen Sarben in die Eintönigkeit. Ein Dogel flötet im Eichenbaum; weithin tönt jein lauter Pfiff. Die Menjchen drehen die Köpfe nady ihm und juchen den Pfeifer. Sie finden ihn nicht. Da jißt ein Dögelcyen von Spaßengröße; aber das kann es nicht jein. Wer jo laut flötet, muß viel größer jein. Er ilt es aber doch, der Rleine Kerl. Er jchnurrt hinab zum Sube der Eiche, lo&t fein und dünn und jtochert mit dem jpigen Schnabel in den Riten der Rinde umher. Und dann flötet er wieder jo laut und voll, dab die beiden alten Leutchen, die jich in der Dorfrühlingsjonne ergehen, ganz verwundert die Köpfe darüber jchütteln, daß ein jo Rleiner Dogel jo laut flöten kann. Aber der kann nody viel mehr. Er zirpt jo dünn und fein, wie ein Mäuschen, und flötet laut und grob, wie ein Straßenjunge im jtillen Walde, da der einame Wanderer zulammenfährt. Wenn es ihm aber gefällt, dann Rann der Kleiber aud) jo Jüß flöten, da dem Menjchen das Herz im Leibe lacht, und ein anderes Mal klingt jein Slöten jo wehmütig, als ginge der Tod durd den Wald. Und noch viel mehr kann er, der Kleine Dogel. JIebt hängt er an dem Stamme der Buche. Wie eine Maus hujcht er an der glatten Rinde entlang, erjt aufwärts, und dann jeitwärts. Bier jitt eine früherwachte Spinne. Der Ipige Schnabel zieht jie hinter der Rindenjchuppe hervor und aus ilt es mit allen ihren Lenzhoffnungen. Jett klebt das Dögelhen an dem Eichenbaum. Hell fällt die Sonne darauf, dab der graublaue Rücken und der roltgelbe Bauch, die helle Kehle und die Jammetichwarze Augenbinde deutlich zu jehen jind. Mit dünnem, feinem, durchöringendem „Szi, Bi, 51” Rlettert der Kleiber an der Borke hody. In einem Spalt glänzt ein goldbrauner Punkt. Bei dem macht er halt. Eine Buchecer ilt es, die er jich im Herbite hier verwahrte. lber hundert hat er ji für die jchlechte Seit hier jo aufgehegt und jie nad) und nad veripeilt. Einige jtahl ihm der Specht, andere die Kohlmeije, noch welche die Waldmaus und jo manche die Eichkaße. Dögel I. 25 R. Paul, Glogau, Mai 1908. Kleiber vor jeinem Tijtlody auf einer Linde. „Toik, toi, toik“ Rlingt es fröhlich durch den Wald. Der Kleiber ruticht über die Bucdhnuß und dreht ji um, da fein Kopf nah unten hängt. Das madıt ihm Rein Dogel im Walde nad, weder die Meile, noch der Specht. Um das zu Rönnen, muß man eben Specht und Meije zugleich jein, wie er. Und darum heikt er aud; Spechtmeije. Don dem Specht hat er die Geitalt, von der Meile das weiche Sederkleid und von beiden alle möglichen Künjte. Wie ein Specht, nur kopfunter am Stamme hängend, bearbeitet er die Frucht. Hageldicht fallen die Schläge und Reiner geht daneben. Die braune Schale zeripellt, der leckere Kern wird frei, der fette, ölige, jüße Kern. Sein |chmeckt er: „Toik, toik, toik“. Jett hüpft die Spechtmeije an der Erde umher. Käfer, du mußt jterben 54 R. Paul. Glogau, Mai 1908. Kleiber vor jeinem Nijtloh auf einer Linde. und bilt noch jo jung, jung, jung. Und jebt, das ilt ein Steffen für den jpißen Schnabel, eine Hajelnuß, vielleicht die Iefite vor dem Derbit. Die Roitet Arbeit, aber jie lohnt audy die Mühe. Aber wohin mit ihr? Bier die Rindenriße in der Eiche ift viel zu eng, die da ilt viel zu weit, und die dort zu tief. Aber diefe Spalte hier, das geht! So, jeßt fitt die Nuß richtig, mit der Naht nad) vorne. Und nun geht die Arbeit los. Kopfüber hängt die Spechtmeije an der Rinde, zirpt einige Male, öreht die Nuf nod) ein bifchen zurecht, flötet laut, klopft die Nuf feit, bejicht fie fi) von rechts, von links, von oben, von unten, flötet wieder und geht an das Werk. Bart und Iharf fällt die Schnabeljpiße immer wieder auf denjelben Sle, viele, viele Male. Ab und zu wird ein biichen gezirpt, ein wenig geflötet, einmal aud wütend gejcharrt, 399 wie ein zweiter Kleiber jich naht, und dann Rlingt das behämmer wieder laut durch den Wald. Endlich jpringt die Schale. Nun heift es, die Muß wieder aus der Spalte herauszubringen. Das erfordert allerlei Kletterkünite, Ropf- über, Ropfunter, bis es gelingt. Und dann wird aus dem Kern Stück um Stück herausgemeißelt, bis nichts mehr davon übrig ilt, als die trockene Haut. Jett könnte man wieder eins pfeifen. Die Sonne jcheint jo jchön auf den Wipfel der Eiche, bejonders auf den faulen Ajt ganz oben. Aljo jchnell hinauf und geflötet, dab es wer weil; wie weit jchallt. Unten gehen die Menjchen vorbei. Die Spechtmeije flötet und flötet. Ein Wagen raljjelt vorüber. Es wird weiter geflötet. Radfahrer jaujen dahin und Rlingeln Ichrill. Es wird fortgeflötet. Ein Auto donnert vorbei. Der Kleiber flötet in einem Ende weiter. Er wei} wohl, warum. Jebt zirpt es in der Hainbuche unter ihm fein und dünn. Lauter flötet er, erit in einzelnen runden weichen Tönen, dann jchnell aufeinander und Iharf und gellend. Und jeßt rutjcht er Kopfüber an der Eiche hinab, zärtlich piepjend, und dann jchnurrt er in die Hainbuche hinter dem Kleiberweibchen her, das jo tut, als wilje jie nicht, was das ganze Geflöte bedeuten jolle und eifrig nady Larven und Käfern jucht. Sie Rlettert den Stamm hinunter und er pfeift hinterher. Sie jchnurrt nach der Eiche und er folgt ihr nach, bald zirpend, bald pfeifend, und bald wieder flötend. JIebt it das Weibchen auf der Erde und kaum ilt das Männchen bei ihm, da fliegt das Weibchen piepjend in die Buche und lockt das Männchen hinter jich her. Eine dicke jchwarze Wolke krieht am Himmel herauf und jchiebt die Sonne fort. Der Specht, der eben noch jo laut am Hornzacken der Eiche den Wirbel jchlug, jtellt jein Trommeln ein. Derklungen ilt der Kohlmeije Srüh- lingsgeläute. Ein Regenjchauer prajjelt durch das Geält, der Wind fegt das Sallaub über den Weg, dürre Alte poltern zu Boden. Still und jtumm, ab und zu verzagt piepend, rutjcht der eine Kleiber an der Wurzel der rotfaulen Eiche herum, nah Srojtipannern juchend. Bier wird ein Weibchen veripeilt, dort ein Männchen entflügelt und verjchluckt, da ein Käfer aus dem Mlooje gezerrt und dort eine Duppe aus der Wiege gemeißelt. Und in der Krone der Eiche jagt der andere Kleiber. Keiner von ihnen denkt mehr an Locken und Lieben und jtumm bleiben beide den ganzen Tag. Kaum, dab die Sonne am andern Morgen wieder da ilt, da Ichwirren die Spechtmeilen aus ihren Schlafhöhlen. Er wohnt in einem Starkajten und lie in einem Spechtloche. Wieder flötet das Männcdyen hoch vom Eichenalte vierteljtundenlang in den Wald hinein, treibt wieder das Weibchen hin und her; inzwilchen wird der Magen nicht vergeljen, fleifig Jagd auf allerlei GBeziefer gemacht, auch Tannenjamen aufgeRlaubt und am Sutterplat die Spekichwarte noch blanker gemeißelt, als jie jo jchon ilt, dann wieder ge- pfiffen, dab es eine Art hat, und gejchwiegen, wenn die Sonne vor den 356 Dr. Bethge. Weisser Hirsch B. Dresden, 7. Dezember 1905. Kleiber. Wolken jich verjtecken muß, und wieder gepfiffen und geflötet, Iacht der Himmel wieder, und ijt er wieder trübe, wieder emjig in allen Riten und Spalten umhergejtöbert. So geht es heute und geht es morgen und übermorgen und nocdy mandhen lieben langen Tag. Wenn der Schneefturm den Boden weil; färbt, ilt der Kleiber till. Leckt die Sonne den Schnee fort, ertönt wieder das laute Geflöte. Und jeden Tag Rlingt es lauter und länger und Iujtiger, immer jtürmijcher wird das Männchen und wenn aud das Weibchen jich Iträubt und ziert, eines Tages wird es mit dem Gejpielen doch einig. Nun find beide immer on der Eiche bejchäftigt, in der das Spechtlodh ilt, in dem das Weibchen im Winter jchlief. Im Jahre vorher brütete der Star darin. Der wird fich wundern, wenn er wiederkommt und die Türe verjchlojjen Findet. Hicht umjonjt heiht man Kleiber. Und darum fliegt man nad dem Iehmigen Borde des Grabens und hadt da herum und jchleppt ein Lehm- klümpchen nach dem anderen zu dem Spechtloche in der Eiche. Eins nad dem anderen wird in das Slugloch geklebt und hübic, feit geprefit und glatt 357 gejtrichen, und immer mehr Lehmklümpchen werden geholt und auf die anderen geklebt. Wenn es auch erjt unmöglich erjchien, das Werk, der Tag hat viele Stunden und die Stunde noch mehr Minuten, und wenn zwei ge= lernte Töpfer an der Arbeit jind, dann geht es jchneller, als man denkt, und die Sonne hilft dabei, und zur rechten Seit ilt alles fertig und das große Spechtlocdh zu einem winzigen Löchelchen zugeklebt. Der Star kommt aud), aber zu jpät. Er jteckt den Kopf hinein, zieht ihn zurück, Rreijcht ärgerlich, flattert um die Eiche, krallt ji an das Sluglodh, jieht einmal hinein und noch ein dutendmal, fliegt weg, Rommt wieder, bejieht jich jeine alte Woh- nung nod; einmal und madıt, dab er fortkommt. Die Kleiber aber jchleppen trockene Blätter heran und richten jich häuslich ein. In aller Seelenruhe brütet das Weibchen ihre acht weißen, hübjch rot getüpfelten Eier aus. Dor dem Marder und der Eichkabe braudt jie Reine Angit zu haben; der Lehmring hält feit und widerfteht den Ichärfiten Krallen. Nach zwei Wochen aber gibt es Arbeit. Acht Schnäbelchen jind zu füllen und inzwilchen ijt immer nod) das Heit rein zu machen. Alle Augenblicke liegt ein dickes, weihes Klümpchen darin und das muß vorjichtig, damit die Schleimhülle nicht reißt, angefaßt und herausgebraht und fortgetragen werden. Und jelbit muß man auch tüchtig freijen, damit man bei Kräften bleibt, und jo ilt nicht viel Seit übrig für das Flöten und Pfeifen. Aber dafür gibt es im grünen Maienwalde auch Sutter in Fülle, fette Käfer und zarte Räupchen, jaftige Spinnen und leckere Maden und die Fühe Schlagjahne, die die Menjchen im Wirtshauje in den Schälchen jtehen lajjen. Es läßt jich \chon leben, bejjer als im mageren Dorfrühling. So ein dicker Maikäfer, das ilt ein Dergnügen. Erjt das eine Bein ab- gemeihelt, dann das zweite, und jo eines nach dem anderen. Dann müjlen die Slügeldecken herunter und darauf die Slügel. Wie jchnell die Kinder das lernen. Und wie hübjch jie gleich Rlettern Rönnen, viel eher als fliegen. Damit hapert es zuerjt nocy und jo krabbeln jie jo lange um das Miltlocd herum, bis eins nach dem anderen die Sittiche prüft und findet, dab darauf aud Derlaß ilt. Dann beginnt erjt das jchöne heimliche Leben in den dicht: belaubten Eichenkronen, wo es von Wicklerräupchen und Käfern und Wanzen und Sliegen und Schnaken und jonitigem Getier wimmelt, das lujtig zu fangen und gut zu ejjen ilt. Und das Hauptvergnügen ilt, eine dicke Hornilje zu fangen und mit jchnellen Schnabelhieben zu betäuben, daß jie nicht dazu Rommt, ihren giftigen Dolch zu gebrauchen. Noch mehr Spaf macht es freilich, einen Heldenbok am Sühlhorn aus dem Loch zu ziehen. Wenn er auch nod) jo hampelt und jtrampelt und fiedelt, es hilft ihm nichts, er wird totgehackt und veripeilt. Die Baumjchwämme, die mit Käferlarven gejpickt jind, werden von oben und unten bearbeitet. Jeder faule Alt, in dem Schnakenmaden wühlen, 398 — => Ken Be) — „= pr S =, Le] ıNn = = _ o — = je} te) = © Ne) ._ o — .. md Junge, nordamerikanijche Kleiber. wird zerfajert. Kaum daß ein glänzender Practkäfer den grünen Kopf aus der Borke jteckt, hat ihn der jpite Schnabel jhon beim Wickel, und der Borkenkäfer, der gerade beginnen will, für feine Eier ein Löchlein in die Rinde zu bohren, Rommt nicht damit zu Ende, denn piepjend kommt die Spechtmeije angeklettert und zieht ihn aus der Rinde, um dann die vollgejaugte Stehmücke zu verjchlingen und hinterdrein eine Raupe wegzunehmen, die ji an feinem Saden zu Boden laljen will, um jich im Mooje zu verpuppen. Auch im Laube und Gekräut wird umhergejucht, denn da wimmelt und krimmelt allerlei, was wohljchmecend und nährend ilt. So leidet die Samilie Reine Not und wenn der Berbit in das Land kommt, erjt recht nicht. Denn nun reifen die Bucheckern in ihren rauhen Hüllen. Anfangs muß man jie herausklauben, bald aber fallen fie von jelbit aus und nun hüpft der Kleiber im raljelnden Laube umher und jorgt für den Winter. Alle Riten jteckt er voll und in jeden Spalt kRlemmt er die drei- Rantigen Srüchte, und mit den Bajelnüffen und Eicheln macht er es ebenjo. So Rann er getroit in die Sukunft jehen und jelbit, wenn Rauhreif den Baum umkrultet, findet er immer noch Sutter genug, denn genug Schmetterlings- puppen jiten unter dem Moofe und hinter den Slechten und im faulen Bolze jteckt mancherlei Gewürm. | Außerdem hängt der Menjch hier und da in den Gärten und Anlagen Knochen auf, an denen noch mandes Sleilchfegchen fit, und Speckjchwarten, an den Sutterpläßen gibt es Hanf, Mohn, Rübjen und Sonnenblumenkerne, verdorrte Dogelbeeren liegen überall im Walde, in den 3apfen der Tannen und Kiefern jtecken Samen in Menge und jo läßt es ji) jchon den Winter über aushalten, bis die jchönen Tage wieder kommen, da auf dem Acker der Huflattih wieder blüht und im Wald der Hajelbujch und der Kleiber wieder vom höditen Eichenait feinen Srühlingspfiff erichallen läßt. 361 Der Gartenrotihwanz. Don Elje Soffel. Tag will es werden über dem kleinen Ort. Mod) jind die eriten Slammen nicht am Himmel emporgezuckt, der in dämmerigem braublau traumhaft über der Erde hängt, aber ein leijer Wind hat fich jchon erhoben und jtreift über Wege und Gärten, dal die jchlummertrunkene Schöpfung erbebt. Wie jachte Kunde vom Erwachen teilt es jicy mit von Blatt zu Sweig, vom Baum zu jeinen Bewohnern, und die Tiere geben jie weiter an den Nlenjchen. Aus mancherlei Kehlen, mit mancherlei Stimmen, janft und gedämpft, munter und freudig, laut und eindringlich tönt es: der Tag erwacht. Nicht alle Stimmen erheben jich auf einmal: allmählich nur geht das Erwachen vor Jich, Tangjam ilt der Übergang von der Nacht zum Tag. Schweigt das Morgenlüftchen, hat das Slüjtern der Blätter und Sweige, das Raujchen der Bäume das Nahen der Sonne verkündigt, jo jeßen leije, leije, oftmals unterbrodyen wie von wiederkehrenden Träumen, die erjten Dogelitimmen ein. — Do die Landitrahe aus dem Dorf hinaus ins Weite führt, liegt ein großes, freundliches Haus. Ein Garten umgibt es; jenjeits, wo diejer durdy einen Saun begrenzt, ein Ende nimmt, folgt ein jchmaler, anjteigender Wiefenitreif. Steht man unterhalb der Böfchung, fo jieht man einen kleinen Bach wie ein jchmiegjames Metall- band leuchten. Kopfweiden jtehn daran, alte hundertmal bejchnittene, die ihre dünnen Ruten wie Spieße in die Luft jtrecken aus dem rijlig vernarbten MWulit. Wo der Gemüjegarten des Haules in den alten Baumgarten übergeht, itehen unter jungen, erit gepflanzten, jtrebjamen Bäumchen einige Deteranen. Geipalten ilt der Stamm, jo daß man in eine jchwarze Höhlung Jieht, jchief der Stand, abjonderlid”) und ausdrucksvoll die ganze Erjcheinung eines jolhen Baumes, jo da man den Gedanken nicht los werden kann, es mit einem Wefen zu tun zu haben, das jein eigenes Leben gelebt hat und jeine Sorm vom Schickjal empfing wie wir Menjchen. Noch hat der Hahn nicht gekräht, die Schwalbe ilt nody nicht wach, da tönt von dort her das erite Morgenlied. Leije, ganz leile jeßt es ein, jo recht der Laut für die janfte Dämmerung draußen. Als ob das Dögelchen jelbjt nur langjam zum vollen Bewußtjein käme. Ein fanfter, fragender Locruf. Suerjt nur einmal, und leife, von langer Pauje gefolgt. Dann öfters, immer noch von kurzen Swilchenpaujen unterbrochen, heller und jtärker. Aber noch, ilt nichts von 562 RN, Sofel. Siebeneich, Juni 1908. Gartenrotjhwanz, Männchen, auf einer Hollunderblüte. dem Kleinen Sänger zu jehen. Er jitt jtill und verborgen und jcheint ic jelbit in den Tag und das Erwachen hineinzulocen. Im Ojiten flammt es jegt plößlih auf. Mit Glut übergojjen ilt mit einem Male der Giebel des Haujes, die hellen Siegel Itehn im Feuer, in Glut getaucht find die Spiten der Bäume, und im Bach oberhalb des Gartens glänzt der Widerichein der Sonne wie tiefes, heihflüjliges Gold. Das jcheint den Kleinen Tagesboten in den Sweigen des alten Birnbaums zu alarmieren. In zierlichem Bogen, feinen Locruf mehrmals hintereinander rajch und munter ausjtoßend, Shwingt er jidy mit plößlichem Entichluß von jeinem bisherigen, verborgenen Pläßchen auf den hödhiten Sweig des nädhiten Baumes, jißt mit emporgehobenen Serjen und heftig rüttelndem Schwänzcden, wobei er unaufhörlich Knickit und KRopfnickt und die Ichwarzen Augelchen munter und Reck umbherblicken. JIjt es nur der Widerjchein der Sonne, der jein Gefieder jo feurig färbt? Wie friichgefallener Schnee glänzt es auf dem Kleinen Köpfchen, über den dunkeln, Tebhaften Augen, die mit dem auffallenden Kontrajt ihrer Umgebung — blendend weil die obere Stirn- 565 -pojaonpyz wau ud Bupdusylayg wag aoa (ualpuupyt sppaa wpgua syuy) Euvmlplyoausyıvg "go6r zung “ar4nyaytoy uaSuads "sy "pojaonoyz wos u yloyt wog aoa ualp£unmlplygoauayang dung "go6r ung “aygnyayzoy aldusdsS "My hälfte, Rohlichwarz die untere, Jowie die Kehle bis zu der jchön roitroten Bruft herab, nod; feuriger und fait fremdländilch wirken. — Er hat ich den erhöhten Standpunkt ausgeljuht, um nun erjt mit dem Dortrag feines eigentlichen Liedchens zu beginnen, zu dem alles bisher Gehörte nur die Einleitung ge- welen. Das Rleine Körperchen, das jich nad) dem Anfliegen jo lebendig gezeigt, it zur Ruhe gekommen, das prächtig rote Shwänzchen hat das Rütteln, das feurige Köpfchen das Nicken eingeltellt. Das eine der zarten, |hwarzen Süfchen ilt hinaufgezogen bis zum leuchtenden Weiß des Bauches. Das Tierchen jitt jtill, offenbar ganz und gar der Andacht jeines Liedchens hin= gegeben, das nun anhaltender und voller, in janften, flötenden Lönen erklingt. Nur aus wenigen Strophen beiteht es, fajt ein wenig |hwermütig mutet es an, durd; die abwartenden Paujen, die dem rührenden Gejängchen etwas Nachdenkliches, Ernites geben. Ein echtes Dämmerungsliedchen, Janft und träumerilch, zart und gedämpft, am hellen Tage durch die kräftigen, lauten Stimmen anderer Dögel verjchlungen und übertönt, aber unendlid) jü} und weich, verheifungsvoll und tröftend am Morgen, wo im Swielicht aud) die menjchliche Seele geöffnet und empfänglich ilt für heimlich-zarte Eindrücke. Bald, jhon nach einer Stunde erjtirbt es im hellen Durcheinander anderer Stimmen und nur der Eingeweihte und Kenner hört in dem allgemeinen Jubel hin und wieder das Stimmchen des Gartenrotjchwanz tönen, janft und verloren wie an vergangenen Traum und Dämmerung gemahnend. * * * Mittag ilt es geworden, die Giebeljeite des freundlichen Haujes liegt im Schatten, um jo fchöner jcheint die Sonne der leften Apriltage über dem nach Süden gelegenen Baumgarten. Die alten Apfel: und Birnbäume jcheinen ihre trockenen Alte wohlig zu dehnen in der belebenden Wärme, die jungen freun ji) ihres Srühlings und Wachstums. An der Südjeite des Gebäudes, die dem pralliten Sonnenlicht ausgejegt, in blendendem Gelbweiß leuchtet, zittert ein lebendiger, Kleiner Schatten auf und ab. Salt nicht zu erkennen durch die beflügelte Schnelligkeit der Bewegung ilt der Rleine Slieger. Hin und wieder einen Augenblick hält er jich, die zarten Sühchen an den Leib gezogen, unaufhörlicy mit den Slügeln jchlagend, das Shwänzchen nad) unten gebogen, um den Rleinen Körper in der Balance zu unterjtüßen, in der Luft; er hat wohl in einer Rite der Mauer ein paar müde Sliegen entdeckt, die vor den Aprilichauern der leßten Tage hier Suflucht gejucht hatten. Ruck- weile jtößt er den dunkeln und pfriemförmigen Schnabel hinein in den Spalt, um die gejuchte Beute herauszubefördern und zu verjchlingen. Dabei hält er nad) jedesmaligem Schlucken einen Augenblick inne mit einem kleinen Seiten= blik, ehe er weiter jucht, jett jich audy wohl jcheinbar ermüdet vor die GBeranien auf die breite, einladende, jchneeweif; getünchte Seniternijche, wo 566 rlogau, Funi 1908. Glog Gartenrotihwanz, Männchen vor jeiner Mijthöhle. jein Körperchen einen zarten Schatten zeichnet und nickt und verbeugt jicdh, rüttelt mit dem Schwänzchen und madıt einen hödjit erregten und temperament- vollen Eindruck, zu dem freilic) die ausgejucht eigenartige Kleidung einen großen Teil beiträgt. Da ijt es nun plößlich um die Ecke mit Iautem „‚fuid, fuidstick, tick“ in zierlichen Bogenlinien über den Garten hinaus, hinüber an den Bad, wo es jich auf eine der alten Kopfweiden jeßt und aufs neue das aufregende Gebaren von vorhin wiederholt, jich auf die Sehen itellt und der inneren Erregung durch das unruhige Spiel des ganzen Körpers Aus- druck gibt. Diesmal aber jcheint ein bejonderer Grund zur Aufregung vorhanden zu jein, denn über dem kleinen Bach drüben nickt und rüttelt es ebenfalls und verrät jich dadurch als zur Familie gehörig. Anders würde man aud in dem fait grasmückenartig bejcheiden gefärbten Dögelhen Raum das Weibchen unjeres Bartenrotjhwanz erkennen können. Es jieht weit janfter aus als das Männchen durch die minder lebhaften Sarben, die es auf die Entfernung fajt grau erjcheinen laljen; nur der echte Rotijhwanz und das lebhafte Ge: baren deuten an, wohin es gehört. Mit freudigshellem Locruf ilt das Männchen hinübergeflogen. Das Weibchen aber hat die Einladung offenbar nicht jo ernjt gemeint, oder plößlich, andern Sinnes geworden, jeine Suvor- Rommenbheit bereut. Dielleiht auch möchte es den Bewerber mit Jich locken, jeine Ausdauer auf die Probe jtellen ? Es fliegt von jeiner Weide ab, hinüber auf den nächliten Baum, von da weiter, durd) niedriges bebüjch eine Seitlang flatternd, und endlich über den Gartenzaun in den Baumgarten, immer das Männdyen nach Jich lockend durch Janften Ruf und immer wieder abfliegend, jobald diejes jich nähert. So geht es eine ganze Weile fort, das Locken, Jagen, Suchen und Sinden, bis endlich beide, müde geworden, jidy auf einen der alten Bäume im Garten jeßen, das Männchen auf die oberjte Spitze, das Weibchen in einiger Entfernung davon, dem Liedchen laujchend, das er ihr von oben herunterjingt. Die Strahlen der Abendjonne liegen warm und golden auf dem Rajen, hängen in den Kronen der Objtbäume und ihrem Blätterwerk, gleiten an den Stämmen entlang. Das Männden jißt und lingt, jelbjtvergejlen. Das Weibchen horcht, pußt ji, macht fi) ein wenig zu |haffen auf jeinem Sweig und ijt ganz voll Erwartung: das Nejt drüben in der alten Weide ilt fertig zum Bezug. * * * Wochen jchweren Sorgens und rajtlojer Arbeit jind für das Pärchen veritrichen. Wenige Tage nachdem das Neit in der MWeidenhöhle, jhon im Dorjahre einmal bezogen, die Iete Ausbeljerung erhalten, hatte das Weibchen leine Eier hineingelegt, jieben blaugrüne, zartjchalige Eierchen. Sie lagen hübjch weich, denn das Innere des großen Nejtes war ganz mit Sedern und Haaren ausgekleidet, die der Wind über den Saun des beflügelhofes getragen hatte, jujt den Hejtmaterial juchenden Eltern entgegen. Das war willkommene Babe. Ein Slökchen Wolle, Halme am Bach aufgelejen, Würzelhen und Moos haben es fertig machen helfen. Dann Ram die Seit des Stillejigens. Dolle dreizehn Tage jah das Weibchen, vom Männchen jorgjam gefüttert und angejungen und einmal des Tags, um die Mittagszeit, von iym abgelöft. Wie aber wuchlen erjt Sorge und Aufregung, als die jieben aus dem Teit gejchlüpften Jungen die Alten von früh) bis jpät in Atem hielten! Unaufhörlic) galt es nach Ehbarem unterwegs zu jein, um die immer hungrigen kleinen 568 ı# Er ie a } ar N K. Soffel. Szebeneich, Juni 1908. Gartenrotjhwanz, Männchen in einem Weinjpalier. Dögel I. 24 NR. Paul, Juni 1908. Gartenrotjhwangz, Männchen mit Sutter vor dem Sugang zu feiner Nifthöhle in einer Akazie. Mägen zu füllen. Unter den Nlücken und andern Injekten, die, jicy ebenfalls ihres Lebens freuend, im Sonnenjchein am Hausgiebel oder über den Baum: kronen tanzten, wurde tüchtig aufgeräumt, mandes Räupcden, das an einem Blatt oder Grashalm feine Mahlzeit hielt, wurde jelbit zur Mahlzeit de- gradiert. Auch Rleine Schmetterlinge und nicht allzuhart gepanzerte Käfer mußten dran. Das Nahrungjuchen war aber nicht die einzige Sorge. Ebenjo große falt war der Schuß des Nejtes. Wäre der Habicht nicht neulich über die Eliter gekommen, jo hätte jie jich über die Jungen gemadt. Und fie war 24 * 371 es nicht allein, die ein Auge drauf hatte. Holzhäher aus dem Walde drüben umflogen oft das Meit und der Junge aus dem großen Hauje wollte es wohl ausnehmen, wenn ihm nicht die Alten jo dicht vor den Augen gewejen wären, dal er den Mut verlor, die Hand danad) auszujtrecken. Unaufhörlich ertönte dann das „tickticktickticktick”, mit dem fie um den Angreifer herumflogen und Kopf und Schwänzchen wollten nody lange nicht zur Ruhe kommen, auch als die Gefahr vorüber war. Aber nad) einiger Seit waren die Jungen doch unverjehens groß ge= worden und fünf von ihnen jaßen heute zum erjten Male auf dem Sweige über dem lejt und jchüttelten die Rurzen, vötlichen Schwänzchen. Die Eltern flogen ab und zu nad) Sliegen und Rleinem bewürm, um es den begierig die weiten Schnäbel aufjperrenden Jungen zu bringen. Sür Jie it diejer Augenblick von aufregender Wichtigkeit, was jie durch ein womöglich no lebhafteres Wejen als jonit bekunden. Und die Jungen jcheinen es ihnen nachtun zu wollen, nod) ehe jie das braungewellte Jugendkleid mit dem viel: farbigen der ausgewachjenen Dögel vertaujcht haben. Salt vorwigig und altklug erjcheint die Rleine Gejellichaft, die die Heugier ichon jo früh aus dem Meit getrieben, wie jie da auf ihrem Sweige fißt, das Bild Rindlicher Unfertigkeit, troßdem mit ungeduldigem Auf» und Tieder- \hlagen des Schwänzchens, frech fordernden dunkeln Auglein und vorlauten Schnäbelcdhen ! Swei Tage jpäter jind auch die zwei Nejthäkchen zum erjten Ausflug kräftig genug, nad) nod) einigen weiteren haben fie alle das Sliegen und Mückenfangen, die Freuden und Gefahren ihres Lebens kennen gelernt, die Eltern Rönnen jid) ihretwegen beruhigen und zur rechten Seit zur zweiten Brut jchreiten. * * * Die leßten Tage des Monats Auguit jind gekommen. Ylodh |trahlt der Himmel in tiefem Blau, aber an den Obitbäumen im Garten hängen Büjchel gelber Blätter und der wilde Wein an der Hauswand beginnt lich zu färben. So jtill ilt es geworden. Wo vor Wochen täglich, vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung das fleikige Liedchen des Gartenrotijchwanz ertönte, in den Sonnenjchein hinausjubelte, oder mit dem monotonen Sang des fallenden Regens zujammenklang, liegt das Schweigen des kommenden Berbites und kaum jieht man, durd) Teiles Rajcheln im Gebüjch aufmerkfam gemacht, den Rleinen Sänger mit der Nahrungsjuche bejchäftigt, unter dem lihter gewordenen Blattwerk flattern und hüpfen. Die Seiten find aud) knapper geworden, Injekten und Würmchen felten und der Hollunderjtraud an der GBartenmauer ijt mit feinen Beeren willkommenes AuskRunftsmittel. Dort jteht das Dögelchen auf einem der dünnen Sweige. Ein Reit der alten 572 R. Paul. Glogau, Juni 1907. Gartenrotihwanz; Weibchen am Nejt mit Jungen. Sebhaftigkeit ijt ihm doch geblieben, es wippt erjt ein paarmal mit dem Schwänzhen und macht Bücklinge, wobei es die Auglein munter umher- jchweifen läßt, bevor es eine der jchwarzen Beeren mit dem Schnäbelchen ergreift und, das Körperchen feit gegen den Sweig jtemmend, mit energijchem Ruck zu jich herüberzieht. Bald ift die Zeit des Wegzugs gekommen, nur nady Tagen nod; zählt fein Aufenthalt. Schon jammeln jich feine Derwandten familienweile zu ihrem Sug nad} dem warmen Süden. Unterwegs verweilen jie wohl nod) da und dort; nicht überall nimmt der Sommer gleichermaßen rajh Abjchied, an manchem Sleckchen hat er noch etwas von Jeiner Fülle gelajjen zum letten Genießen. Sangjam rücken jie weiter, des Nachts wandernd, unter dunklem Himmel der Sonne zu. Aus allen Ländern Europas, aus dem Kaukajus mit feinen Schneegebirgen, wo der kleine Galt gleichjam als Snmbol jeines Auf: enthalts weißgefleckte Schwingen trägt, aus dem weiten Sibirien jtrömen jie nach wärmeren Gegenden, auf ihrem ug bis ins Innere Afrikas vordringend. Naht aber ihrer Sommerheimat der Srühling wieder, jo kehrt aud; die 375 N. Soffel. Szebeneich, Juni 1908. Gartenrotjhwanz, Männchen in einem Weinjpalier. Unruhe des Wandertriebs bei ihnen zurück. Mangel hat fie weggeführt, un- bewußtes Sehnen nach dem Ort, wo ihre Wiege jtand, treibt fie wieder dorthin. Einzeln diesmal eilen fie, von linden Lüften in ihrer Srühlings- hoffnung bejtärkt, der nordilchen Heimat zu. Noch ehe das Hoffen aller volle Erfüllung gefunden hat, jind fie da, ganz ihrem Liebeswerben und der Sorge um den künftigen Hausitand hingegeben. Die Aprilfonne jcheint wieder über dem alten Baumgarten, vielleicht jtrecken aucd die alten Deteranen nod) einmal ihre Äjte und Sweige der wohlig belebenden Wärme entgegen, das Männchen aber jißt auf der oberjten Spife und verjuht — daß es aud) etwas hinzulerne —, jeinem Liedchen den Schlag des Buchfinken einzuver- leiben, der täglich zu ihm herüberklingt. Swijchen den Bäumen durch geht der Hausherr, er bejieht ich jeine Alten, ob fie wohl heuer nod) einmal treiben ? Er jieht den alljährlichen Kleinen Gajt nicken und jchwanzrütteln und hört das Sängchen, das ihn mand) traulichen Morgen geweckt zur Arbeit. Und wäre geneigt, dem Kleinen Schelm zu verzeihen, aud; wenn fein Bienenraub nachgewiejene Sadıye wäre. Der Bluthänfling. Don Martin Braeß. „Thüringer Waldkonzert!”" Der alte Slickjchulter des Kleinen Gebirgs- dorfes möchte es nie und nimmer entbehren; von früheiter Jugend it er daran gewöhnt, jahraus jahrein Gejang bei der Arbeit. Drei kleine Draht- bauer find es, welche die munteren Sänger beherbergen; an der Wand hängen fie in der Werkitatt, unweit vom Seniter. Der erite Strahl der aufgehenden Sonne ftreift im Srühling und Sommer die Rleinen Gefäng- niffe, daß ihre Infaflen gar fröhlich zwitjchern und fingen und es kaum erwarten können, bis ihr Pfleger zu ihnen tritt, fie mit Sutter und Waljer verjorgt und dann die Bauer hinaushängt vor das geöffnete Seniter. Das it ein froher Gejang, vom Morgen bis Abend fait ohne Pauje. Oft legt der Alte den Hammer beijeite, jtüßt das Kinn auf die Hand und laujcht jedem einzelnen Dogel. „Didlit“ lockt mehrmals der bunte Stieglit, dann jchlägt er feine Rleine, perlende Strophe mit den rajch Jich folgenden Tönen „pickel- nick pickelneia“ ; auch) andere wohlklingende Touren jchaltet er ein und hübjche pfeifende Laute. Dazwijchen jchwaßt der grüne deijig jein itereotnpes „‚dididlidlideidääh”, den breiten, Rreilhenden Schlußton jo drollig in die Länge ziehend, als fei’s der angenehmite Laut von der Welt. Und der dritte im fröhlichen Bunde, das ijt der Hänfling, der beite Sänger unter den heimifchen Sinkenvögeln, der über einen großen Reichtum anjpredhender Melodien verfügt und über flötende Töne. Nur die Einleitung wird etwas rauh vorgetragen und ab und zu ein paar Laute in der Mitte des wohl: Rlingenden Lieds, das Zeugnis gibt von dem Seuer, von der Leidenjchaft in der Bruit des fleihigen Sängers. Der Hänfling ijt entichieden der Liebling des Alten; im vorigen Jahr erit hat er ihn gar liftig gefangen im Sprenkel, das er angebradjt hatte zwilchen den jamentragenden Hanfitauden im Garten. Anfangs war der Wildfang recht unbändig, jelbit im verdunkelten Käfig; aber nad) ein paar Wochen jchon hatte er jich ausgejöhnt mit feinem Schickjal und lohnt nun durd; unermüdliches Singen den täglich gejpendeten Rübjamen und Mohn, dem von seit zu seit noch ein paar Hanfkörner beigemijcht werden als Seckerbijien. Der vorige Hänfling war im letten Srühjahr geitorben — 979 gejund und tot — noch eben hatte er gejungen, dann war er niedergefallen von jeinem Sprunghol3 und war verendet. sehn Jahre lang war er der Stubengenojje des alten Schulters gewejen; nun galt’s einen Erjab. Statt des Stieglib, der jo jelbjtbewuht jein prächtig gejchmücktes Kleid trägt, genügt au ein Budhfink, jtatt des Seiligs wohl aud) ein Gimpel oder ein Kreuzjchnabel; aber ein Hänfling kann durd) Reinen andern Sänger erjeßt werden; er ilt die Hauptkraft im Iujtigen „WaldRonzert” daheim in der Stube, und jo mußte es wieder ein Hänfling jein. Es jtreifen ja im Srühling und DHerbit jo viele umher. Die Natur wird nicht ärmer, wenn jie einen hergibt aus ihrem Ülberfluß, und das Herz des einfamen Mannes wird reicher an Sreude. Ein biichen Dogelfang zur Sug= und Strichzeit, der Alte verjteht ji gut darauf, und droben im Wald jo mandyer Häusler, dem man’s nicht anlieht, daß er jchon oft das Reichsgejeß übertreten. Ein präctiger Dogel war der Hänfling, als er im Spätjommer ge= fangen ward, ein richtiger ‚„Bluthänfling”, mit jchönitem Karminrot auf Scheitel und Bruft; bald aber verblafte das herrliche Rot im Käfig, es ward gelblich, unjcheinbar ; dann maujerte jich der Dogel im Berbit, und heute iit Reine Spur mehr zu erkennen von dem früheren Schmuck. Wie bei dem Kreuzjchnabel ilt’s, da verjchwindet ja audy das rote Gewand in der Stuben luft und bei der veränderten Nahrung, während der Stiegliß den roten Tupfen am Dorderkopf in der Gefangenjchaft friich erhält jelbjit lange Jahre hindurdy. So ilt der Hänfling der am jchlichteiten gekleidete Mufikant des lujtigen Trio; aber drinnen, da wohnt’s in der Brult, der Ieidenjchaft- lichite, der genialjte Sänger ilt er troß des einfachen Kittels; das ganze Jahr lingt er, bis auf den Mlonat, in welchem er maujert. Ein eigentlicher Sugvogel it der Hänfling nicht, wenigjtens nicht in unjern Breiten; wohl vermißt man ihn hie und da jelbit in gelinderen Wintern, aber in weiterer Umgebung, bejonders an gejchüßten Stellen und an Orten, die ihm aucdy während der rauhen Jahreszeit einige Nahrung bieten, begegnet man ihm öfters in ganzen Scharen. Starker Schneefall ver- treibt die hungernden Dögel dann wohl plößlid; aus diejem Afyl; fie jtreichen weiter, juchen nach jchneefreien Stellen, wo jie rajten, bis ein neuer Schnee= iturm fie forttreibt — wohin? ... Schnell fördert der Slug, und hie und da finden jich dody Orte, wo der Schnee nicht alles verweht hat und nod) einige abgeitorbene Kräuter und Stauden aus der weißen Decke herausragen mit ihren Köpfchen und Rijpen voll nahrhafter Samen. Am jchlimmiten freili wird für die Dögel anhaltender Rauhreif und Glatteis; denn bei jolhem Wetter jind die Riten und Sugen an Stamm und Ajtwerk ver: ichlojfen, und über dem lockeren Schnee hat ich eine fejte Krujte gebildet, die dem Rleinen Schnabel und den Ihwacen Sühen des nahrungjuchenden Dogels unüberwindlichen Wideritand leiltet. Da geht jo manches Döglein 976 R. Paul, Glogau, Mai 1900. Bluthänfling am Nejt mit Jungen. ein, das jich freute auf den kommenden Lenz, und die abgeweßten Sederchen am Grunde des Schnabels legen trauriges Seugnis ab von dem vergeblichen Kampf, den es geführt hat mit der harten Eiskrulte, die ihm jede Nahrungs- quelle verichloß. Im März paaren fic) die Hänflinge und juchen ihre alten Brutpläße auf. Die Kameradfchaft mit den vielen Genofjen, die bisher treu zujammenhielten, geht dann in die Brüche. Ein dritter im Bunde, nur ein Störenfried ilt’s; fort mit ihm, und jei’s mit Gewalt! Am Meitbau beteiligen jidy beide Gatten, doch bejchränkt ji das Männchen in der Hauptjache darauf, Material herbeizutragen und es der Gattin zu reichen, die es zu einem netten Nejtchen verarbeitet. Auf die gröberen Stoffe der Außenwand folgt innen ein dichtes Geflecht aus feinen MWürzelchen, mit Fäden und dünnen Halmen durchwoben ; dann wird der halb- Rugelige Mapf jorgfältig ausgepolitert mit tierijcher oder pflanzlicher Wolle, auch einige Pferdehaare und Schweinsboriten werden hineingedrückt, und fertig ilt die niedliche Wiege für die zu erwartende Nachkommenjcaft, ein 977 weicher Bau, bei dem an wärmender Wolle nicht gejpart it. In der Wahl des Niltplaßes zeigen die verjchiedenen Hänflingspärchen einen recht ver- Ichiedenen Gejchmac ; doch Rehren jie in jedem Jahr gern zu demjelben Baum, demjelben Strauch zurück, der jich das leßtemal jo trefflich bewährte bei der Aufzucht der Brut. Bald jteht das Mejtchen nur wenig über dem Boden in einem niedrigen Wacpolder:, Tannen, Sichten- oder Tarusgebüjch, in den Beerenjträuchern der Gärten, in den Ranken von Weinitöcken, auf Sweigen von O©bjtbäumen am Spalier, in Reilighaufen und Holzklaftern; bald it es mannshod) in einer Weißdorn= oder Buchenhece errichtet, in den Schling- gewächlen, welche die Laube umgeben, in einem Holunderbujdh; bald aber thront es audy höher, oben in einer alten Linde oder Kajtanie, in der Blätterkrone von Ahorn und Buche. Jeder ÖrtlichReit weil jich der Hänfling auf das gejchicktejte anzupaljen, und wo Bäume fehlen, wie auf den friejifchen Injeln, da baut er jein Tejt in den üppig wuchernden Sanddorn, jelbit in Carerbüjcheln hat man’s gefunden, und auf ebener Erde. Naumann be- richtet von einem lejt im hohen Roggen, wo ein Büjchel Halme jid) Rreuzten, die dem Kleinen Bau trefflihhen Stand gewährten, und von einem andern im Giebel eines alten Strohgebäudes. Auf heidebewachjjenen Slächen bauen die Hänflinge fait am Boden im Schuße des niederen Gejtrüpps, au am Eijenbahndamm hinter einem trockenen Grasbüjchel hat man jchon das Meit unlers Dogels entdeckt, ja jelbit freilchwebend über dem Wajjerjpiegel zwilchen Wurzeln, die vom überjtehenden Uferrand herabhingen. Dod) das jind Ausnahmen; der liebjite Aufenthalt jind dem Hänfling Waldränder mit jungem Nadelholz, Hecken und Dornengelträudh an Wieje und Acker, Gebülch in Garten und Park; dabei ilt es ihm gleich, ob bergige Gegend, ob Hügel-, ob Slacdland; überall ilt der muntere Sänger bekannt in Deutjchland und den angrenzenden Gebieten. Im Worden geht er hinauf bis Drontheim, an jeder geeigneten Örtlichkeit trifft man ihn in der jüdlichen Hälfte von Schweden und Sinnland; aud Rußlands Kälte fürchtet er nicht, in der Breite von Petersburg brütet er noch an vielen Orten, nur ijt er natürlich in jenen nördlichen Gebieten weniger ein Strichvogel wie im mittleren Deutjchland, jondern ausgejprocdhener Sugvogel. Anfang April it das Mejtchen fertig, und bald liegen audy fünf, felten jehs Eierchen darin, die denen des Stiegli außerordentlich gleichen in Größe, Sarbe und Sorm; auf matten blaugrünlichem Grunde feine Pünktchen und Slecken von blut: oder roltroter, zum Teil auch jchwärzlicher Sarbe, namentlid; am jtumpfen Ende, das jie undeutlich Kranzförmig umgeben. Dreizehn oder vierzehn Tage lang jißt das Weibchen brütend im eit. Das ijt die einzige Seit im Jahre, wo man das Männden allein jieht; denn jtets ward er bisher begleitet von der liebenden Gattin; jtets flogen fie zujammen aus nach den Sutteritellen, die ihnen nod; vom le&ten Jahre bekannt waren, 978 unter die Erlen am Bad, um den ausgefallenen vorjährigen Samen aufzu- lejen, nach der Wieje, wo es aud) jchon im zeitigen Lenz manches zu picken gibt, Samen von Löwenzahn, Hühnerdarm, von Ehrenpreis, Hirtentäjchel- kraut ujw., nach dem Seld oder Garten, wo die grünen Spitchen der auf- R. Paul. Glogau, Mai 1900. Bluthänfling am Mejt mit Jungen. gehenden Pflanzen gekojtet werden, nach dem Quell oder Bad, wo ein friiher Trunk winkt, oder nad) dem Rande des Waldes, wo zarte Halme und Mürzelchen, nad) den Pappeln und Weiden, wo weiche Wollflökchen in Menge zu haben jind für den Nejtbau. JIett fühlt fich das fchmucke Männden, 979 dellen Stirn und Brujt von Woche zu Woche in immer jchönerem Karmin prangen, frei, und mit andern jeines Gejcylechts, deren Weibchen gleichfalls dem jtillen Brutgejchäft obliegen, macht es bisweilen größere Touren, jelbit nad) fernliegenden Seldern und Gärten. Das ilt ein fröhliches, wogendes Sliegen, ein gejchicktes Schwenken, ein rajches Herabjchiefen aus der Höhe, ein gewandtes Umkreijen der Stelle, wo jie jid) dann rajch niederlajjen und nun in haltigen Sprüngen am Boden dahinhüpfen oder auf den Stauden herumklettern, begierig nach allerlei Samen. Dann jchwingen fie jich auch gemeinjam empor ins Geält, immer einander lockend mit kräftigem „gäkgäckgäck”; fie jegen jid) gern hod) hinauf in die Spiten des Bujchs, auf den Wipfel des Baums oder auf jonit ein freies Ajtchen, und nun zeigen lie, was jie können: Slöten, Schmettern und Jodeln. Dann bejinnt ich der eine wohl jeiner Pflicht als Eheherr und jtreicht ab in bogigem Slug, und im Nu folgen die andern jeinem bejtändigen Locken. Ein paar Augenblicke wird noch gerajtet unterwegs auf den Fichten am Waldesrand ; dann geht es weiter. Aber o weh, den Sperber hatten jie nicht gejehen, der im Dunkel des Geälts auf einem Sub hockte, unbeweglich, lauernd auf Beute. In jtürmijcher Jagd hat er die abfliegende Schar erreicht, mit einem der langen Fänge faht er zu; wie ein Menjch mit der Hand die Sliege ergreift, die in der Luft jummt, jo packt er nach einem der Döglein. Gefangen und tot, das ilt eins; denn die Ipigen Krallen des Räubers dringen dem Armiten durch Gefieder und Haut, durd) Sleilch und durch Bein in die Lunge. Eine Schwenkung, zurück in den Wald, wo der Kleine Dogel gekröpft wird. Eifriges Locken führt die zer- Iprengte Schar bald wieder zujammen, und nad) ein paar Augenblicen jißt jeder im Bujdh, im Baum, in der Hecke, wo verborgen das Weibchen die Eier brütet. Nur im Lebensbaum vor dem Hauje da wartet und wartet die Gattin, das Unglück nicht ahnend, das jie betroffen. Wird fie allein die Jungen aufziehen, die den Eiern |chon in den nädjlten Tagen entjichlüpfen ? Wird ein ehelos gebliebenes Männchen ich zu ihr gejellen und ihre Liebe gewinnen in den Tagen der Tot? Wenn der Wonnemond einzieht, it das große Ereignis gejchehen: die Jungen jind da! Gejchäftig jtreifen die Alten nun wieder paarweije umher, nad) Sutter für die Kleinen zu juchen. Reid) it der Tijch gedeckt; es gilt nur, die zartejten Samen auszuwählen, wie die vom Löwenzahn, Habichts- und Täjchelkraut, von Hühnerdarm und verwandten Unkräutern. Mit den Schnabelrändern werden die Srüchtchen zerqueticht und dann im Kropfe er- weicht; ausnahmsweije erhalten die Jungen wohl auch einmal ein Rleines Injekt. Gemeinjam fliegen die Eltern nadı dem Baum oder Bujch, der das Neit trägt, halten ein Weilhen Umjchau von einem freien Athen; dann Ichlüpft der eine der Gatten durd das Blattwerk und füttert die Kleinen, Rommt wieder hervor, und nun äßt der andre die leije piepende Brut. 380 Dann fliegen jie wieder gemeinjam auf Wieje und Held, um nad) zehn oder fünfzehn Minuten von neuem heimzukehren mit Nahrung im Kropfe. So geht es den ganzen Tag von Morgen bis Abend. Iit Gefahr in der Tähe, Ichleicht eine Kae umher, jo warten die Eltern lange, ehe fie das Heit jelbit aufjuchen; erjt wenn der Lärm der Amjeln wieder verjtummt it und der Angitruf des Gartenrotihwänzchens, laljen jie einen janften Slötenruf hören, den die Jungen mit leilem Switjchern beantworten; die Befahr it vorbei, alles wieder in Ordnung, und die hungrige Kinderichar wird befriedigt, worauf jie jo lange gewartet. In ein paar Tagen |projjen den fait nackten Kleinen die eriten Kiele; nach einer Woche beginnen fie jich jchon Rräftiger zu bewegen, hin und her zu rücken, joweit es der winzige Raum erlaubt. Jebt reckt eins das Slügelchen aus über die Gejchwilter, dehnt jid) und jtreckt fich, und zehn oder zwölf Tage alt, flattert die Rleine Gejellichaft heraus aus dem lejtchen von Sweig zu Sweig bis hinauf in die Krone des Baums, wo jie nun unaufhörlic mit bittendem Gone nadı Sutter ruft. Es dauert nicht lange, jo folgen jie den Eltern nad) den Beeten im Garten, an den Seldrain, zur Wieje, und lernen es jelbit, vom Boden die kleinen Sämereien zu picken zwijchen Nelden, Lichtnelken und Labkraut, Stellarien und Potentillen, oder jegen jich wohl aud) jchon auf eine Doldenpflanze, eine Kompolite und unterjuchen die Blüten nach den jaftigen Körnchen. So werden die Kleinen anderthalb oder zwei Wochen lang von den Eltern geführt; fie lernen die ganze Gegend Kennen, freunden jich an mit den Kindern anderer Hänflingsfamilien, mit jungen Sinkenvögeln jeder Art, jind bald hier und bald da und verjchwinden jchliehlich aus der Gegend, wo ihr Neitchen geitanden. Mit Dorliebe juchen jie jeßt die Selder auf, wo der Sommerrübjen reift, auch Kartoffel: und Rübenjtücke, wo itets viel jamentragendes Unkraut wädjt zwilchen den Nußpflanzen ; flatternd lajjen jie ji) aus gleihem Grunde wohl auch nieder im hohen Getreide. Die Eltern aber find nody an die Scholle gebunden; jie jchreiten zur zweiten Brut, die gewöhnlih um die Mitte Juli flügge wird. Anfang Auguit Jind jie erlöjt von allen Elternjorgen, es müßte denn fein, daß eine der beiden Hecken vorzeitig zugrunde gegangen, wodurd; die ganze Kleinkinderwirtichaft ich um Wochen hinausjchiebt. Nun kommt der Herbit mit feinen Sreuden. Nahrung im Überfluß, warm nod; die Luft, und golden jcheint die Sonne herab vom tiefblauen Himmel. Da geht dem Rleinen Sänger noch einmal das Herz auf, jobald die Mlaujer glücklidy überjtanden; er jigt auf dem Lebensbaum oder der Snprejje des Sriedhofs, in der Schonung auf einer der Sichtenjpißen und jingt und flötet jein Liedchen aus voller Bruft, jelbit jpät noch im Herbite. Dann fliegt er der Schar jeiner Genoljen nach, mit denen er jich vereinigt hat zu fröhlicher Sahrt durch das Land, von einer Seldmark zur andern, vom Waldrand zu den 581 hohen Erlen am Bach, vom Stoppelfeld nad) dem Krautacer. Jett mijchen jie jich mit Heiligen, dann wieder mit Grünfinken, eine Strecke weit ziehen Seldjperlinge mit, und dann wieder jind’s Stieglife oder Buchfinken, denen lie jih ein Weilhen anjcliefen. So geht es hin und her, bald hier und bald da: ein jorgenlos Dölkchen, dieje Kleinen gefiederten Sänger. Naht dann der Winter mit Schnee und Eis, jo werden von vielen mildere Striche aufgejucht, aber eine große Anzahl hält doch tapfer aus auf ihrem Polften. Seid unverzagt! Wo jeßt die Erde in Sroit eritarrt, da |proßt nad) Rurzer Seit doch wieder junges Grün, und wo der Alt der Snprejje lic) neigt unter der Lalt des Schnees, wie bald wird er wieder euer Lejtchen iragen mit all jeinem Glück im verborgenen Winkel! Der Hausiperling. Don Martin Braeß. Dor Jahren waren es nur ein paar elende Hütten, die an den Tal- hängen jtanden. Armlic,) gekleidete Kinder tummelten ji zwilhen ange- pflöckten Siegen auf der Wiefe, die man dem Walde abgerungen hatte, während die Männer und Srauen mit jchwerer Holzarbeit bejchäftigt waren im Sorit. Der Bieb der Ärte hallte wider von einer Wand des Gebirgstals zur andern, daß er jelbit das jchnurrende Trommeln des Schwarzipechts übertönte, der hoch oben am verdorrten Sacen der einzeln jtehenden Kiefer jeine Künite zum beiten gab. Der Bau einer Schneidemühle war dann das erite große Ereignis, das die Gemüter der Waldbewohner bewegte. Bald folgte der Straßenbau durd das Tal; eine Bolzichleiffabrik entitand, feite Arbeiterhäuschen jcholjen an dem Rand der Straße hervor, ein Wirtshaus und weiter oben am Saum der Sichten und Tannen ein gajtliches Wohnhaus für die Sommerfrijchler, die jo gern die drückende Schwüle der Ebene, den Lärm der Grofitadt auf ein paar Wochen vertaufchen mit der frijchen, harzreichen Luft, mit der majeltätiichen Ruhe des Hochwalds. Derkehr talauf und talab. Die alte Tanne, deren Wurzelgeflecht das jchäumende Wafjer benett, jchüttelt den greifen Wipfel: die Welt ijt anders geworden; wo der Fuchs durd) den Tann jchnürte, wo der jtattliche Sechzehn- ender durchs Geält brach, wo man im Srühling dem Balzen des Auerhahns laufchte, da knallt heute die Peitjche des Suhrknechts, welcher die Bretter talab führt, die traurigen Rejte meiner Genojjen, mit denen ich Swielprady hielt im Braufen des Sturms — wie bald kommt die Reihe an mich! Slinke Rofje bringen auf der mählicdy jteigenden Straße bunte Ge- jellihaft aus der Ebene herauf, die Stille des Waldes zu jtören, und jelbit die Wieje, an deren Anblick die Seit mich gewöhnt hat, jie muß grauem Ackerland weichen, hier und dort hinter den Häufern; niedrige Kalme, jo dürr und fo hohl, jtatt himmelanjtrebender Fichten und Tannen, die einit- mals hier jtanden ! Auf den unteriten Alt der Rlagenden Tanne hat jich ein Dogel gejett, ein kleiner, plumper Gejell, dickjchnäblig, mit dülter afchgrauem Scheitel, mit weißlichen Wangen und tiefihhwarzer Kehle, jonjt bräunlicy und grau — 585 die Tanne jah ihn nod) niemals. „Was du jchimpfit,“ jo ruft er in jcheltendem Tone, „veriteh es, wer will; jeit geitern bin ich hier oben, und es gefällt mit, id) bleibe, jo lange mir’s paßt!“ Und mit jchnurrendem Slug flattert er nieder zur Straße, wo aud, jein Weibchen jißt und im Mlilte der Pferde mit dem Schnabel herumhact, nad) unverdauten Körnern zu juhen. Dann flattern jie hin vor das Wirtshaus und koiten den Hafer, den die Braunen in der Krippe zurückliefen. ‚Dieb, Dieb,“ jchilt der eine Dogel den andern; „Schelm, Schelm, der du bilt,“ erhält er zur freundlichen Antwort; dann laljen beide jich’s jchmecken. Da tritt der Wirt in die Türe. „Sieh, Spaben ! wer hätt” es gedacht; die eriten, die id) hier jehe! Habt ihr den Weg ge- funden vom Städtchen herauf bis zu uns? Ic) freu mich; gute Bekannte, die ich immer vermihte. Ihr gehört zu Ausjpann und Krippe, wie das Tüpfel zum i. Da, nod) ein paar Körner zur Feier des Einzugs!” ’s war |chon ein älteres Pärchen. Im lebten but vor dem Städtchen drunten im Tal hatten jie jeit Jahren gebrütet, hinter der Wajlerrinne am Wohnhaus, in einem berüjtloch der Mauer, auf einem Balkenkopf unter dem Ihüßenden Dach, einmal audy in den Taubenverjchlägen, und einmal drinnen im Reijig des Storchennejts auf der Scheune; aber heuer im Monat April, als jie jchon Heu, Halme, Sedern und Werg hinter den Holzverjchlag zu jammengetragen, erjchien eine Stange und zerrte alles heraus. Ein zweiter Derjud) ward gleichfalls vereitelt — warum hatten die Benojjen im vorigen Jahre den Srieden der Schwalben gejtört, die nun einmal des Gutsherrn Lieblinge jind! Hätten fie nicht jo liederlid) die Lappen und Fäden und ganze Büjchel von Halmen aus dem eroberten Hejte vorjchauen lajjen, wer weiß, ob’s der Hausherr gemerkt! So hatte er jich geichworen: „Ich wehre nun jedem Spaten, wo ich’s nur Rann, fein Heim bei mir aufzujcdhlagen; jie ver- treiben mir Schwalben und Stare, das Hausrotjhwänzchen, Badhitelze und jo mandyen andern Dogel!* Natürlicy glüct’ es nur halb. Hier brütete nad) wie vor eine Spaßenfrau in einem verjteckten Winkel an der Hinterjeite des Stalls, dort jah ein Männchen ungeltört weiter über den Eiern hoch oben in der runden Öffnung am Giebel, bis wohin die graujame Stange nicht reichte, und ein drittes und viertes Ehepaar hatte den Holunderbaum ji gewählt, der auf dem Schutthaufen jteht an der Mauer, von keinem beachtet. Doch unjer Pärchen 30g aus, als aud) der dritte Derjuch, ein Heim zu gründen, mihlang, und einige andere mit ihm, Männlein und Weiblein. Wohin? Sie wuhten’s nicht recht. Sie flogen der Straße entlang von einem bräunlicyen Haufen zum andern und liegen fich’s jchmecken, was als Bettlergabe die Pferde jo manchem Hungrigen |penden. Bald nahm der Wald fie auf, ohne daß jie’s recht merkten. Unjer Pärchen war jebt allein; die andern hatten jchon Tängit die Straße verlajjen, waren nad links oder rechts in die grünenden Saaten ge= 984 /- Rathenow, Mai 190 Hausjperling beim Nejtbau im Starkajten. Hilbert. Ra ın a Dögel I. ihwenkt und hatten den Detter bejucht, den Seldjperling mit dem Rupfer- roten Käppchen und den zwei weißen Streifen am Slügel. Das einjame Pärchen aber konnte jeßt nur vor= oder rückwärts, zu beiden Seiten der Straße itand jchweigend der Sorit. Wohin? Es war gleich; jie hatten die Richtung verloren und flatterten weiter talauf. Wo frijcher Pferdemiüt winkte, da ralteten fie auf der Reije; ein Glück nur, dab der Sperber, der geitern Abend hier das Rotkehlchen griff, als es eben jein Lied gejungen, die Heimatlojen nicht packte. Einen Junghajen hatte der Räuber gekröpft, und darum jah er jett fatt und träg im Geält. Lultiger Peitjchenknall trieb die Dögel jchneller die Straße entlang ; jeßt noch eine Wendung: „Seid uns ge- grüßt, ihr galtlichen Stätten der Menjchen! Hehmt uns Sremdlinge auf, uns arme Dertriebenen! Hier, wo die Pferde halten vor dem jtattlichen Haufe, wo der goldene Hafer umherliegt, da Rehren wir ein. Nod) ein Bijjen zum Nachtmahl, und dann jchnell zur Ruhe in den Bretterverjchlag durch das Loch hier!” Am nädjten Tage ward Haus und Hof, ward Garten und Stall gar gründlich bejichtigt; man traf jo manchen Bekannten: das Hausrotjhwänzden am Dad trug fein Rlivrrendes Lied vor, in ein Altlody im Baumjtamme ihlüpfte das bunte Gartenrötel zu den piependen Jungen, und das Staren- paar brachte den bald erwacjlenen Kleinen einen Naikäfer nad) dem andern von dem Eichenbeitand her, weiter unten am Bad}. Keine Seit war mehr zu verfäumen; nicht lange wählen! Der Plaß hinter dem Wirtshausjchild deucht ihnen recht für das Heit. Man braucht von dort nur hinabzufliegen, jo jißt man jchon an der Krippe und wird gefüttert und getränkt von dem Bausknedht, und den Pferden gönnt man ihr Teil, die ja aud) dem gefiederten Dölkchen jo freigebig jpenden auf Straßen und Wegen. Hurtig geht's an die Arbeit. Eine große Menge von Stroh und Heu, von Fäden und Wolle, ferner Haare, Borjten und Sedern, wie jchnell ilt’s zujammengejchleppt; nad) einem Tage jchon weld; ein jtattliher Haufen! Aber es it aud, alles jo leicht zu haben; kein Suchen, nur Wegnehmen, und mit jhwankendem Slug die wideritrebenden Federn und Halme in den Winkel befördern! Haare vom Pferd, von der Kuh, Boriten vom Schwein, jelbit Haar von der Groß magd, die in der Srüh einen öligen Wickel den Winden preisgab — im Slug erhajchte der Spat die willkommene Gabe —, ferner Federn von Gänfen, Enten, Hühnern und Tauben: alles ijt hier zu haben, um den lapf weid) und warm auszupolitern, jorglam und nett, ein molliger Winkel für die niedlichen Eier und jpäter die Jungen. Nur von außen jieht das Nejt wild aus, jo ruppig, jo liederlich — die langen Halme von Stroh und von Heu flattern unter dem Wirtshausichilde hervor gar luitig im Winde; innen aber iit der Napf ganz fauber gerundet, und Federn und Wolle find in der Wandung 252 387 gleihmäßig verteilt. Am dritten Tage ilt alles fertig, und das erite Ei wartet im Iejt auf Gejellichaft. „Einmal mag’s fein,“ denkt der Gajtwirt, „zudringliches Gejindel, läßt man euch ruhig gewähren, nehmt ihr von allem Bejit! Dod) es jei! In acht Tagen ilt Pfingiten, da kommt, wie alljährlich, der Drofejjor herauf, der den DögerIn ihren Gejang ablaujcht und zierlid) in Noten jeßt; da kann er’s gleich jehen beim Willkomm’: Spaßen hat jie nun endli aud, die „Schweizermühle” ; von dem Wirtshausichild weht die Sahne der neuen Bewohner lujtig herab!” Und der Profeljor Ram, und bald war in feinem Sachblatt zu lejen, von den fünf oder jechs Orten, die er voriges Jahr in der Umgebung der Stadt als „Ipatenlos“ namhaft gemacht, fei die Schweizer: mühle fortan zu jtreihen. Dreimal habe in diefem Jahre ein Därchen am Gajthof gebrütet, ein anderes habe hinter der Holzverkleidung am Giebel der „‚Denjion“ zweimal Junge gehabt, ein drittes Daar hier, ein viertes dort. „Das Spaßenherz,“ hieß es, „liebt die Getreidefelder. Wo es jolche nicht gibt, wo ein Ort eingejcylojlen wird von ausgedehnten Wäldern, da darf uns das Fehlen des Sperlings nicht wundern. bier in der „Schweizer mühle“, da fand jich bis zu diefem Srühling aud) nicht ein einziger Sperling. Aber mandyes Haus ilt im Laufe der Seit entitanden, manchem Garten, jelbit Rleinen Seldern hat der herrliche Wald weichen müjjen unten am Anfang des Orts; jo findet der Sperling jchon jeine Nahrung. Und was weiter be= achtenswert, der Wagenverkehr ilt Itärker geworden im Laufe der Seit. Der Sperling mag den Pferden gefolgt jein; wenigitens lebt er hier fait ausjichlieflih von den Körnern, die für dieje bejtimmt jind, und von den unverdauten Reiten im Mijte der Pferde, wie er jo reichlich auf den Straßen herumliegt, wo viel Suhrwerk verkehrt.“ Und dann war am Schluß nod) ein gelehrter Abjat zu lefen von ‚„Symbioje” zwijchen verjchiedenen Tieren; „in unjerm S$all, zwijchen Sperling und Dferd, zieht nur der Dogel den Vorteil“. * * * „Allerweltspogel“ — auf Reinen unter der gefiederten Schar paht das Wort bejjer, als auf den Hausjperling. Wie die Maus und die Ratte, wie die Stubenfliege, jo it er dem Nlenjchen gefolgt, wohin immer es jei. Im hödhjten Norden Europas, jelbit jenjeits des arktijchen Kreijes kennt ihn der Viorweger und Schwede, der Lappe und Rujje; geduldig zahlen fie ihm den Tribut von der kärglichen Ernte, den er mit Ungejtüm fordert. Aud) den jibirijchen Winter fürchtet er nicht; mit dem Ackerbau hat er weite Länder im nördlichen Alien erobert, den Etappenjtraßen der Kofaken joll er vielfach gefolgt jein, ebenjo bewohnt er die mittleren Teile diejes Erdteils 388 und den äußerten Süden. Keinem der Nittelmeerländer fehlt unjer Hausipaß, aud nicht denen der afrikanijchen Seite; überall glaubt er im Seldbau einen Wink des Menjchen zu jehen, überall nimmt er teil an den Segnungen jeiner Kultur. Sreili ift es nicht immer genau unjer mitteleuropäilcher Haus- \pat, Sondern Rlimatiihe Sarbenabweichungen, jowie jelbjtändige Unter: arten machen jich geltend; der jog. „Ipanilche“ Sperling it nicht ganz der „italienische“ — die Männchen haben einen kaltanienbraunen Scheitel und itarke jchwarze Strihe an den Baudjeiten (Spanijcher Spaß), oder dieje Teile jind ungeltrichelt (Italieniicher Spab) ; die Weibchen jind unjern Sper- lingsweibhhen gleih — und der im fernen Oiten, der jog. „„indilche”, ilt wieder etwas anders, namentlich Rleiner. Dieje und noch weitere Abarten kommen in vielen Ländern auch neben unjerm eigentlichen Hausjpab vor; jie alle bilden Derbände und Gejellichaften und verbaltardieren wohl aud). In andern Ländern läßt jich unjer Hausiperling durdy etwas ferner jtehende Sormen vertreten, wie in Ditjibirien, Sentralajien, Japan und China. Aber als Kosmopolit hat jich unjer Spa& aud) die Neue Welt erobert. Sreilich jein jchnurrender, bald ermüdender Slug würde ihn niemals über den „großen Teich“ getragen haben, der die beiden Welten voneinander trennt; Aus= wanderer, die drüben den heimatlichen Spat vermißten, deutjche Koloniiten, denen der neugegründete Hof, das mit eigener Hand beitellte Getreidefeld noch immer etwas S$remdartiges hatten, weil der Spaf fehlte, der muntere Spaß, dejjfen jchlimme Eigenihaften man vergaß in der Serne, Tiehen ji bei pajjender Gelegenheit wiederholt größere Mengen diejer gemütlichen Burjchen jamt ihren bejjeren Ehehälften aus der Heimat jenden. War das eine Sreude im wilden Weiten! Die Spaten konnten es nicht erwarten, bis jie endlicdy befreit wurden aus dem engen Gefängnis, in dem jie eingekerkert waren während der langen See- und Eijenbahnfahrt, und die Anjiedler waren zu Tränen gerührt, als jie wieder ein Stück Heimat fahen in der Ge- italt des Sperlings, als jie fein jchnarrendes ‚‚Terrrr”, jein vielfach moduliertes „Schilp“ vernahmen;; fiie jtreuten den lieben Boten aus der Heimat Hafer und Weizen hin und jchüßten forgjam das Meit und die Brut. Und es ging ihm gut, dent Sperling im fremden Land, bejjer als den meilten Mlenjchen, die in der Neuen Welt ihr Glück finden wollen, das die Heimat ihnen verjagt hat. Alljährli” nahm das Spabenvolk an Sahl zu, Hunderte, Taujende und gegenwärtig wohl viele Millionen. Die eriten Paare hatte man im Jahre 1850 nach den Dereinigten Staaten gebradt, und dieje Einführung dauerte — natürlich mit manchen Unterbrechungen — bis zum Jahre 1881, wo endlidy die weitere Einfuhr verboten ward, nadydem ji der Sperling ganz enorm vermehrt hatte und in den weltlichen Staaten in ebenjo riejigen Mengen anzutreffen war, wie in der öltlichen. Su jpät Ram die Einjicht; man 389 Rlagte über den Schaden an Seldfrüchten und Obit; namentlich fchien mandher= orts der Pfirliche und Weinbau ernitlich gefährdet. Dazu hatte der Sperling manchen nüßlicyen Dogel aus Garten und Seld vertrieben, und die eignen Landsleute jahen jich genötigt, gegen das unverjchämte „Spaßengejindel“ vorzugehen. Dergebli! In weiten Ackerbaudiltrikten Amerikas und in allen großen Städten ilt der Hausjperling heute ein ebenjo gemeiner Pro- letarier, wie in jeiner mitteleuropäilchen Heimat. „Ubi bene, ibi patria“, das ilt das Lolungswort des „Allerweltspogels“. Don Aujtralien und von Neujeeland gilt dasjelbe. Auch dahin hat der Kolonilten Liebe zur Heimat den Spatz; gebradıt; aud; hier hat er jich vermehrt in den neu angebauten Ländern, audy hier ilt er ein ungzertrennlicher, zugleich ein hödhit Tältiger Befährte des Ackerbauers geworden, und diejer Rlagt: „Die ich rief die Geilter, werd’ ich nun nicht los!" „Und das Gevögel mehre jid) auf Erden!” jo jagte der Schöpfer. Das Spaßenvolk ilt es, das diejem Befehl ganz bejonders gewiljenhaft nadhykommt von altersher bis auf unjere Tage. Könnte man all die leichtbejchwingten Scharen zählen: in Dorf und Stadt, überall wo Nlenjchen wohnen, it es die Sippe der Spaben, der ohne Sweifel der größte Teil der gefiederten Welt, weit über die Hälfte, angehört, wenigitens in Mitteleuropa. Sieh nur, wie lie herumhüpfen im Straßengewühl der Großitadt, wie jie jihen auf allen Seniterbrüjtungen, auf allen Dorjprüngen der langen Häujerzeile, wie jie mit lautem Gejchilp in den Dacdhrinnen jich herumtreiben, dann hinab nad dem Denkmal fliegen am Plab, jid) dem ehernen Reiter auf den Helm jeßen und dem Löwen, der furdytbar den Rachen öffnet, direkt auf die Naje. Geh’ zu dem Brunnen am Markt, wo die Seeungeheuer das Wajjer jpeien in die granitene Schale: Sperlinge hocken in Majjen am Rand und nehmen ein Bad; geh in die Doritadt mit ihren Dillen und Gärten: Scharen von Spaben vergnügen ji in jedem Gebüjcy — ein Heidenjpektakel; wandre weiter hinaus an die Grenze der Großitadt, wo vor dem Wirtshaus die Botenfuhr- leute halten, ihre Pferde zu jtärken mit Heu und mit Hafer, jich jelbjt mit Branntwein und Bier: zu Hunderten hier die braungrauen Burjchen auf Krippe und Saun, am Boden zwilchen den Süßen der Rolle, trinkend am waljjergefüllten Eimer, jich badend im Staub. Und nicht anders im Dorf; Höllenlärm in der alten Linde am Dorfplaß. Wieviel mögen’s jchon jJein, die im Dunkel des Blattwerks ich zanken, jo häßlich Ichelten und kreijchen; und doch ziehen immer noch mehr herzu, von allen Seiten die lieben Hachbarn. Wo’s etwas neues gibt, am liebiten ein Rleiner Skandal, ein ehelicher Swilt, da jind jie gleich bei der Hand. Im zeitigen Sommer find die Kirjchalleen von den lältigen Spaten belagert; jpäter wenn die Getreideernte im Bange, Ihwarz wimmelt es dann bisweilen auf den zujammengelitellten Garben und Seimen; im Herbit werden die Weinberge geplündert, und im Winter — 390 Dr. Bethge. Poriütz, 7. März 1900. Sutter juchende Hausjperlinge; links Männden, redhts Weibchen. auc dann ganze Scharen von Spabßen in Dorf und in Stadt, vor den Scheunen bettelnd, in allen Galjen nad einem Bijjen ausjpähend. Hungern muß mancher, gewiß! Derhungern wird Reiner der Spaßengejellichaft jo leicht, dazu Jind fie zu Rlug und zu fred. Die Dermehrungsfähigkeit des Spabßenvolks ilt Rolojjal. In allen Monaten der wärmeren Jahreszeit gibt es bei ihnen im Bau begriffene und eben fertig geitellte Meter, jolche, in denen erit ein paar Eierchen liegen, und jolche, wo Dater oder Mutter bereits eifrig auf dem vollen Belege jißen. Meiit jind es fünf oder jechs, bisweilen aud jieben Eier, denen man es nicht anlieht, da nur gemeine Proletarier ihnen entihlüpfen, fo zierlich nehmen ji) die vielgeitaltigen Sleckhen, Punkte und Sprißer auf dem matt abge- tönten Grunde aus. Hier jind die Eltern jchon eifrig an der Arbeit, den Jungen zarte Räupchen, |päter auch härtere Käfer zu bringen; beim Nacıbar flatterte gerade das lette Neithäkchen aus der Kinderitube heraus, während dort die bettelnden Kleinen von Dater und Mutter itatt wie bisher mit auf: gequelltem Gejäme bereits mit Schnabelhieben traktiert werden: Geht nun 591 und helft euch jelbit; wir haben andre Gedanken! Dierzehn Tage nad) dem Ausfliegen der erjten Brut hat das Weibchen wieder fünf oder jechs Eier im Mejt, die es nun abermals eifrigjt bebrütet, wobei ihm Dapa Spatz tüchtig helfen muß. It auch diefe Generation jelbjtändig geworden, jo geht es jofort an die Dorbereitungen zu einer dritten Brut; ja die meilten Weibchen wenigitens die erfahreneren, begnügen jih aud; damit nocdy nicht, Jondern bringen nod; ein viertes Mal in der Saijon ein halbes Dußend Eier zur Welt. Ehe die Tage merkbar abnehmen, jind aud) diejen die nackten Jungen ent: \hlüpft; Injekten gibt es no für jie in Hülle und Sülle, und wenn die Kleinen dann auf ihren erjten Ausflügen auch nicht mehr mit den Leckerbiljen der Spabenkinder, Jüßen Herzkirichen und jaftig weichen Getreidekörnern, ge= füttert werden Rönnen, es gibt doch jo mandherlei Samen, der aud) gut Jchmeckt, wenn ihn die Alten ein wenig erweicht haben, Kohl: und Rübjamen 3. B., und aud) an das harte, reife Getreide gewöhnt man jich bald. Weizen wird bejonders bevorzugt, aber auch Hafer und Gerite wird gern gefrellen. So wachlen die Rleinen Schreihälje ziemlich jchnell heran, jie flattern jchon ganz jelbjtändig in den Weinbergen herum und veritehen es, die reifiten Beeren jid) auszujuchen und von ihrem jühen Sleijcy zu Rojten. Kommt dann der nabkalte Spätherbit, der erite Schnee und grimmige Kälte im Winter, jo ind auch ie, die Spätgeborenen, nicht |chlechter daran, als die Gejchwilter einer früheren Brut. Das warme Sederkleid ilt ihnen jchon jeit Wochen ge= wachlen, an jede Speije jind jie gewöhnt, und wenn ihnen audy noch mande Erfahrung fehlt, die Spatengejellichaft bleibt ja beieinander; die Jugend lernt vom Alter — und Spabenjugend begreift jchnell, ja mandıes Icyneller, als jie eigentlich jollte, die richtige Straßenjugend! Daf es zwei Gejchlechter gibt — Männcden und Weibchen — das weil; der vorwißige Straßenjüngling jhon, wenn er kaum vier Monat alt ilt. Nod) verraten die gelben Schnabelwinkel feine Jugend, und dody jucht er fchon anzubändeln mit den jungen Töchtern der Spaßengejellichaft — ein Milchgejicht, das jchön tut mit den kleinen Mädchen im Slügelkleide. Er jeßt jich in ihre Wähe, beikt jeine Brüder weg und jagt und treibt die Umfchwärmte wohl jtundenlang durchs Geält, durch Hof und Garten, bis jie beide erjchöpft jind. Ja es mag, wenn jchon ausnahmsweile, aud) einmal vorkommen, dab diesjährige Dögel no) im Spätjommer zur Brut jchreiten; häufiger aber läßt jich joldh junger Burjche noch im Hochlommer mit einem älteren Weibchen ein, dem der Öbatte vielleicht treulos geworden. Beim Bau des Neites braucht er nicht zu helfen, das it längit fertig Ichon jeit dem Srühjahr — er heiratet gewiljermafßen hinein in die Wirtjchaft, aber brüten muß er mit, till jigen, wenn feine Alters- genojjen jicy neckend umhertreiben, und Sutter muß der junge Dater dann auch herbeilchleppen, wenigitens in der eriten Seit. Später jireikt er ge= 392 R. Hilbert, Rathenow, Mai 1907. Bausjperlinge vor ihrem Hejt im Starkaiten. wöhnlih, und die Mutter hat dann die Schar der Kleinen allein auf dem Halje. Sie jieht am Schluß der langen Brutperiode jehr unvorteilhaft aus: der Bauch ganz Rahl infolge des langen Sitens auf den Eiern, das immer von neuem wieder begann, und auch das übrige Gefieder an den Seiten und auf dent Rücken bejtoßen und abgenußt, als jei es von Schmaroßerinjekten benagt, was gewiß häufig auch der Fall it, troß aller Staub- und Wajler- bäder, die man jtets ausgiebig gebraudht. Der Magen und die Liebe, das jind die beiden Pole, um die jich das ganze Leben des Sperlings bewegt. Nach Sankt Deltenstag, jo jagt man, dürfen die Spaben ans Heiraten denken; da ilt es dann fait ausichlieflich die Liebe, die das Herz von Männlein und Weiblein erfüllt, jelbjt das Sreljen wird mitunter vergejjen. Aber treue Gattenliebe, an der jo viele unjerer gefiederten Sreunde oft in rührenditer Weile feithalten, kennt das Spaßenvolk nicht oder nur ausnahmsweile. Gewik, das Männchen kämpft heftig mit jeinem lITebenbubhler, die Federn fliegen herum, und die beiden Kämpen wirbeln Rreilchend herab vom Dad) und vom Baum, um nod) auf dem Boden ji weiter zu beißen und zu balgen; manchmal ilt’s ein ganzer Knäuel wütender Dögel, der da im Staube herumkollert, und jelbit das zarte Gejchlecht wird häufig mit handgemein. Aber während jie jo kämpfen, wendet das umworbene Weibchen jeine Gunjt einem andern Spaßenherrn zu und genieht das jühe Gift verbotener Liebe in vollitem Mabe. Wer der natürliche Dater it zu den Eiern oder den Kindern im leit, das läßt jich in jehr vielen, vielleicht in den meilten Sällen überhaupt nicht feititellen; die Mutter wird’s jelbit nicht willen. Aber einen Dummen findet jie immer, der mit ihr lid) ins Brut- gejchäft teilt und dann eifrig die Kleinen mit füttert, wenn fie piepen nach Nahrung. Auch die Männchen treiben’s nicht beiler als ihre Damen, eine ver- lotterte Bande! Die Jungen find nody nicht flügge, da machen die Däter |chon wieder einer andern Spaßenjchönheit den Hof, die aud) verlajjen ward von ihrem untreuen Gatten. Kaßbalgereien, Schelten und Schimpfen von neuem, bis endlich das volle Gelege wieder im Meit. Häufig hält’s der Liebhaber nicht mal jo lange bei jeiner neuen Liebe aus; jie mag jich, denkt er, für den Nleinkinderkram einen andern ihrer vielen Bewerber zulegen, und weg it er — jchnurjtracks wieder bei feinem früheren Weibchen, das unterdellen, unterjtüßt von Onkeln und Tanten, von Dettern und Bajen, von Haus= freunden, die fie umjchwärmen, die Jungen herangefüttert hat. Das ilt dann wieder ein Buhlen und Werben um neue Liebe: ‚Sieh mid) nur an, wie jchön ic) bin, wie groß und wie jtark!” Und der Kleine Kerl bläht jid) auf wie ein Srojcy, hebt den Schwanz, läßt die zitternden Slügel hängen, daf ie am Boden den Staub aufwirbeln, und nun tanzt er auf eingeknickten Beinen um jeine Angebetete herum, dreht und wendet jich, trippelt und hüpft und 595 wirbelt jid) wie ein Kreijel. Erit leile: ‚‚Drie, drie, drie”, dann aber laut: „Treng treng dell dell jchilk demm derrr....“ So oder ähnlicy jchreit er dazu und rückt dem Weibchen immer mehr auf den Leib. Diejes aber jagt gar nichts; dod,) plößlidy) fat es den zudringlihen Werber beim Schopf und jchüttelt ihn tüchtig ab, daß er laut jchreit. Mit Anjtrengung aller Kraft zerrt ihn die raufluitige Schöne durch den Staub und Takt ihn erit frei, nachdem jie jeinen Kopf nod) ein paarmal feit gegen den harten Boden gejchlagen. Das ijt deutlich genug, und über die Gefühle des Weibchens nicht mehr im Sweifel, jchlägt jich der Burjche durd) die Büjche und jchimpft noch ein Weilchen, um dann jein Glück bei einer andern zu verjuchen. Dieje veriteht es, das verliebte Männchen in ganz raffinierter Weije zu reizen, daß es vor Lujt und Begierde falt vergeht; immer wieder erlaubt es ihm, Jie zu berühren, ja jelbjt auf ihren Rücken zu hüpfen, aber jofort weicht jie dann einen Schritt jeitwärts, bis jie nach langem Spiel jich enölic, ergibt. * * * Die Liebe und der Magen. Ja, was gut jchmeckt, das weil; Sreund Spaß, der Schlingel, zu Jhäßen; Tültern ilt er audy) nad) diefer Richtung über die Mahen. Die zarteiten Teile aus den Blüten der Dbitbäume, Triebe von Srüherbjen, die jungen Herzblättchen eben gepflanzten Salats oder Kohls, die nod) in der Milch jtehenden Samenkörner des jungen Weizens und Hafers, die jühen Johannisbeeren — was gibt es doch alles für Leckereien, jede Woche etwas Neues, woran jich der kleine Gourmet nad) Herzenslult delektiert. Aber der Tiebite Monat im Jahr, das ilt ihm der Juli, wenn die dunkelroten Kugeln jo verheifungsvoll, jo lockend hervorichauen zwilchen dem Blattwerk des Kirjhbaums. Der arme Hütejunge hat fi vor lauter Eifer bald die Beine abgelaufen in der Kirjchplantage; aber jobald er an dem einen Ende der langen Baumreihen mit jeiner Holzklapper ankommt, jitien die Diebe Ichon wieder in Scharen auf den Bäumen am andern Ende und in der Mitte. Ja jchließlich haben jie ji an den Höllenjpektakel der hölzernen Hämmer jo gewöhnt, daß nur noch Neulinge und bejonders ängitliche Gemüter auf- fliegen, die meilten aber ruhig jiten bleiben und weiter von den wohl- Ihmeckenden Srüchten picken und Roiten. Die Spaten jind zwar nicht die einzigen zweibeinigen, oder bejjer gejagt, gefiederten Sreunde des Kirjch- baums; Amjeln und bejonders die Stare haben diejelbe Dajlion, der farben- präcdtiae Pirol und auch der dickRöpfige Kernbeiher, der jedoch das Srudht- fleilcdy verjhmäht und den Kern Rnact, um den Samen zu frejlen, ferner Krähen und ihre Derwandten, Elitern, Dohlen und Markolf im bunten Wanms, der Eichelhäher. Aber den größten Schaden richten doch die Spaben 396 an, weil jie gewöhnlich in ganzen Heerjcharen einfallen, wenigitens jet der Pächter das meilte auf ihre Rechnung. Während nämlich, die Amjeln, Pirole und alle größeren Kirjchdiebe gewöhnlicd, die ganze Kirjhe haltig vom Stiele abzupfen und fie famt ihrem Kern verjchlucen, picken die Spaßen die Jaftigen Srüchte nur an und verderben noch mehr, als jie wirklich verzehren, oder jie frejfen, wenn die Kirfche bejonders mundet, das Sleijh volljtändig ab rings um den Kern, der nun hängen bleibt am Stiel, als wollten die Räuber dem Befiter noch ertra ein Schnippchen jchlagen. ©, wieviel Ärger hat jie Ihon angerichtet, die heillofe Spabenbande! Kleine Klappermühlen im Wipfel der Kirfcehbäume, Strohpuppen, Spiegeljtückchen, Kaben- und Bajen- felle — denk dir noch mehr aus, du armer Kirjchenpächter, es hilft alles dody nur auf wenige Tage. Die Spaten jind dreilt und jind jchlau; jie merken nur zu bald, da der Strohmann mit der Mübe nicht zujchlägt, dah das Sell der gefürdteten Kate nicht zubeikt, und dab auch all die andern Mittel nichts weiter find als Theater, jo gut wie die wehenden Papieritreifen über den im Gemüfebeet Reimenden Erbjen. Mußt jchon zur Slinte greifen und öfters hineinknallen in die lülterne Menge — hei! wie jie Reikaus nehmen, vor Schreck ich falt überjtürzend, jobald es aus dem Hinterhalt knallt; jeßt jieht man erit, wie zahllos die zudringlichen Kojtgänger jid uneingeladen an der reichen Tafel niedergelaljen haben. Aber audy dies radikalite aller Mittel hilft nur ein Weilchen; den Schießprügel von einem bloßen Knüttel zu unterfcheiden, das hat der Allerweltnichtsnuß jehr bald gelernt — hujd! weg ilt fie, die Diebesbande, wenn der Wächter aus der Hütte heraustritt zur Erekution, und hurtig finden jie ji) wieder ein, jobald er die Slinte beijeite gelegt hat; erjt ein paar Poiten, das Terrain zu re- Rognoszieren, dann mehrere Trupps und endlicy das Gros — die verbotenen Srüchte jchmecken der ganzen Gejellihaft von neuem, vielleicht nod) bejjer als vorhin. Ärgre dich nicht zu jehr, Landwirt und Kirfchenpäcter! Arger macht's ärger. Eine Gejhichte. Gegen die Spaßen war vielleicht niemand mehr aufgebracht als Sriedrich II, der ein großer Kirjchenfreund gewejen jein foIl. Aber die Spaßen madhten’s audy gar zu bunt, Rein Rejpekt, nicht mal vor dem mächtigen König von Preußen! Das Diebsgejindel jchmälerte ihm feine königliche Tafel aufs fredhjite. Swei preußilche Dreier zahlte daher der Herrfcher für jeden Spatenkopf; jo ließ er im Lande vermelden. Das war ein Blutbad unter den braunbefiederten Untertanen Seiner Majejtät ! „Mit großen Herren ilt nicht gut Kirfchen ejjen“, jo mander lernte am eignen Leibe die Wahrheit diejes Wortes. Ein paar Jahre währte das Morden ; dann waren die Diebe vertrieben aus Sansjoucis Nähe. Ein jchönes Stück Geld hat’s dem alten Sri; gekoitet, taujend harte Taler und mehr — wieviele Kirjchen hätte er dafür ejjen können! — aber eingebracht hat 97 es ihm nichts. Denn jeßt erjhien eine andere Bande, die’s jchlimmer noch trieb, als die verjagte. Das Injektengejindel nahm überhand und jorgte dafür, dak dem König erit recht nichts übrig blieb. Der Kluge gibt nad), dachte der große Sriedri — denn nun für jeden Injektenkopf aud) nur einen Pfennig Prämie zu zahlen, das hätte jelbjt die Schatulle eines Königs geleert — er befahl, die Schießerei und Würgerei einzuitellen und begnügte ih jchlieflih mit dem, was die lujtig wieder einziehenden Spaßen ihm übrig ließen. Die Akten über Nuten und Schaden des Hausijperlings jind heute jo ziemlich abgejchlojien. Es jteht feit, daf er jich nicht nur von vegetabilijcher Kolt nährt, jondern — zeitweije wenigjtens — aud) einer ftattlichen Menge von Ungeziefer den Garaus madıt. Wenn er im Srühling die aufbrechenden Blatt= und Blütenknojpen der Objtbäume unterjucht, jo jcheint jein Haupt: zweck der zu fein, allerlei Käfermaden, 3. B. die vom Birnknojpenitecher, oder Jchädliche Wickelraupen u. dergl. zu erbeuten, falls er nicht bloß aus Übermut, zum Seitvertreib oder des bischen Honigs wegen die Blüten im Schnabel zerqueticht. Aber, auch gute Abjichten vorausgejeßt, die einzelnen Blüten wird der Sperling nicht retten; fie jind von den Injekten bereits zerjtört. Immerhin tut er auf jolche Weile der Dermehrung manches Schäd- lings Abbruch. Wirklichen Nuten jtiftet er aber, wenn die Jungen im Heft nach Sutter verlangen. Denn wie es bei andern Körnerfrejjern Sitte, jo erhalten auch die Spaßenkinder in den eriten Tagen ihres Lebens ausjchliehlich Kerbtierkojt, nad) den Unterjuchungen von Liebe „Blattläuje, Püppchen von Schmetterlingen und Sweiflüglern, nackte Räupchen, Rleine Schmetterlinge, Spinnen, Aljeln und Maden von Sweiflüglern“. Aber jchon gegen Ende der eriten Woche wird die Brut allmählich an Pflanzenkoit gewöhnt, und die Kerb- tierrelle werden nach übereinjtimmenden Magenunterjfuchungen immer jeltener. Stärkemehl, wie es aus den noch grünen Geriten= und Weizenkörnern jtammt, bildet dann die Grundmalje des Speijebreis, dazwilchen Teile von DPflanzen- gewebe, Chitinhaare, Panzeritückchen von Kerbtieren und Rejte von be- treidejpelzen. Natürlich jteigert jich die Injektennahrung zu manden Seiten, 3. B. in Wonnemond, wenn die Maikäfer |hwärmen; da madıt bisweilen jelbit der täppiiche Spa im Sluge Jagd auf die braunen ÖGejellen. Aud die Kleinen bekommen, jobald jie jchon einen Rräftigeren Bijjen vertragen, ihr qut Teil ab, und die Alten mögen unter den Käfern oftmals ein großes Morden anrichten ; jie töten jo mandyen, ohne ihn zu verzehren oder Rojten doc) nur ein wenig von ihm. Sind dann die Jungen ausgeflogen, jo jcylucken lie auf ihren Streifereien nach den Erbjen= und Öetreidefeldern noch) mandes Infekt, manche Larve, manches Räupcdhen hinunter, aber es ijt dies doch nur gelegentliche Sukolt zu der vegetabiliichen Hauptnahrung. 598 R. B. Lodge. £ Middlessex, September 1906. Sperlingsmännden. Dieje bejteht nun bejonders aus den Früchten, die der Mlenich zu jeinem eigenen Nußen erbaut. Der Gärtner, dem die Spaßen im Srühling die Samen aus den Beeten herauspicken und die jungen Pflanzen anfrejjen, der Obitplantagen- und Weinbergsbejiter, die Bäuerin, die mit dem Seder- vieh auf dem Hof aud die Spaben fettfüttert, was Rlagen jie alle über das lältige Lumpengejindel! Aber der größte Schaden it doch der, den die Spaben an dem reifenden Getreide anrichten. Wie von einer Mäujekalamität, jo Rann der Landmann aud) von einer Sperlingsplage reden, nur daf leßtere nicht jo jehr die Ernte eines ganzen Bezirks, jondern gewöhnlich nur die einzelner Selder von bejonders ungünjtiger Lage in Srage jtellt. Auch Iritt die Spaßen- plage nicht mit jolher Dehemenz auf, jondern gleihmäßiger, Jahr für Jahr, jo daß fich der Landwirt jchon mehr dran gewöhnt hat. Das Entfernen der harten Spelzen maht dem Spab gewöhnlich zu viel Mühe; deshalb wendet er jich hauptlächlich dem Getreide zu, dejlen Körner leicht aus den Büllen herausfallen. Dem unbegrannten Weizen wird zuerjt mit Eifer zu- geiprochen;; ijt diefer geplündert, jo Rommt der Grannenweizen an die Reihe, 399 ferner die ÖGerite, während Roggen weniger beliebt ilt und nur während der Milchreife den Beifall des Gutjchmacks findet. Hirje- und Erbjenitücke werden von alt und jung bejonders gern bejucht; gleich Ilngeziefer jo wimmelt’s hier manchmal von Spaten — heilloje Bande, verdammte Ge- jellichaft! brummt der Bauer zwilchen den Sähnen. Wer Rann’s ihm verdenken, daß er den Sperling verfolgt, wo es nur möglich, jeine Mijtitätten einjchränkt, die Brut vertilgt an allen zugänglichen Orten, Sallen ausitellt für die unerfahrenen Jungen und den Jagdbered- tigten bittet, unter die Scharen zu jchießen, die den Acker beitehlen tagaus und tagein. Ausgerottet wird er noch lange nicht durch jolche Derfolgung, der kluge, gewibigte Spab. Er weiß; jid) zu finden in alle Sagen des Lebens, weil jeine Haut zu jichern, und jelbit um ein veritecktes Pläßchen fürs Neit ijt’s ihm nicht bange, wohin die Hand jeines Seindes nicht reicht; den not- leidenden Agrarier höhnt die impertinente Spaßenjtimme doch täglich aufs neue. Sreilich jcheint die Wohnungsnot manchmal recht groß; die Mauer: löcher, die dunkeln Ecken, gejhüßten Winkel werden immer jeltener auf dem Lande bei der jtädtiichen Bauart, die leider um jich gegriffen, dazu die heutige Sorjtkultur, die altersmorjche Bäume nicht duldet. So viele Höhlen: und Halbhöhlenbrüter Könnten davon erzählen. Aber Sreund Spaß hat wenig darunter zu leiden; er bleibt ja den Winter über dem Garten und Hof treu und hat die Winkel und Löcher bereits bezogen, wenn die Stare ankommen, die Rotjhwänzchen und jpäter die Schwalben. ‚‚Bejett, bejeßt!” jo kreijcht er dem Starmat entgegen, wenn diejer an jeinem Bretterhäuschen wieder erjcheint; „„bejet, bejeßt!" jo fährt er wütend auf den Hausrotichwanz los, der auf dem Sims des Gartenhaujes die Stelle jich wieder bejieht, die im vorigen Jahre jein Kejt trug. Und jelbit Meijen verdrängt der Sreche bisweilen und bezieht ihren Kalten, wenn das Loch ihm weit genug ilt. Gerade dadurdy, da der Sperling jo manchen andern nüßlichen Dogel ver- drängt, hat er jich jehr unbeliebt gemacht bei dem Naturfreund, und man veriteht es, wenn von einem Dogeljchüßler jogar der ernitliche Dorichlag ge= macht worden ilt, Bazillen zu Hilfe zu rufen, die unter den zweibeinigen Dieben aufräumen jollen, wie der Mäufebazillus unter den graufelligen Nagern. Dem Star muß der Spat gewöhnlich weichen, wenn er vom Bretter- häuschen unjers Hausfreunds Bejit; ergriffen hat; der veriteht keinen Spaß, es müßte denn ein junges Starenpaar fein, das zum erjtenmal fich anjchickt zu brüten. Diejes ilt unjicher in all feinen Handlungen, Ichreckhaft und un Ihlüfjig, probiert es hier, probiert es da und gibt den Derjuch jchnell auf, wenn ihm etwas nicht paßt. Anders die alten Herren und ihre Ehehälften. Anfangs nur ein heftiges Wortgefeht. Der Sperling jhaut zum Gucklod heraus und jchimpft und jchimpft wie... nun wie eben nur ein frecher Spaß jchimpfen kann; jeine Srau fit auf einem Ajt in der ITähe, und aud 400 fie zetert und jchreit, als ob jie am Spiehe jtäke. Die ganze Spabengejellichaft beteiligt fich jchließlih an dem Skandal, und die beiden Stare antworten mit jchrillem Ruf. Aber das bloße Schelten führt nicht zum Siele. Mit kühnem Schwung jchieft das Starenmännchen hinein zum Sluglodh: „Kopf weg, jonjt jpief; ich dich auf!” und nun ein lärmendes Poltern im Innern des Häuschens; dann fährt der Sperling laut jchreiend zur Haustür heraus und der Star hinter ihm her. Wehe, wenn er ihn nochmals am Kragen er- wilcht, dann zauft er ihn hin und her, da dem Armen Hören und Sehen vergeht! Aber da zetert die Sperlingsfrau, die unterdejjen ganz heimlid, in den Kaften gejchlüpft ilt, aus dem Loch heraus, jo laut jie nur kann. Dasjelbe Manöver; fie wird auch an die Luft befördert, ebenjo unjanft — „kommt nur wieder, wenn’s eucdy gelüjtet!” Und jie Rommen wirklidy nod zwei- oder dreimal, wenn fie willen, dat die Starenherrichaft einen Ausflug gemadt hat. Aber immer von neuem wird das Quartier geräumt, und Ichlieglich muß fich das Spaßenpaar nach einem andern Deriteck umjehen, und wenn gar nichts mehr frei, dann bequemt es jich wohl, ein liederliches Nejt im Straucywerk zu bauen. Mitunter wird auch nod) jpäter in den erjten Tagen des Mai die Sper- lingsfamilie aus dem Mlauerloch oder der Starenmejte herausgeworfen und zwar von einem fchlimmeren Gegner, dem Mauerjegler, der um dieje Seit von der Reife heimkehrt. Mit feinen Rleinen Süfchen kRlammert er ji am Eingang zur Nijthöhle an, einen Augenblick jtugend, denn drin jißt das Sperlingsweibhen brütend auf dem Gelege und jchimpft weidlich über die Störung. Doch im Nu ilt der Böfe in der Höhlung, und jo jehr die Mutter ihr Bejirecht verteidigt, fie muß jchreiend fliehen, blutend an Kopf und an Bruft; denn die nadeljpigen Klauen des Seglers reijen gefährlihe Wunden. Und beklagen dürfen fie ich nicht, die zudringlichen Spaten über jolche Be- handlung. Die Hausihwälbchen haben ja durdy fie das gleihe Schickjal jo häufig zu leiden. Gerade ift ihr Rünltliches Nejtchen mit vieler Mühe fertig: geitellt, da jchlüpft das Sperlingsmännden hinein und jchaut frech zum Eingangslohe heraus. Was hilft den Armen das Slattern und Schreien, was hilft es ihnen, daß fie im Sluge nad dem Eindringling jchnappen; er weicht nicht von der Stelle. Schon Schleppt fein Weibchen Hiltitoffe herbei; dann lölt es den Mann von feinem Poiten ab, und diejer bringt Material. Nach zwei, drei Tagen endlidy geben die Schwalben ihre Angriffe auf, und die Spaten haben nun Ruhe. „Gejiegt, geliegt!” jo höhnen fie, wenn ein Dogel vorbeifliegt. Audy als Schlafitellen benußen die Spaten die Schwalben- nejter gern, bejonders in der kalten Jahreszeit. Das Dolk behauptet — und immer wieder wird das Märchen aufge- tiicht — es gehe dem Sperling, wenn er jich eines Schwalbennejtes be- mächtigt habe, bisweilen jchlecht, indem die erzürnten Dögel ihn aus Radıe Dögel I. 26 ä 401 einmauerten, da er in dem engen Raume bald umkommen müjje. Soviel Ruhe und Überlegung bewahren Jich die ängjtlich umherflatternden Schwalben nicht, daß; jie unmittelbar vor dem Kopf ihres zeternden Seindes die Öffnung zumauern jollten, aber — und das ilt die Hauptiadhhe — jo dumm ilt unfer pfiffiger Spaß, der Allerweltsvogel, der Galjenjunge und der Zausbub’, wahrhaftig nicht, daß er jich dies jollte gutmütigjt gefallen laljen. Er hat auc einen Schnabel und weiß jid) zu wehren. * * * Winter ijt’s; eine tiefe Schneedecke auf Feld und auf Flur. Unter der weihen Bürde neigt ji der Baumajt, und jeder Pfahl trägt jein Käppchen. Aber es war aud) ein tolles Schneetreiben geitern den ganzen Tag, vom Morgen an bis jpät in die Nacht. Heute jtrahlt jiegreich die Sonne vom glänzenden Himmel; aus Millionen Diamanten funkelt’s und bligt’s. Und Ralt ilt’s geworden; der Schnee hat die Kälte gebradht. Su Reiner Seit Jind die Straßen und Pläße im Innern der Großitadt jo jtark von Dögeln belebt, als an jolchen Tagen; der Schneeiturm hat die armen Bungerleider hereingetrieben vom flachen Held, und auch im Dorf auf dem Hof des Bauern- gutes ilt reicher DogelverkRehr: Haus= und Seldjperlinge, Boldammern, Bud}: finken, Haubenlerchen, Grünlinge und noch manche andere hüpfen am Boden umher und juchen haltig nad einem Körnchen oder jonit einem Bijjen. In der Stadt bildet für Einheimijche jowohl wie für den reichen Sremdenzuzug Dferdemilt die eigentlihe Grundlage der Kolt, gewillermaßen das tägliche Brot. Wie die Spaßen aufgepluitert auf dem Sims jiten, nebeneinander in Reih und Glied, |hwärzlich grau, fait wie die Mäuje; denn der Ruh der Stadt heftet jid, hier an alles, an groß und klein, an Schloß und Kirche jo gut wie an den Spab. Und echt ilt die Sarbe, jie kommt nicht herunter, jelbit ein Bad im Becken des Springbrunnens bleibt ohne Erfolg. Nur einer von der Gejellichaft ilt auffallend licht, ein „weißer Sperling“; die An- wohner des Plaßes kennen ihn alle. Den ganzen Sommer und Herbit trieb er ji) Jchon umher in diefem Stadtviertel. Mit fünf grauen Brüdern und Schweitern lag er im Meit, ebenjo zärtlich gepflegt von der Mutter wie jeine Gejchwilter, und als er dann im Spätjommer, etwa jechs Wochen nach jeinem eriten Ausflug, das Kinderkleidchen auszog, do |proßten die neuen Sedern nuc nod; reiner und weißer hervor: ein wirklicher Kakerlak, jagten die Menjchen, die es verjtanden, blafrötlih Schnabel und Füße und die Augen rot, wie bei weißen Kaninchen. Die Sreuden des Herbites genof er in der Gejellichaft von Dettern und Bajen, und jeßt friert er gemeinjam mit ihnen und hält Ausichau nach einem Biljen; nichts hat er voraus vor den andern, als jein lichtes Gewand, das aber von Staub und von Ruf arg bejchmußt 402 Dr. Bethge. Kiel, Mai 1907. Hausjpaß im Bad. it. Er jchont’ es nicht mehr, als die übrigen ihre praktijchen Strapazier- anzüge, und trieb jic) mit ihnen in denjelben jtaubigen Winkeln herum, in dem fchmußigen Rinnitein, und von allen Dächern, wo der Rub jo dick lagert, da pfiff er mit den Genoljen auf die Galje herab all die Gejchichten, die man gelegentlich belaujcht, wenn man den Leuten ins Seniter hineinlieht. Heute ilt allen das Pfeifen vergangen, nur leiles Diepen vor Srolt und vor Hunger. Auf jede vorbeitrabende Rojinante jpannt die Gejellichaft; ach von wievielen find fie heut jchon getäufcht worden! Aber ieh, diejer Drojhkengaul hat ein mitfühlend Herz — er Rennt wohl den Hunger aus eigner Erfahrung — und wie auf Kommando flattert die Schar vom Sit nad der dampfenden Gabe: ein warmer Biljen in der Kälte eine doppelte Wohltat! Ein paar boldammern jind auch gleich zur Stelle, und hurlig trippelt auf flinken Süfchen Madame Haubenlerche herbei. Rückjichtslos treibt jet die „‚Elektrijche” die Schmaujenden auseinander; aber im nädjiten Moment find fie wieder bejchäftigt mit der gemeinjamen Nlahlzeit. Sa, die „Elektriiche”, das ilt ein Schlechter Erjat für die Dferdebahn, die das Spaßen- 26 * 403 völkchen jo liebte, und gar das neulte, die Automobile — Dampf und Ge: itank, das ilt alles, audy nicht ein einziges Körnchen ! Auf dem Hofe des Bauern ilt’s auch nicht bejjer geworden im Laufe der Jahre. Audy hier hängt der Spatenbrotkorb im Winter um vieles höher, jeitdem der gemütliche Drei= oder Dierklang der drejchenden Slegel nur nod) jelten die Winterjtille verheifungsvoll unterbriht; man muß jchon heimlic den Stall der Pferde aufjuchen, wenn die Tür offen, oder ein Seniter, um lid) mal gründlich jatt zu frejjen am goldönen Hafer, oder den Bodenraum untern Dad), wo das Stroh lagert mit ein paar vergejjenen Körnchen, bald bier und bald da in den ausgedrojchenen Ähren, oder man muß gerade zur Seit Rommen, wenn die Hühner gefüttert werden mit geringem Getreide und gekodhten Kartoffeln. Nur das eine ilt bejjer geworden, bejonders in den Straßen der Stadt, in den Anlagen und Promenaden: „Gedenket der hungernden Dögel!“ Die Mlenjchen befolgen die edle Mahnung jeßt mehr noch als früher. Überall Sutterhäuschen, jelbjt Rleine Bäumcen mit jamen- bergendem Talg zwijchen den Nadeln vor vielen Senitern, fait auf jedem Balkon, in Garten und Park. Das ilt jo recht im Sinne der Spaben, die den Löwenanteil für jid) in Anfpruch nehmen und aud) hier gar manchen Dogel vertreiben, für den der freundliche Spender die milde Babe bejtimmt hatte. Dazu Rommt der zudringliche Bettler niemals einzeln an den Sutterpla, nein ein ganzes Dußend oder noch mehr jchwirrt auf einmal herbei und plündert die reiche Tafel nad) Herzenslult ; der einzelne it zu jurchtjam. Habt ein Menjch, um zu jehen, wie’s den hungrigen Schnäbeln jchmeckt, jo jind es die Spaßen, welche zuerjt Reifaus nehmen, als ob jie es wühten, daß man lie nur als lältige Diebe betrachtet, während die andern, bejonders die zierlichen Meilen, jo jchnell jicy nicht jtören lajjen. Sehnjüchtig jchaun die Dertriebenen dann von dem nahen Dach herab auf das „‚Tijchlein deck dich”, um jofort wieder herbeizuflattern, wenn die Luft rein ilt. Denn mihbtrauijc iit das SpatenvolR wie alles Lumpengejindel. Selbjit dort, wo der Sperling nie Nachitellungen erfährt, bleibt er doch jtets auf der Hut. Der Derkehr mit dem Mlenjchen hat ihn liltig gemadht, verjchlagen, vorlichtig und jcheu. Und \o find es ganz bejonders die Stadtipaßen, die jid) in diejer Beziehung vor ihren Kollegen auf dem Lande auszeichnen. Sie wiljjen ganz genau, wo es ungefährlid; ilt, jich niederzulajjen, zwijchen den Hufen der Drojchkenpferde am Standplaß, zwilchen den halbwilden Tauben der Stadt, denen jie oft gar fredy den beiten Bijfen vor dem Schnabel wegnehmen, während jie an den Sutterpläßen für die Dögel im Winter immer erjt das Terrain von Amjeln, Sinken, Meilen, Grünlingen u. a. rekognoszieren lajjen, ehe jie jich heran wagen. Dem Menjchen ijt nicht zu trauen, davon ilt jeder Spat überzeugt, wenigjtens jeder ältere. 404 Gegen harte Kälte jind die Spaten ziemlich unempfindlich, und wenn nicht der Suttermangel es wäre, der jie traurig jtimmt, jo würden jie jich gewiß aud im Winter ganz wohl fühlen und nady Herzenslujt jpektakeln, wie in den erjten milden Tagen des Lenzes. Ihr Sederkleidchen it mollig und dicht. Trogdem find die Spaßen für die lange Ralte Winternadt jehr bejorgt um ein warmes S$lekchen. Sie hujcheln ji gern ein in ihrem alten Neit, falls der Sturm den gebredhlichen Bau nicht längit in alle Winde zeritreut hat; aud) tragen fie geeignete Stoffe in einen gejhüßten Winkel hinter die Dachırinne, in den Holzihuppen, in ein Mauerloh am Raudfang ujw. zu= jammen, um hier, das Köpfchen unter dem Slügel veriteckt, von all dem Schönen zu träumen, was der kommende Srühling aud) ihnen bringen wird, dem armen, verfolgten Dolke der Gajje, dem Proletarierpack, dem Land- jtreichergefindel — glaubt’s nur, ihr Menjchen, vom Hals bekommt ihr uns niemals; ’s wär aud) jhade um uns gejcheite, pfiffige Spaben ! 405 Der Swergiteißfuß. Don Hermann Löns. Es war im Herbit und der Sturm pfiff die Nacht über, als der Hifchteich im Selde einfam wurde. Immer weniger wurde das bewürm, immer kälter das Waljer, da erhoben die Swergtaucher ihr Gefieder und verjchwanden nad) dem Süden. Kaum, dab fie fort waren, fand ji) Ihon Erjaß; heute war es ein Taucherchen aus Schweden, das für einen Tag auf dem Silchteihe Halt machte, morgen ein Däne, aber als der erite Srolt Ram, zogen aud) dieje bei Nacht und Tebel weiter. Und bei Hacht und Iebel, vor Tau und Tag waren die Taucher wieder da auf ihrem Teiche. Der Briefträger, der den Richteweg durch die Feldmark ging, wunderte jich, was das für ein Getriller auf dem Waller war und ging näher heran; er jah aber nur zwei jchwarze Dinger, die im Waller ver: \hwanden, und als er kopfichüttelnd weiter fchritt, tönte ihm wieder das Tujtige Öetriller nad. Erit als er außer Sicht war, |hwamm der Hahn wieder aus dem Schilfdickicht heraus und lockte jo lange und jo zärtlich, bis das Weibchen ji audy auf das freie Waller wagte. Kopfnickend und lockend ruderten jie nebeneinander her, jid) mit Rojenden Tönen Schmeicheleien jagend über das wunderhübiche neue Srühlings- und Hochzeitskleid. ,‚Bib, bib“, Rlingt es und heißt: „Nein, was du reizend bilt in dem jchwarzen Röckchen und mit dem fuchsroten Halsbejaß”, und dann von der anderen Seite: „Und du erit! Das jieht doch anders aus, als das langweilige Winterzeug, was du trugit, als wir in Griechenland und Kleinalien Molchlarven filchten.“ Und dann lachen beide los, daß es jchrillt und trillert. Es it doch nirgends jchöner, als hier auf unjerem Teiche, denken jie. Wohl gab es in Ungarn jchon viel mehr Kaulquappen und größer waren jie aud, und in den Donaujümpfen war es joweit auch recht hübjcy. Aber juche einmal einer einen Teich, jo jhön wie diejen, jo wimmelnd von Karaujchen- brut, Sröjchen, Molchen und was da jonit nocy am Boden Rrabbelt und im Schlamm zappelt. Und wupps ijt das Hähnchen verjhwunden und jchieft wie ein Hecht über den Algenbejaß des Teichgrundes hin, daß die jungen Karaujchen nad) allen Ecken auseinanderfahren. Eine erwijcht er aber nod) und nod) eine, die gerade in das dichte Laichkrautgewirr Ichlüpfen wollte. 406 Steenhuizen. Zandvoort, Holland, Mai 19006. Brütender Swergiteißfuß. „Bib, bib“, Iockt er und [hwimmt feinem Weibchen näher. Sein |hwarzes Gefieder bligt in der Aprilfonne und feurig loht jein roltroter Hals. Und feine kleine Srau ijt nicht minder hübjch, jo hübjch, daf er gar nicht anders kann, als vor Dergnügen laut loszukichern und ihr ungejtüm den Hof zu machen. Dick bläht er den Hals auf, nickt jonderbar mit dem Kopfe, madıt fich ganz dick, |hwimmt breit auf dem Wafjer und jaujt auf jeine Herzaller- liebite los, dal der grüne Srojch, der ji aus dem Schilf auf das offene Wajjer gewagt hat, vor Schreck unterjinkt. Die beiden Liebesleute bringen Leben auf den Teich. Unaufhörlic, Klingt ihr Locken und Trillern, jtürmijch wirbt das Männchen, wie ein Torpedo durch das Waller jagend, daß falt nichts von ihm zu jehen ilt, als Kopf und Hals und ein ganz kleines Stückchen des Rückens. So heftig fährt er dahin, dab das Wafjer oft aufiprißt, und ab und zu ijt nichts von ihm zu jehen, als nur der Kopf. Und vor ihm her flieht das Weibchen mit derjelben Wucht, und wenn es fi vor dem kecken Werber unter Wajjer flüchtet, jo verjhwindet er auch, aber dann taucht erit fie auf und dann er und nun geht ein be- ichnäbel und Gezupfe und Gehalje los und ein Locken und Trillern, daf die Eliter, die in dem Weidenbaum fißt, vor Derwunderung einen ganz langen Hals mad. Das jind jchöne Slitterwochen. Beute die Hülle und Hülle, denn jeden Tag lebt und webt es im Wajfjer von mehr Kleingetier; Störungen finden nicht ftatt, denn der Teic) hat jumpfige Ufer und liegt abjeits der Sahrwege. Aber die Slitterwochen nehmen ein Ende und ernitere Seiten kommen heran. Da, wo braunes Laichkraut mit gelbgrünen Algen eine jhwimmende Injel bildet, arbeitet das Taucherweibchen von früh bis jpät herum. Unaufhörlic ichleppt es Stengel und Halme heran, jchichtet fie aufeinander, legt vom Boden heraufgefilchte faule Blätter darauf, und immer mehr und mehr, bis endlich das Weit fertig ilt, ein Haufen faulender Pflanzen, muffig, feucht und gärend, aber gerade darum jo vortrefflid). Nicht den ganzen Tag kann das Taucerweibchen auf den Eiern jißen, denn es hat viel Hunger und ehe es recht fatt ilt, muß es jchon eine Stunde fiichen oder gar deren zweie, und während der Seit muß das Mejt allein brüten. Das wäre aber nicht der Hall, beitände es aus trockenen Bauftoffen, wie anderer Dögel Meiter; da es aber aus faulenden Pflanzenreiten her: geitellt ilt, aus verwejenden Blättern und Stengeln, jchlammigen Wurzeln und Algenballen, die in der Sonne gären und brühen, jo jchmort es darin wie in einer Kodkilte, und wenn die Eier aud) ihre weile Kalkfarbe ver: lieren und fchlammgrün und [hmugbraun werden, das jchadet nichts, das it jogar gut, denn um jo mehr Wärme nehmen jie auf. It das Brüten alfo nicht allzu anjtrengend für die Kleine Taucherin, jo machen ihr ihre jechs Kleinen hinterher mehr Sreude, als Lajt. Sie jind gleich 409 jo furchtbar verjtändig, die zollgroßen, Ichwarzen, braun geitriemten Kinder. Nur die eriten paar Stunden jtellen fie jich noch etwas dumm an, aber jie be- greifen jchnell. Es braucht nur eine Schwalbe über den Teich zu fliegen und \hon jind fie im Waller oder im Schilf verjchwunden, und tauchen Rönnen lie, wie die Alten. Und wie niedlich trippeln fie auf dem Laichkraute umher und wie vernünftig kraßen und pußen jie ji mit den mächtigen Patjche- füßchen, und wenn jie auch zuerjt etwas ängitlicy zappeln und piepen, wenn lie jid) beim Auftauchen in den Algenfäden verjtricken, die Alten jind qleich dabei, jie loszupicken und in acht Tagen veritehen jie es jchon jelbit, beim Auftauchen die richtige Stelle zu finden. In jeder Beziehung jind die Kleinen verjtändig. Sind jie müde vom Schwimmen, jo Rlettern jie dem Dater oder der Mutter auf den Rücken und Jäubern und pußen dort ihr WollRleid. Sind jie ganz müde, jo kriechen jie der Mutter unter die Flügel und die |hwimmt ganz langjam mit ihnen umher. Sind jie hungrig, jo wiljen jie, wie man es madıt, den Egel und die Schnecke zu finden und der Kaulquappe und der Jungfernlarve unter Wajjer nad): zujagen. Und jo gedeihen jie prächtig, die jechs, und nehmen zu an Umfang, Weisheit und Derjtand und an Schönheit auch; jie verlieren die Wolle, be: kommen Sedern und Sittiche und ehe der Sommer endet, Schnurren fie jchon ganz hübjd, über das Wajjer und fangen bereits an, jicy in Rindlicher Weile den Hof zu maden. Sutter für alle hat der Teich im Selde genug. An dem Ufer wimmelt und Rrimmelt es von Srojch und Krötenlarven, das Laichkrautgewirre be- herberat unzählige Molchslarven, Karaujchen jind jo viel da, dah jie in den tiefen Stellen haufenweije jtehen und was da jonjt noch von Würmern, Schnecken, Käfern, Wanzen und jonitigem Tierzeug auf und im Waller kriecht und krabbelt und jhwimmt und taucht, das genügt für mehr als eine Taucher: familie. Und jo ilt denn auf dem Teiche ein lultiges Leben den ganzen Sommer lang, und nur, wenn der Sperber oder die Eule jich einmal zeigt, gibt es ängitlihe Augenblicke, aber das Waller it tief und das Schilf ilt dicht und jo müljen Sperber und Eule mit leeren Sängen abziehen und die Taucher freuen jid) nach wie vor ihres Lebens auf dem Teiche. Wenn aber das Feld Rahl ilt und der Wind auf der Stoppel pfeift, die Stürme häufiger werden und die Regenschauer dichter, dann wird es den Tauchern ungemütlic. In einer dunkeln Oktobernadt jind jie verjhwunden und jie bleiben verjhwunden, bis eine dunkle Märznadht die Alten wieder: bringt zu ihrem Teiche im Selde. 410 Steenhuizen. Zandvoort, Holland, Mai 19006. Swergjteißfuß auf jeinem jchwimmenden Nejt mit bedeckten Eiern. Die Hohltaube. Don Hermann Löns. Gleihmäfjiger und einförmiger wird unjere Dogelwelt mit jedem Jahr: zehnte. Ackerbau und Aufforitung freffen das Ödland auf, der Wiejenbau verichlingt Moore und Sümpfe, Induftrie, Derkehr und Bejiedelung nehmen dem Sande die Ruhe, Derkoppelungen jcheren die Seldmark kahl, Ufer: begradigungen dulden keine jchilferfüllten Buchten, das Nadelholz verdrängt den Laubwald. Manchem Dogel jagt die Umgeftaltung des Geländes und die jtärkere Bebauung zu; Seldhuhn, Haubenlerche, Grauammer, Hausrotjchwanz, Ringel: taube und anderen Arten kommt die Deränderung der Tandichaft zugute; andere Dögel, wie Dorngrasmücke und Sumpfrohrjänger willen ji der Sur anzupaffen oder fie vertaufhen gar, wie Amfel und Star, den durch} foriteten, unterholzarmen, unterjchlupflofen Wald mit der Drtjcaft. Andere aber, denen die Lebensbedingungen immer mehr genommen werden, denen es von Jahr zu Jahr mehr an Brutgelegenheiten gebricht, die nur noch an wenigen Stellen die Ruhe finden, deren jie bedürfen, oder denen der Jäger und die Eier- und Bälgefammler zu jtark nadhitellen, gehen jchneller oder Iangjamer in ihrem Bejtande zurück und wenn nicht die jtaatliche Natur- denkmalpflege fi ihrer annimmt, verjhwinden fie über kurz oder lang als Brutoögel aus Deutjchland. Dazu gehören der Stein» und der Seeadler, der Schreiadler und der Uhu, Wanderfalke und Kolkrabe, der Kranidy, der Säbel- ichnabel, der rotköpfige und der [hwarzitirnige Würger, manche Seejchwalben, die Scharbe, die herrliche Blaurake, der zierliche Wiedehopf und die eigen: artigfte unferer Tauben, die Hohl- oder Lochtaube. Sie ijt der Dogel des alten Waldes, der ihr Bruthöhlen bietet, denn jie baut nicht, wie die Ringel- und Turteltaube, offene Weiter, jondern jie brütet in Baumlödhern, die ihr die neugeitliche Sorjtwirtichaft, die Reinen Rernfaulen oder anbrüdigen Baum duldet, nicht bietet. Und außerdem will jie Ruhe haben, tiefe Waldruhe, und nur jehr jhwer gewöhnt jie jid} an den Derkehr und an das Treiben der Menjchen. Wo das Laubdad, des Waldes am did}: teiten jchattet, wo die Älte jich am feitejten veritricken, wo das Licht nur |parjam durch das Blätterneß fällt, da ilt es ihr am wohliten, da jpielt ji) ihr heim= 415 liches Leben ab. Auch dort, wo jie jid) dem Derkehr angepaßt hat, in viel: bejuchten Wäldern, ilt jie heimlicher, als die übrigen Wildtauben; nähern ji ihrem Rufbaume laute Stimmen, jo bricht jie ihr dumpfes Balzgeheul ab und flüchtet; niemals wird jie, wie hier und dort die Ringeltaube, ein jo vertrauter Park- und Gartenvogel werden wie dieje, und jelbit wenn jie im Dark brütet, jo wird jie dem Mlenjchen dod) jtets ausweichen. So wird Jie wenig beachtet, wo jie vorkommt, und ilt, troßdem jte jo groß, wie die Haus= taube ilt, recht unbekannt. Es lohnt jich aber, jie zu beobadhten, denn jie gehört zu den fejlelndjten Erjcheinungen unter unjeren mittelgroßen Dögeln, und wer zu pürjchen veriteht und Geduld bejißt, dem wird es nicht jchwer, lid) an ihrem ÖGebaren zu erfreuen. Schon im Dorfrühling, wenn Weidenbüjche den goldenen Schmuck anlegen und die eriten weihen Blumen durch das Sallaub brechen, trifft die Hohltaube bei uns ein. In großen Slügen wandert jie von Holz zu Holz. Urplößlid) fällt ein Trupp in dem Rahlen Walde ein. Dreifig der mohnblauen, rojenbrüjtigen Dögel lajjen jih an dem Saume des Waldes nieder. Stumm hocen jie da und wenn Jie die Köpfe wenden und mit ihren roten Augen umherjpähen, jchimmern die goldgrünen, purpurn jchillernden Halszierden. Mit hellem Stügeljchlage jhwingt ie jich ein Stück von dem Alte, jteigt über die Wipfel und fliegt in den Wald hinein. Die ganze Schar kKlappert von dannen. Mitten im Walde, wo alte, übergehaltene Eichen jtehen, fällt der Schwarm ein, daf es prajjelt. Dann aber ijt alles jtill, wohl eine Dierteljtunde lang. Ab und zu überjtellt jid) eine Taube, eine andere |hwebt zum Boden hin und trippelt dort umher, nach Sämereien, Obermajt und Gewürm juchend. Ein Täuber aber fühlt jidy) in der Märzjonne. Er richtet jid) bolzen- gerade auf und rudit. Es ilt ein dumpfes, bauchreönerijches Heulen, das er von jich gibt, ein halblautes, hohles ‚„HuuR“, im Anlaut tief und länger, im Ausklang höher und Rürzer, falt wie ein Schluchgen. Drei=, vier-, fünfmal gibt er den Doppelruf von ji, dann Iteigert er die Schnelligkeit, |chiebt den Doppellaut in einen zujammen, verbindet die einzelnen Töne zu einem zit: ternden Geheule und jchlieft plößlich jein Lied. Ein anderer Täuber reckt ji empor und antwortet dem eriten, doch jein Balzgeheul it nocd) dumpfer, rollender. Ein dritter, der noch mehr jchnurrt, Rommt an die Reihe, und ein vierter |chließt jich an, der wieder mehr jchlucdyzt, und jowie einer der Täuber ausgeruckit hat, beginnt ein anderer, bis eine Wolke die Sonne verdeckt und mit einem Schlage die jeltjamen Bauchredner verjchweigen. Eine nad) der anderen von der Schar jchwebt zu Boden und pickt nad) Grasjamen, Gehäuje: Ichnecken und überjährigen Eicheln im Laube umher, bis das Rattern eines Holzfuhrwerkes näherkommt und mit Tautem Geprajjel der Flug davonitiebt. Jeder Tag bringt neue Slüge, die auf den Feldern und Wiejen einige Stunden die Hahrungsjuche betreiben und dann ein Stündchen Heulprobe im 414 5, Steenhuizen. Zandvoort, Holland, Mai 1904. Junge Hohltauben in ihrem Mejt in einem verlajjenen Kanindhenbau. alten Beitande abhalten. Slug um Slug verjchwindet wieder. Ein Paar aber bleibt. Die Schlafhöhle, die über Winter der Schwarzjpecht jih in der lang- Ichäftigen Buche zimmerte, hat den Beifall des Pärchens. Tag für Tag heult der Täuber nun am auserwählten Pla und treibt die Taube. Heute nod) und morgen und übermorgen muß er aufpaljen, daß kein unbeweibter Täuber ihm die Genofjin abjpenftig macht, dann aber ilt die Sugzeit vorbei und wenn aud noch einmal ein lediger Täuber jich alle Mühe gibt, die Taube zu gewinnen, es gelingt ihm nicht, der Gatte wahrt jeine Rechte. Es ilt ein Wald, der einem Hohltaubenpaare wohl gefallen kann, ein alter Hudewald, weitab gelegen vom Derkehr, jo da die Holznugung jic nicht fehr Iohnt. Deshalb konnten die Eichen jo alt werden. Hunderte von ihnen ftehen da, knorrige Gejellen mit wirr gejhwungenem Ajtwerk. Manche haben dicke Knollen, an anderen wuchern breite Schwämme, viele jind hohl und morjd und von armdickem Efeu umjponnen, andere ind zopftrocken und ftrecken ihre Hornzacken weit über die Kronen der alten Buchen und Sichten, die weite Bejtände bilden. Die feuchte Niederung an dem Bade füllt ein Wald hochitämmiger Erlen mit reihem Unterwuchje aus, in dem es von Schnecken wimmelt, daran jchließt jich ein großer Bejtand uralter, geköpfter Bainbuchen an, deren Stämme verrenkt, zerrijjen und geboriten jind, und an Blößen und jungen Schonungen mit reihem Gras und Krautwuchje fehlt es nicht. So findet ji) nody ein Paar Hohltauben ein, dasjelbe, das |chon im vorigen Jahre in der Eiche hinter dem Sorithaujfe baute, und ein drittes, das jidy ein Aftloch in einer anderen Eiche wählt, deren größere Köhle jchon ein Paar Waldkäuze bewohnen. Dor den Käuzen haben die Hohltauben keine Angjt und vor den Waldohreulen, die in den Sichten horiten, aud) nicht, und noch weniger vor den Gabelweihen, die in der hödhiten Buche des Sorites ihren Horjt haben, und um den Bufjard, den Turmfalken und den Lerchen- jtößer kümmern jie fi aud) nicht, desgleihen nicht um das Sperbermännden. Ihre einzigen Seinde find der Hühnerhabicht, der ab und zu hier Galtrollen gibt, und das Sperberweibcdhen. Aber jie jind jehr vorjichtig, die Tauben, äugen immer umher, wenn fie im Selde jind, und jobald irgend eiwas Der- dächtiges auftaucht, eilen fie jähen Sluges zu Holze. Auch juchen jie ihre Nahrung viel mehr, als die beiden andern Taubenarten, im Holze jelber, und dort faft fie der Habicht nicht, denn wenn er audy gewandt ilt, jo flink wie fie ift er doch nicht in dem Gewirr der Alte, in das jie jidh vor ihm retten. Sonit unterjcheidet fich die Hohltaube in der Lebensweije von den anderen Tauben wenig. Sie ilt etwas mehr Wald: und etwas weniger Seldvogel, heult öfter, als die Ringeltaube, nimmt, wie dieje, gern die Salzlecken an, die die Sörfter für das Wild herrichten, macht zwei, unter Umjtänden jogar drei Bruten, für die fie jedesmal ein anderes Nejtloch gebraucht, weil nad) Dögel I. 27 417 dem Ausfliegen der Jungen das alte Hejt zu jehr bejhmußt it, und lebt wie alle unjere Tauben von Sämereien aller Art, von Eicheln, den Srüchten von Rot: und Weihbuche und Nadelholzjamen, frigt aud, wie die Ringel» taube, Gehäuje- und Acerjchnecken und jucht in ausgetrockneten Tümpeln auch jolche Gehäufejchnecken, die im Waljer leben, wie jie denn aud) gewille Käfer, jo den Pillenkäfer, aufnimmt. Durch, Dertilgen von allerlei Unkraut: jamen ijt jie nüßlich, wogegen der Schaden, den Jie in Held und Wald anrichtet, bei ihrer Seltenheit gänzlich belanglos ilt. Wie manche anderen Höhlen- brüter, wie WaldRauz und Wiedehopf, wird jie in Gegenden, die ihr jonit zujagen, wo jie aber Reine Baumlöcher findet, zum Erdbrüter. In den dünigen Gegenden von Holland, Weitweitfalen und Weithannover brütet jie nicht allzu jelten in Kaninchenbauen, eine Anpajjungsfähigkeit, die man ihr kaum zutrauen jollte. Seitdem infolge der Dogeljchußgejeggebung der Schwarzjpecht häufiger und verbreiteter wurde, geht es aud) der Hohltaube bei uns wieder bejjer, da der Schwarzjpecdht für Bruthöhlen jorgt. Seine Nijthöhle benußt er nie zum zweiten Male und er zimmert jich) mehrfad) im Jahre Schlafhöhlen, die dann anderen Höhlenbrütern, jo der Schellente, der Mandelkrähe, dem Wiede- hopfe und aud) der Hohltaube zugute kommen. Es ilt verjchiedentlic) felt- geitellt worden, daß in Wäldern, aus denen die Hohltaube verjhwunden war, jeitdem die alten hohlen Eichen und Buchen gefällt waren, die Hohltaube ji bald darauf wieder anjiedelte, als der Schwarzipedht dort Teihaft wurde, erjt in einem, dann in mehreren Paaren. So jcheint es, dak jie in Deutjchland wieder häufiger wird, und es wäre jehr zu wünjchen, wenn man jie von der Lilte der jagdbaren Dögel jtriche und unter das Dogeljchußgejet jtellte, weil ihr Schaden gering und ihr äjthetiicher Wert jo groß ilt. Auch wäre es er=- wünjcht, wenn die Dogeljchußvereine jid) ihrer annähmen und in jtillen Wal- dungen und großen Parkanlagen Brutgelegenheiten für jie |chafften in Geftalt genügend großer, recht hoch aufgehängter Brutkälten. Es ilt immer ein großer Gewinn für einen Stadtwald oder einen Park, wenn diejer jeltfjame Bauchredner jich dort anjiedelt. Sein Ruf ilt jo eigen artig und fein Balzflug jo herrlich, daß die geringe Ausgabe für die Nijtkäjten jich reichlich bezahlt macht, und es ilt nicht zu befürchten, daß die Hohltaube irgendwo jo lältig auftritt, wie es hier und da in Städten und Anlagen die Ringeltaube jchon tut, denn da jedes Paar Hohltauben zwei bis drei Nejthöhlen in jedem Jahre braucht, jo ilt eine jtarke Dermehrung dort ausgejchlojjen, wo nur wenige Niltkälten zum Aushängen kommen. 418 Juni 1900. Cöthen, + = — S = = = = = — N) = = S _ — o — _ = 3 e) — =) S = S Lund a) IM, Behr. h Tall Digg an NE Die Turteltaube. Don Hermann Löns. In das Badhtal ift der Srühling gekommen; Sarben und Töne bradıte er mit. Auf den Wildkirfchenbäumen liegt es wie Schnee, am Bache entlang leuchtet es wie Gold, des Hügels Abhang ijt himmelblau und rot Jchimmert es am Rain. Sink und Amjel, Drofjel und Star, die zuerjt hier das Wort führten, haben Gejellihaft bekommen. llber dem Bache ertönt das Gezwitjcher der Schwalben, Laubvögel und Grasmücken jingen im Gebüjch, auf der Trift jchmettert der Pieper und im Weidicht |chlägt die Nachtigall. Tod) viele andere Dögel fingen und jhwaßen hier, Braunelle und Rohr: länger, Meijen und Ammern, der Specht trommelt und der Häher plaudert, der Turmfalk Richert und der Bufjard fchreit, doch bis geitern fehlten noch) zwei Sänger abjonderlicher Art, die Bauchredöner der lujtigen Truppe. Geitern morgen aber Rlang zum erjten Male wieder des Kuckudks Ruf laut durch den Schälwald und kaum hatte er gerufen, erjcholl ein lautes Schnurren aus der Krone der Wildkiriche, das unten in den Kopfweiden Widerhall fand und von dem Birkengehäge ein Echo erhielt, und nun ihnurrte es hier und fchnurrte es da, hörte auf, jeßte wieder ein, und flinke Dögel jtiegen über die Sichtenfchonung, Kreilten und jchlugen die Flügel zu- jammen, daß es Rlatichte und Knallte. Iekt erit ift das richtige Leben im Tale, denn die Turteltauben jind da. Wenn auch die anderen Dögel noch jo jchön fingen und pfeifen, ohne das zärt- liche Girren, ohne das Rojende Gurren, ohne das fröhliche Klatichen wäre es nur halb jo lujtig hier im bujchigen Wiejenbachtale. Der Ruf der Ringel- tauben tönt zwar vom Sichtenwalde bis hierher und aud) ein Hohltäuber Täft jein dumpfes Heulen aus dem alten Eichenüberhälter erichallen, aber joviel Leben, wie die Turteltauben, bringen beide nicht in das Tal, und nur ihr Schnurren vermag dieje behagliche Stimmung zu erzeugen, die zum Srühling gehört, wie der Schlüffelblume Prangen und des Sitronenfalters Leuchten. Sie ilt der Dogel des Lichtes, der Dogel der Sonne. Wo der hohe Sichten- wald düjtert und im Dämmerlicht der alten Buchen, da gefällt es ihr nicht. 421 Sonne will jie haben und den jungen Bujch, wo das Licht bis auf den Boden fällt und aus dem kupferfarbenen Laube die jilbernen Windröschen hervor- lockt, die goldenen Schlüljelblumen, die blauen Leberblümchen und die bunten £ungenblumen. Bunt muß das Gelände jein, joll es der Turteltaube ge= fallen, Seld und Wieje muß es haben und munteres Waller. Denn bunt ilt jie ja auch, die Rleinite unjerer Tauben. Schmückt jie auch nicht der Perlmutterkragen, wie die Ringeltaube, fehlt ihr aud) das gold- grüne Halsband, das die Hohltaube ziert, mit der |chwarzweil; gemujterten Halszier, der dämmerungsroten Brujt und dem abendblauen Hacken it ie bunt genug und die jchön |chwarz geflammten roitbraunen Slügeldecken und den weihgejäumten Keiljchwanz haben die anderen Tauben nicht aufzuweijen. Und jolhe flinken Slieger, wie jie, jind fie auch nicht. Sie aber ywenkt durch die dichten Stangen des Schälwaldes und biegt durch das verworrene Altwerk der Sichten, und wenn fich ihr Balzflug aud) nicht jo würdig aus- nimmt, wie der der Ringeltaube und der Hohltaube, auf Würde gibt jie nichts, ihr genügt es, hübjch und niedlich zu fein. Das ilt jie auh. Mit Rlingendem Slügelichlage jtiebt die Taube aus dem Ufergebüjch und fällt da in der Sichtenfchonung ein, wo die Sonne am wärmjten jcheint. Leije jcywankt der Alt auf und ab. Die feuerroten Augen blicken hin und her, nad) rechts und links dreht jich der zierliche Kopf. Leije Richernd jchiebt jic) die Taube den Alt entlang, mitten in die Sonne hinein. Ihre blutroten Sühchen glühen wie Korallen. Das Schnäbelchen zupft hier, zupft da, ordnet die rötlichgrauen Brultfedern, die ajchgrauen Sedern des Rückens, jie jpreizt die Slügel, fächert den weißjgeRanteten Schwanz und jißt dann glatt und jauber und jonnt jid. Rechts von ihr jchnurrt es dumpf und zärtlih. Da fit ein hübjcher Täuber und jagt ihr, wie wunderjchön er fie finde. Und immer zärtlicher Ihnurrt er, immer länger wird fein fonderbares Lied, und fie drückt das Köpfchen und dreht jich und wendet fich, und da flattert er heran und nimmt bei ihr Plaß. Noch zärtlicher, immer verliebter jchnurrt er, aber da kommt es klingend herangeitrichen, ein zweiter Täuber erjcheint, jtößt mit girrendem Laute den Derliebten von dem Alte und will feine Stelle einnehmen, als ein dritter naht und es mit ihm jo madıt, wie er mit dem eriten. Nun hat die Taube die Wahl zwijchen drei Derehrern. Ein fröhliches Minnejpiel beginnt. Sie flattert voran, die drei Derliebten folgen ihr. Einer wagt es und fällt jchnurrend bei ihr ein, aber jowie er ihr zu nahe rückt, hat er von jeinem Mebenbuhler auch jchon einen Schubs und rettet jich ver- dußt auf den nädjiten Sweig. Stolz jteigt der Sieger in die Luft, Rlatjcht ji jelber Beifall und umjchwebt in jhönem Kreife die Holde, und, ermutigt von ihren zärtlihen Blicken, läßt er fich bei ihr nieder und wird zudringlid. 422 Trebbichauer Busch b. Cothen, Juni 1908. Nejt mit Gelege der Turteltaube. M. Behr. Junge Turteltauben im Neft. Das ilt dem dritten Täuber zu viel, wütend Rommt er herangeklingelt, jagt den anderen fort und nimmt dejjen Stelle ein, aber auch er muß wieder weichen, denn der erite vertreibt ihn und eine Stunde lang geht das Tujtige Spiel hin und her, bis es Seit wird, zu Felde zu fliegen. Alles hat jeine Seit, auch die Liebe, das ilt der Turteltauben erites Gejeh. It die Stunde da, dann hört das Schäkern und Kojen auf und die Magen: frage drängt die Bedürfnilje des Herzens zurück. Don allen Seiten fliegt es aus dem Bujchwalde zu Felde. Auf dem großen Bradader jammeln jic alle Turteltauben. Diele Male Rreijen ie, fallen ein, fahren empor, Rreijen wieder, laljen jich abermals herab, und wenn jie aud) redlich bei der Sutter: juche find, alle Augenblicke flattert eine hoch und äugt umher, ob nicht ein Seind ji nahe, und wenn fie auch noch Jo eifrig bei dem Suchen Jind, immer richten jie jicy hoch und jpähen fie aus dem Gekräute hervor. Dielerlei it auf der Brache zu finden, was ihren Schnäbeln pabt. Da liegen allerlei Samenkörner, große und Rleine, die am Keimen ind. Wären die Turteltauben nicht, jo Rönnte der Bauer der Ackerdijtel nicht Herr werden. Aber eins nad! dem anderen der jchmalen Samenkörnchen verijchwindet in den zterlihen Schnäbeln und aud) die Samen von Quecke und Hedrich werden aufgenommen und noch von vielem anderen Unkraut, das dem Landmann Ärger und Sorge bereitet. Aber auch jo mandhe Rleine Raupe wird verjpeiit und jede Ackerjchnecke, und felbit Kleine Schnirkeljchnecken mit derben Öe- häujen werden nicht verjchmäht und wandern in Kropf und Magen. Plan mäßig rücken die Tauben voran, jeder Sollbreit des Bodens wird von den roten Augen abgejucht, eilig trippeln die rojigen Fühchen voran, und unauf- hörlid; picken die |hwarzen Schnäbelcen. Endlich it ein Täubchen jatt und fliegt zu Holze. Eine andere folgt und immer wieder eine. Hier und da jchnurrt es im Holze wieder, dod) ilt das nur ein Swilchenipiel. Mod, ilt für die Liebe die Seit nicht wieder da, denn erit ilt eine andere wichtige Angelegenheit zu erledigen. Da, wo die alten Eichen jich über dem Bache erheben, ilt ein flaches, toniges Ufer. Sonder- bar genarbt ilt der Schlamm. Das haben die Sühe der Turteltauben getan. Dorlichtig nähern fie ji der Tränke. Rund umher jiten jie im Unterholze und warten, ob auch ihr Durjt noch jo groß ilt. Endlich flattert eine zu Boden, äugt lange umher, trippelt an den Bach, äugt noch einmal und jteckt den Schnabel in das Waljer, in langen Sügen die Labe einziehend. Eine zweite kommt und eine dritte, eine jtreicht ab und wieder eine fliegt herbei und erquict jih. Da ralchelt ein Reh im Uferjchilf und mit warnendem Slügel- geklatjche jtiebt die ganze Gejellichaft von dannen. Still it es jet im Walde. Ab und zu jchnurrt einmal ein allzu arg verliebter Täuber, aber dann rückt auch er jich wieder zurecht und verdaut. Dann aber wird der ganze Wald wieder laut von dem zärtlichen Bejchnurre 425 und hier und da und dort treiben die Täuber die Tauben, jteigen laut Rlatjchend über den Bujc, jhweben zierlich dahin, lajjen jich auf den Spiten der Fichten nieder, jchnurren lange und laut, jagen die Mebenbuhler fort und werben um Liebe, bis wieder die Stunde zum Selöfluge da ilt und der Wald wieder itille wird. Noch einmal finden ji die Tauben an der Tränke zujammen, verträumen noch eine Derdauungspauje, und wenn der Sonne jchräge Strahlen die Fichten in rotes Licht hüllen, dann jchnurren jie wieder eintönig, bis jie im dichtelten Sichtengeälte, wo der Kauz jie nicht fallen Kann, jich bergen und die Köpfe im Gefieder verbergen. Ein herrliches Leben ilt es im Wiejenbachtale, auf dem Selde und im Bujche, und nur wenn der Sperber jich blicken läßt, ijt es Itill. Schlägt er aud; einmal eine Taube, es bleiben nod) genug übrig, um das Tal mit lujtigem Leben zu erfüllen, und die Nejter jind jo jorgfältig verjteckt, daf die Dorfjungen jie nicht finden. Denn jo frei und offen die Turteltaube aud lebt, am Nejte ijt jie heimlicy, wie ein Laubvögelchen. Im dickiten Gewirre der Sichtenzweige, im verworreniten Geflechte der Iungeichen oder dort, wo des alten Weißdornes Ajte ein undurddringliches Derhau bilden, jteht es. Liederlich genug ijt es freilich, denn auf andere Künjte, als auf die Baud)- reönerei, verjteht jich das Täubchen nicht. Aber es genügt für die beiden weißen Eier und für die Kurze Seit, dab die Jungen im Mejte hocken, denn jobald die Schwungfedern durchbrechen, flattern fie jchon in den Buld. Wenn die Taube nur einmal brütete, nähme jie es mit dem Nejtbau wohl genauer. Aber Raum, daß die eine Brut beflogen ilt, dann wird jchon wieder gebaut. So hat die Taube nicht gerade jehr viel vom Leben. Kaum ijt fie am Brutorte, jißt jie auf den Eiern, und wenn ihr der Tauber aud; beim Brüten etwas hilft, die Hauptmühe hat fie doh. Dafür unterhält er jie aber auch auf das jchönjte mit feinem Gejchnurre und wenn die Kleinen da jind, füttert er eifrig mit, die eriten Tage mit dem eigens zu diejem Swecke hergeitellten Kropfkäfje, und hinterher mit im Kropfe erweichtem Sutter. Und jo wachlen die Jungen und blühen und gedeihen und entwickeln ji) aus kleinen piepjenden Scheujälern zu hübjchen Täubchen, die eng zujammen- gedrückt im dichtejten Laube hocken und auf den Dater und die Mutter warten, bis jie beide nicht mehr nötig haben und jich jelber trippelnd und kopfnickend auf dem Selde ernähren können. Das wird ihnen leicht. Im Selde Rlingen die Senjen und die Augujtjonne prallt auf die Roggenjtoppel. Das aber ilt der Tauben Erntefeld. Da Ichimmern überall die ausgefallenen Körner und von den Raden und Tremjen, Klingelwicken und dem anderen Unkraut liegt joviel Samen umher, daf die allerdümmite Jungtaube Raum zu juchen braudt, um fatt zu werden. Aller: dings erwilcht manche der Sperber, der Strauchritter, wenn fie allzu arglos über das freie Held fliegt, und jtumm, ohne einen Klagelaut, ergibt fie jich 426 in ihr Schickjal. Die übrigen aber leben einen guten Tag nad dem andern in Seld und Bujd, und gefällt es ihnen hier nicht mehr, jo juchen fie Sich eine andere Stätte. Wenn aber die Herbitjeide über das Seld jegelt und die Schwalben in langen Reihen auf den Telegraphendrähten jigen, dann treibt es die Turtel- tauben zum Süden, und in Ölbaumhainen und Palmenwipfeln verleben jie die Seit, da ihr Brutbujch im Norden kahl und öde und die Wiejen im Bad)- tale fahl und traurig jind. 427 Der Stein: oder Goldadler. Don Martin Braeß. Hoch in den Lüften Rreilen zwei mächtige Adler, ohne Slügelbewegung Ichwimmend im Luftmeer. Tief, unendlich tief unter ihnen einjame Bergketten, jähe Öehänge, jteinbejäte Matten, Wälder, Täler und Klüfte, und weit in der Serne am Horizont, wo abends die Sonne verjchwindet, ein jilbernes Glißern: die Bucht von San Srancisco mit ihren tief ins grüne Land reichenden Armen. JIit es ein anmutia Spiel in den Lüften, das die Könige der Dögel hier treiben, in Spiralen hinauf Zu unermeßlicher Höhe, Dis über die Wolken, und dann wieder hinab jchnell wie der Blit, jeßt ruhiges Schweben, und jeßt jo mächtiges Schlagen der Schwingen? Dder halten jie Ausjhau auf Beute, die gewaltigen Herricher des weiten Reviers ? Nicht Liebesluft ijt’s, nicht Jagdbegierde, was die beiden vor einer Stunde veranlaft hat, lautlos von der riejigen Snkomore zu gleiten, die den Horit trägt, und ji dann aufzujchwingen hod, über die Welt. Brütend ja das Weibchen über den Eiern, während der Gatte, heimgekehrt vom erfolg: reichen Jagdzug, auf dem dürren Ajt hockte daneben, die eine Klaue an den Leib gezogen unter das lockere Gefieder. Scharf hält er Ausjchau, nichts entgeht jeinem Auge. Die beiden Männer, die aufwärts wanderten im Seljental und jet mühlam an den blumigen Matten des Steilhangs empor= klimmen, jchwere Lajten am Rücken, hat er längit bemerkt. JIett haben fie den zerklüfteten Bergkamm erreicht und ralten, zurückblickend auf den be= ihwerlichen Weg; jeßt kommen jie näher — was wollen die trägen Erd- bewohner in meinem Reich? Da lüftet er die gewaltigen Schwingen, und in herrlihem Slug jchraubt er jich höher und höher; die Gattin folgt jeinem Beijpiel. Und nun jchauen jie zu vom blauen Himmel herab, wie die Eindring- linge halt machen unter dem Horitbaum. JIebt werfen fie ihre Lalten ab, je&t klettern jie mühlam empor an dem einen Stamm der Sykomore, die Ihon vom Boden an jid) teilt in vier falt jelbjtändige Bäume. JIebt haben lie die Stelle erreicht, wo der horizontale Ajt, der den Horit trägt, fich ab- zweigt, weit überhängend über den felligen Abjturz. Und jett die Kühnen, bald rittlings, bald in liegender Stellung jchieben fie fich vor, weiter und 428 Californien. Der Photograph bei der Arbeit. Horjt des amerikanijhen Goldadlers auf einer Sykomore. H. T. Bohlınan. weiter, bis an den Rand des majligen Baus. Ein faljher Griff, das Brechen eines Sweigs, und mit zerjchmetterten Gliedern würden die wagehalligen Männer drunten liegen in der gähnenden Kluft. Jet unterfuchen jie den Horit; feit it er gefügt, beide würde er tragen, jhon jahrelang hat er hier H.T. Bohlman. Californien, Ende März 1904. Horjt mit Gelege des Goldadlers. auf der Höhe dem Wetter getroßt und dem Sturm. Eine ganze Wagenladung von Äjten und Stöcken, nicht nadhläljig bloß zujammengejchleppt, jondern ge- Ichickt verwirkt in die Altgabeln, dah jedes einzelne Stück den Bau veritärkt, wie ein Stein fich fügt in den Stein, jo bildet die riejige Mlajje den Grund Dögel I. 28 429 für eine Plattform, fünf Suß im Durchmefjer, in der Mitte eine runde Dertiefung, darin die beiden jtattlichen Eier; ganz licht grünlichweil; der Grund, darauf graubräunliche Flecken und rojtbraune Dunkte. ®b jie das Neit jeines Inhalts berauben ? Kollernd vor Wut jtößt der Adler einige Rufe aus, doch jie verhallen im Luftraum. Nur das Weibchen vernimmt es und antwortet zijchend und pfeifend ; die Männer am Horjt hören es nidt. Warum gebraucht ihr nicht eure Waffen, die jtarken, kräftigen Sänge mit den jpigen, |harfkantigen Krallen an den hochgelben Sehen, den furdht- baren Schnabel mit dem kühn gejhwungenen Haken, der jo oft ichon Tod und Derderben gebradt hat? Warum holt ihr nicht aus zum Schlag mit den mächtigen Schwingen, über zwei Meter von Spitze zu Spite ? Leicht bewältigt der König der Lüfte jeden SKeind, wie groß er aud) jei und wie jtark; nur den Menjchen flieht er, jcheu weicht er zurück vor dem jchlimmiten der Räuber. Aud in der weltfernen Gegend, wo jein Horit jteht, hat er ihn kennen gelernt, der aus dem tödlichen Lauf des bewehrs die Kugel dem Herrn des Öebirgs in die Bruft jagt. Jahrelange Derfolgung, die der Steinadler in den Ralifornijchen Bergen erfahren hat durd) Jäger und kühne Eierräuber, haben ihn Rlug gemadt und jcheu, aber nicht feige. Dod) die Männer gleiten herab von dem Baum, die Beute verjhmähend. Jebt öffnen jie unten am Boden die Säcke. Wie es blißt an den Kälten, die lie ihnen entnehmen! Dorjichtig Rlettern jie dann mit der Rojtbaren Lalt, der eine an diefem, der andre an jenem benachbarten Stamm mühjelig empor, noch höher als der luftige Horjt zwijchen ihnen. Dann befeitigt ein jeder mit unjagbarer Mühe den Kalten in der Babelung, die jicheren Halt zu bieten verjpricht, wohl 20 Fuß entfernt von dem Horit — genau abgemejjen jede Bewegung, genau überlegt. Endlich, endlid) jcheint es gelungen, was ihre Abjicht. Sie klimmen wieder hinab, ihre Beute in dem dunkeln Behältnis, unjichtbar, nur ein Hauch, aber wertvoller als das Gelege im Horit. Drunten im Reiche der Menjchen erzählt das photographilche Bild von der Wohnung des Adlers, wie jie jicher gegründet ilt, eine Burg auf luftiger Höhe, von dem Schaß, den jie birgt, und von der unendlichen Mlühe, eh es gelang, vor ihrer Pforte zu jtehen — was jind Bejchreibung und Worte gegen ein einziges Bild ! Und jie kommen wieder nach Tagen, nad) Wochen, die tapferen Männer. Nicht Jagdlujt ilt’s, was jie treibt ins Gebirge, Rein unjinniger Sport; der MWilfenichaft wollen jie dienen, ein Geheimnis enthüllen, das jich verbirgt, unerreichbar falt dem an die Scholle gebundenen Mlenjchen. Und es gelingt; Mut und Geduld, jie führen doch immer zum siele! Im Lauf von drei Monaten ilt der Schleier gelüftet, der das intimjte Samilienleben des Königs der Dögel bisher verhüllte. Eine jtattliche Sahl von Bildern zeigt nicht nur Horitbau und Eier, jondern aud) die dem Gelege entjchlüpften Jungen, ein paar Tage nur alt, im eriten Jugendgefieder, |päter wie die Federn hier 450 "uaru1o/17v) 'jp 3802 Ob '19]909]09 dung "UDMYogT wZ EL ar I DE 1 een ri ng Me. Mr A SINE und da durchbrechen, dann das königliche Swillingspaar, wie es ji) auf: gerichtet hat im Horit, endlich wie es hockt auf dem Ajt, der fein Heim trägt, wohlbefiedert, bereit jchon, zum eriten Slug die Schwingen zu lüften, die den jtolzen Herricher einit tragen jollen hoch in den Äther, daß er herab- haut auf alle Riejen der Erde. Welche Mühe, welche Geduld, wie groß die Gefahr! Sechs Bergfahrten, jede zwei Tage während, Ihmerzende Wanderung über rauhe Pfade nad der Höhe des felsbejäten Rückens, belajtet mit jchwerer Kamera und über 100 Platten! Das Erklettern des Horjtbaums, jeden Augenblick in Gefahr, wenn ein Sweig bricht, eine Hand gleitet oder ein Suf, die jchwierige Wahl eines geeigneten Plaßes zum Photographieren, das mühjame Befeltigen der Kamera — weh, wenn jie abjtürzt, mehr als 200 Dollar liegen dann zertrümmert zwijchen den Seljen, und alle Arbeit vergebens — das hundertmalige Prüfen und Ändern und wieder Probieren, der gefahrvolle Abjtieg, Hunger und Durit, und dem Wetter ausgejeßt im nächtlichen Lager unter einem Baum, eine Meile entfernt vom Seljen des Adlers! Nur ein großes Stel läht jolhe Beichwerden überwinden, joldhe Gefahren beitehen. Der Steinadler benußt den einmal erbauten Horit Jahr für Jahr; jelbit wenn er beunruhigt wird, läßt er jich jo leicht nicht vertreiben aus jeinem Heim. Es ilt jeine Stammburg, vielleicht ererbt von den Dätern! Drei, vier Jahre hintereinander haben geldgierige Sammler die Eier entwendet und zufrieden den hohen Erlös in die Tajche geiteckt; im vorigen Sommer ilt die battin der Kugel des Schüben zum Opfer gefallen, und doch, er ilt wieder da bei jeinem Horit, ganz zeitig im Jahre, wenn der Lenz fein Kommen nur erjt zaghaft verkündet. Eine neue Gattin hat der König der Lüfte gefunden, und Jie hilft ihm bereits, das Mejt auszubellern und es neu zu belegen mit dünnen Sweigen und trockenem Laub; denn abgetragen bis herab zu der Plattform find die oberen Teile des Baus durd) den Sturm in der Höhe. Dann wird die Aushöhlung in dem weicheren Material jorgfältig gebildet mit Klaue und Schnabel und durch Wenden des Körpers; wohl aud) ein Lorbeerzweig wird abgedreht von einem der immergrünen Bäume und mit verwoben in die Mitte des Horites. Stolz und verjüngt erhebt jih nun wieder der jtattlihe Bau, bereit zum Empfang der Eier, die das Paar ihm vertrauen wird. Dod) das Weibchen wartet noch Tage, ja Wochen, ehe es ernitlich beginnt, an jeine Dflichten zu denken. Stundenlang Siten die Gatten eng beieinander auf einem Alt in der MWähe, Itolz, wie es jcheint, auf ihr gelungenes Werk. Gemeinjam ziehn jie dann aus, nad) Beute zu jpähen; hob in den Lüften bejchreiben jie ihre majejtätiichen Kreije, den ganzen Gebirgsrücken von hier aus beherrjchend. Auf einem Seljen Taljen fie ji} nieder, der den hügligen Hang überragt; das ilt ihr Wachtturm, von 455 dem jie herabitoßen auf die nichtsahnenden Opfer zu ihren Süßen. Erd- eihhörnchen jind es, die den Boden an manchen Pläßen förmlid) durd): löchert haben, Bau neben Bau. An Ort und Stelle wird die Beute gekröpft oder nad) dem Seljen getragen, bisweilen au) in die Äjte des Horitbaums. Aud) größere Säuger werden bewältigt, kein Dogel verjchmäht bis herab zur Größe des Seldöhuhns; aber die Erdeichhörndhen bilden doch die Haupt- malje der täglihen Nahrung in diejem Revier, jowohl jet wie auch |päter, wenn die Jungen nach Speije verlangen. Anfang März mag es jein, da liegt das erite Ei in dem Horit und ein paar Tage jpäter das zweite. Dem Weibchen fällt das Brutgejchäft allein zu, höchitens daß es jich einmal auf Rurze Seit ablöjen läßt von dem Rleineren Gatten, der niemals weit jich entfernt von jeinem Heim. Gern jitt er ganz in der Nähe auf einem Ajt, und jein Adlerblick hält Umjchau weit in die Serne. Nach einem Monat und ein paar Tagen durchbrechen die Jungen die Eilchale, nicht größer als neugeborene Kücken. Weihwollig ijt ihr Kleid, zarter |chneeiger Slaum; vier Wochen dauert’s etwa, bis endlid) zwijchen den Dunen die erjten Federn hervorjprießen und an den Flügeln die Schwingen zu keimen beginnen und das Steuer am Schwanze. Ülberaus langjam geht die ganze Entwicklung der Swillinge vor jih. Dier Wochen jind jie jchon alt, und noch recht wenig gewadjlen; nur der Kopf erjcheint ziemlich groß und auch der Schnabel, ein echter Adlerjchnabel bereits mit ji Rrümmender Spiße und gelber Wachshaut am Grunde. Die jchwefelfarbenen Serjen und Sehen jind noch jo Ihwad, daf jich die Kleinen nicht aufzurichten vermögen ; nur den Kopf heben jie auf, wenn jie die Eltern erwarten. Dieje tragen falt überreichlicy Sorge, daß den Jungen die Abung nicht fehle. In den Klauen jchleppt Dater oder Mutter ein Erdeichhörnchen herbei, zerreißt es am Horitrand in geeignete Stücke und reicht dem Kleinen den Biljen in den jperrenden Schnabel. Später lernt der Jungvogel die abgeteilte Portion jelber vom Horitrand aufheben, noch jpäter, wenn die weißbefiederten Fänge jo kräftig, daß jie den Körper endlich zu tragen vermögen, da jind die Alten der Arbeit enthoben, das Wildbret zu teilen; mit Gier zerreißen’s die Jungen jelber in Stücke. Meilt haben jie mehr an Nahrung, als fie augenblicklich bedürfen. Einer blutigen Sleiihbank gleicht dann der Horitrand, Beute mancherlei Art zur Auswahl, bepelzt und befiedert. Doch die Erdeichhörnchen bilden die Mehrzahl der Opfer, gewiljermaßen das tägliche Brot für die Jungen wie für die Alten; vier, fünf Stück liegen nicht jelten gleichzeitig im Horit. Sechs jolcher Nager, vielleicht aud) nod) mehr, bedarf die Adlerfamilie tagtäglich, wenn man gering |häft — 540 Stück im Laufe der Wiltperiode, die ungefähr drei volle Monate währt. Die eriten wirklichen Hedern |projjen am Rücken hervor, an den Slügeln und an der Brult; tiefihwarz jind jie gefärbt, von dem fchneeweißen Dunen- 454 laog un 19]009j09 uadunl aag auyvulny 299 199 uaydvadoyogd AG "Fo6I wwyy “wanro/170) wwuyog ‘LH ev ra H. T, Bohlman. Junge Goldadle: Z li fornie alı € Borit, 55 Tage alt. AN 0, Aaıd UN Ä gefieder prächtig ji abhebend, ein jcheckiges Kleid. Swei Monate ind die Jungen nun alt, da Jind die Sedern jchon an den meilten Stellen des Körpers gewaclen, zum Teil jchon von jtattlicher Länge, jo die Decken der Slügel und das Nackengefieder ; jtämmig Jind jeßt die Ständer, die Ihwarzen Krallen jo jtark, der Schnabel mit hakiger Spite, das braune Auge blickt feurig. Jebt jind’s jchon fertige Adler in der ganzen Erjcheinung, wenn auch nur halb erwacdjen, nod) nicht ausgefärbt das Gefieder, nody an den Borit gebunden, von dejlen Rand jie in die Tiefe hinabjchauen. Und von Woche zu Woche werden jie männlicher, Rräftiger, jtärker; größer und jchwerer jind jie bereits, als die jtattlichite Henne. Das Weih des ÖGefieders ilt falt völlig verijhwunden, nur das Dorhemd und die Ständer zeigen noch die jchneeige Farbe ; jonit ilt der ganze Körper von dunkelbraunen bis jhwarzen Sedern bedeckt, denn Weih paßt nicht für das Kleid eines Jägers. Die Schwingen gewinnen allmählih an Härte, und das Steuer des Schwanzes jchiebt jich Rraftvoll weiter hervor unter dem Kleingefieder. Auf dem Rand des Horites hüpfen die beiden Gejchwilter jet häufig umher, die Itattlihen Schwingen übend; ob jie den Körper wohl tragen bis hinüber zum benachbarten Alte? Die Eltern jehen es mit Sreude. In jaujendem Slug kommt die Mutter herbei, mit einem der Nager in den blutigen Sängen. Sie läßt jich nieder auf jenem Alt in der Nähe und lockt mit der Beute ihre Kinder zum eriten Slug aus dem Horit. Der Dater jchwebt über ihnen und faht dann Suß auf dem Mejtrand neben den Jungen; nun zeigt er es den beiden, wie man jih abjhwingt und getroit jich der Luft vertraut, hod) über dem Abgrund, und wie man Jicy niederläßt, mit jicherem Griff den Alt umfaljend, den man als Siel jidy) erwählt hat. Noch immer zögern die Kinder. Da jtreift er eins mit dem Sitticy; weit lüftet’s die Schwingen, das Gleich: gewicht jich zu bewahren. Dom Horitrand lölt jich die Klaue, die eine erit, dann aud) die andere, und mit unliherm Schlag der Flügel Ichwebt und flattert der ängitlihe Schüler hinüber zur Mutter nach der leckeren Mahlzeit. Der Bruder folgt hurtig dem Beilpiel. Wur der Anfang it jchwer; bald kennen jie jeden Alt ihres Horitbaums, bald die Wipfel der benachbarten Bäume, die Sellen, den hügligen Hang mit den taujend Magern, die jchnell ver- Ihwinden in der dunkeln Wohnung unter der Erde und doch jo oft nod) erwilht werden von dem fichern Griff der nach ihnen jtoßenden Adler. Bis die Jungen es können, dauert’s freilih nody Wochen, und Geduld Roitet’s die Eltern, ehe die Kinder alles begreifen. Aber das Brutgeihäft it doc glücklich zu Ende, jeit Jahren wieder die eriten Jungen, deren der König der Dögel jich freuen darf. Lange hat es gewährt, bis es jo weit ilt: vier Monate etwa. In den eriten Tagen des März, gerade als die Sykomore die grünen Blätter zu treiben begann, waren die Eier gelegt, Anfang der zweiten Aprilwoche |chlüpften die Adlerchen 437 aus. Im Mai begannen die jchwarzen Stiftfedern zu treiben. Ende des Monats jaßen die jungen Tiere aufrecht auf ihren Ständern und zerteilten lich jelbjt die von den Alten zu Horte getragene Beute in mundrechte Stücke. Und gegen Ausgang des Juni, als die Sonne ihre weitelte Bahn bejchrieb am Himmelsgewölbe, jedes brasblatt vertroknet war am Hang der be- birgskette, jeder Tropfen Waljer aufgelekt von den duritigen Strahlen, da endlich verließen die fürjtlihen Kinder das Stammjchloß der Väter. Wieviel jchneller jpielen ji) doch die verjchiedenen Perioden im Samilien- leben der Kleinvögel ab, auch wenn die Jungen Hejthocer find gleich den Jungen des Adlers. Dier Wochen währt es nicht ganz von dem Seitpunkt an, wo 3. B. beim Hänfling das Öelege vollzählig im Hejt bis zu dem Tage, an welchem die Jungen ausfliegen; denn nur 15—14 Tage dauert die Seit der Bebrütung, und nah 12 Tagen etwa jind die Hänflingskinder jchon flügge. Aber was it jold Tierchen audy gegen den Adler, den König der Dögel! Nun ilt der Adlerhorit leer, wenigitens für die meilten Stunden des Tages, wo die Familie dem Jagdjport huldigt oder der edeln Slugkunjt; nur des Abends, meilt aud) zu Mittag, wenn die Sonne heiß brennt, doppelt heiß im Gebirge, jucht alt und jung den Horitbaum no) auf. Würden die Männer jet wieder erjcheinen mit ihrer Kamera zum Photographieren der Königsbrut, vergeblich wär’ ihr Bemühen, ausgeflogen das Mejt; der mächtige Herricher der Berge, erwachlen und frei, läßt ji auf die Platte nicht bannen. Wie gut, da die Bilder der Jungadler jo vortrefflid) gelangen, Rurz vor dem Derlajjen des Horites. Swar wütend ilt die Gebärde — von freundlichem Ausdruck, dem Menjchenphotographen erwünjcht, Reine Spur; dafür Jind es auch Adlerkinder, erbrütet und erzogen von der wildeiten Kreatur unter dem Wild. Das wiederholte Kommen ihrer menjchlichen Sreunde het jie nicht milder geitimmt. Silchend und fauchend vor Wut wollten fie die Hand zer- reißen, die jie berührt, und nur allmählich fügten fie jich, gleid) gefangenen Löwen dem Wärter. Eine wilde, unzähmbare Seele, wie jie dem furchtbaren Schnabel entjpricht und den gewaltigen Klauen, blickt aus dem tiefliegenden Auge unter der zottig befiederten Braue. Blut it ihr einziger Gedanke, Blut von der Geburt an bis zum Tode; jie warten jehnjuchtsvoll auf die Tage der Kraft, wo jie blutige Streiche ausüben können. Und ihr Siel ilt erreicht jeßt; keine menjchlicye Hand wird ihr Gefieder wieder berühren, es jei denn, da der lauernde Schüße die edle Beute erlegt und den Hut ji) jhmückt mit einer Seder aus dem jhwarz gebänderten Stoß zur jtolzen Trophäe. Es wird hohe Seit, der blinden Derfolgung des Steinadlers Einhalt zu tun. Bejonders durch Eierfammler haben die Dögel in den leßten zehn oder fünfzehn Jahren in Amerika jo jtark gelitten, daß jie, obwohl anhänglid an ihr Heim, jchlieflic) doch gewilje Pläße aufgegeben haben, die jie ehemals 458 H.T, Bohlsnan. Californien. Nahezu ausgefiederter junger Goldadler, 55 Tage alt. ME NE u) Ki | | | H.T, Bohlman. OFNIEN. Junger Goldadler in Kampfitellung. r all I < regelmäßig bewohnten. Srüher fand man den Steinadler ebenjo häufig öltlich, als weitlich des Milljijjippi ; immer mehr aber hat er jich zurückgezogen vor der Kultur. Nah W. £. Sinlen mag wohl no hie und da in den wildejten Gegenden von Heuengland ein einzelnes Paar leben oder im ITorden vom Staate Neuyork; wenige mögen nody ihre Wohnung haben in den Bergen der beiden Dirginien, in Kentucky, Tennejjee, Georgia oder in Ta= rolina; aber in diejen öltlihen Staaten it heute der mächtige, Itolze Dogel doch überall nur eine äußerjt jeltne Erjcheinung. Häufiger nody bildet er eine unvergleichliche Sierde der Bebirgswelt des Weitens; namentlich Kali= fornien beherbergt noch mancden jtolzen Horit, ebenjo die Rocky Mlountains, wo der Steinadler gern auf unzugänglichen Seljen und Klippen jein Heim aufihlägt, während er in Kalifornien und Oregon Bäume bevorzugt, Eichen, Snkomoren und Nadelbäume an den rauhen Steilhängen tiefer bebirgstäler. Aber das Daterland des königlichen Dogels it nod) viel, viel größer; wie jollte es auch bejchränkt fein auf die Neue Welt allein! Die mächtigen Schwingen, fejt und elajtiich wie Stahl, Rennen keine Entfernung, Reine Er- müdung ; das Luftmeer haben jie jich erobert, das gewaltige Luftmeer, das alles Wajjer und Land unjrer Erde umhüllt. Nordafrika beherbergt den Steinadler jo gut wie der höchite Norden Europas, die Gebirge Spaniens lind jeine Heimat wie fern im Ojten die waldreichen Ketten in Daurien und am Amur. Sreilih der zunehmenden Kultur in unjerm Erdteil it der majejtätiihe König der Dögel gewichen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Hur in den einjamijten Gebirgen, auf den unzugänglichiten Selen erbaut er den Horit, nur in großen zujammenhängenden Wäldern der Ebene. Aber weite Slüge unternimmt er im berbjt und im Winter, unberechenbar, ohne Stiel wie es jcheint. Kein Land in Europa, wohin ihn nicht jchon die Rräftigen Schwingen getragen, oft zu jeinem Derderben; denn es ilt nun ’mal jo, dah es den Schüßen lockt, mit unwideritehlicher Gewalt ihn treibt, dem edeln Recken das tödliche Blei in die Brujt zu jagen, wenn er jich überlilten läßt von den Ränken der Menjchen. „Schuß den Naturdenkmälern!“ jo lautet heute die Lojung bei den Sreunden der Heimat. Shut auch allen Adlern, eh’ es zu jpät! Wenn jie hoh im blauen Ather fo jtol3 und jo frei ihre majeltätiichen Kreije ziehen, ind fie ein Schmuck der einfamen Landjchaft, von unjagbarem Reiz für Auge und Herz des Haturfreundes. Soll aud) der lehte diejer herrlichen Dögel verjchwinden, joll es für ihn, der uns anmutet wie ein Recke aus den Seiten der Urväter, nicht doch noch einen Pla geben in unjerm Daterland, hoch in der Alpenwelt oder unten in den unermehlichen Wäldern der Ebene ? Läßt jich der Wert eines Gejchöpfes immer beitimmen nad) Rlingender Münze ? Gibt es nicht noch andre, ideale Gejichtspunkte? Hat nicht jeder Menjch, aud) der ärmite, ein Anrecht an die Natur? Kann er nicht fordern, dal; Jie 445 möglichlt erhalten bleibe in ihrer wunderbaren Schönheit, dab ein Gejchöpf nur dann jpurlos vertilgt werde, wenn es das Wohl der Allgemeinheit erheilht ? Wirklich bedauernswert der Staat, der nicht die paar hundert Mark opfern kann, dem Jagdbeliter, auf dejjen Revier ein Adlerpaar horitet, den Schaden zu erjeßen, der ihm durch dieje edeln Dögel erwädjit! Dor ein paar Jahren, am 15. Augujt 1904, it das neue preußilche MWildjchongejeh in Kraft getreten; die Adler, die früher jedes Schußes entbehrten, hat man unter die jagdbaren Dögel aufgenommen. Den Gejetgeber leitete offenbar die Abjicht, der Sorderung, daß jeltene Tierarten zu erhalten jeien, wenigitens theoretijch mehr als bisher gerecht zu werden. Aber wirklichen Erfolg darf jidy niemand von der neuen Beitimmung verjprechen, jo lange nicht aud) zugleidy) eine Schonzeit für jeltene Raubvögel angeordnet und jtreng durch: geführt wird. Prämien jind auszujegen, nicht für Einlieferung der Fänge, jondern für den Nachweis, daß ein Adlerpaar, welcher Art es aud) ei, in dem Revier gehoritet und jeine Jungen ausgebradt hat. Aud) die für die preußilchen Staatsforiten geltende Derfügung vom 23. Mai 1906, dab die Adler, Joweit jie im Jagdgebiet horiten, nicht erlegt werden dürfen, ift wenig wertvoll; denn alle Adler beanjpruchen ein jehr weites Gebiet und kümmern ih nicht um die Abgrenzung der Reviere. Es it Raum noch eine oder die andere Stelle im Deutjchen Reich und in den angrenzenden Ländern bekannt, an denen heute noch der Steinadler horitet, wenn wir abjehen von den Alpen und dem langen Hug der Karpathen. Als Brutvogel Kommt er nur noch vor in Oitpreußen und zwar in der alleräußeriten öltlihen Stelle in der Jura, möglicherweile auch noch an ein oder dem andern Plabe der ausgedehnten Waldungen diejer Provinz; in Pommern horitete er vor nicht langer Seit, ebenjo in Weitpreußen, auch im Böhmerwalde, in Mähren und auf dem Riejengebirge. Dagegen ilt in den Alpen, in der Tatra, in den Südkarpathen der Steinadler nod) keineswegs jo jelten, wie man gewöhnlich annimmt, troß aller Derfolgung, der er aus» gejeßt ilt, und das Ausiterben des mächtigen Dogels jteht wenigjtens un= mittelbar nocdy nicht bevor. Aber der Anfang vom Ende ilt für mande Alpenländer bereits da, obgleih durch Suzug von außen immer wieder teilweije ergänzt wird, was den Nadjitellungen zum Opfer fällt. Wie erging es dem Steinbock der Alpen, wie in neuelter Seit dem gewaltigiten Bewohner der Lüfte, dem Bartgeier ? Derichwunden jind jie aus unjerer ohnehin nicht artenreihen Alpenfauna. Aud, die Gemje würde |chon längit das gleiche Schicjal ereilt haben, wenn jie jicy) nicht des jtrengiten Schußes jeit langem erfreute, der für den Steinbock leider zu jpät Ram. Wann werden die Menjchen lernen, klug zu werden aus bittrer Erfahrung ? In den Alpen wählt jid) der Stein- oder Goldadler gleid) den aller- meilten echten Alpenvögeln, Steinkrähe, Alpendohle, Schneefink, Seljen- 444 ihwalbe, Alpenjegler, Mauerläufer, Schneehuhn, Steinhuhn und einigen anderen, einen Selen aus zum Bau jeines Horites, nicht wie im Wiederland einen Baumriejen. Selbjt im Dunkel des Alpenwaldes, der jtets auch einige ihwer zu erreihende Selspartien birgt, legt er jeinen Horjt auf diejen an, die Bäume verjhmähend. Das ilt ja der jicherite Pla für ihn und zugleic) der bequemite. Eine Seljenniiche an jteiler Wand ilt bald ausgelegt mit Älten und Zweigen, unzugänglich für jeden Räuber der Eier und Brut, Jicher vor Wetter und Sturm. Und nicht nur im Innern des eigentlichen Hod)- gebirges verhält ji der Steinadler jo, auch in den Gebirgsitöcen und Ketten, die am weiteiten vorgejchoben Jind gegen die Niederung und die tiefit gelegenen Horite bergen, rechtfertigt der Dogel jeinen Namen, bis auf ganz verjchwindende Ausnahmen, wo man jeinen Bau aucdy auf Bäumen gefunden. Wie ein König mehrere Schlöjler, jo bejit manches Steinadlerpaar eine ganze Anzahl von Horjten, drei, vier, bisweilen noch mehr, die es wecjlelweile bewohnt. Oft liegen jie weit auseinander. Jahre hindurd hat ein Paar auf demjelben Seljen gehoritet, body im Gebirge, unzugänglidy dem menjhlihen Suß. Die Leute im Tal kannten alle die mächtigen Dögel; jie haften die Räuber, die wiederholt, jelbit vor den Augen des Hirten, ein junges Lamm, ein siegenböckchen von grüner Matte weggeraubt hatten, um es dann hoch durch die Luft den Jungen zu bringen. Die Mütter jchreckten einander mit Gejchichten, die jie wuhten aus vergangenen Tagen, wo der Adler jogar ein Kleines Kind nicht verjchonte, das Jic) jelbjt überlajjen war beim jtillen Spiel mit den Blumen am Hang. Der Jäger verfluchte die Räuber der Gamskiten, des Schneehuhns, des Spielhahns, und gierig aufs Schuß- oder Sanggeld juchte er oftmals jchon aus dem Hinterhalt einen der Dögel zu erjchleichen, au verjchmähte er’s nicht, Pfahleifen zu jtellen und zu beködern mit leckerer Speile. Dergebens, das Adlerauge hatte den Schüßen jtets früher erjpäht, als diejer den Dogel, und mihtrauijc „äugt“ er nur nach der heimtückifchen Salle. Die Hirtenbuben mühten jidy ab, den Horit zu erreihen, um die Eier zu holen oder die dunenbefiederten Jungen ; umjonit, kein menjchliher Su wird je den Thron des majeltätilchen Herrichers betreten mitten an der jäh aufiteigenden Selswand. Sie zählten jchon alle die Gulden, der Herdenbelißer im Tal, um die das Adlerpaar ihn gebracht, der Jäger, die Buben, um die fie reicher jein würden, wenn die Kugel die Dögel endlich, erreiht hat, wenn der Horit erklettert und die Eier, die Jungen in ihrer Gewalt find. Da war es mit einemmal verjhwunden, das Herricherpaar des weiten Reviers. Der Hütejunge erzählte noch, daß vier Adler auf einmal hoc über die Sinnen des Kamms hinübergezogen, wer jagt es, wohin? Die Alten waren es mit ihren erwachlenen Kindern. Der Horit blieb verlaffen auch im kommenden Lenz, und niemand weil; es, warum. Sagte dem Paar der alte Platz nicht mehr zu, weil das einfame Bergtal jeßt öfter Dögel 1. 29 445 begangen ward, jeit man drüben begonnen, den Hang zu entwalden ? Sind der Mlurmeltiere, der Alpenhajen, der Wildhühner allmählidy weniger ge- worden durch die eigne Derfolgung, jo daf es den Alten erjchwert war, die Brut großzubringen ? Oder hat jie des Jägers Hinterlijt vergrämt, der ihnen auflauert? In einem Wachbartal, meilenweit entfernt für den menjchlichen Sub, willen die Dögel einen andern Horit, den jie vor vielen Jahren be- nußten. Dort horiten jie wieder im kommenden März. Die alte Streitfrage, ob Stein: und boldadler zwei verjchiedene Arten lind, ilt endgültig entichieden. Man nimmt heute nur eine einzige Art an, die aber wenigjtens in zwei Tnpen zerfällt, in den im allgemeinen dunkel: braun befiederten, und den auf der Unterjeite und den Hojen roltgelb oder roltrot gefärbten Typus. Mur eriterer, der eigentliche Steinadler, brütet in den Alpen und Karpathen, aud) flachere Gegenden Ungarns bewohnt er und niedrige Höhen, 3. B. die Sruska=bora; er ilt es, dejlen Flug der Bejucher des Karites, Bosniens und der Herzegowina nocd immer häufig bewundern kann. Die andere Sorm aber, der Goldadler im engeren Sinne, it nur ein paarmal in balizien und Ungarn erlegt worden; er ilt Brutvogel nur im öftlijten Europa und in Alien. Doch finden jih in den öltlichen Teilen der ölterreihilcheungariichen Monarchie bereits Anklänge an den Bold= adler vor, aber nur ausnahmsweile. So wild, jo unbändig der Steinadler in der freien Natur jid) zeigt, jo iit es dod) bisweilen gelungen, jolche, die in Gefangenjchaft geraten waren, bis zu einem gewiljen Grade zu zähmen; ja es Jind Sälle bekannt, wo die Beherricher der Lüfte jogar recht zutraulicy geworden Jind und ihrem Pfleger gegenüber alle Bosheit und Tücke ablegten. Mod) heute wird der Goldadler von manchen Dölkern des Orients, 3. B. von den Bajchkiren, Kirgijen, Tataren und anderen Stämmen zur Beizjagd abgerichtet. Bei jeiner Stärke und Kraft bewältigt er aud) größeres Wild, 3. B. Rehe, Antilopen, ebenjo Sücle, Luce und jelbjt Wölfe. Wegen jeines Gewichts kann der Dogel vom Salkonier nicht auf der Saujt getragen werden, wie die kleineren Beiz- vögel, jondern er fuht auf einem Querholz, das an einem jenkrechten Stab befeitigt ijt, dejfen unteres Ende dem Steigbügel auflitt. ‚So bringt der Reiter ihn, mit verkapptem Kopfe, dem Wilde jo nahe wie möglich, nimmt ihm jeßt die Kappe von den Augen und läht ihn auf jenes los. Am Werte wird ein jo abgerichteter Steinadler dem beiten Pferde oder zwei Kamelen gleichgeitellt.“ Todesjchrecken unter allen vierfüßigen und geflügelten Tieren, wo der Steinadler jich zeigt. Die geängiteten Gemjen drücken die Kiten gegen die Selswand, und zitternd juchen jie ihre Kinder mit dem eigenen Leibe zu decken. Aber wie ein Sturmwind Rommt der Räuber herbeigejaujt; verwirrt Ipringt die Schar auseinander, und tief bohren jich die Krallen der Fänge ein 446 T. Bohlanan. H. Junge Goldadler auf einem ajt as, völlig ausgefiedert, 62 Tage alt. Californien. in das Opfer, um es hoch über die Abgründe und Seljen wegzutragen nad dem Horit oder einem andern Pla zum graujamen Mahl. In toller Halt juchen die Schneehajen ein Gebüjch zu erreichen, wenn jie das Slugbild des Steinadlers hoh in den Lüften jehen; die Rebhühner flattern jchreiend empor. Die Hühner und Puten im Hofe des Alplers jtürzen nad) einem Der- \hlag, die Gänje und Enten eilen nah dem Waller und tauchen unter; H. T, Bohlnan. Californien. Kopf des ausgefiederten jungen Goldadlers im Alter von 62 Tagen. heulend zieht jih der Kettenhund in die jichere Hütte zurück; die Kate duckt ji in einen Winkel. Selbjt andere jtarke Räuber juchen ihr Heil in der Sluht: der Wanderfalke, der eine Taube in den Sängen trägt, der Buljard, logar der Schreiadler, jie alle überlajjen dem Mächtigen lieber die Beute, als daf; jie den ungleichen Kampf aufnehmen. In dem Steinadler jehen lie den Herrn und ÖGebieter, den König der Lüfte. 447 Der Aujternfilder. Don Otto Leege. Wer je als Galt die Bäder der Nordjee bejuchte, dem werden jich einzelne Typen aus der unendlich reichen Dogelwelt der Tanggeitreckten Küjte eingeprägt haben, die ihm für alle Seiten unvergehlich bleiben werden: die weihen Raben des Meeres, die herrlichen Möwen, die gierig nad) Beute ausjpähend dem Kiele des Schiffes folgten, um in elegantem Bogen abwärts jtreichend die zugeworfenen Brocken von der Oberfläche des jchäu- menden Wajjers zu hajchen, die Teichtbeichwingten Seejchwalben, deren Sinn nur auf jpielende Sijchlein gerichtet it, die Legionen kleiner Strandläufer, an deren auf: und niederwogenden Slugipielen jicy das entzückte Auge nicht Jatt jehen kann, oder die jtattlihen Austernfilcher, die in langen jchwarz- weißen Reihen den grünen Uferjaum effektvoll abgrenzen. Doc Aujternfilcher ? Welch jeltiamer Name! Der Mann, der diejen Namen erfand, war gewiß; Rein nüchterner, Rlarblickender Küjtenbewohner ; leine Phantajie übertraf unzweifelhaft jeine Beobadhtungsgabe. Die Leute von der Seekante geben ihren Dögeln trefflichere Namen, deren Wejen und Bedeutung jedem Binnenländer, mag er aud) Rein Wort Sriejilch oder Platt: deutjch verjtehen, jofort zum Bewußtjein Rommt. Salt alle Dolksnamen an der Külte jind den charakteriltiichen Lockrufen der Dögel entlehnt, und wie ein Kind denjenigen verwundert anjchauen würde, der ihm für Kiebit oder Kuckuck einen anderen Namen bieten wollte, jo würde auch der jinnige Stieje ein verächtliches Achjelzucken für den haben, der ihm die jo oft nichts- jagenden Kunjtausdrücke unjerer Lehrbücher vermitteln möchte. Obgleid) früher jelbjt nahe zujammenliegende Injeln keinen Derkehr untereinander hatten, jo jind dod) die Dogelnamen für die einzelnen Arten troß anjcheinender Derjchiedenheit in ihren Grundtönen gleich; jie alle jpiegeln je nach Auf= fallung des Ohres die Klangfärbung ihres Rufes wieder. So nennt man den Aulternfilcher von den Küjten Tliederlands bis hinauf nach den Ge= itaden Dänemarks Liew. Woher wohl nun der unzutreffende Name Aujternfilcher ? Aujtern filcht er gewik nicht; liegen doch die Aultern jelbjt bei niedrigitem Wajjerjtande wenigitens einen Meter unter der Oberfläche, aljo für ihn unerreichbar. 448 MM. Behr. Norderooge, Juni 1907. Slugbilder des Aujternfijchers. Werden jelbjt nach Stürmen noch lebende Aultern ans Ufer geworfen, jo würde der Aujternfilcher jeinen Wagemut, feinen Schnabel in die geöffneten Schalen zu jtecken, mit dem Leben büßen müljen; denn die gewaltige Kraft der Schliefmuskeln gibt den vorwitigen Schnabel nicht wieder frei. Oft genug findet man im Winter tote Aujternfilcher am Strande, denen jogar die weit harmlojeren Schalen der Miesmujcheln zum Derhängnis wurden. * * * Im Mai haben jich die braunen Wattweiden mit dunklem, tiefem Grün überzogen. Im BHintergrunde heben jich malerijch die zackigen Dünenlinien in blendender Weihe ab, an den unteren Abhängen umjäumt von braunem, knojpendem Sanddorn. An der Wallergrenze gucken aus dem kurzen Rajen- teppich die weißen Kreuze des engliihen Löffelkrauts, und weiter hinauf iit das Grün überflutet von unzähligen, rojafarbenen Köpfen der Brasnelke. Ein jhwacder Dit Kkräujelt die Wellen des weiten Wattes; die auf- gehende Sonne gibt ihnen den gleifenden Schein flüjligen Silbers, und die aufiteigende Flut drängt jie Janft gegen das braune ausgewajchene Ufer. Stelzfüßige Brachvögel ralten nad) langem Umbhertreiben, ermüdet von der Jagd, am Uferrande, das langgeichnäbelte Haupt gleichgültig dem Waller zugekehrt oder es in das graue Rückengefieder verbergend. Daneben ein Trupp Regenbrachvögel, nur ein wenig kleiner. Einige der größeren Dettern \hauen geringihäßig auf die Kleineren, andere jchreiten mit gebogenem Halje umher, gravitätiih, mit hochgehobenen Beinen und fühlen jich als Herren der Situation, wenn jie zu dem kleinen Gelichter abjeits hinüber- blinzeln. Ein Trupp Alpenitrandläufer hat jicy niedergelaljen, und audy jie, die Himmermüden, haben ihre queckjilberne Beweglichkeit eingeitellt, als wollten jie friihe Kräfte jammeln zum Halten und Jagen, das mit dem Eintritt der Ebbe beginnt. Dahinter etliche verjpätete Kiebißregenpfeifer, 449 robujtere Öeitalten, auf dem Rücken jilberflekig, die Brult tiefjchwarz. Ihre Brüder jind bereits zu ihren hochnordilchen Nijtpläßen, aber dieje wenigen |jcheinen Reine Lujt zu jpüren, ihnen zu folgen. Da jtehen ja aud in goldgeflektem Mantel ihre näcdhiten Derwandten, die Goldregenpfeifer, ebenfalls in tiefihwarzer Brujt. Auch fie haben jich verjpätet,; denn jene Seit, als jie noch den Injeln der Nordjee als Brutvögel angehörten, ijt längit dahin, und nur noch eine geringe Sahl niltet auf den öden Heiden und Mooren Horddeutjchlands. Unter ihnen jieht man einzelne rote Limojen, mit |hwad; aufwärts gebogenen Schnäbeln, ebenfalls Nachzügler jener großen Süge, die vor wenigen Wochen ihren nordilchen Heimjtätten zujtrebten. Nur jet, in der glücklichjten Seit ihres Dajeins, auf dem Höhepunkt ihres Lebens, wo ihnen das Liebeswerben die jchöniten Farben verleiht, verdienen jie ihren Namen mit Recht; denn glänzend roltbraun it ihre Unterjeite, und wenige Monate jpäter tritt an die Stelle des gejättigten Rojtbrauns ein fahles brauweih. An diejes wechjelreiche Bild jchließt jich ein anderes. Hunderte jchwarz- weißer Dögel reihen jich aneinander, die eingezogenen Hälfe dem Waller zugekehrt, den langen, geraden, feurigroten Schnabel etwas niedriger als die Horizontale des übrigen Körpers, die jtämmigen blakroten Ständer aufrecht. Plößlih Rommt Leben in die Mafjen. Mähert ji ein Feind? Im Hu heben die großen Bracpögel ihre jpifen Schwingen, und jie, als die vor- lihtigiten aller Strandvögel rajen unter rauhem ‚„Trau=uswith” warnend davon, und aus der Gerne tönt es noch immer „wihketloit“. Ihnen folgen die Regenbrachpögel in höherem tremulierendem „Tlüsüsü-üh”, die Kiebih- regenpfeifer mit hellem, jcharf pfeifendem ‚‚Tljse-ih”, die Goldregenpfeifer mit weichem, flötendem ,„Tlüi”, und taujenditimmig dazwilchen Rlingt das leile „Trij trij“ der Alpenitrandläufer. Als leßte jegen ich die Aujtern- filher in Bewegung. Die nädjten erheben jid) zuerit, und wie eine vom Boden aufgehobene lange Schnur folgen alle und vereinigen ji in der Luft zu ungeoröneten Haufen, die alle denjelben Kurs einhalten, bald höher aufwärts jtrebend, bald nahe dem Waljerjpiegel, getrennt von all den übrigen Arten, die vorhin mit ihnen dasjelbe Gebiet teilten. Mit jchnellen, kräftigen Slügelihlägen eilen jie vorwärts, und die jpiken Schwingen werden fait zitternd auf und abwärts bewegt, jo dah ein Unkundiger an den Slug der Enten erinnert wird. Die jchwarze Oberjeite wird nur unterbrochen durd die breite, weile Slügelbinde und den weihen Unterrücken, die ganze Unter: jeite leuchtet reinweiß. Dieje einfache Sarbenzujammenjtellung wirkt außer: ordentlich dekorativ, ja vornehm, und das Auge haftet immer wieder mit Entzücken auf die Scharen fliegender Aujternfilcher. Gellend Klingt ihr Ruf durch die Lüfte: „Huihp, huiph, Kewick, Rwick, kwick, liev, liev“. 450 van der Sleen. Sandpfoort, Holland, Mai 1907. Oelege des Aujternfijchers. Iene großen Horden, die während der Brutzeit umheritreifen, beitehen aus Dögeln, die noch nicht geichlehtsreif jind oder auch keinen Gatten ge- funden haben, während die Brutpaare jich abjonderten und ihre Zieblings- reviere, wo Jie etlihe Monate glüklichiten Samilienlebens durchkojten wollen, aufluchen. Bald find die erkorenen Brutpläße die hödhiten Stellen der Außen- weide am Waljerrande, wo höhere Sluten ihnen leider nur zu oft ihre Eier fortführen, bald find es die deichumläumten Binnenwiejen, wo jede Wajlers- gefahr ausgeichloffen ilt, bald ziehen jie jich in die bewachjenen oder aud pflanzenleeren Dünen oder gar auf die Mujchelfelder des Rahlen Außen: jtrandes zurück, und nicht jelten findet man die Neiter auf einjamen Sand- bänken im Genilt und Auswurf der höchiten Winterfluten. Nur noch auf wenigen Nordjeeinjeln nilten fie in größeren Öejellichaften beilammen, jo auf der von jeher berühmten holländilchen Dogelinjel Rottum, wo mehrere hundert Paare auf engbegrenzten, von Stürmen zerzauiten Reiten ehe- maliger höherer Dünen, fern vom übrigen Dogelgetriebe, wohnen. Öe- wöhnlih aber lieben jie es, inmitten all der übrigen Strandbewohner zu 451 haufen, zwilchen Möwen, Seejchwalben, Brandgänjen, Regenpfeifern und Rotichenkeln, wo jie ji) dann gern die Herrichaft anzueignen juchen. In der Dogelkolonie herricht reges Leben. ber den entfernten, welt- abgejchiedenen Dünen gleiten und kreijen die prächtigen Geitalten zahllojer Silbermöwen über- und durcheinander, da5 man glauben möchte, es mülje jeden Augenblik ein Sujammenitoß erfolgen. Doch weldy ein Gegenjaf zwilchen den weichen, himmlifchen Sarbentönen des präctigen Gefieders, der Eleganz des Slugbildes und der rauhen, falt widerwärtigen Stimme diejes Beherrichers der Lüfte! ,„Kiau, kiau“ Rlingt es von nah und fern, falt wie das Miauen der Kabße, und „hahaha” im Ba, wie raubes Hohn: gelächter. Ja fürwahr, es paht dod) zum Braujen der Wogen, zum wilden DPoltern der in jprühendem Gijcht jich überjtürzenden Brandung. Sarbenglühende Brandgänje jtreichen davon, voran das Weibchen, hinter ihm wie ein treuer Schatten der größere Erpel, und ‚‚wise, wize, wize” hört man noch weithin die Rlingelnden Slügeljchläge. Pojlierliche Rotjchenkel, die von den Dünenköpfen, von Pfählen und den hödhiten Sweigen des Sanddorns Ausjchau halten, übertönen die mandherlei Arten von Seejchwalben. Mit jchnellen Slügeljchlägen eilen einzelne dem Eierräuber, dem gefährlichiten Seinde der gefiederten Welt, entgegen, um: kreilen ihn, blajen die Kehle auf, jträuben das Kopfgefieder,; und das Schwingen der Sittiche jcheint den Takt zu dem eigenartigen Konzerte anzu: geben, das jet anhebt. Die Schwingen vibrieren, der Körper jtrebt aufwärts, die Slügel werden fallihirmartig gejpreizt, der Leib gleitet abwärts, dann wieder unter zitternden Slügeljchlägen hebt er jih, und jo geht das merk: würdige Steigen und Sallen, Sittern und Öleiten fort, und das Trillern und Slöten will Rein Ende nehmen, diejes jchwermütige, Rlagende Klingen über dem fonit jo welteinijamen Sumpftal. Bald Rlingt es ‚‚dipdipdipojüudjüdjü”, dann wieder langgezogen „dü tü tjü”, — „tlülülulu”, — ‚„yüli tjüli”, — ,‚tlidl tlidl tlidl tlidl” oder „dlüa dlüa*. Aber nod) weit größeren Lärm verurjadhen unjere Aujternfilcher bei der Annäherung eines Nlenjchen. Sie jind die Tonangeber, die Beherrjcher der ganzen Umgebung und verjuchen, alles was da fliegt, ob groß oder klein, zu vergewaltigen. Sie zwicken die luftige Seejchwalbe, wie aud) die \tämmige Möwe, und alle jcheinen großen Rejpekt vor den Tyrannen zu haben. Weit fliegen die Aujternfilcher mit heftigem Gejchrei dem Seinde entgegen, umkreilen ihn mit gellendem ‚„Rewihk kewihk, liew, liew“, und wehe der wildernden Krähe, die ji in ihren Bezirk wagt. Sie wird gezauft, gehett, mit energijchen Schnabelltößen vertrieben, und jo zeigt Jich der Auftern- fiicher als Schirmvogt der eigenen und der benachbarten Bruten. In Schußweite umkreijen jie den Störenfried mit zitternden Schwingen: ichlägen, bleiben oft in der Luft jtehen, wenden das Gejicht ab, als kümmere 452 ’ 1905 Brütender Aujternfijcher. van der Sleen. Vogelzang, Holland, Juni 1907. Junger Aujternfijher im Dunenkleid (Schugfärbung). er jie nicht, jtürzen jäh abwärts und begleiten alle Bewegungen mit ihrem durchdringenden „hesu:ihp“, das in immer jchneller werdenden „kwik-kwik- kwik“ ausklingt. Die Erregung jteigert jich immer mehr, immer enger ziehen jie ihre Kreije, und da liegen auch jchon in einer fat handgroßen Mulde die vier fejtichaligen, bräunlichen bis rojtgelben, mit dunkeln Slecken, Krißeln, Schnörkeln und Punkten überzogenen Eier, welche an Größe denen unferer Hühner gleihkommen. Sie zeigen in ihrer Särbung und Sorm nicht die Mannigfaltigkeit die der Möwen und Seeichwalben, die rundum im Gebiete zerjtreut jind, jondern bewahren mehr oder weniger ihren Grund- tnpus. An der Nordjeeküjte enthält das volle Gelege vier Eier, in anderen Gebieten drei und nicht jelten findet man auch nur zwei Eier. Dort, auf der kurzraligen Außenweide, wo tiefe Rinnjale fie wie enge Slußarme ne&artig durhwühlen, jcheint es den Aujternfilchern bejonders be- haglicy zu fein. Seit langen Jahren kehrten jie immer wieder hierher zurück, ließen ji durch enttäujchte Hoffnungen nicht beirren, und jpülten Hochfluten au ihre Gelege fort, im näditen Jahre verjuchten jie dennoch wieder, ihre Dögel 1. 30 > 453 alten Heimitätten zu behaupten. Mit ihrem Einzuge hört die bisherige winterliche Stille auf, und überjprudelnde Lebensfreude, Eiferjuht und Liebesglück kennzeichnet alle ihre Bewegungen, ihr gellendes, hochtönendes, durchöringendes, unaufhörliches Pfeifen, Locken und Schreien. Im Kampfe um ein Weibchen geraten dort zwei liebekirrende Herren in eine lolenne Rauferei, die endlich durch Darteinahme der Heikumworbenen für den Stär- Reren zum Abjchluß kommt. Da jind die Ehebande gejchloffen, und die Wiege wird bereitet. Durch Scharren mit Sühen und Brujt entjteht eine kleine Dertiefung, die mit Mujchelichalen ausgefüttert wird, bejonders an jolhen Stellen, wo ein Büjchel angetriebener Tang, Seegras, ein Wrackjtüc oder ein Korb Schuß und Deckung bieten. Dicht dabei werden gewöhnlich nodh etliche Spielneiter angelegt. Das Brutgejhäft hat begonnen, aber nur jelten trifft man das Weibchen tagsüber auf dem Iejte, während es in der Nacht die Eier nicht zu verlaljen \heint. Mach reichlich dreiwöchiger Bebrütung jcylüpfen die niedlichen Jungen aus den Schalen und verlallen jchon wenige Stunden jpäter das Hejt, um von den Eltern geführt, ihr Handwerk zu erlernen. lloch etwas täppild) itapfen jie am Rande der jJalzigen Rinnen und hajdyen nach den kleinen ÖBarneelen, die das Auge Raum zu erkennen vermag, weil der glashelle Körper den Untergrund durchicheinen läßt, oder fie picken nad) den jand- farbenen kleinen Mleergrundeln, den Sandhüpfern und Aljeln. Dann geht’s hinauf auf die Außenweide, wo zwilchen dem Auftrieb ein Heer von Injekten und deren Larven ein Rurzes, freudiges Dajein führt, und hier will das Picken Rein Ende nehmen, und auch manches Glied der Salzkräuter wandert den Schlund hinab, beabjichtigt oder nidyt. Tritt die Ebbe ein, jo werden die eriten jchüchternen Derjuche unternommen, aufs Watt, dem künftigen Sebenselement, hinauszupilgern. Aber über die nächite Grenze wagen jie li) nicht hinaus, willen doch die Eltern ganz genau, dab ihre noch flug: unfähigen Kinder auf dem deckungslojen Watt hilflos ihren Seinden preis- gegeben jind, und daß aud) die hingebendite Selbjtaufopferung ie nicht zu \hüßen vermag. Darum bleiben jie mit ihnen auf dem höheren, jchlammigen Watt, ganz in der Nähe der ausgewalchenen Uferabfälle, wo der handhohe, tiefgrüne Glasjchmalz mit feinen bäumchenartigen, jtarren Öliedern neues Land zu gewinnen jucht. Gejchäftig eilen jie hier umher und lejen die zahl: lojen, winzigen Tangwaljerjchnecken auf, welche die feinfädigen grünen Algen, die den Schlammboden überziehen, abweiden. Da kommt ein Seind in Sicht, der jchlimmjte von allen, der Menid. Mit unglaublicher Behendigkeit eilen die Kleinen lautlos dem Ufer zu und jcheinen wie weggezaubert, als hätte der Erdboden fie verjchlungen. Die Alten erheben ein Rlägliches Gejchrei, laljen jid) abjeits der Stelle, wo die 454 M, Behr. Junger Aujternfijcher. 30* Jungen |purlos verjchwanden, nieder, jtellen jich ermattet, krank, jchlagen mit den Slügeln, flattern eine Rurze Strecke weiter und jeßen dieje Der- jtellungskünjte fort, bis jie den Seind mit fortlockten und Rehren dann im Bogen zu den Ihrigen zurück. Der Kundige aber läft fi) durch diefe Künite nicht irreleiten, jondern jucht lange an den Stellen, wo er die Jungen zule&t jah. Da, in einer kleinen Mulde des Ichwarzgrauen Wiejenbodens, entdeckt er eins. Wie leblos liegt es da, dem Erdboden dicht angedrückt. Nur dem Sufall verdankt er die Entdeckung ; denn das dunkelgraue, jchwärz- lichgefleckte Dunenkleid der Oberjeite jieht der Umgebung täufhend ähnlich, und die weiße Unterjeite it nicht zu erkennen, aud) der nody Rurze und dunkle Schnabel verjchwindet völlig. Etwas weiter kauert eins der Ge: \hwilter hinter einem jhwarzbraunen Tangbüjchel, wie plattgedrückt, ebenjo wenig erkennbar. Die Hand jtreckt ji) aus, um das Dögelchen zu erhafchen, es läßt alles ruhig geichehen. Plößlich befreit es jich, und mit Aufbietung aller Kräfte rennt es dem Waljer zu, laut piepjend und die nackten Slügel \hlagend, dem jammervollen Locrufe der Alten folgend, die über dem Wajjer flattern. Unbeirrt jtürzt es ins Wajjer und jchwimmt jo gejchickt davon, als wäre die Slut jein Lebenselement, taucht jogar unter und kommt zehn Schritte weiter wieder zum Dorjchein. Erjt wenn der Feind aus Sicht- weite ilt, Rehrt es ans Ufer zurück. Bis zur Slugfähigkeit vergeht mehr als ein Monat, und jolange dauert auch die Sorge der Eltern um die hilflojen Jungen. Aber dann bedürfen jie der Hilfe nicht weiter, und fie vermögen lid aus eigener Kraft durchs Leben zu jchlagen. Bald bilden jie kleine Trupps, die jich zu immer größeren Scharen ver- einigen, bald jind’s Hunderte, Taujende. Ruhelos ziehen jie von einer Bank zur andern, und überall auf dem endlojen, grauen Watt finden jie ihren Tijdy gedeckt mit den Rojtbariten Lecerbiljen in überreicher Fülle, wie jie lic) Schöner und bejjer auch das phantajievollite Hirn eines Aujternfiichers nicht auszudenken vermag. In den jandigen Watten der Nordjeekülte hault vor allen Dingen der See= oder Silcherwurm, ein fingerdickes, oft fußjlanges widerwärtiges, |hwarzrotes Gejchöpf mit merkwürdigen Kiemenbüjcheln. In Millionen bevölkert es das Gebiet, und man vermag den Suß nicht auf eine Stelle zu jegen, wo nicht die Ausjicheidungen in Spiralhäufchen den Grund bedecken. Bei Ebbe ruhen diefe Würmer in ihren U-förmigen Röhren handtief und tiefer unter der Oberfläche, aber der Aujternfilcher veriteht es, fie mit jeinem langen Schnabel aus ihrem Deriteck ans Licht zu ziehen. Bat ji die Ebbe weiter zurückgezogen und jind an der niedrigiten Wajlergrenze die gewaltigen Miesmujchelbänke bloßgelegt, dann jtolzieren Scharen unjerer Reichspögel auf den Schlamm= und Mujchelfeldern umher, ihre breiten, dicken Sehen deutlich abzeichnend. Die jcharfen Mefjerichnäbel wenden den Tang und die Mujcheln, und die zahllofen verborgenen Krebstierchen, 457 Sihhen und Schnecken finden ihr Ende im Magen des jtets hungrigen Aujternfilchers. Inzwilchen beginnt er jein Herbit- bezw. Winterkleid anzulegen, das jidy allerdings nicht wejentlicy vom Srühjahrskleide unterjcheidet. Ein kleiner weiber Sleck unter dem Auge nimmt an Größe zu, und auf der tiefihwarzen Kehle bildet jid) ein weiler Mlondfleck. Allgemach rülten ji die Scharen zum Abzuge, und jowohl am Tage wie in der Nacht treten jie ihre Wande- rungen an. Aus den wülten Haufen bilden jich oft mehr oder weniger ge= orönete bruppen in Keilform, jo, wie die Wildgänje zu ziehen pflegen. Hoch in der Luft jtreben jie ihren fernen sielen, den Küjten Afrikas bis hinab nach Hlozambique und Senegambien, den Küjten Aliens bis nad) Indien zu, und ihre eigentliche Heimat, das Kültengebiet des nördlichen und weltlichen Europas und des nördlichen Alien bis Japan ilt für ein halbes Jahr von ihnen jo gut wie entoölkert. Aber im Mordjeegebiet überwintern dod) größere Horden, wenn nicht bejonders jtarke Srölte die unerjchöpflichen Nahrungs: quellen mit einem Eispanzer überziehen. Leider nimmt die Sahl der brütenden Aujternfilher an den Külten der deutichen leere von Jahr zu Jahr ab, eine Klage, die für alle Seevögel gilt. Gedankenloje, habgierige und mordjüchtige Menjchen waren von jeher die gefährlichiten Seinde der Tierwelt, und jie haben unendlich größeres Unheil angerichtet, als zeritörende Naturgewalten, Seuchen oder die Feinde aus der Tierwelt jelbit. Gelegentlic) jchlägt einmal ein Seeadler oder ein Wanderfalke einen Aujternfilcher, aber die wenigen, die ihnen zum Opfer fallen, jind verjchwindend im Dergleiche zu der Malje derer, die während eines Sommers auf einer einzigen Badeinjel im Übermut niedergeknallt werden. 458 Der Eisvogel. Don Karl Soffel. Eine halbe Stunde Bahnfahrt. Hinaus aus der törichten Wirrnis der Großitadt. Dann noch ein gutes Stück Weg zu $uß, vorbei an Wiejen und Äckern, und hinein in den lichten Buchenhain, den ein lujtiges Bäcdhel durd- fließt. Hier it gut jein. Der Himmel it blau und die Sommerfrilchler jind weit. Hier findet jich nur der Mlenjch her, der mit und in der Natur lebt, dem Dogeljang, Blumenduft, der Slug eines Injekts oder Schilfgeflüjter Erlebnis werden kann. Es ijt ein wonniges Pläßchen. Die Hügel rings umher veritecken es dem unbefugten Blik, und da jelten ein Mlenjc) dies Paradies betritt, it es ein Dorado für Tier- und Pflanzenleben geworden, was weit und breit jeinesgleichen judht. Das Bäkdhelchen, teilweile bucht: und jeeartig verbreitert, hat jich ein tiefes Bett in den weichen Boden gefrejlen. Auf viele hundert Meter fällt das Ufer teil zum Waller ab, an andern Stellen verliert es jich, Janft an= jteigend, in moorigen Wiejen, in Tümpeln und Lachen. Längs der Ufer Ronnten jich ungeltört undurdydringliche Dickichte von Bach und Korbweiden, Hajelnuß- und Erleniträuchern bilden — die Saalweide breitet hier ihre Älte aus und ift kaum nody kenntlich, da jie über und über von Waldreben überwuchert it. llberall ein überjchwenglicher Blütenreichtum. Weithin it die Waljeroberfläche bedeckt mit taujenden der weißen Blüten des Waljjer- hahnenfuß, der zujammen mit Laichkrautarten weite Unterwaljlerwiejen bildet. An den Bacdhrändern, an jumpfigen Stellen wäcjt der Wajjerliejch zu eritaunlicher Höhe, neben der Srojchlöffel und Pfeilkräuter nicht mehr aufkommen können. JIgelkolben, Schilf und Seggen, Sumpfichachtelhalme und Seejimjen bilden gewaltige Bejtände, zwilchen denen — an trockeneren Stellen — Krejje, Milz: und Straußfarn, Dotterblume und Sumpfranunkel jeden Rleiniten Sleck überwuchern. Wajjerdoit, dejlen rote Blüten weithin leuchten, jteht in Trupps zujammen und hält qute Kameradjchaft mit dem Wajjerfenchel, der ihm an Größe nichts nachgibt. An Rleinen, jtillen, jeichten Budten blüht Iris in märchenhafter Pracht und die janft aniteigenden jumpfigen MWiejen helfen mit ihrem Blütenreichtum nur noch das ganze 459 Bild zu vervollkommnen und abzurunden. Kuckucsnelke leuchtet weite Streken rot, Taglichtröschen und Hahnenfuß blühen um die Wette, das MWiejenihaumkraut hält taujendfach jeine bejcheidenen Blüten der Sonne entgegen, Trollblume, Schwarzwurz und Ampferarten machen fid) den Raum \treitig, fremdartig und prächtig blühen inmitten all diejes jtillen, leiden- \haftlichen Treibens das gefleckte und breitblättrige Knabenkraut. Eine kaum zu überjehende Hlenge von Sormen und Sarben, die das Auge be= wältigen joll und die vergeljen machen Rann, daß es ein Bild aus unjerer nordilchen Heimat ilt, was da vor uns liegt. Und das alles ilt von unzäh- ligen Tieren bevölkert — Meilen turnen in den Sweigen der Uferbäume, Taucher und Schilfjänger beleben, ohne ich jehen zu lajjen, die Rohrbeitände, die Badhitelze ilt hier zu Haus und läuft mit zierlichen Beinen über flache Steine oder durchs jeichte Waller. Im wilden Slug Ichieen Libellen den Bach herauf oder hängen verträumt an Waljerpflanzen — Wolken von kleinen Mücken tanzen durcheinander, Schmetterlinge taumeln von Blüte zu Blüte. Die roten, flähig ausgebreiteten Blüten des Wajlerdoit haben bejonders viel Bälte. Bienen und Hummeln, Wejpenarten und bunte, Rleine Käfer Rrabbeln friedlich durcheinander, ab und zu Rommt in rajchem, jtoß- artigem Slug ein Dickkopf angeflogen, oder der Kaijermantel läßt jid) für kurze Seit darauf nieder, jeine prächtigen Flügel der Sonne entgegenhaltend und wie leile atmend, bewegend. Oben in den Sweigen tummeln jich Trauer: mäntel und mijchen jih im Liebesjpiel nur jelten unter die andere bunte Gejellichaft. Die Kreuzipinnen haben zwilchen hohen Uferpflanzen ihre Nebe geitellt und warten in deren Mitte auf Beute, die ihnen in Gejtalt kleiner Schwebfliegen, Perliden und Mücken reichlich zuteil wird. Laufkäfer eilen am Boden dahin, leuchtend grüne Schilfkäfer tummeln ji} in Menge an Rohrkolben und Karerarten — überall it Leben und Tätigkeit. Ein Braujen und Summen, Locken und Singen in der Runde. Mit hellpfeifendem, ängjtlich erjchrecktem ,‚Tiet, Thiet, Tiet“ jchieft ein grünblaugoldiger Lichtitreif über dem Wajjer plößlich dahin, dem hinterher jofort ein anderer folgt. Sie treffen lich, fahren in die Höhe mit gellem, hohem Schreien und jtürzen am Ufer zu Boden — zwei Eispögel, die jich rücklichtslos und ernithaft balgen und mit den langen, jpigen Schnäbeln jicy) wohlgezielte Hiebe verjeßen, bis der eine endlihh in eiliger Slucht jein Heil erkennt und blutend und zerzault das Weite jucht. Blaue und roltrote Sederchen, die lujtig den Bad) hinunter: \hwimmen, erzählen dem Eingeweihten von den leidenjchaftlicyen Kämpfen des Dogels, der jchon viele Jahre hier jeinen Stand hat. Da jißt er nun jieghaft in der Sonne auf einem kleinen Erlenitumpf und Iträubt noch hin und wieder die Hackenfedern, plujtert jid) auf und \inkt wieder zujammen — es war dod) nicht jo leicht, dem frechen Eindringling zu zeigen, daß hier nicht Plaß für zweie jein kann. Das Licht jpielt auf 460 Februar 1908. ’ hondorf, Untersc Eisvogel am Raitpla. Sofel. K. K. Soffel. Unterschondorf, Februar 1908. Eisvogel auf der Lauer. jeinem Gefieder und läßt alle Sarben nody jatter und intenjiver leuchten. Mit dem grünblauen Rücken, von dem jich der kobaltblausjpangrüne Mittel: itreif und das dunklere Shwänzchen fait metalliih abheben, der grünen, hellmetallen getupften großen Holle, dem weißlichen Kehl: und Ohrfleck, der roltroten Ulnterjeite und den brennend roten Rleinen Sühchen jcheint er ein Derirrter aus warmen, fernen Sehnjucdhtsländern zu jein, der jih — troß aller Sonne und Blütenpracht — hier fremd und verlaljen fühlt. Ruhig neitelt er aber mit dem großen, jpißen Schnabel im bunten (befieder, jpreizt die runden, blaugrünen Slügelchen und beobachtet gelajjen jeine Umgebung. Er nimmt vom Sitronenvogel, der an ihm vorbeitaumelt, jo gut Wotiz, als vom Wajjerfrojch, der dicht neben ihm ins Wajjer plumpit —- ihm entgeht nicht der auftauchende, atemholende Gelbrand; den Wajjeripigmäujen, die am Ufer und zwilchen den runden Srojchbißblättern ihr Wejen treiben, jieht er mit feitlich gehaltenem Kopfe lang zu. Da fährt er plößlicy zufammen, wie ein Spieh Iteht der Schnabel, dejjen rote Unterjeite leuchtet, nach oben. Heftig jchreiend fliegt er ab, wie ein grünblauer Blititrahl den Bach entlang 465 — dicht über dem Waller — und ilt verjhwunden. Ein Slug harmlojer Krähen, die eben in mäßiger Höhe das Ufergehölz überflogen, hat ihn jo erichreckt und ihn aus jeinem ÖGleichmut gerillen. Doch nicht lange; ehe noch eine halbe Stunde vergeht, jigt er wieder auf jeinem Erlenitumpf, der Ichon lettes Jahr ihm als Kanzel gedient, und aller Schreck ilt ver: gejlen. Reglos und etwas zujammengejunken jißt er da. Das Gefieder nur läjlig angelegt und ins Waller jtarrend, jcheint er zu jchlafen oder zu träumen — nur die lebhaften, leuchtenden Augen verraten, daß dem nicht jo ilt. Die Luftblafe, die nicht weit von ihm auflteigt, interejliert ihn jehr, die Kreile im Waller, die jich weiten und weiten — da wird er blitartig ganz jchlank und fällt mit gejchlollenen Slügeln wie ein Stein ins Wajler, mitten hinein in eine Schar von Elriten, die Jagd auf einen unglücklichen, ins nalje Element geratenen Brummer madt. Das Wajjer jprigt hoch auf, dal; die Sonne jich in taujend Perlen jpiegelt, der kühne Taucher arbeitet jiy heftig rudernd an die Oberfläche und gewinnt mit jchnurrenden Slügel- Ihlägen jeinen Pfahl. Er hat ein fingerlanges Siihchen ergattert, das er jet heftig gegen jeinen Sit jchlägt und dann, nachdem er es ein paarmal durch den Schnabel laufen lieh, verichlingt. Ein Stück Arbeit, das nicht gleich gelingen will; der Hals ilt weit gedehnt, dah die Kehlfederchen wie Boriten abjtehen; jchwer atmend würgt er endlich das Silchchen hinunter. Erregt jträubt der bunte Sijcher die Holle, legt jie wieder nieder und plujtert ih auf. Dann it alles wieder in Ordnung und wieder wartet er ruhig und reglos auf Beute. Die Elrißen haben jidy aus dem Staub gemacht und es jcheint, daß ihm heute weiteres Jagdglück verjagt bleibt. Einmal jtößt er noch nach einer Schmerle, die, Luftblajen ausjtoßend, an die Oberfläche kommt — aber diesmal war’s nichts und er hat kein Silchchen im Schnabel, wie er wieder jeinen Si erreicht. Es ilt auch |päte Seit; die Sonne jteht \hon tief und am umbujchten Bächlein wird’s kühl und dunkel. Da jucdt er jeinen Schlafplaß auf, unter überhängendem Ufer, in bloßgelegten Erlen- wurzeln und überläßt ji) dem Schuße der Nacht und des unzugänglichen Terrains. Kurze Seit darauf haufen zwei Eisvögel friedlih am Bad) zujammen, ohne Gezänk und Eiferjucht. Der bunte, farbige Sijcher hat jich ein Weibchen angejchafft und diejes gleicht ihm in allen Stücken. Nur durd fein Liebesjpiel macht jich jegt das Männchen Renntlidy, denn entgegen jeiner jonjtigen Art und Gewohnheit flattert es, unaufhörli rufend und jchreiend, durch die Bäume, jeßt jih auch wohl auf die hödhiten Ajte der Bacherlen und treibt dies jtundenlang. Diele Tage bleibt es jo ruhelos, bis eines Morgens am Ufer, auf einem flachen Stein die Dereinigung jtattfindet und damit Ruhe einzieht in das jtürmijche Rleine Herz. Das Weibchen unterjucdht die vorjährige Niltgelegenheit; jchlüpft in das Lody, das jich wenig handbreit über dem 464 "erojdylog woa ualpraaylgy wg aoa 'JaBboasıy 72J0S "7 Bad, am Steilufer — jo daß Hochwaljer nie gefährlich werden kann — zwilchen niederem Sonnentau und Najtkrautrajen auftut. Das Loch, einem Rattenloch ähnlicher als einer Dogelbehaujung, läßt den Körper des Tieres bequem durch und bildet den Eingang zu einer Röhre, die jchräg zum Ufer anjteigt und armstief it. Am Ende findet jich die Rejjelartige Erweiterung, die das Meit und jpäter die Jungen bergen Joll. Dor Jahren haben Eispögel — vielleicht die, die heute hier brüten wollen — in vieljtündiger, vielleicht tagelanger Arbeit diejes Werk geichaffen. Mit Schnabelhieben wurde Erde und Sand weggefegt, mit den kleinen zarten Süfchen herausgekraßt — bald war das Lod) jo tief, da vom Dogel nichts mehr zu jehen war und nur die herausriejelnde Erde von der voranjchreitenden Arbeit Kunde gab. Dann erjchien der Dogel wieder ; ermüdet, das prächtige Gefieder, Schnabel und Süfchen mit Erdkrumen bedeckt, verjtruppt und beihmußt und wurde jogleid” vom Gatten abgelölt. Das it nun wieder Ihon lange her ——- viele Gejchlechter jind hier groß geworden und allen war es eine jichere Heimjtätte gewejen. Hinten im Kefjel hat das Weibchen ein eigenartiges Nejt zurehtgemadt. Wie viele Dögel — 3. B. Eulen — geben aud) unjere Sijcher unverdauliche Stoffe wieder durch den Schnabel von jih. Es muß ihnen das eine un= angenehme Sache jein, denn kurz vorher erjcheinen jie traurig und nur mit Anitrengung und vielem Würgen fördern Jie dann zujammengebacene Klumpen herauf und heraus. Aus jolcyem „bewölle“, aus bräten, Schuppen, Libellenköpfen ujw., it nun das lMejt errichtet, eine ebenjo primitive wie eigenartige Unterlage für Eier und Junge. Swei Wochen jitt das Weibchen auf jeinen fünf Eiern — mand) anderes hat wohl jieben, oder gar elf , die, weißglänzend und fait kugelrund, einer intenjiven Bebrütung bedürfen, denn die Grätenunterlage hält nicht warm, ebenjowenig wie der lettige, moorige Boden, und die Mutter muß jich recht aufpluitern und dirk maden, um ja Reine Wärme zu verlieren. Da jit das Dögelchen nun fait im Dunkeln, jiher zwar vor Sturm und Regen — aber aud) vor Sonne und Sonnen: wärme, und ilt ganz auf den Gatten angewiejen, der ihm treu und Jorglic) genug an Sutter bringt, jogar gelegentlidy auch die Nejthöhle jäubert und Schmuß; fortträgt. It’s jchon nicht leicht, für zwei zu forgen, jo wird das Leben doch erit ernit, wenn die Rleinen, blinden Jungen ausgekommen. Die liegen im Neit, nackt, großköpfig, heben zitternd die noch kleinen Schnäbelchen — betteln und wilpern, kriehen wie weil Gott welche Ungeheuer durd)- einander und Jind alles in allem —- recht häflidy. Da gilt’s. Da ijt’s nicht mehr möglich, ruhig am Anjtand zu jifen, und zu warten, bis was kommt. Su zweit jagen die Eltern jet. Rüttelnd wie Raubvögel jtehen jie über dem Waller und fahren dann plößlih zu. Srolchlarven, Rleine Elrißen, IJungfiihchen allerart werden jo erbeutet — immer dem Bade folgend, 466 “guvalpogq wo Hojdayng wouel Inv Jj960as wird das Terrain abgejucht, nichts entgeht dem jpähenden Blik. Für die Jungen werden hauptiählih Injekten und deren Larven, insbejonders Sibellen gefangen. Mit jicherm Stoß wird das Pärchen der dünnleibigen, blauflügeligen Libelle vom Schilf genommen, die prächtige Alchna it nicht jiher vor dem prächtigeren Räuber. Er jtöht Ichräg aufwärts nad) ihr —- verfehlt und verfolgt in rajendem Slug die wie ein Blit Enteilende den Badı hinunter. Weit unten bejchreibt er eine Schleife — etwas ins Land hinein — kommt, die gligernde Beute im Schnabel, ans Miltloch geflogen und ver- \hwindet im Innern. Im niederen Slug über dem Waljer, dieles fait be- rübrend, nimmt er die jorglos tanzende Stabwanze auf, holt lid) die Sloh- krebje und Köcherlarven aus dem Pflanzenjchlick des Ufers; die Libellen- larve, die ihre Larvenhaut jprengen möchte, vom Rohritengel und hajcht ih Dußende von Eintagsfliegen und betrügt jie jo um ihr an und für jich kurzes Dajein. So geht’s den ganzen Tag, vielleicht daß er in der Mittagszeit etwas rajtet auf jeinem angeltammten Erlenitumpf und gelegentlich von da aus einmal einen Jagdverjuh macht, wenn die Elrie gar zu nah der Oberfläche Rommt, die Ukelei, allzu jorglos und fröhlich, jpielt und |pringt. Die Jungen jind größer geworden, haben, nadydem fie eine Seitlang wie mit blaujhwarzen Nadeln bewachlen jchienen, das Gefieder der Alten angelegt und jind ausgeflogen. Etwas weniger feurig in der Sarbe, Rleiner im ganzen und mit kürzerem Schnabel jind es nad) jeder Richtung die Kinder ihrer Eltern. Sie halten jich jet nod) längere Seit am Bach zueinander, lajjen jih füttern von den Eltern und brauchen nod) lange, ehe jie jelb- Itändig jein werden. Im Berbit, wenn das Laub der Erlen und Hajelnußiträucher jchütter geworden ilt, wenn Heide und ÖGlockenheide blüht, wenn Karde und Sloc- blume, Schafgarbe und Rainfarn zujammen mit wenigen Ölockenblumen und dem Wiejenjalbei als lette Blütengrüße im Jahr uns nocd erfreuen, dann wird dem Rleinen Sicher jein heimatliches Gebiet zu eng und er fängt an zu jtreichen. Die Kinder haben jich zeritreut, die Gattin hat jich ohne Sang und Klang verabjchiedet, und treibt es wie er jelbit. Er wechlelt jeinen Aufenthalt, geht an Ströme, verfolgt Kleine Suflüßchen und jelbit Ihmale Bäcdelchen bis zur Quelle hinauf. Am Stauteih und Wehr üt er zu finden und zum Ärger der Silcher mit Sicherheit an Karpfenweihern, wo die Silche nicht für ihn gezogen werden. Das gilt ihm gleid) und jo kann er an jolhen Örtlichkeiten wirklich Ihädlidy werden, bejonders wenn mehrere zugleich oder abwechlelnd ein jolch bejchränktes Gebiet abfilchen. Der Sorellen- oder Karpfenzüchter, dem er den Ertrag zu jchmälern droht, macht kurzen Prozeß mit dem armen Burjchen und fängt ihn und jeine Artgenojjen im Dfahleijen, in das er ohne viel Bedenken geht. Es ilt jchlimme Seit für ihn. In kalten Wintern friert wohl jein Silchwaller zu und nicht immer gelingt 468 es ihm, jofort eine Stelle zu finden, die durch eine warme Quelle offen ge- halten wird. Hunger bei großer Kälte tötet dann den frohmütigen Dogel bald. Oftmals verunglückt er auch, indem er tollkühn in Rleine Eislöcher taucht, die die Süchzüchter hauen, und aufwärtskommend die Stelle verfehlt — Ertrinken ilt dann das graujame Schickjal des wajlerfrohen Dogels. Su all dem kommt dann nod) der Mlenjch, der ihm überall Abbruch tut. Im Winter, wenn Bujch und Straud ihn weniger verbirgt, wird er — abgemattet durch Kälte oder Hunger — leicht und oft eine Beute des Bubenjhüßen, der das herrliche Tier unbedenklid) niederknallt, wo er es findet. Aud lonit wird jeine Eriltenz allerorten gefährdet. Waljerläufe werden reguliert, Seeufer betoniert (bayriihe Seen), an vielen Stellen der immer dichter bevölkert werdenden Heimat werden Jahr für Jahr alle Bäume und Sträucher, die dem Lauf irgendeines Wällerchens folgen, unerbittlicy gerodet, um Seuer=- holz zu gewinnen. So geht es ihm wie dem Natur(Kulturs)freund — er muß immerzu weiter fliehen, immer einjamere und fernere Gegenden auf- juhen, um jeines Lebens froh werden zu Können. Schade drum. So jchwinden vor unjern Augen mehr und mehr alle trauten ÖGeitalten, alle charakteriltiichen Formen und einjamer und öder wird es um uns. Sollte es nidyt möglid) jein, daß wir unjern Wajjerläufen den Eisvogel erhalten ? Gönnen wir ihm feine paar Elriten, Bitterlinge und Gründlinge und wenn wir — da und dort — gezwungen werden Jollten, uns jeiner zu erwehren, dann muß es nicht das graulame Pfahleijen jein und dann ilt’s auch noch nicht nötig, jeden gelegentlicdy Einfallenden zu töten. „bat Gott ihm doch wie mir gewollt Einen Anteil an diejen Tagen.“ Dögel 1. e 469 Der S$lamingo. Don Martin Braeß. Trägen Laufes zieht der Sluß durch die weiten einförmigen Kampos. Nur zuweilen weltabgejchieden eine menjchliche Hiederlaffung unter dem Schatten eines Ombubaumes, der hoch emporragt über die jchwach wellen- förmige Ebene, auf Meilen hin jichtbar. Einige Weizenfelder, ein paar Kleejtücke, jonijt Gras und wieder Gras, von der Sonne verbrannt — dürre, einförmige Steppe. ur unmittelbar am Sluß reichere Degetation, Schilf, Gebüjch und höhere Bäume. Bisweilen treten die flahen Ufer zurück; eine Lagune lagert jich ein, von dichtem Rohrwald umgeben, der geheimnisvoll flüjtert und jein Bild haut im tiefblauen Waller. heiß und zitternd liegt die Luft über der Landjchaft. Rinder und Pferde, die jtändige Staffage der Pampas und Kampos, haben fich unter den Schattenbäumen gelagert; auf ihrem Rücken jchwarzglänzende Kuhvögel, emlig bejchäftigt, die Schmaroer abzulejen, ohne Scheu, denn vertraut find lie mit den Herden. Der Dfenvogel, der fein jeltfjames Lehmnejt kunjtvoll an den jtarken, horizontal ausladenden Ajt eines hohen Baumes befeitigt hat, jiöt Tautlos im Blattwerk, und auch die Trupiale fjchweigen in der fait tropiihen Hiße des Tags; nur ab und zu fliegt ein Schwarm der etwa \targroßen Dögel Rreilchend von einem Baum zum andern, ein jchöner Anblick, denn das prächtige Rojenrot der Brujt kommt im Slug herrlich zur Geltung. Endlich jenkt jich die Sonne an dem jtahlblauen Himmel. Da belebt ji die jtille Lagune. Wafjer- und Sumpfvögel ziehen in großen Scharen herbei oder in kleineren Trupps, oft von allen Seiten auf einmal. Sattes Grün der Ufervegetation, tiefblauer Spiegel des Wajjers, rotgoldenes Licht, das alles übergießt, das zitternde Blatt des Schilfs, die leicht gekräufelte Slähe — was wählit du für $Sarben, Mutter Iatur, den Reiz nody zu erhöhen, was für Töne pajjen zu dem Grün, dem Blau und dem Gold? Am Horizont ein kleines Wölkchen, roja gefärbt. It es das Licht der Sonne, das dies Sarbenjpiel an die blaue Glocke des Himmels zaubert? Schnell wächjlt das Wölkchen, jchnell jteigt es empor, jeßt eine Linie, intenjiv roja ein Strid) in dem Blau — fo malt das Tagesgejtirn nicht, aud) nicht in des Südens durdjlichtiger Luft — jebt löjt es fi auf in einzelne Dunkte, und 470 1Ddoq uaquaynı gun uaquomag u 3gvNoduıuv]S DL uvıugvy) "MR / [ v ne renelal Kor} ao me - > .s ” jest jchießt es herab nad; dem flachen Ufer der Bucht. Don glühender Sarbe ein Band zwijchen dem Blau und dem Grün: rote Löffler jind es, „Eipa- tula”, wie die Eingebornen die jeltjamen Dögel nennen, eine Sierde der Waldlagune, wetteifernd mit der reichen Blumenfülle, die den üppigen Pflanzenwuchs von Baum und Straudy malerijcd) überzieht; der herrlichite Reiz aber an den flahen Gewäljern der einförmigen baumlojen Pampas. Das Rojarot der Slügel und des Unterrückens jowie der verlängerten Sedern am Kropf fließt zujammen zu einem einzigen Sarbenfleck, deilen Glut ge- mildert wird durd) das Weiß von Hals und Rücken und Unterjeite. Es jind immer nur kleinere Trupps, die zujammenhalten und gemeinfam in dem jeichten Wajjer herumwaten, mit dem breiten, jeltfjamen Löffeljichnabel filchend oder das Gefieder jich ordnend, höchitens 20—25 Stück. Bald finden id nody mehrere Gejellichaften ein, und wie Blumen im Teppich, jo jtehen die Gruppen hier und da vor dem jattgrünen Hintergrund. Aber mehr Sarbe gehört noch ins Bild, mehr glühendes Rot; denn Rot ilt die Lojung heut abend. Da wädlt es, da zieht es von neuem heran; kein Wölkchen, eine Seuerlinie am Himmel, bejtrahlt von dem goldenen Lichte der Sonne. Slamingos jind es, eine jtattlihe Sahl, jhon erkennt man die einzelnen Tiere. Weit nach vorn jtreckt fich der Hals, weit nad) hinten das lange Steuer der Beine, quer in der Mitte rudern die karminroten Slügel, jeder Dogel ein flammendes Kreuz. JIett ein deutlihes Rauschen, die Reihen löjen jich auf, Rein Schlagen der Slügel mehr, ein ruhiges Scweben, nieder zur Erde jenkt jih’s in jhön geihwungner Spirale. Mit vorgeitreckten Stelzen hat der erite den Boden erreicht; ein paar elaltilche Sprünge, dann legt er die Slügel zujammen, die andern folgen dem Hührer. Die jchmale morajtige Junge, die noch joeben mißfarben Fich verichob in die Lagune, wie glüht jie mit einemmal auf in feurigem Lichte ! Nicht ein gleich: mäßig leuchtender Strich, wie ihn die untergehende Sonne auf den ruhigen Spiegel des Sees malt, nein ein Slackern von Roja und Rot, ein Aufbliten von Karmin und wieder ein jähes Erlöjchen zu janfteren Tönen; denn keinen Augenblick eritarrt die Bewegung der allzeit bejchäftigten Dögel. Iebt treten etliche vor, fußtief etwa jtehen jie im Wajjer; langjam jenkt der jchlangen- ähnliche Hals den Kopf mit dem jeltjamen Schnabel hinab, da diejer den weichen Boden durdluche nad pflanzlicher und tierischer Nahrung. JIett dehnt Jich einer und jtreckt jich, Kerzengerad, eine fat jenkrechte Linie; heftig jchlagen die Flügel, und die langen Stelzen jchreiten hüpfend ein paar Schritte vorwärts. Hier pußen und ordnen einige das glänzendrote Gefieder; bei jeder Bewegung läuft eine Welle jchlangenartig den Hals entlang. Dort wieder läßt einer jeinen Körper bedächtig nieder zur Erde und ruht nun mit zujammengeknickten Beinen am Boden, und jeinem Beilpiel folgen die Nachbarn. 475 Jeht zieht eine gewundene Bewegung durd) die ganze Linie vom Anfang bis zum Ende; die dünnen Hälje richten jih auf, und dumpfes Murren geht durd) die Reihe. Irgendeine Gefahr haben die jcheuen Dögel bemerkt — ilt es ein Raubtier im Rohrwald, ein gefiederter Räuber der Lüfte? JIebt krädygen jie heifer und raub, und einige jchreien Icharf auf, ein lautes Schnattern, wie die Stimme der Graugans. Dann geht der Führer, der ganz vorn falt an der Spitze der Landzunge Pojto gefaßt hat, drei, vier Schritte vorwärts, würdevoll und zierlich zugleich; die andern rücken ihm nad). Jeßt jpringt er empor, halb fliegt, halb läuft er über das Waller; jebt hebt er jich leicht, und der ganze Slug ihm nad) in die Luft. Herrlic) über jede Bejchreibung, wenn die Schwingen jid) lüften, wenn die glänzenden Sedern jich breiten. Sarbe und Bewegung zugleich, eins erhöht das andre zum pradtvolliten Schaujpiel. Schnell hat die Gejellichaft den Slug geordnet zu langer Reihe; in einer Seuerjpirale jteigt jie empor hoch in die Lüfte, wo die Strahlen des Sonnenballs jie noch erreichen, der joeben im Weiten unter die Erde jich jenkt. Aber bald jind jie aus dem Gejichtsfeld ver- Ihwunden, denn leicht und jchnell ijt ihr Slug. Schon breitet jicd) die Dämmerung über die Landjichaft, und die Sarben verlöjchen; nur der Himmel erglänzt nod) golden und rot und Ipiegelt ji) liht in der dunkeln Lagune. Da jenkt ji) wieder die feurige Schlange hernieder zum Ufer — it es diejelbe Schar, jind es andre, die den Ort ji wählen zur nächtlicyen Herberge ? Dunkler wird es, jchon hufjchen jchwarze Schatten über das Waller und das raujcyende Rohr, aber noch immer leuchtet der rote Strich vor dem dültern Hintergrund, Sarbe aud in der Nacht. Krädzend und jchnatternd jtehen die jeltiamen Dögel am Rand des Gewäljers; vom Baume herab antworten jchreiend die Trupiale, vom andern Ufer her krähen elegante Silberreiher, die noch bejchäftigt jind mit dem Silhfang. Dann wird es ruhig. Auf den Rücken legen die müden Slamingos den Kleinen Kopf, bergen den jonderbaren Schnabel unter den Schulter- federn, heben dann eine Stelze vom Boden, Rnicken jie um im Serjenicharnier, dab; beide Teile nebeneinander zu liegen kommen, und ziehn fie empor an den roligen Bauch. So jtehen jie unbeweglich die ganze Nacht bis an den dämmernden Morgen: horizontal der Leib auf der dünnen Säule des Ständers, der übermäßig lange Hals vor der Brujt eigentümlich verjchlungen, der Kopf bis zum Auge im lockern Rückengefieder. Einige jtrecken wohl audh in \onderbarer Weije den einen Ständer |chief rückwärts, da Schenkel und Lauf einen nach vorn offnen Winkel bilden, als wollten lie jeden Augenblick bereit jein, den Körper zu balancieren auf dem langen, dünnen Stab, der ihn trägt. Löffler und Slamingos, nicht jelten auch der rote Ibis, bilden die hervor- ragendite Staffage in der Jüdamerikaniihen Lagunenlandjhaft. Während 474 os ? Gone u ann \ FM. Chapman. Bahama- Inseln, Juni 1904. Brütende und hudernde Slamingos. aber der zuleßt genannte mehr ein Küftenvogel ilt, der hauptjächlich die Mangrove-Lagunen belebt, finden fi) die beiden andern Rotmäntel in den verichiedeniten Teilen Süd- und Mittelamerikas. So brüten die Slamingos in ungeheuern Scharen 3. B. auf den Bahama=Injeln, wo jie an dem flachen Geitade und an den Sumpftümpeln mandes Eilands ihre eigentümlichen Neiter, bisweilen nady Taufenden zählend, eins neben dem andern errichtet haben. Meilt ftehen diefe Schlammhügel zu Gruppen vereinigt, hier eine kleinere, dort eine größere, an dritter Stelle eine jo riejige, daß man die Sahl der einzelnen Wohnungen nur [häßungsweile anzugeben vermag. Dod, werden keineswegs alle Weiter, die auf engem Raume dicht nebeneinander ji gewiljermaßen jeden Suf; der niedrigen Sandbarre jtreitig machen — manche jind fogar vorgebaut bis ins Waljer der Bucht — gleichzeitig von der brütenden Kolonie benußt, vielmehr zeigen viele der abgejtumpften Schlammkegel ganz deutlic, alle Stufen des Derfalls. Hier die Ruine eines alten Neites, das vom nagenden Wajjer beinahe dem Erdboden gleichgemacdt it — Jahre mögen vergangen fein, jeit es erbaut ward — daneben ein etwas bejjer erhaltener Horit, dann ein Weit, das jich in ausgezeichneter Der: faljung befindet — offenbar brütete hier nocdy im vorigen Jahre ein Daar — 475 und unmittelbar davor ein frilcy errichteter Bau, wo ein Weibchen hockt auf jeinen zwei Eiern. Gleichgültig Ichaut es zu, wie ein anderes Paar noch bejchäftigt ilt mit dem Hausbau. Mit Süßen und Schnabel haben die Dögel Schlamm zujammengeicharrt zu einer Kleinen Erhöhung, dann haben jie aus einem Ihlammigen Loch in der Nähe noch weiteres Material herbeigejchleppt, und mit dem kräftigen, von der Mitte an ganz plößlih abwärts gebogenen Schnabel, der zu jchwer zu Jein jcheint für den winzigen Kopf und den langen, gewundenen Hals, haben jie wie mit einer Kelle alles zu einem niedrigen, abgeitumpften Kegel aufgejchaufelt und geformt. Diejer hat am Grund einen Durchmefier von etwa 35 Ssentimeter; er verjüngt jidy aufwärts nur mäßig, denn der obere Umfang des Kegeljtumpfes zeigt immer noch ungefähr 25 Sentimeter im Durchmejler. Die Höhe der Neiter ilt verjchieden ; die meilten erheben jich nur wenig über 20 Sentimeter, andere erreichen 30 Sentimeter, einzelne aber werden audy noch höher gejchichtet. Die Dögel richten fich hierbei, wie es jcheint, nad dem Waljeritand; vor einer llberflutung, die bei den \chweren tropilchen Regengüljen die Niederung nicht jelten in einen See oder Sumpf verwandelt, können jie ihre Eier ja nur dadurch Ihüßen, daf fie dem Keit eine anjehnliche Höhe geben. Troßdem ragt der Bau nicht Jelten nur ein paar Sentimeter über die Wajjerfläche empor, wenigjtens bei den Heitern, deren Standort am tiefiten liegt. Die obere Släche des Kegeljtumpfes ilt natürlich nicht eben, jondern mit ihrem Körper drücken die Dögel, wenn der Bau fertig it, in den nody weichen Schlamm eine jeichte ovale Dertiefung, groß genug, die beiden Eier aufzunehmen. Nur in ganz jeltenen Sällen weilt das Gelege drei Eier auf, häufiger nur ein einziges. Wenige Dögel jind beim Nejtbau von der Beichaffenheit des Bodens jo abhängig wie die Slamingos. Weich und jchlammig muß die Stelle jein, auf der fie ihre Mejter errichten. Deshalb warten die Slamingos mit dem Brutgejchäft, bis die Regenzeit, die auf den Bahama=Injeln Mitte Mai einjeßt, die Wiederung mit Feuchtigkeit durchtränkt und das Material für den Hejtbau vorbereitet hat. Denn obgleid) die Dögel Jahr für Jahr zu demjelben Ort zurückkehren, der jich ihnen als Brutplat; bewährte, und ob- gleid) jie dort in ausreichender Menge noch die vorjährigen Nejthügel finden, die meilt nur geringer Ausbejjerung bedürfen, jo benußen jie dod) wohl nie die alten Keiter, jondern errichten jtets einen neuen Bau. Wenigitens entipriht die Sahl der friihen Schlammkegel einer Brutkolonie ziemlich genau der Anzahl der im letten Jahre benußten Hügel, und dieje wieder gleicht der Mlenge, die abermals um ein Jahr älter it. Die Slamingos verjchmähen fajt jede Auspoliterung der flachen Hiltmulde mit vegetabiliichen Stoffen, jelbit dort, wo ihnen ein jpärlicher Dflanzenwuchs auf den Sandbarren oder dichte Mangrovebüjche in der nächlten IImgebung 476 F, M. Chapman. Bahama- Inseln, Juni 1904. Brütende und ruhende Slamingos. Material hierzu bieten würden. Die Eier ruhen, von ein paar Hälmcen abgejehen, ohne jede Unterlage auf dem durdy Sonne und Luft zu einer harten Mafje verwandelten Schlamm. Sie jind auffallend gejtreckt und be= deutend größer, als die des Hausitorhs. Ihre Schale it mit einer eigentüm= lihen Kreidigen Kalkhülle überzogen, die in getrocknetem Sujtand leicht abfällt. Einen Monat etwa jitt das Weibchen brütend auf dem Öelege, und wahrjcheinlich läßt es jich von Seit zu Seit von dem Männdyen ablöjen. Diejes erweilt jich als treuer Gatte, indem es bejtändig am Miltplat Wache hält, jolange es nicht mit andern jeines Gejchlechts Ausflüge unternimmt 477 nad) diejem oder jenem bewäljer. Überhaupt kommen den Slamingos wenig Dögel an Wachjamkeit und Dorlicht gleich. Sie jtellen Pojten aus, jowohl an den Brutpläßen wie dort, wo Jie, den Kopf unter dem Waller, beichäftigt ind, den Schlamm zu durhluchen nad) allerlei Nahrung. Beim Nahen einer Gefahr geben die Wachen jogleich ein Seichen zu jchleuniger Flucht. Selbit zur Nachtzeit joll immer ein „Wadthabender” die Auflicht führen über die Umgebung, doppelt mißtrauicy und jcheu am Brutpla& der Kolonie. liber die Stellung, die der brütende Slamingo auf dem Schlammkegel einnimmt, herrijchte bis vor wenig Jahrzehnten eine recht abenteuerliche Doritellung. Man meinte, nicht wie die andern Dögel, die gleichfalls mit langen Beinen ausgeitattet jind, Storch, Reiher, Kranich, Avojett-Säbler u. a., liege der Slamingo mit untergezogenen Beinen auf den Eiern, jondern er lajje jeine langen Stelzen links und rechts am Schlammkegel herabhängen, zu weldyem Sweck er den Hügel überhaupt erjt errichte. Schon Haumann hält es für ein Märchen, dab der Slamingo auf jeinem Tejte gleichlam reite und weilt auf die Unzweckmäßigkeit, ja auf die Unmöglichkeit folcher Stellung bin, aber erit H. 5. Johniton, der im Mai 1880 brütende Slamingos in Tunis beobachten konnte, bemerkt ausdrücklich, daß die Tiere mit unter- gejchlagenen Beinen auf den etwa 46 Sentimeter hohen Hügeln Jigen, und Abel Chapman, der im Mai 1885 in der ‚„Marisma‘ bei Sevilla, auf einer niedrigen Schlamminjel Hunderte brütender Dögel entdeckte, Jah deutlich daß die langen roten Stelzen zulammengeklappt unter dem Körper liegen, jo dal; die Serjengelenke bisweilen jogar noch über die Schwanzipige hinaus- reichen. Der frühere Bouverneur der Bahama=Injeln, Mr. Henry Blake, hat dann im Jahre 1887 aud) für die amerikanijchen Slamingos die gleiche Art des Brütens bejtätigt. Photographiihe Aufnahmen, wie wir jie 5. A. Chapman verdanken, ermöglichen es heute jedermann, ji) von der Stellung des auf dem lejte jihenden Slamingos zu überzeugen. Geben fich die Dögel dabei vollitändiger Ruhe hin, jo haben jie den langen Hals zwilchen die Rückenfedern gebettet, während der Kopf über der Brujt ruht; erregt aber nur ein geringes Gberäujch ihre Aufmerkjamkeit, jo fahren die Hälfe empor, und nad) allen Seiten wendet jich der Kleine Kopf auf jeinem beweglichen Stiele. Die Jungen, welche mit einem dichten weißen, oben jtaubgrauen Dunen- kleid bedeckt jind, verlajjen das Met jehr früh; jie verjtehen es bald, ihre verhältnismäßig langen Stelzen zu gebrauchen, an denen das Serjengelenk wie eine dicke Anjchwellung hervortritt, während jie, jolange jie Dunen tragen, zum Slug nod) völlig unfähig jind. Dagegen jJollen die Jungen gleich nad) dem Derlajien des Iejtes das Waller aufjuchen und hier munter umher: Ihwimmen. Aud, die erwachlenen Slamingos jind vertraut mit der Kunit des Schwimmens; jie lüften dabei die Flügel nad Art unirer Schwäne. 478 Bo6r zung “upasup-vuuwyvg „unbddvzZ 19 uallopıwa soßuluv]s »undoZ au m SoBuU1WnJS . a EI ” v nz Im Das Derbreitungsgebiet der Slamingos, von denen man jechs Arten unterjcheidet, bejchränkt jich gegenwärtig auf die tropiichen und jubtropijchen Regionen Süd- und Mittelamerikas, Afrikas, des weitlichen Aliens bis nach Indien, und auf einige begenden in der Nähe der europäilchen Mittelmeer- külten. Neben dem roten Slamingo Amerikas ilt die bekannteite und ver- breitetjte Art der rojenfarbige $lamingo der alten Welt. Er bewohnt die Külten Afrikas, 3. B. jehr häufig alle Strandjeen im Norden diejes Erdteils, Senegambien, Sanlibar, Mozambique, Nadagaskar, jogar am Kap der quten Hoffnung ilt er zu Bauje. Nadı Oiten dringt er vor in mehrere Länder =E 5 DB“ 5 > ; E id 1 \ 1er % Te N 3 ers es 3 \ S " 1 8 Bu a a\ 2 r Dr a. Yy = es u \ > ? \ DS a) N 8 2 \ 7 > Lr r \ x RT x: n A| N \ x . rt sa IE a NE rar gr ER AX > N x E% = — . en ” Ta as 5 ee S te c EUER, TEIL: I vr N N Er ie IN = > 3 : Y x r” du = RL Sr ’ a Nr Ä 7 sr T F, M. Chapman. Bahama- Inseln, Juni 1904. Slugbilder der Slamingos. Aliens, 3. B. ins weitlihe Turkeitan, und in Europa wird er außer auf manchen Mittelmeerinjeln, den Balearen, Sardinien, Korlika, Sizilien, Malta u. a., bejonders am untern Guadalquivir und in noch einigen andern Gegenden Spaniens angetroffen, in Kalabrien und an den Külten Moreas. Bisweilen gejchieht es, daß ein einzelner Dogel weit nadı Norden ver- Ihlagen wird; jo hat man 3. B. an verichiedenen Schweizer Seen, auch am Bodenjee, ausnahmsweile ab und zu einen jolcdy auffallenden JIrrgait be- obadhtet, ja jelbit nach Deutichland, jo den Rhein abwärts, und hinüber nad) England, ferner nady Bayern, Mähren und Öiterreich-Schlejien, jelbit bis nadı Pommern haben jich einzelne Slamingos jchon verflogen. Sum Teil waren diefe Wanderer Jungvögel im eriten oder zweiten Lebensjahre, die noch nicht 481 zeugungsfähig find und fie, während die Alten dem Brutgejchäft obliegen, an andern Örten umbhertreiben. Dem altweltlichen Slamingo ilt, obwohl er nur warme Länder bewohnt, ein merkwürdiger Wandertrieb eigen. So bejuchen, wenn die Brutperiode im Spätjommer ihr Ende erreicht hat, größere oder Rleinere Slüge die ge: nannten Mittelmeerinjeln, wohl auch jüöliche Teile Italiens, jogar die Süd- külte Srankreichs, um dajelbit zu überwintern. Ihre Brutpläße haben dieje Dögel wahrjcheinlih an den Strandjeen des jüdlichen Mlittelmeers, wohin lie im Srühjahr wieder zurückkehren. Am Schwarzen Meer ilt der Slamingo eine jeltene Erjcheinung, häufiger kommt er an den Külten des Kajpijchen Meeres vor, wo er in dem gejhüßten Südweltwinkel bei Lenkoran alljährlich in ziemlicher Menge überwintert. Nach Radde haben dieje Dögel irgendwo am Nordoltufer des Kajpiihen Meeres ihre Brutpläße. Die Slamingos meiden im allgemeinen die jühen Gewäller; es Jind Seevögel, die ganz bejonders flahe Laqgunen und Strandjeen mit jalzigem oder brackigem Waller bevorzugen. Nur ausnahmsweile lajjen fie jich im Innern größerer Landmajjen jehen, es mühte denn jein, dah jie dem Unterlauf eines Stromes, 3. B. der Wolga, ein Stück landeinwärts folgen. Der größte europäilhe Brutplat; der jeltiamen Dögel wurde von A. Chapman be- \chrieben. Es ijt die jog. „Narisma“”, jene weite alluviale Ebene im Süden von Sevilla, die der buadalquivir in mehreren Armen durchichneidet. Waller, Schlammbänke, größere und Kleinere niedrige Injeln, mit dürftigem Gras, Diiteln und Sumpfpflanzen bewacdjlen, das ilt der Charakter der Ebene. Im Mai verdunitet das Stauwaljer allmählicy, und nur wenig Tümpel, mit Rohrbejtänden umgeben, bleiben in dem wüjten, von der Sonne zu einer harten Mafje verwandelten Schlamm zurück. Um die Dögel zu beobachten, braucht man nicht tief einzudringen in dieje unwirtliche Landjchaft. In Herden von 500-500 Stück jtehen die langbeinigen Dögel am offnen Waljer, um gierig Gras und Sumpfpflanzen abzufrejjen. Wittern die jcheuen Tiere eine Gefahr, jo jtürmen alle nad) dem Alarmruf der Wacdhtpojten mit lautem Gejchrei einige Schritte vorwärts, um ji dann in die Höhe zu jchwingen. Ein herrlicher Anblick, wenn all die Slügel jich entfalten und die rojige Wolke am Himmel dahingzieht. Auf einer niedrigen Schlamminjel haben hier die Dögel ihre leiter; dieje Itehen jo dicht nebeneinander wie die der amerikanilchyen Art, während lonjt nicht jelten die Bruthügel des altweltlichen Slamingos mehr zerjtreut in jeihtem Waller errichtet werden. „Einige hoben jid} 5—8, wenige 12—15 Sentimeter hoch über der Schlammfläche empor. Der allgemeine Eindruck der Injel war einem großen, mit Tellern bedeckten Tijch nicht unähnlid. Rings um dieje Hauptkolonie ragten zahlreiche einzelne Weiter aus dem Waller empor; hier und da waren zwei, drei und mehr aneinandergebaut. 482 Dieje Einzelnejter erhoben jich etwa 1520 öentimeter über dem Waller: jpiegel und hatten einen Durchmeljer von etwa 38 Sentimeter. Das Waller um diejelben war etwa 5040 Sentimeter tief.“ Das merkwürdigite Organ am Körper des Slamingos ilt, neben dem langen Hals und den riejigen Stelzen, jein Schnabel. Er it länger als der Kopf, höher als breit, und von der Mitte an unter jtumpfem Winkel abwärts gebogen. Der ©berjchnabel läuft in eine Spite aus, die janft über die des Unterjchnabels greift. Diejer it in der Mitte merkwürdig aufgeblajen, jein Rand aber jtark einwärts gebogen, jo daß er einer Doje gleicht, die mit dem viel kleineren, flahen Deckel des ©berjchnabels gejchlojjen wird. Samellenzähne jtehen in dichten Reihen jowohl am ®ber- wie Unterjchnabel. 21 e N I —TInN- nu = = NS N I 5 = = a __ a N “ s _ = er n De EN \ St = —- 2 I \ E FE —_n ee EN = EV Perg as 4 en r _ E Re Fan _— FEN < ar F. M. Chapman. Bahama- Inseln, Juni 1904. Slugbilder der Slamingos. Wie die Enten, jo „durchichnattert” auch der Slamingo den Ichlammigen Boden; dabei wendet er den Kopf jo jtark nad) innen, nad) den Sühen zu, daß der flache Dberjchnabel den Boden berührt, während die untere Schnabel: hälfte nad) oben gekehrt ilt. Auf jolche Weile durchpflügt gewiljermaßen der nahrungjuchende Dogel den Grund, alles Geniefbare in der weiten Doje des Unterjchnabels bergend, während das jchlammige Waller zwilchen den lamellenbejegten Schneiden hindurchgepreft wird. Sur Seit des niedrigen Wajjeritandes jammeln ji große Gejellichaften der langbeinigen Dögel auf den Watten, um hier gemeinjam am Rande des Wajjers zu filhen. Sreilich Silche werden die Slamingos nur ausnahmsweile erbeuten; ihre Bewegungen ind zu langjam, nicht jtoßweije wie bei Reiher und Story, audy ilt ihr Schlund jo eng, daß nur ganz Rleine und jchmale Siihchen ihn pajlieren können. Die Hauptnahrung bilden Würmer und Mollusken, die im Schlamm 485 und Sand, bejonders jalziger Gewäller maljenhaft leben. So fand man im Magen der Slamingos neben Würmern namentlich Kleine Herzmujcheln und andere Bivalven, aud Kleine einjchalige Schneckenhäujer, 3. B. aus der Gattung der Hornjchneken (Cerithium). Außerdem nehmen die Dögel vege- tabiliiche Stoffe in großen Mlengen zu jid. Gefangene Slamingos kann man lange Seit ausjchlieglidy mit Pflanzen nahrung erhalten, Reis, Getreide, Brot, Waljerpflanzen ujw.; doch fühlen lie jih nur wohl, wenn man ihnen zugleich einen Sujaß von tierijchen Stoffen reicht. Sehlen leßtere, jo verlieren die herrlichen Tiere jehr bald ihre jchöne rojenrote Särbung. Dieje zeichnet übrigens nur die mehrjährigen Slamingos aus, Männchen und Weibchen ziemlich gleichmäßig |chön, während die Jung: vögel erit nach der zweiten Maujer im dritten Lebensjahre das bisher graue und weiße Gefieder mit einem rojenrot angehauchten vertaujchen — bejonders die Flügel prangen in kräftigem Sarbentone ; aber erit im vierten Lebensjahre find die Slamingos völlig ausgefärbt. Dann ilt über alle oberen Teile des Körpers die zarte Rojenfarbe ausgegofjen, nur die Unterjeite bleibt mehr weiblich; die Slügeldecken aber, jowohl die oberen wie die unteren, erglühen in gejättigtem Rojenrot, das ji} von dem tiefen Schwarz der Schwung: federn eriter und zweiter Ordnung effektvoll abhebt. Sreilich jolch feuriges Karminrot, wie es dem amerikanijchen Slamingo eigen ilt, erreicht die alt= weltliche Art jelbit in ihren jchöniten Eremplaren nicht völlig. 484 Die Sumpfmeiie. Don Elje Soffel. Über dem verlajjenen Bauerngarten liegt die Sonne, heiß brütende Auguitionne um Mittag. Langjam, nur ganz langjam rückt der Seiger der Sonnenuhr weiter, ja er jcheint eine ganze Weile jtill zu jtehen. Die Sand: körnchen in den Wegen glitern und funkeln, eine jchläfrige Hummel taumelt mit jähem Gebrumm zur näditen Blume, dann Jinkt alles zurück in Schlummer. Aud vom Haufe her dringt Rein Laut. Schön gepflegt jieht er nicht eben aus, der Garten, es mochte lange Reine orönende Menjchenhand dran gekommen jein. Halb Gemüjegarten ilt der Blumenanteil und auf den Kartoffelbeeten, wo die welk daniederliegenden Stauden die reifende Frucht anzeigen, wädjlt roter Mohn in Hülle und jchüchtern daneben blajje Stief: mütterchen in Büjcheln. Bis in die Wege hat jid) das Unkraut hereingefrejjen. An der Hauswand blüht vereinzelt eine riejenhafte Sonnenroje aus jchlechtem Boden auf und wenige kranke Altern; hart gewöhnte Königskerze madt ihnen den Boden jtreitig; zwilchen den Saunlatten haben jicdy Mejjel und Hohlzahn vom Wegrain hereingedrängt. Der Schönheit tut das freilich Reinen Eintrag. Der Mittag jpinnt jeinen Sauber, die Gartenblumen wetteifern mit den fremden Schweitern in Blüte und Duft. Schmetterlinge, Käfer und Bienen kommen hier ebenjo gern zu Gajt wie anderswo. Alles Bilder des Lebens und der Schönheit jelbjit im Derfall. Traurig allein mag der Anblick der Obitbäume jtimmen, deren flechtenüberwucherte Sweige und zerfrejlene Blätter, zwilchen denen hin und wieder eine verkümmerte Srucdt lift, deutlih von Siechtum und langjamem Tode reden. Dom Walde herüber über Wieje und Weg Rommt zuweilen der Häher in den Garten geflogen, aus den jchlauen, blaugrauen Augen um jich blickend, dazwilchen die jchön geitreifte Holle jtellend, jpaziert er Ropfnickend im hohen, ungemähten bras. Unter einem alten Reilighaufen hat die Goldammer Junge aufgezogen ; Jie ind Tängjt ausgeflogen, die Alte fit hin und wieder noch auf dem daun oder treibt ji itumm juchend in der Nähe des alten Meites umher. Sortgezogen ilt der Pirol, verklungen jein heijer Werberuf: „bio, giöleoh“ Klang jein Slöten und Pfeifen in den taufriihen Morgen. — Noch immer ilt’s jtill über dem Garten, kein Dogelruf dringt herein, kein Menjchenlaut. Nur Schmetterlinge und Blumen reden jtumme Liebes Dögel 1. 32 485 \prahe. Die Goldammer jigt auf einer Saunlatte, als habe jie etwas ver- loren. Da klingt’s plößli laut und munter „zizibrrrrdädä” und nod) mal „terrrretet“ in die Stille. Der Garten ilt erwacht, das Mlittagsgeipenit verihwunden. Die Sumpfmeije hat Alarm gerufen. Se&t hängt jie mit |charfkralligen Sühchen an dem lebten Sweig eines Apfelbaums, der trägt jie mit Leichtigkeit. Mit unglaublicher Gejchwindig- Reit zerreißt der |pite kurze Schnabel die Mottengejpinite, die die kranken Blätter einhüllen und holt jich eines der jchwarzen Räupchen ums andere. Dabei madıt jie einen tüchtigen Weg, denn mit jedem Biljen jucdht jie erit ein Ruheplägchen auf, jteckt ihn zwilchen die Sehen eines Füfchens und bearbeitet ihn bligjchnell mit dem Schnabel. Ein Stückchen it dabei weg: gefallen, haltig it fie ihm nach auf den Boden mit leijem „it, jit“ und wieder zurück zu ihrem Sit, wo jie es ebenjo hajtig verzehrt. Dann wird das Schnäbelchen geweßt, jie hüpft und dreht jicy auf dem Sweig, läßt ihr „it, jit" hören, oder auch Ichärfer „zit, zit“ je nad) Laune und Stimmung, hebt dann und wann die Kleinen Slügel, zupft an den Sehen, wo etwas Eibares hängen geblieben und läht das Köpfchen mit den jchwarzen, jcharfen Späheraugen bei alledem mitgehen. Beim Abjuchen der Borke hat jie eine Kolonie Eier vom Borkenkäfer entdeckt, die werden am Stamm jißend herausgepickt; hier it überhaupt immer allerlei Butes zu finden, Larven und Raupen von allerlei Getier: jegt eine Bockkäferlarve, dann die eines Splint= oder Rüljelkäfers, aud) die des jtattlichen Lederkäfers, die in Nlengen bier auf ihre Entwicklung warten. Alle dieje Derrichtungen begleitet die lujtige kleine Mleije mit „jit, jit“, oder ‚zit, zit“, hin und wieder ganz leilem „Ds, ds", antwortet auch einmal auf einen bekannten Dogelruf mit munterem „zitzidä”, wie jie überhaupt ihren Lockruf gern variiert, das zi zi und dä dä einmal wegläßt, dann wieder öfters wiederholt und ihn bald abgekürzt, bald erweitert, janft und leije, vergnügt oder auch heftig und energijch aus= itößt, wie eben, wo ihr der Anblick des grauen Würgers auf dem Saunpfahl ein Rurzes, warnendes „terrrretet entlockt. Nad) einer Rleinen Weile er- Icheint fie wieder, no ein wenig z3ag und leije, treibt jich im niedrigen Gebüjch herum, duckt Jid) das Köpfchen in der Höhe, breitet die Slügelchen, gerät in die Himbeerjträucher, jtößt jpielerilcy eine Beere vom Stiel, hüpft mit leilem „ds, ds“ ihr nach auf den Boden, unterjucht jie, findet ein Würmcden drin, fliegt damit und mit ‚„zizidä" auf den nädjliten Sweig und verjpeilt jie. Dann findet jie ein kleines Erdlodhy, in dem ein Tropfen Regen waller jtehen geblieben, nimmt ein Schlückchen und hängt jchon wieder an der Sonnenroje, zu unterjuchen, ob die Samen reif jind. Auf den vernadjläjligten Beeten ilt der Salat in Samen gejchojjen, dem Sumpfmeischen ijt das gerade recht, und daß der Mohn anfängt abzublühen und die trockenen Kapjeln braune Körner jtreuen in Gülle, läßt’s auch nicht unbeachtet. Da und dort 486 Bethge. Dresden, Dezember IYQOS. Sumpfmeije. wird ein wenig nadıgeholfen, ein Hieb und noc einer, es ilt gejchehen. Es nimmt glei mehr auf einmal von dem Dorrat und fliegt damit weg. Stopft die Körnchen eins nad) dem andern mit Hilfe des Schnabels in eine kleine Ajtvertiefung und holt fie jich einzeln heraus. Allmählich ilt’s doch müde geworden, wie die Sonne auch. Es jeßt jid) auf einen Sweig, ziemlich hoch oben, wo’s nod) ein wenig Wärme abbekommt, denn naß und kühl ilt’s vom eben nody genommenen Bad. Ganz jämmerlid) lieht der Rleine Kerl aus. Sujammengeklebt die trübweißen SKederchen der Brujt und Unterjeite, jo dab jchwarze Slecke jihtbar werden, das jonit jo adrett getragene Schwänzchen, die jo hübjch übereinandergelegten mäufe- fahlen Schwingen zaujig und dürftig, überall Rommt das jchwarze Unterkleid zum Dorichein, verwalchen die lichte Querbinde der Slügel, der Glanz des jauber geitrählten jchwarzen Köpfchens zunichte gemadt. Eilig trachtet’s wieder in Ordnung zu Rommen, zupft Brujt- und Bauchfederchen zuredt, legt und glättet jie, weiß auch die böjeiten Stellen im Rücken zu treffen, nimmt die Schwingen einzeln her, öffnet jie, jtreicht jede Seder entlang, 487 K. Spengler. Rothehütte, Februar 1908. Sumpfmeije am Sutterbaum. dann ebenjo den Schwanz, nun nody mal den Rücken, die Kehlfederchen dran, Jchüttelt jich, pludert ji) auf und it fertig. Nein? Ein unnütßes, weißes Brujtfederchen fliegt no, am Sühchen hat’s noch was gefunden. Bei dem ganzen DPußgejchäft hat’s nicht ein einziges Mal fein „ds“ oder ‚„‚zit“ hören lajjen. Auch jeßt jißt es nod) jtumm auf feinem Sweig. Das rajtloje Köpfchen jhaut einen Augenblik, ganz gegen jeine Gewohnheit, jtill geradeaus, aus den nimmermüden Rleinen Augen blickt verjonnene Abendmüdigkeit. So lit es, die müde Sonne im Rücken. Dann ermuntert jich’s plöglich, dreht li, hüpfend auf dem Sweig, leije tönt erit „Tit-Jit”, dann laut „zizibrrrrdädä“ Alarm zum Aufbrudy — und abgeflogen ilt es, dem Laubwald zu, jenjeits der Wieje. Don dort, aus dem Dämmer jchallt allabendlid) vielitimmiger Särm. Der Weidenlaubvogel hat jein „zilpszalp" — das zweite tiefer — nod) nicht ausgejagt, der Kleiber hat noch ein Leßtes zu hämmern. Der Seld- \perling, der von Äckern und Wiejen hereingekommen, tjchilpt, des Dompfaff bittendes „‚tiid“ ertönt und die Sumpfmeije zankt ic) unter lautem „dä dä“ mit ihresgleihen um die Höhlung im toten Eichbaum. 488 N, NER we = K. Soffel. Utting, März 1908. Sumpfmeije, am Boden Sutter juchend. Gelegentlich wird auch jchon Dorrat eingetragen, allerhand Samen aus Seld und Garten: Dütel- und Klettenjamen, oder aud) jolchen vom Hohlzahn, jpäter die jilbergrauen Kerne der Sonnenblume, Ajter- und Dahlienjamen, die Körbchenblütler find ihre bevorzugten Sreunde unter den Blumen. In Rindenrißen und Baumlöcer werden die Körner mit dem Schnabel feitgeitopft. Sreilih Rommt’s vor, daß man die Stelle vergißt, wo der Dorrat aufgeltapelt, oder daf Sreund Kleiber den Schatz entdeckt zu feinen eigenen Bunlten. Der Herbit bringt aud; Beeren — Holunder und Eberejche, die werden teils ange- pickt, um zum Kern zu gelangen, — wie fie auch einmal ein Wejpennejt nad) Larven zerhakt —, teils ganz gefrejlen. Die kleine Sumpfmeije läßt Raum etwas ununterfucht und nichts Brauchbares ungenüßt. Auf diefe Weile wird’s ihr auch nicht allzu bang in der Ralten Jahreszeit, ihr Suchertrieb, unter- jtüßt von dem fjcharfen Auge und dem Werkzeug des Schnabels entdeckt die Eier und Räupcen von Schmetterlingen unter dem Mloos der Rinde, die eingejponnenen Larven der Schlupfweipen in gejhüßter Mauerecke, die Spinnen und Spinnchen, die mit eingezogenen Sühchen unbeweglicy unter 489 Mulm und Holjtückchen verjteckt jind. Wirklich [hlimm ilt nur das blatteis, das dem Kleinen Schnabel allzu energijchen Widerjtand bietet und die Sutter- möglichkeiten mit harter, undurdydringlicher Krujte überzieht. Und die allzu bittere Kälte, der der hungergejhwächte Kleine Körper nicht mehr genügend Eigenwärme entgegenzujegen vermag. In joldhen Seiten wird die jonit jo lütig=jcheue Kleine Hleije zutraulih und nähert ji dem Menjchen und jeinen Wohnungen. Die jchneefreien Pläße um die Anjiedelungen, die etwas größere Wärme, die Hoffnung, irgend Eibares aufzutreiben, locken Jie dorthin. „Sit, Jit“ Rlingt ihr Stimmchen, wie die Glasglöckdyen der Eiszapfen in der durdy Schnee gedämpften Luft, es verliert jich falt in der Wintereinjamkeit. Hell aber und falt angreifend jelbitbewußt tönt ihr Lockruf, wenn mittags die in taujend Gliteriternchen funkelnde Sonne ein Sleckchen freigemadt hat und die unermüdliche Suche belohnt wird. Wie paht ihre jtahlicharfe Munterkeit dann zu Schnee und Eis, wie klingt ihr „ziziterrrretet“ dann zur bligenden Winterlandjhaft! Dann läßt jie jogar eine Strophe ihres Liedchens hören, das jie bei paljender ÖBelegenheit zu jeder Jahreszeit vor: trägt. Es ilt nicht jhön im Sinn des Liebhabers: Eine Folge von eigen: tümlicy gezogenen Doppeltönen, die öfters ein hell angejchlagener Triangel- ton unterbricht. „Ting, tjing“, metalliich Rlingt’s, es liegt ein echtes Meijen- temperament in dem Liedchen. Der Dogelfreund, der jie beobachtet, freut ih darüber und über die Sicherheit und Kraft, mit welcher der kleine Schnabel das geipendete Hanfkorn jpaltet. Weit legt jicy der Rleine Körper zurück, um tücdtig auszuholen, da lift Rein Hieb fehl. Nur zu, Rleine Meile, wir wollen dir [hon durch den Winter helfen! — Herbit und Winter begünjtigen den Öejelligkeitstrieb nicht bloß der Menjhen. Auch unjere Sumpfmeije hat Jich enger mit ihresgleichen, in lockerem Derband aud; mit Schickjalsgenojjen, verwandten Dögeln zujammen- geichloffen, hat im BHerbit, mit Brüdern und Schweitern zu wandernden kleinen Öejellichaften vereint, ein größeres oder Rleineres Gebiet durdhjitreift und im Winter den Anjchlug an andere Meijenarten und Kleiber, Gold- hähndyen, den jtarken Specht als Anführer, geluht. Das S$rühjahr löjt dieje Derbände auf. Sum Genuß von Lenz und Liebeswonne fucht jedes die Einjamkeit. Im Laubwald überzieht die zarte Anemone und Leberblümden den Boden mit lichtem Schleier und wagt ji bis heraus zu den goldenen Himmelsjchlüffeln auf die jonnige Wieje. Dereinzelt [haut [chon der Bilchofs- tab des Adlerfarn aus dem braunen Boden, die jchimmernde Kerze des Seidelbajt duftet von weitem. — In dem Erlengezweige am Ufer des kleinen Baches, der jich dicht unter dem Laubwald hinzieht, ilt ein Iujtiges Öetreibe. Bald Rlingt es nad) jungen Meijen und ihrer futterheijchenden, Rlagenden Stimme, bald ertönt Liebeslocken, „ziu ziu”, und das vieltönige, metalliich 490 R. Paul. Glogau, Mai 1908. Sumpfmeije mit Sutter vor ihrem Nejt in einer Linde. klingende Liedchen der Sumpfmeije. Beim Näherkommen möcht” man wieder glauben, die eben ausgeflogenen Kinder derjelben vor ji zu haben. Aber da jaufen die eben noch jo täppiihen Jungen um den Bujc herum, locken und folgen einander und gebärden ji ganz wie Alte. So muß es wohl ein Liebespärchen fein. Wie das jich Itellt und tut, ganz wie die eben flügge gewordene Brut! Mit zitternden Slügelhen und geöffnetem „hä dä dä” Sutter verlangt! Und das Männden, oder ilt es das Weibchen ? Die beiden gleichen fic) jo jehr, nur jcheint das eine etwas Rleiner und blajjer in den Sarben — und das Männchen kommt mit einer Larve oder dergleichen im 491 Schnabel angerückt und jteckt den Fund zärtlich dem Weibchen zu. Und jo fort eine ganze Weile, bis die Rolle einmal wechjelt. So treiben jie’s, bis die Sonne geht. Dor kurzem hatte das Männchen halbe Stunden lang von den oberiten Sweigen der Buchen gelokt und gerufen: „ziu, ziu” und „bislidada”, fait wie ein Stieglit. Und hat ji) richtig jein Weibchen er- jungen. Im Mai find dann die Jungen da. Swölf an der Sahl, Jind jie eins nach dem andern der |hön blaugrünlich gefärbten, mit rojtroten Punkten betupften Schale entwadhljen. Im toten Eichbaum, der jo oft Schlafitätte gewejen, ilt das Net zurechtgerichtet. Halme am Grund, dann etwas Haare, Sedern, — viel Umjtände werden nicht gemadjt. Die Jungen haben gerade Plat, die zuleßt gekommenen jiten auf den übrigen. Die Särtlichkeit der Alten füreinander it kein bloßes Strohfeuer gewejen. Redlich, wie es ein \oll, teilt jih das Männchen mit dem Weibchen in die Arbeit. Es it aud) wirklich zuviel für eines, zwölf Junge allein zu verjorgen. Und wär’s aud; eine flinke, Kleine Meijenmutter. So wädlt die Gejellichaft, dem Marder und Wiejel glücklich entgangen, lujtig heran, und ehe vier Wochen ins Land gegangen, folgen jie Schon ihren Eltern zum Erlengeiträud; hinunter. „Schä dä dä“ Rlingt es. Diesmal jind’s aber wirklicdy die Jungen. Der wiürdige Pfarrherr, ein alter Junggejelle, interejliert ji für Ornithologie. Heute macht er einen Bang über Land. Als er an dem Erlen- geiträud; vorübergeht, bleibt er ein Weilchen jtehen. „Parus meridionalis, — subpalustris, die gemeine Honnenmeije,‘ jagt er dann zu ji. „Aber da hinten, im Weidenmoor, ganz entjchieden ‚Parus salicarius‘, die Weiden- \umpfmeije, — Renntlidy an der jich jpit bis in den Hacken ziehenden matt: Ihwarzen Kopfplatte, den jtufigen Schwingen. Auch der Ruf ilt ein anderer. Ic werde das Dorkommen beider Arten in hiejiger Gegend an zujtändiger Stelle melden.“ Damit jchritt er fürbaf. 492 Der Saunkönig. Don Martin Braef. Kühl und jchattig das Waldtal. Die Buchen an den Hängen reichen einander die Hände hoch über dem Grund. Nur hier und da finden Rleine Strahlenbündel den Weg durch das Blattwerk und malen zitternd Fichte Kringel auf den Moosteppich, winzige Bilder der Sonne, deren jengende blut draußen über der Ebene lagert, drückend und jchwer. Lujtig plätjchert der Rriltall- klare Bach in der Talrinne über den Sand; jet verbirgt er jich zwilchen den Seljen, die ihm den Weg verjperren wollen, daß man nur leije fein Murmeln vernimmt, jet |pringt er jilberhell über jteinerne Stufen, jegt bildet er einen Strudel, jeßt hemmt er den eiligen Lauf, und die Buchen jehen ihr Bild in dem Spiegel, mitten im Blattwerk die Sorelle im gepunkteten Kleid, jet lujtig riejelnd unter jteinernem Brücchen hindurd), jeßt in jchnellem Sprung eine Wendung, und jett Ropfüber auf das knarrende Rad der Mühle im Talgrund. ÖGräjer jpriefen an jeinen Rändern und ganze Wälder von Sarnwedeln zwilchen den Blöcken; die Buche trinkt von dem Waller, das zwilchen dem riejigen Wurzelgefleht jo jeltfam gurgelt, und der zarte Wald- meilter bedeckt den Boden mit lichtem Grün. Himbeer- und Brombeergeitrüpp klettert lujtig den feljigen Hang hinauf, und erniter Efeu rankt jich hier und da um die alternden Stämme. Das ilt das Reich der Rleiniten Majejtät, des niedlichen Saunkönigs. Melk winziges Döglein — und dennch ein König. Er kennt jein Kleines Herrjchergebiet, wie Rein anderer Dogel das feine; rajtlos durchwandert er es, bald hier und bald da. Im Dornengejtrüpp, im Steingewirr, in der Baumhöhle, zwijchen den Wurzeln, im Reijighaufen und Holzjtoß, unter der Brücke, im Strauchwerk, auf dem Baumjtumpf: überall hat er zu tun vom frühen Morgen bis jpät in den Abend. Tichts entgeht jeinem Auge, nicht das Rleinjte Infekt, das jich verjteckt hält im verborgeniten Winkel; er weil all das Gejindel zu finden. Kein Loch ilt ihm zu eng, er jchlüpft hindurch, kein Rankengewirr zu dicht, er entdeckt einen Sugang. Und lujtig it er und munter, allezeit froh und vergnügt, wie das Dolk einen rechten König lich denkt. Stets ijt jeine Tafel reichlid) bejegt mit den zartejten, köjtlichiten Bilfen;; jelbjt im Winter, wenn alles darbt, Reine Not: ein richtiger „Schnee= könig“ dann, der jein Liedchen jingt im jtummen Sorit troß Kälte und Eis. 495 Aber audy jet in den heißen Tagen des Sommers ijt vielleicht Rein Bewohner des Kleinen Gebirgstals jo lebenslujtig und Rec, jo frohgemut, jo überjprudelnd Iujtiger Laune, wie diefer Önom, diejer Knirps in dem rindenbraunen Habitchen, das ihn jo gut dem Auge verbirgt. Keiner lingt jein Liedchen jo fleißig, wie er, der Rleinite von allen. Hier ilt es kühl im Schatten der Buchen am murmelnden Bad); die acht Jungen, die er erbrütet hatte gemeinfam mit feinem Weibchen in dem Mejt unter der jteinernen Brücke, find jchon herangewadjlen, falt jo groß bereits wie Dater und Mutter, lie treiben jidy weiter oben am Bache umher, und nur zufällig Rommt noch eins mal herab und bettelt die Eltern aus Gewohnheit um einen Biljen. Swei Eierhen hat Srau Königin wieder in die Wiege gelegt; da hat man noch Seit, bis von neuem die Pflicht ruft, Seit, jeden Winkel zu durchitöbern, Seit aud) zum fröhlichen Singen. So jchmetternd das Liedchen, voll Wohllaut und Kraft, jo heiter und feurig, ein Triller, ein Roller — Kanarienvogelgejang aus dem feuchten Dunkel des Waldtals! Auf einem Baumjtumpf jißt der winzige Sänger; noch Rleiner erjcheint er, nod) kürzer, als er eigentlid) ijt, denn das zierliche Schwänzcen hat er jenkrecht emporgeitelzt, die Brult tief gejenkt, das Köpfchen mit dem Schnabel jchräg aufwärts gerichtet. Jet beginnt er von neuem, aus voller Kraft, mächtig bläht er jid) auf, die Kehlfedern zittern, nadjläjlig hängen die winzigen Slügel, audy der Schwanz jenkt jich und breitet jich aus, weit Rlafft das Schnäbelchen, und der ganze Körper zuckt bei jedem Ton, der aus der Kehle rollt, der Rleinjten Sängerkehle der Welt. JIebt iit das Liedchen zu Ende; zwei, drei Bücklinge, den Hals eingezogen, das Shwänzchen noch höher geitelzt, und dann hinab zwilchen die Wurzeln am Badrand, wo das Döglein verjchwindet, wie ein Mäusen im Tod). Aber jchon rollt es wieder von einer Brombeerranke herab. Kraftvoll, ohne jede Einleitung licher jeten die jchmetternden Laute ein, staccato, ein paarmal von einigen höheren Tönen unterbrochen, dann ein tiefer, kräftiger Roller, wieder die Schmettertour, wieder der Roller, und das Lied ilt zu Ende. Jebt jchnurrt das Dögelchen von jeinem Sit; ab, niedrig über dem Boden am Rande des Wajlers talauf. Schwerfällig ijt jein Slug; denn fo Rlein und leicht aud) der Knirps, die abgerundeten, gewölbt getragenen Slügel mit den zierlichen dunkeln Querbändern jind doch gar zu winzig, als daß er jih ihnen anvertrauen könnte für größere Strecken. Um die Ecke jchwirrt er noch ein paar Meter, wo der Fahrweg, tief eingegraben im lehmigen Boden, den Talgrund Rreuzt. Hier verjchwindet der Dogel in einem Tejt an der Lehmwand, mannshocdh über dem Wege. Hur nadjchauen will er, ob alles in Ordnung; denn gleich jchlüpft er wieder aus dem Sluglocdh des rundlihen Baus, treibt jid) im Rankengeltrüpp und zwilchen den Sarnen 494 IM, Behr. Cöthen, Mai 1908. Nejt des Saunkönigs. am Boden ein Weilhen umher, jhwenkt wieder ab, der Sonne ausweichend, ins Rühle Waldtal und jchmettert von neuem fein Lied aus einem Buld. Solcher Nejter hat er noch zwei, eins zwilchen Baumwurzeln, fajt ganz im Erdreich veriteckt und eins im Gras und Pflanzenwujt, dicht überjponnen von Ranken. licht Brutneiter find es, nicht Kinderjtuben, jondern Schlaf- neiter, wo das Männchen gewöhnlich die Nacht zubringt, jich auch manchmal verbirgt bei böjem Wetter; bejonders bei der Kälte der Winternadht leiltet jolh warmes Sleckchen vortrefflihe Dienite. Manchmal mögen die Menjchen auch recht haben, wenn jie jagen, es jei Spielerei; die Grasmücken machen’s ja ebenjo. JIit das Weibchen zuwider im zeitigen Srühjahr und will es nod) gar nicht recht dran, das Mejt zu bauen, vielleicht weil’s nichts hält vom Eierlegen und Kinderaufziehen, dann errichtet das anders denkende Männchen, unruhig, denn es Rann’s nicht erwarten, wohl mitunter ein ‚„‚Spielnejt“ aus Reijern und Moos, leicht gebaut und wenig beitändig. Aber das Neitchen hier in der jeichten Höhlung der Lehmwand ilt ein joliderer Bau, der jic eignet zur Sommer wie Winterrejidenz von Klein-Majejtät. Dünne Sichten- 495 reiler, ganz gleichmäßig übereinander gelegt, gleihmäßig gebogen, bilden die falt kugelförmige Wandung; zwilchen den einzelnen Reilern aber liegt je ein junger Wedel vom Sarn, dejlen Seitenblättchen gar zierli herum: gebogen jind um das benachbarte Sichtenzweiglein. So bekommt das Rünitlich gewobene Iejt feiten Halt, und das Gelbbraun der vertrockneten Sarne Itimmt mit dem lehmigen Untergrund jo völlig überein, daß der Bau fremden Auge Raum jidy) verrät. Harmonie mit der Umgebung, ein Haus, wie es paft in die Landichaft: das winzige Dögelchen verjteht es bejjer, als mancher Architekt bei den Mlenjchen. Aber das eigentliche Schloß, unter der Brücke erbaut an der Granitwand und gegründet auf mächtig vorjpringendem Quader, oben die jteinerne Wöl- bung, unten der Wajlergraben, uneinnehmbar ilt’s, ein Seljennejt, eine Burg, jo recht der Sib eines Fürjten. Und künjtlicy aufgeführt it es, ein mächtiger Bau, viel zu groß, wie’s jcheint, für das Pngmäengejchleht. Aber es währte aud; lange, eh’ alles vollendet, vierzehn Tage etwa. Da galt es, Dürres Laub zu holen für die Außenwand und die unterjte Schicht, aud) trockne Pflanzenitengel und feinere Halme. Aufgejuht it es ja jchnell, denn maljenhaft liegt es umher auf dem Boden des Waldes; aber |chwieriger it's für die Kleinen, mit dem widerjpenitigen Material aufzufliegen zur verborgenen Baulftatt. Da entfiel manches dem Schnabel, und der Badı trug es ladyend davon. Dann kam Moos an die Reihe, wie es überall wädjlit unten an den Stämmen der Bäume, wie es die Wurzeln überzieht, die am Boden id) jtrecken, ein Sülljel für die zartichaligen Eier, kein bejjeres gibt es — vielleicht hat’s der Glajer von dem Dogel gelernt, wenn er jeine 3er- bredjlihe Ware einpackt in trockenes Moos. Ganze Seben Löten jich ab von der Rinde, jobald man dran zerrte; mit Schnabel und Füßen wurde es dann zerrillen in Kleinere Stücke und einzeln zu Tejte getragen. Bier wurde das Nloos nod) weiter zerteilt und zu dicker, filzartiger Lage verflodhten, die den Innenraum des kugligen Baus bedeutend verengte. Aud) die Decke wölbten die Baumeilter aus jchwellendem Moos; nur der Eingang blieb frei, Schön abgezirkelt ein Lod) in der Wand, ziemlicy nahe an der flachen MWölbung des Dadyes. Nun noch Sedercdhen, das innerite Politer zu bilden; es ilt nicht leicht, jie zu finden. Aber wenn man alle Winkel durdhjtöbert, in den Dornen und Ranken herumkriedyt, bringt man dod) jchlielich eine ganze Menge zujammen. Sarte Dunen der Wildtaube und des Salans, Sedern der Singdrojjel, der Reit einer blutigen Mahlzeit, die der Sperber einit hielt, jchneeiger Slaum von des Waljeritars Kehle, der in einem hohlen Pfoiten brütet ganz nahe am NMühlrad, alles it hochwillkommen als Unterlage für die Eier, weich und wärmend zugleih. Gegen Ende April war das Meit fir und fertig, und bald nah Mitte Mai entichlüpften die 496 M, Behr. Trebbichauer Busch, Fımi 19006. Dejt des Saunkönigs. Jungen den Eiern nach dreizehntägigem Brüten von Dater und Mutter. Siemlicy lange blieben die Kleinen im Net; da galt es zu füttern, denn die Königskinder, jo klein jie auch waren, hatten gejegneten Appetit, fait mehr noh als die Jungen der Nachbarn, des Rotkehlhenpaars, das an der Böjchung des Weges brütete, unter Grasbüjcheln verjteckt, oder die Kinder der jchlanken Gebirgsbadjitelzen, die über dem oberjchlächtigen Waljerrad wohnen. Und je älter die Kinder, je größer die Sorgen und Mühen; die Saunkönige erfuhren es aud, als die acht Stummeljhwänzchen am Boden wie die Mäufe dahinhufchten. Was hatten die Eltern doch immer zu achten, daß keins jic) verlief, daß Rein Marder und Wiefel, keine Eliter, kein Häher eins von den unerfahrenen Kindern erwilchte; wie mußten fie zureden, bis endlich die Jungen begriffen, wozu Mutter Natur ihnen die Slügel gegeben, und dabei hatten die Alten doch jtets für die hungrigen Schnäbel zu jorgen, und den Gejang durfte der Dater audy nicht völlig vergeljen, er erleichtert Arbeit und Mühe. Aber nun ilt’s vorbei; die Prinzen und die Prinzegchen 497 flattern und hüpfen ihre eigenen Wege, und die Eltern jchreiten nochmals zur Brut, denn es ilt früh nod) im Jahre. Erit in einigen Tagen wandert die Sonne ihre weitelte Bahn mit dem Sternbild des Krebjes; das Weiden: röshen am Bad hat nur eben die unterjten purpurnen Blüten an den ihlanken Ähren geöffnet; die Trauben des Särberginjters droben am Hang laljen die goldene Pradt nody nicht ahnen, die jpäter fie Jchmückt, und die gelbe Teichroje drunten am Waljerbecen hinter der Mühle wiegt erjt eine einzige Blüte auf ihren herzförmigen Blättern. Bald jind die Eier gelegt; jecdys Stück diesmal nur, klein zwar, doch im Derhältnis zur Gnomengeltalt ihrer Eltern eigentlid) ziemlicdy groß — der Sitis, deilen weicher Schlag aus dem Sichtendickicht erjchallt, hat aud; die Eier nicht größer. Auffallend rundlich jind fie, in der Mitte recht baudjig, die weile Schale jo zart, daß der Dotter rötlicdy hindurchjcheint; dazu jind lie gejhmückt mit feinen Pünktchen von rotbrauner Sarbe, die bisweilen zeritreut jind über die ganze Släche, meilt aber einen lojen Kranz bilden in der Nähe des jtumpferen Pols. Nun kommt die Seit des Brütens, die Seit ruhigen Wartens. Am Tage wird das Weibchen eine oder zweimal auf mehrere Stunden abgelölt von dem Gemahl. Er Hhujchte nod) eben flink wie ein Miejel durch das Geitrüpp, Ichlüpfte zwilchen den Steinen hindurch, |chmetterte jein Liedchen herab von dem Baumjtumpf, von dem Holzitoß, da hört er jein Weibchen locken, ganz in der Nähe: „zrer, zrrr”, und jofort weiß er, was er zu tun hat. Er jchwirrt hinunter zum Bach nad) der Brücke, unter der er verjchwindet, rüttelt einen Moment vor dem Eingang zur Wohnung, und hujch üt er drinnen. Und nun fit er und träumt von all den Lecker- biljen, die er dem Weibchen hat übriggelajjen, von den Spinnen, den Kerb= tierlarven, den Duppen und Eiern — die Jind ihm immer das liebjte. Das Weibchen hat den gleichen Gejchymak; in allen Schlupfwinkeln jucht es nad) der winzigen Beute, im bebüjch und Geitrüpp, im Reilighaufen ıınd Holzitoß, im Mull hohler Stämme, zwilchen Baumwurzeln und im trocknen Laube am Boden. Aud ein fliegend Infekt wird manchmal im Sprung oder im Sluge gepackt, do nur ausnahmsweile; denn meilt verfehlt der Dogel jein Stel, und das flatternde Kerbtier entgeht dem Tode, bis es vielleicht die flinke Badjtelze wegjchnappt, jchnell und geichict. Die jungen Prinzen im Mejt find nieöliche Kerlchen. Swar in den erjten Tagen nody nicht, da jind fie nackt, wie die andern Jungvögel aud, die Köpfe jo dick, die Augen gejchwollen; aber jpäter, Rurz vor dem Ausflug und dann, wenn die Eltern jie führen und allen Derwandten fie zeigen, da ind die Kleinen pollierli, Kugelrund die Geitalt, denn das Schwänzchen iit nod) jo Rlein, die Slügel jo winzig, der Schnabel jo Rurz, und zwijchen den Schultern jteckt das Köpfchen, als fei ein Hals Raum vorhanden. Das 498 Mai 1908. bzig Die IT. Behr. 5) t des Saunkönigs. ej n Kinderkleiöchen ilt etwas bunter, als das der erwachlenen Dögel; die |hwärz- lihen Wellen treten deutlich hervor auf dem Schwanz und den Slügeln, und alle oberen Teile tragen auf dem rojtbraunen Grund weihlihe Schaft- fleken. Der Schnabel hat jih nur am Sirit dunkel gefärbt, jonjt ericheint er nod) gelblich, jo licht wie die Füße. Der Slug aus dem Met ijt gar nicht jo leicht; unten raujcht das Wajjer des Bädhleins, und der freie Pla auf dem Stein, der das Met trägt, it ihmal. So kam’s, daß der Kleine, der zuerit die Höhlung verlieh, elenden Tod fand. Er flatterte gleich hinab, um das jonnige Ufer vor der Brücke in kühnem Slug zu erreichen. Aber die Slügel trugen ihn nicht jo weit; er jtürzte ins Wajjer, das ihn davontrieb — gewiß hat ihn die Waljerratte gefrejjen, die bei der Mühle hauit in unterirdiiher Wohnung. Wie die Alten jchrien und zeterten, als jie das Unglück jehen mußten mit eigenen Augen! Sie flogen ein Stück am Bacdhe entlang, von einem Ufer zum andern, und konnten nicht helfen. Doll Angit, dak den übrigen Kindern das gleiche Unheil begegne, jchnurrten jie wieder zurück und lockten und warnten: „zerrrr zerrrr!" Doc alle Ramen wohlbehalten unter der Brücke hervor; erjt auf den Steinfims, der das Mejt trug, dann ganz vor, wo die Sonne lie wärmte und lockte: Kommt zu mir aus dem Dunkel ans Licht! Dann \hwirrten jie abwärts, eins nad dem andern, in das Pflanzengewirr am Rande des Bades. Der erite Schritt in die Welt war getan: nun forget weiter für uns, Dater und Mutter, wir jind hier jo fremd und uns hungert! Der Herbit it gekommen, jchon fällt das Laub welk von den Bäumen und bedeckt den Boden mit braunrotem Gold. Die Kinder des Saunkönig- pärcens wiljen jchon längit nichts mehr von den Eltern, und dieje nichts von den Kindern; man begegnet jicy wohl, und man grüßt jicy mit tiefem Büdkling und flüchtigem Locruf, aber es ilt alles vergejlen: die Sorge und Mühe, die Dankbarkeit auch, jelbjt das Nejtchen, das nur gelegentlid) nod) Bejud;) erhält, wie jeder andere Plat im Revier. Don Tag zu Tag werden die Ausflüge weiter — es ilt kein Mittelpunkt mehr, auf den der Sinn der Döglein jich richtet. Jet find fie oft bei der Mühle ; zwijchen den Stäben des verwachjenen Sauns jchlüpfen jie emjig hindurch, hin und zurück. Selbit das Knarrende Rad fürchten jie nicht; in allen Winkeln des zitternden Holzwerks, auf dem es ruht, jind jie zu Haufe. Den Holzitoß in der Ecke des Hofs bejuchen jie fleihig ; dort gibt es Spinnen, jo oft man auch kommt, und an dem alten Wirtjchaftsgebäude kennen jie jedes Lody) in der Stein- wand, jeden Winkel unter den Balken am Dad), auch das Neit in der Mauer: jpalte, wo ein anderes Pärchen den vergangenen Sommer jeine Kleinen aufzog. Sie fürchten jich nicht vor der Kate, die über den Hof Ichleicht und mit jchielendem Blick nad) ihnen jchaut; denn jchneller find fie als Mäufe, und die Gefahr bemerken jie jchon von weitem. ® wie jie zetern „‚zeckzeck- Dögel I. 35 501 3eck ...", jo bös und jo zornig, drei, vier jolher Gnomen auf einmal. Du erreichlt nichts, Mleilter Hinz, und wirjt nur verjpottet durdy die Rnickjenden Swerge, krieh durd) das Loch in den dunkeln Schuppen und wart’ auf ein Maäuslein! Don der Mühle geht’s weiter, immer am daun entlang, der die Wiefje begrenzt mit den Obitbäumen. Da ilt man im Dorf: Garten an Garten, durd) lebende Hecken getrennt und tote Säune. Eine Lult, in alle Winkel zu jchlüpfen, in die Löcher zu jchauen an den Stämmen der Bäume, an den Mauern und Wänden, auch mal das Stroh zu durdjitöbern auf den fait zum Boden reichenden Dächern. Strichweile hin und her, das gilt im Spätherbit als Lojung bei den meilten der Saunkönige, die aus dem engen Gebirgstale itammen. Doch geht es niemals jehr weit; denn der Slug fördert wenig, eine Schlangenlinie, aus |hwachen, kurzen Bogen bejtehend, jobald die Kleinen über größere Slächen dahinjchnurren. Andere, die ihr Heim in den Dörfern aufgeichlagen haben, in den Strohdächern alter Gebäude, in Mauerjpalten, in den Dornen der Säune oder aud) bei der Stadt in den Anlagen, in alten Befeltigungswerken, efeuumwadjen, im Gemäuer von Türmen, im beitrüpp der Wallgräben, kennen den Wandertrieb nicht, der im Herbit jo viele Dögel ergreift; das ganze Jahr bleiben jie in ihrem kleinen Gebiet. Andere Herricher wieder, deren Reich weit im Norden gelegen, begnügen jich nicht damit, auf kurzen Ausflügen hierhin und dorthin zu Itreichen; jie begeben lich richtig auf Reifen und ziehen in mildere Länder. Bejonders gern wandern lie nachts, doh audh am Tage. Nur Rein Unglük am Leuchtturm, wie es oft palliert an den rujliichen, dänischen, deutichen Külten ! Das Derbreitungsgebiet des kleinen Saunkönigs ilt außerordentlid) groß; man jieht es dem Knirps mit den winzigen Schwingen nicht an, wie weit er jeine Herrichaft ausdehnt über die Erde. In Deutjichland gibt es kaum eine Landjchaft, wo er beitändig fehlt; Ebene oder Gebirge, es ilt ihm gleich. Weit nad) Norden geht er hinauf, nad) Schweden und Rußland, fait bis zum arktilchen Kreis; in England und Schottland it er zu Haufe, in allen Gebieten, die an das Mittelmeer grenzen, in Nordafrika, in Kleinajien, in Dalältina, auf den Jüdeuropäilchen Halbinjeln. Ja, wenn man alle Unter- arten, die doch nichts weiter jind, als klimatijche oder örtliche Darietäten, binzurechnet — die Größenverhältnijje und die Färbung zeigen in jehr ge= ringem Grade einige Abweichungen —, jo ilt das Derbreitungsgebiet noch viel größer. Turkejtan, das Himalajagebiet, die Gebirge Wejtchinas, Japan, die Aleuten, und jenjeits des Großen Ozeans die Neue Welt, weitlich und öltli} vom Seljengebirge, dann über Island und die Saröer wieder zurück nach Europa: überall it er zu Haufe. Auf kleinem Revier jind ihm all die taujend Schlupfwinkel und Löcher bekannt, und auf der nördlichen Halb- Rugel hundert Länder und Ländchen. 02 Steenhutzen. Amsterdam, Mai 1900. Saunkönig. Merkwürdiger Nijtplaß. Nun ilt der Winter gekommen; dick liegt der Schnee auf Wieje und Seld, auf den Dächern im Dorf, und jeder Pfahl trägt jein Käppcyen. Gold- ammern, Sperlinge, Haubenlerhen, auch einige Sinken jtellen ji ein in Höfen und Gajjen; die Meijen turnen an den Objtbäumen im Garten, rauh ihreien hungrige Krähen und Eljtern. Hart ijt die Seit und karg bemejjen die Nahrung, und mander Dogel jitt betrübt im Öejträuch mit aufge- plujterten Sedern: ah Srühling, kämjt du doch bald! Nur einer ilt Tuftig und munter, von den Kleinen der Kleinite, was kümmert ihn Schnee, was 33* 905 kümmert ihn Kälte und Eis! Behend jchlüpft Klein-Mlajejtät durchs bejchneite Geiträuch, durch jeden Haufen von Brennholz und Reijig. Eritarrte Sliegen und Spinnen, Injekteneier und Puppen, man glaubt nicht, was jich alles verbirgt in den dunkeln Winkeln, wenn man’s zu juchen verjteht und Klein und flink genug üt, durch jede Spalte zu Rriechen. Allezeit Reck und vergnügt ! Nur ein einziges Mal, da ward es dem Döglein doch angit. Laut heulte der Sturm, und er fegte den Schnee aus allen Ecken zujammen und blies ihn wieder tief in den veritecktejten Winkel. Man konnte die Augen kaum offen behalten im jchreclichen Schneegejtöber, und es währte den ganzen Tag jchon. Da jchnurrte der geängitete Kleine durdy eine Mauer: öffnung über der Tür hinein in die Hausflur und von dort in die warme Stube des Bauern. Der Rannte ihn draußen vom Hof her und wehrte dem Hund und der Kaße. In dem Reijig und Holz neben dem Ofen verkrod; ji der GBnom, nur jelten Ram er zum Dorjchein. Doch da nahm der Bauer vom Sims die Schachtel herab mit den Ameijenpuppen und den Mehlwurm- topf und jtreute dem Galt von dem Sutter, das beitimmt war für die Stuben- genojjen, Rotkehlchen und Plattmönd. Dankbar nahm er es auf. Das währt’ ein paar Tage, dann war das Döglein verjchwunden, durd) die Tür, durch ein geöffnetes Senjter ? Niemand konnte es jagen. Es jchlüpfte draußen wieder im Hof durch alle Ecken und Winkel, und die Sonne jtrahlte hell auf den gliernden Schnee und warm auf das braune Kleidchen des geflügelten Swergs; es war ihm jo wohlig. Das kurze Schwänzchen in die Höhe geitelzt, die Bruit gewölbt, jo ja er am Holzitoß, und perlend rollten heitere Töne aus der winzigen Kehle, und ein hübicher Triller zum Schluß. Und der Burjche des Bauern, der über den Hof ging, blieb jtehen und laujchte; dann lief er hinein zum Alten und rief: „Komm, Dater, und höre; bald ijt’s vorbei mit dem Winter, der Saunjchnurz jingt jchon fein Liedchen !” Die Haubenmeije. Don Elje Soffel. Über den Bergrücken zieht fich der Nadelwald. MTenjchenhand ift nicht viel dran gekommen, denn es ilt fellig zerklüftetes Land und die Stämme jind jchwer zu Tal zu jchaffen. So wartet man, bis die Seit jelbit den einen oder andern der alten Recen fällt. Wettergetroffen, Iebensjatt liegen jie oben auf den Halden. Ehe aber das Leben in dem Geitürzten völlig eritorben, ind die Dögel und der Wind dagewejen und haben, jedes auf feine Art, Sorge getragen, daß der Tote in Kind und Kindeskindern weiterlebt. Es itehen dort oben noch mande jolcher alten Riejen mit hängenden Bärten und von rätjelhaftem Anjehen. Das Leben hat ihnen die Glieder jeltiam gejtußt und man bejinnt jih auf ihre Gejchichte bei ihrem Anblick. Aber man wagt nicht zu fragen, weil es jo ehrfürdhtig jtill im Walde iült. Nur oben, wo er und das Dunkel ein Ende haben und der reine blaue Himmel jichtbar wird, jpielen die Sonnenitrahlen luitig wie Kinder und liebkojen die finiteren Herren des Berges. Und dieje leiden es, wie jie die Dögel in ihren Sweigen leiden und das muntere Eichkäfchen. Auf grünem Plaß jteht hier eine Sichte, einzeln wie ein König. Alle andern jind zurückgeblieben wie in ehrfurdhtsvoller Entfernung. Ihr Wuchs ijt jtol3 und herrlich, ihr Gewand jo jchwer, daß jie es Raum zu tragen vermag. Wie eine Schleppe, jo jchleifen die gewaltigen grünen Äjte am Boden. Eine Schar Wacholder wollte in ihrem Schatten erwacjlen, aber er ilt Rrüppelig und Rlein geblieben, es Rann nichts neben ihr aufkommen. Nur der eben bürtige Adler ruht hin und wieder auf jeinem Slug in ihrer Krone, um auszujchauen, und den Dögelchen, den lieblihen Schöpfungsgedanken mit ihren bejchwingten Liedchen, wehrt jie’s nicht, Schuß zu juchen im dunkeln Beälte. Der Meijenkönig kennt den Baum jchon lange. Den ganzen Sommer treibt jih ein Pärchen drin herum. Es verliert ji) in dem weitläufigen bezweige wie in einem großen Haus. „Sit, jit,“ lockt es aus dem Baum und die Sweigjpie jchaukelt. Man jieht aber nichts und wenn nicht hin und wieder eines von den beiden zur Mahlzeit herunterkäme auf den Boden, jo könnte man glauben, die Tannengeilterchen jind es, die durch das Dunkel 905 RK. Soffel. Unterschondorf, März 1908. haubenmeije. hufchen und wilpern. Ja, wer fie nicht kennt, die kleinen Gejchöpfe, entdeckt lie vielleicht nicht einmal dann, denn das holzbraune Kleidchen fteht nicht fremd zu Stamm und Boden und das jchwarze, weil; gejpigte Häubchen mag eine Slechte fein. Dazu jchatten die jchweren, fhwarzgrünen Äjte und über den jchüßenden Dämmer gehn fie nicht gern hinaus. Dem Pärden ilt die Fichte Afyl. Swar das Neft jtand weiter unten im dichten Gehölz. Als der Eichkater ausgezogen war, zogen die Meijen ein. Aber täglich bis in den Herbjt hinein Ram das Pärchen herauf. Bier oben hat es nichts zu fürchten. Es ijt womöglich nod} Itiller als drunten. Weihe und Adler ziehen im Blauen ihre Kreije, ein Stein, der jic) gelölt hat, kommt mit Gepolter in die Tiefe oder ein Schuß kradt. Das alles kümmert den Dogel nicht. Nur wenn der Sperber oder Habicht in der Mähe, meldet’s der König jeinem Weibchen mit ängjtlihem „tä, tä“. Mad) einer kleinen Weile treiben fie ihr Wejen wie vorher in den dunkeln Sweigen, am Stamm hinauf, zwijchen den Riefen der Borke, an den Sweigipißen hängend, um zwilchen den Nadeln zu juchen, wo die Larven des böjen Srojtjchmetterlings 506 1908 Warz Sofel, K. Haubenmeije, am Boden Sutter juchend. K. Spengler. Rothehütte, Funi 1908. Junge Haubenmeijen im Nejt in einem Baumjtumpf. BE I er Ta K. Spengler. Rothehütte, Funi 1908. Junge Haubenmeijen im Nejt in einem Baumjtumpf. haufen. „Sit, fit, — zikürr,“ — man hört fie wohl, aber gewahrt jie Raum. Es jind rechte, echte Tannengeilterchen. — Im Winter, wenn der Hochwald jchnee- und eisgepanzert jtarrt, ilt es jogar dem fcheuen Meijenkönig zu einfam geworden hier oben. Die hart: gewöhnte Alpendohle ijt in die wärmeren Täler heruntergekommen, das hungerzahme Wild fucht die Nähe der Menjchen. Und der Meijenkönig ftreift mit feinesgleichen den niedriger gelegenen Bejtand ab. Su jeinesgleichen zählt er im Winter allerhand: den Kleiber im knappen blauen Gewand, das pubige Tannenmeischen und das Goldhähnden. Denen jchlieit er jich an. Mit Ieilem Geläute geht dann der Sug durch den winterjtillen Wald und nicht felten ijt der Meifenkönig Anführer. Die Nahrung ilt jest Rnapp geworden und trocene Koft zu Ehren gekommen. Tannen und Kiefern- jamen werden, am Sapfen hängend, zwilchen den Schuppen hervorgeholt, ein überwintertes Räupchen, Larven oder Eier ind Seittagskojt. Dod aud diefe Seit geht vorüber. Schon kommt der Schnee in klingenden Tropfen von den oberiten Sweigen der Bäume herunter und der Bucfink probiert jeinen Schlag. Nun muß fich alles, alles wenden. Im Bergwald jtürzt der Giehbadh in Rühnen Sprüngen über ausgewajchenes ÖGeitein und führt den gejchmolzenen Sll Schnee zu Tal. Die Lärchen bekleiden jich mit zartgrünem Gefieder und die Troddelblume in gefranitem, violettem Röckkhen hat ji durchgearbeitet. Unjer Dögelchen it wieder allein. Und noch ein paar Tage, jo hat’s ih ein Weibchen erjungen. Sein Liedchen madıt nicht viel aus ji, denn es ilt leile und Rlirrend, die Kunjt liegt nicht in der Samilie. Aber jeine kleine Königin verjteht ihn doch, wenn er ihr feine jühelten Locktöne zur Strophe verwoben vorträgt, und weiß, was er jagen will, wenn er unter allerhand drolligen Tänzen die jchöne Holle auf- und niederlegt. Su diejer Seit hat der Meijenkönig mit feinem Weibchen wieder den \hweigjamen Hochwald aufgeluht. Auf den Halden, über die das Wild zur Äfung zieht, liegt manches Slöckhen Wolle aus dem abgelegten Winter- pel3 und jonjt gibt es allerlei, um das Nejt warm auszupolitern. Es ilt das alte vom Dorjahre, was der Eichkater leer gelajien hatte, und neun Eier liegen darin. Bald gibt’s vermehrte Arbeit, denn die Jungen haben die weißen, roltrot punktierten Schalen gejprengt. Dorderhand neun häßliche, nackte kleine Dinger, die ihren Eltern Reinen Augenblick Ruhe laljen und im Neit einander jtoßen und drängen, weil jedes das erite bei der SKütterung jein will. Aber nad) ein paar Wochen jind jie den Eltern jchon ähnlicher. AI die Larven, Räupchen und Puppen haben das Ihre getan. Mur die Holle it noch kleiner als bei den Alten und von dem jchwarzen Balsihmuck ilt noch nichts zu jehen. Laut und lärmend verlangt die Kleine Gejellichaft immer noch nach Sutter, eines jteckt das andere an. Und wenn die alte Sichte droben in ihrer Höhe jicy über irgend etwas wundern könnte, jo wär’ es jicher das, wie die Alten mit den neun ungebärdigen Jungen fertig werden, denn das Gejchrei dringt bis zu ihr herauf. Aber die Fichte ilt wieder ein Jahr älter geworden und ihr Wipfel taucht nod) jtiller ins Himmelsblau. — Das Mleijenpärchen hat aud) nicht viel Seit gehabt, nad) jeinem Lieblingspläßchen zu jehen. Die Elternpflichten liefen nicht viel Raum für Kurzweil. Nur unterwegs auf der Nahrungsjuhe kamen jie hin und wieder auf einen Augenblick bei der Fichte zu Rajt. Aber nur auf einen Augenblik. Erit wenn die zweite Brut mit nochmal jehs Jungen aufgezogen und flügge ilt, gehören die Alten einander für den Reit des Sommers. Dann kommen Jie aud) täglid) zur Sichte herauf. „Sit, fit, zikürr“ lockt es aus dem Baum und die Sweigjpige jchaukelt. Man hört \ie wohl, aber gewahrt jie Raum. Es jind echte, rechte Tannengeilterchen. 512 K. Spengler. Rothehütte, März I9o8. Haubenmeije. = Kin j) r K 7 Der braunkehlige Wiejenihhmäter. Don Martin Braeß. Ein Trupp kleiner Mädchen jpielt Ringelreigen auf blühender Au. Andere pflücken Blumen, weißitrahlige Margariten und blaue Glocken, butter- farbenen Hahnenfuß, die gelben Köpfe vom Bocksbart, weißliche Dolden vom Geikfuß, purpurne Knabenkrautblüten und wie jie alle heißen, die lieblichen Kinder der Wieje. Su Kränzen und farbenfreudigen Sträußen werden jie von den flinken Händen vereinigt. Da, ein Ausruf des Rleinen, blondzopfigen Mädels: „Kommt, kommt herbei, ein Mejtchen mit grünen Eiern, jo niedlich wie die Suckereier, die zu Ditern der Haje in unjern Garten veriteckte !” Und fie jpringen herzu, das Kleine Wunder zu jchauen. Dorjichtig biegen die Kinder das hohe Gras auseinander, die Simjen und Binjen und Seggen: jehs Eier von blaugrüner Sarbe, wie fie paßt zu der ganzen Umgebung. Sie liegen eng beieinander in lockerm Gewebe von dürren Würzelchen und trocknen Stengeln, von Halmen und Blättchen, etwas Moos dazwilchen, und das Innere ausgekleidet mit Haaren von Rindern und Pferden, auch ein paar Slöckckhen dabei von dem Wollgras, wie es in Menge wählt an dem jumpfigen Ufer des Slufjes, der die Niederung langjam durcdhfließt. Hichts in der Umgebung, wie’s jcheint, das die Erbauer des Heites verlockt haben könnte, gerade hier jich niederzulaljen, Rein beiträudy, kein niedriger Erdwall, nur eine jeichte Dertiefung im weichen Boden, wie jie vorzeiten vielleicht der Sub eines Pferdes oder Rindes getreten. Das Gras wuds üppig und Ichlof Jidy body über dem winzigen Mejtchen, ein Schuß gegen Sonne und Regen; aud dem jcharfen Auge des Raubvogels und der eierlülternen Krähe blieb es verborgen, und nur dur Sufall gelang der Kleinen die jeltne Entdeckung, als jie den doldengekrönten Stengel des Gierih ganz unten abreifen wollte am Boden, um den andern Kindern zu zeigen, dab er größer lei, als jie alle. Wen das Hejtchen gehört, danach) forichten die Kleinen nicht weiter, lonit hätten jie das Dogelpärchen jehen müljen, das unruhig umberflog von einem hohen Doldengewächs zum andern, von dem Diltelkopf hinüber nad) den Salweiden und Erlen, die den toten Slukarm begleiten, und wieder quer über die Wieje nach dem Dornengeitrüpp, das den Buch am Fuße des 515 K. Soffel. Rovereto, August 1908. Braunkehliger Wiejenjhmäßer, Männden. Talhangs umjäumt. Sie hätten auch den Ruf der geängiteten Tiere ver: nehmen müjjen: „‚tjaudec, tjaudeckdeckdeck”. Doc) die Kinder jtürmten zurück zu den Mähern, die mit wuchtigem Hieb begonnen hatten, das Gras in langen Schwaden zu Boden zu jtrecken und all die buntfarbige Pradjt. Sie riefen die Kunde vom Dogelnejtchen ihnen entgegen, doch fanden fie kein Derjtändnis bei den Männern der Arbeit. Und als jie zurückhüpften, von neuem die Eierchen zu betrachten und jie mitzunehmen als niedliches Spielzeug, da konnten jie die Stelle nicht finden. Das hohe Gras hatte fich wieder empor= gehoben und verbarg die Eier den Blicken. Und fie juchten nicht Tange — man weiß ja, wie Kinder jind? — und jpielten von neuem jingend den Ringeltang. Nadı) einer Weile hatten jich die geängiteten Dogeleltern beruhigt. Das Weibchen war zum Tejte gejhlüpft durch eine Art Eingang zwijchen dem Gras unten am Boden, hatte jich bald überzeugt, daß nichts weiter gejchehen war, hatte ein Hälmchen georönet am jchüßenden Dadı, ein paar Haare im Nejt, und jid) dann niedergelajjen mit etwas gelüfteten Slügeln, um von 516 am leit. -_ — on cs :O = = =) ejen] Wi I; Soffel. Rovereto, August 1908. Braunkehliger Wiejenjhmäßer, Männden. neuem die Eier brütend zu wärmen, während der Bemahl die unterbrochene Jagd nad) Injekten bald wieder aufnahm. Was ilt es doch für ein properes Döglein, das Braunkehldhen, wie man es nennt wegen der Roitfarbe, die Kehle und ©berbrujt einnimmt und jich janft in den Seiten verliert; die |chwarze Seichnung auf Wangen und Obhrgegend, der lichte Streifen über dem Auge und der weihleuchtende Sleck auf den Schultern, das hebt jich alles jo jauber ab von der dunkeln ©berjeite und den Jchwarzbraunen Schwingen; aud) die weiße Schwanzwurzel des jonit tiefjhwarzen Steuers gibt ein charakteriltiiches Merkmal des Dogels, wenn er in niedrigem SIug, Ihwace Bogen bejchreibend, jchnell über die Wieje dahinitreicht. Aber auch jeine Haltung ilt nett, wie er jo unternehmend Pojto gefaßt hat auf dem purpurnen Kopf der Diltel; zum Adelsgejchlecht der Schmäßer gehört er, man Jieht es an jeder Bewegung, hajtig und jchnell wie der Blit, aber doch elegant dabei, jo vornehm und graziös — das lernt Reiner durd) lei und durch Übung, das ilt angeboren, das liegt im edeln Geblüt. Dorwärts und rückwärts wiegt, nein jchnellt der Wiejenichmäßer den wagreht gehaltenen Dögel I. 34 517 Körper auf den jchlanken Läufen, deren Sehen den Diltelkopf fejt um: Rlammern, dazu jchlägt er den etwas ausgebreiteten Schwanz temperament- voll auf und nieder. Jebt jummt ein Injekt, eine Sliege oder Bremje, einige Meter über jeinem Standplat dahin; jofort jchnellt ji das Döglein empor, haltig jchlagen die Schwingen. Die Kleine Beute ilt jchon gefaßt, und mit kühner Schwenkung, fajt als ob er jich überjchlüge, jtürzt der gewandte Jäger wieder herab auf jein Plätchen, nach neuem Sange ausjpähend. od) ein paarmal dasjelbe Manöver, dann geht es in zuckendem Slug nad) dem Abzugsgraben, der die MWieje durchichneidet, wo ein Pfahl einladet zum Siten. Aber einen Moment nur, dann ilt der Dogel am Boden und hüpft in jchnellen Sprüngen, hochbeinig, den Körper ziemlich aufrecht getragen, den Slußpfad entlang, jedes Käferhen aufnehmend, das im niedrigen Gras jeinen Gejhhäften nachgeht, aud) Ameijen pickend und kleine Heupferde |chnell mit dem Schnabel ergreifend. Ab und zu hüpft er aud flatternd ein wenig vom Boden empor, rüttelt vor der Spite des Grashalms, vor der Blüte eines Doldengewächles und nimmt mit jicherem Griff ein Käferchen, eine Sliege oder einen Kleinjchmetterling, ein Räupchen, eine Larve, um dann lofort mit elegantem Sprung wieder am Boden zu fein. Aber die erhöhten Dlätchen liebt er doc) mehr, niedrige Büjche, die hier und da die Einförmig: Reit der weiten Slußau angenehm unterbrechen, die Kopfweiden am Graben: rand, das Erlengeiträudy) am Waljer, die Spiten höherer Stauden, die aus dem gleichmäßigen Graswuchs hervorjchauen, Erd= oder Steinhaufen, Stöcke und Dfähle oder die Ackerwalze am Wege, die noch vom Srühjahr her liegen geblieben. Don jolchen Pläßen aus läßt Braunkehlchen gern jeinen Gejang hören. Srühgeitig ilt es jchon munter am Mlaimorgen; mit den Lerchen erwacht es, und abends hat ji die Dämmerung der Nacht jchon längit gejenkt über die Slur, weile Nebel brauen im Mondlicht auf dem Wajjer und der jumpfigen Wieje, und noch immer tönt das angenehme Liedchen des fleifigen Sängers durdy die jchlafende Au. Hübjche, flötende Töne jind es zumeilt, die jich zu kurzen Strophen vereinen, auch Rlirrende und zijchende Laute dazwilchen, wie jie dem Hausrötel eigen, und rauhes bezwiticher, wie es die Dorngrasmücke übt, die im Bujh wohnt am Rande der Wieje. Überhaupt Icheint der braunkehlige Wiejenjchmäßer jehr gern anderer Dögel Stimmen nachzuahmen, das komilche Quodlibet der Rohrjängerarten, den flötenden Ruf des Pirols, das Locken der weißen Badjitelze, das jingende Plaudern der Gartengrasmücke, das Lied des Stieglit, das charakteriltiihe „MWürz- gebier“ des Buchfinken u. m. a., alles Dögel, die bejtändig in jeiner näcdhiten Nachbarichaft wohnen. Ja, manche Liebhaber bezeichnen das Braunkehlchen als den beiten Dogelitimmenimitator, der jelbjt dem rotrückigen Würger den 518 whpgunm aasvwmpluslsım a9dı]Jyoyunvag "S06I ISNONG Or342R0yY allos "sy Rang jtreitig made. Bejonders in der Gefangenjchaft, wenn das Ungeltüm des freiheitliebenden Dogels jich gelegt hat, Rommt dies Talent des Sängers bisweilen in jtaunenerregender Weile zur Geltung. Schöner aber ijt es, der biegjamen, vielgejtaltigen Stimme in lauer, monöheller NMlaiennaht zu laufen; wirklich zarte, innige Lieder, die jo mancher Meilterfänger dann vorträgt, mögen es nun eigene Strophen jein oder andern Gejängen ent- lehnte. Welche Abwecjlung: gezogene Töne und kurz angejchlagene Noten, mehrere hohe Dfiffe, dann zartes Slöten, ein paar zijchende Laute dazwilchen, weiche Locrufe und janftes Geplauder. Aber foldy hervorragende Sänger ind Ausnahmen; die meilten Braunkehlchen fingen nur kurz abgebrocene Lieöchen, in denen zwitjchernde, jchnalzende und krächzende Töne vorherrichen. Nur zwei Monate lang kann man jich erfreuen an dem abwecdjlungs- reichen Gejang;; denn gewöhnlich treffen unjre Wiejenbewohner erjt Mitte oder Ende April an ihrem Brutort ein — die Männchen meilt einige Tage früher als die Weibchen — und nad) Johanni (24. Juni) hört man nur noch jelten ihr Lied. In Gegenden, wo die Braunkehlchen häufig, bejonders in manchen fruchtbaren Slußniederungen, wo die Wiejen von Wallergräben und Bächen durdjichnitten werden, deren Ränder mit Bujchwerk beitanden \ind, auch mit höheren Baumgruppen, oder in weiten, grasreichen Tälern der Mittelgebirge, oder noch höher an Bergwiejen, die an ein oder zwei Seiten vom Wald umjäumt find, an jolchen bevorzugten Orten kann man bisweilen in der Morgen: und Abenddämmerung wahren Wettgejängen mehrerer Männchen laujchen. Jedes Dogelpaar beanjprucht für fich allein ein ziemlich großes Revier, in dem es nur ausnahmsweije einem zweiten Pärchen Quartier gönnt. Dod) jind die Braunkehlchen troß aller Lebhaftigkeit, troß ihres feurigen Temperaments nicht jo zänkijc) und unverträglich unter- einander, wie 3. B. ihre Dettern, die grauen Steinshmäßer, ja mit ihrem nädjiten Derwandten, dem jchwarzkehligen Wiejenjchmäßer, der allerdings im mittleren Deutjchland ziemlich felten it, brüten fie bisweilen auf dem: jelben Wiefenjtük. Audy wenn die Gattin auf den Eiern jißt, jingt das Männcen jehr fleißig, immer in der Nähe des Brutplaßes, als wollte es der treuen Lebensgefährtin das langweilige Gejchäft wenigitens etwas ver- jüßen ; denn jelbjt ji) daran zu beteiligen, dazu verjteht jich das Männchen nicht. Nach dreizehn Tagen etwa — möglicherweile jchon etwas früher — piepen die Kleinen im Met, und nun ilt es aus mit dem jorglojen Singen vom Morgen bis Abend; denn die Schnäbelchen wollen gefüttert jein mit kleinen Injekten und Larven. Wenn fie nur etwas flattern können, nad) zwei Wochen etwa, verlajjen die Mejtjungen den verborgenen Winkel, wo Elternliebe jie großzog, meilt nod) rechtzeitig, ehe der Schnitter kommt, das Gras im Talgrund zu hauen. Unjerm Pärchen, deilen Eier glücklicherweije von der Jugend des Dorfs verjchont worden waren, ging es jchlimmer. Schon von Anfang an hatten jih die Dögel verjpätet um einige Wochen. Waren jie vertrieben worden aus dem Revier durch den Nachbar, waren es junge Leute, die jich nod) nicht recht veritanden auf Nejtbau und alles andre, was damit in Derbindung, hatten fie jich nicht gleich entichliegen können bei der Wahl eines Brutplaßes, hatte es ehelichen Swilt gegeben — wer will es jagen? Kurz, als das Weibchen endlicy das volle Gelege, das halbe Dutend Eier, im lHejte zu: jammengebradt, war der Wonnemonat jchon veritrichen. Gegen Mitte des Juni wurden die Kinder geboren; nun waren jie eine Woche erjt alt, und da jahen die Eltern mit Schrecken, wie von Stunde zu Stunde die Schnitter näher kamen mit den blitenden Senjen. War das ein ängitliches Slattern vom Gebüjch nach dem Graben, von dem Pfahl nach der Diltel, von der Spite des einjamen Straucdhys nach dem Erdhügelchen am Rande der Wieje ! Die Gefahr Ram näher, jchrittweije nur, aber jicher. Die geängjteten Dögel konnten den piependen Kleinen jchon nicht mehr die Afung bringen, fie hätten das Mejt jonit verraten. Ja, je mehr die Männer ich dem gefährdeten Ort näherten, um jo mehr zogen jich die Alten zurück, um die Leute nicht auf: merkjam zu machen dur) ihr ängitlihes Slattern und Rufen. Enölidy am Abend atmeten Dater und Mutter froh auf. Wenige Schritte vor’'m Keit hatten die Männer Halt gemadtt, ihre Senjen über die Schulter genommen und waren heimgegangen. Jebt galt es, jchnell nod) Sutter zu holen für die Jungen im eit, die jo lange nichts bekommen. Bald hatte jedes jein Teil, und ehe die Nacht einbrady, ja der Dater auf einem jeiner Lieblingspläßchen und jang, froh, dal dem MHejt nichts gejchehen, zwitichernd und pfeifend jeine Strophen hinaus in den duftenden Abend. Sterbend hörten’s die Gräjer, die wel: kenden Blumen — freue dich nicht zu jehr; der Tod, der heute deine Lieben verjchont hat, morgen bereits wird er jie fordern von dir! Hab war die Wieje vom nächtlichen Tau, da kamen jie wieder, die grau= Jamen Männer und bradten den Tod Millionen Gräjern und taujend Blumen, während mit jtrahlendem Glanz die Sonne aufging und die Nebel zeritreute, während die Lerchen mit Jubelgejang den Himmel erfüllten und aus dem Bujd) jo froh der Drojjel jauchzendes Lied jchallte. Iett ijt alles verloren; übers Nejt fährt die Senje dahin, die Gräjer fallen zujammen, die Staude des Gierjch jenkt langjam ihr Haupt, die rotköpfige Dijtel, Braunkehlchens Sieblingswarte, mit einem Schlag liegt jie jterbend am Boden; der Schnitter Tod hält furdhtbare Ernte. So Rläglich jchreien die beiden Wiejenjchmäter, das Schickjal der zarten Kinder beklagend, jo ängitlidy flattern die Eltern umher ; dody was hilft ihnen ihr „teck, teck, teck“, ihr Schwanzwippen, ihr Slügeljhlagen und ihr Rrampfhaftes Sucken des Körpers! Langjam ent- fernen jich endlich die Männer. Da nahen nod) einmal die Eltern dem Orte, 522 N u > \ N SS Middlessex, Juni 1900. Wiejenjhmäßer: Sutterbringendes Männden. der ihr Glück war Wochen hindurch. Alles niedergemäht rings ums Nejtchen, alles vernichtet ! Doh hordh, Teil’ piepende Stimmen! Sind fie wirklicdy dem jihern Tode entronnen, die jchußlojen Kleinen? Hurtig lajjen die Alten jicy nieder, hüpfen in langen Säßen durch das gemähte Gras; jet find fie am Brutplat —- lauter piepen die Kleinen — jebt fallen die Dögel in Halt Halme und Gräjer und werfen jie jeitwärts. Richtig, da find jie noch alle im lejt, die jechs hilflojen Jungen, nicht eins ijt getötet; die Dertiefung im Boden hat jie alle gerettet; über den Köpfchen jtrich die Senje vorbei, nur an einer Seite vom lejt einen kleinen Teil des Randes mit der Spibe erfaljend. Aber nah ilt das zarte Dunengefieder von dem taufeuchten Graje, und es frieren die Körperchen in der Kühle des Morgens. Die Alte weiß, was zu tun it; jie nimmt ihre Kinder unter die wärmenden Slügel, ordnet mit dem Schnabel die Würzelchen und die Halme, jo gut jie’s vermag, zieht hier die Gräjer etwas näher heran, entfernt jie an anderer Stelle, und das Männchen, nachdem es jich überzeugt, daß dem Iejt nichts gejchehen ilt und 925 nur die Umgebung ein anderes Ausjehen gewonnen, entfernt jich eiligen Slugs, um den verjpäteten Morgenimbik jo jchnell als möglich den Kleinen zu bringen. Bald haben jid) die Dögel an die neue Lage der Dinge gewöhnt; jie hajchen wie fonjt vom Bujc) aus im Slug nad) [ummenden Kerfen, hüpfen wohl auch im welkenden Gras und hujchen verjtohlen zum Tejt, die Jungen zu füttern. Da naht neue Gefahr am zweiten Tag gegen Abend. Srauen und Mädchen Rommen mit Rechen, das Heu zu wenden, welches Sonne und Luft jhon halb getrocknet, dab es jtarken Geruch ausitrömt, falt be= täubend. JIeßt naht jid) der Rechen dem lejtchen, da flattert die Mutter hervor aus dem ÖGraje: „ta tak“. In Angit jtürzt auch eins der Kleinen heraus; es Rann nod) nicht fliegen. Schnell hat es eine der Srauen gefaßt, behutjam hält jie’s in lockerer Hand, und alle bejchauen das Tierchen, dem fühlbar das Herzchen klopft in großer Angjt. Was für ein winziges MWejen! Licht rojtbraun die Federchen, dunkler gefleckt an der Oberjeite und überall lichtgelb gejtrichelt, rojtgelblid) der Unterleib, die Slügelchen jhwarz= braun und auch das Schwänzchen, jo weit es zu jehen ilt, denn es beginnen die Steuerfedern nur eben zu |proljen. Der Schnabel it weihlich, die Mund: winkel gelblidy) und groß die tiefbraunen Augen, ein rechtes Kindergelichtchen. Die Srauen beugen jich nieder und jchauen die Gejchwilter im Meite, jeten das Döglein zu ihnen und halten nod) ein wenig die wärmenden Hände darüber, daß Reins von neuem herausflattre. Dann greifen jie wieder zum Rechen und vollenden die unterbrocdhene Arbeit. Ein Weilchen reden jie no von den Jungpögeln, ob’s Lerchen jind oder Wachteln, und ob die Alten wohl wiederkommen und die Brut aufbringen, oder ob jie hilflos die Kleinen verlajjen. Heimlid) jchlüpft die Mutter zum Mejt und wärmt ihre Jungen, dann jagt jie mit dem Dater im Slug nad) jhwärmenden Käfern und Sliegen. Jet verijchwinden die Dögel unter dem Heu, denn hod) in den Lüften jchwebt irgendein Salke oder ein Sperber. JIebt ijt nichts mehr zu fürchten, und wie ein Pfeil jchießt das Weibchen zum lejt, die Jungen zu äben, dann das Männchen mit drei, vier Biljen im Schnabel. Yloch ein kurzes Lied, dann geht es zur Ruhe; die Mutter jchlüpft zu den Kleinen, der Dater in einen der niedrigen Büjche am Graben, nachdem das hohe Gras und die Stauden in der Nähe des Mejtes, die ihm fonjt Nachtquartier boten, der Senje zum Opfer gefallen. Am nädjiten Morgen ilt Leben in der kleinen Gejellichaft. Dem geitrigen Ausreißer ward das Mejtchen zu eng, nachdem er die Freiheit gekojtet. Un bequem jeine Lage; bald jtreckt er ein Slügelchen über den Rücken des Nachbarn, bald drängt er ihn mit dem Sup. Jet richtet er ji) empor auf die Serjen, jett flattert er über den Nejtrand, jet verlinkt der Swerg völlig 924 M, Behr. Elsdorf, Mai 1908. Nejt mit Gelege des Wiejenjhmäßers. im Öraje. Aber die Alten locken mit Pfeifen und Schnalzen, helfen ihm wieder heraus und reichen ihm Biljen um Biljen. Das jehen die Gejchwilter, und eins nad dem andern flattert empor, und ein jedes erhält von den Eltern Leckerei zur Belohnung für die heroilche Tat. Anfangs jind die Kleinen recht hilflos ; ohne die Eltern — fie würden verderben: verhungern, verbluten im Sange oder im Gebi eines Räubers. Auf die Sicherheit der Jungen ind die Alten bejonders bedadht. Die gemähte Wieje ilt jet kein Aufenthalt mehr; nur möglichit jchnell nach dem Gejtrüpp am Rande des Bujdhs! Bier flattert die Rleine Gejellichaft vom Boden nad) den niedrigen Ranken und Sweigen, von Ältchen zu Ajtchen den ganzen Tag, und die Eltern fliegen mit Sutter herbei für die jperrenden Gelbjchnäbel. Am näditen Morgen geht’s weiter, quer durdy den Bujh — das Slattern und Hüpfen fällt allen ihon leichter. Bald ind jie angekommen am andern Saume des Mäldchens. Wie groß ilt die Welt! Ja, jhaut euch nur um; unabjehbar dehnt ich der Acker, hier Kartoffeln, dort Kraut und Kohl, und weiterhin Rüben und Klee. Die Eltern fliegen ins Grüne und kommen jofort zurück mit jaftigen Raupen. 525 Wer wollte no jäumen! Es locken die Alten — keine Gefahr ilt in Sicht, und nun furrt eins nad) dem andern über den Weg nad) dem Krautfeld. Bier finden jie alles, was jie bedürfen, Nahrung in Hülle und Fülle, bejonders Raupen an der Llnterjeite der Blätter, aber auch Puppen und allerlei Käfer, dazu Sicherheit vor den Feinden. Sobald jich ein Raubvogel zeigt in den Lüften, gleid) warnen die Eltern, und im Hu jind alle verjteckt unter den |chüßenden Stauden. Auch Gejellichaft jtellt jich ein, andere Wiejen- jchmäßerfamilien. Gemeinjchaftlihe Ausflüge werden unternommen; die Jungen fliegen ja jhon bald ebenjogut wie die Alten. Heute geht’s nad) dem Garten hinter dem Gut, wo man Jich jtundenlang herumtreibt zwijchen den hohen Stengeln der Möhren und in anderm Gemüje; morgen fliegt man familienweije über die Selder nady dem Tal, wo ein Wiejenbad) plätijhernd herabhüpft zwilhen Erlengebüjh und Weidengeitrüpp, einmal hier, einmal da. Und nun denkt man ja auch an die große Reije, die jchon um die Mitte Augujt angetreten wird, familienweije, oft aud in größerer Gejellichaft. Einzelne bleiben wohl etwas länger; wenn aber dann die Hühnervölker aus den Kraut: und Kartoffeläckern herausitieben und es unheimlich knallt über den Köpfen, wird es doch aud) den leften ungemütlic), und fort geht es eines Abends nad dem wärmeren Süden. Später treffen nody Durchzügler ein, die gern ralten, wo es ihnen gefällt — fie haben ja im Derbit nichts zu verjäumen. Sie kommen vielleiht von den deutjchen Küjten und nod;) weiter her von Dänemark und dem Jüölichen Schweden. Bis wohin geht die Reife? Hinüber nad Afrika bis jüdlic) zum Gambia, bis Nubien und Abejlinien. Aber viele bleiben auch jchon in Südeuropa; ja in England, wo die Winter jo mild, vergejjen die Braunkehlchen die Reije meilt ganz, dort ind jie Standvögel, wenigitens die größere Anzahl. Der Nadtreiher. Don Martin Braeß. Ein warmer Augujtabend war’s. An dem jchilf- und rohrbewacjenen Ufer eines der vielen Teiche, die jich eingebettet haben in der Slußniederung zwilchen Wiejen und Ackerland, jtand der Hörjter; er revidierte die Eijen, die den Sijchottern galten. Der neue Sorjtgehilfe hatte jie aufgeltellt, um dem jchädlichen Treiben der argen Räuber ein Ende zu machen. Wie jchön die Sonne fich fenkte zum Horizont, glutig rot am weitlihen Himmel, kein Wölkchen, und jo klar jtieg der Mond auf hinter den Weiden und Erlen. „Gutes Wetter bedeutet’s — wenn jich’s nicht ändert, denn morgen lt Dollicht !" Da fliegt geräufchlos und janft mit kurzen Slügeljchlägen ein ziemlich großer Dogel herbei. Die Süße nach hinten gejtreckt, den Hals eingezogen, jo jegelt er etwa 20 Meter hody über dem Waljer dahin; dann jchwebt er herab, flattert hajtig, jtreckt Hals und Süße nad) vorn und fällt in einer der Kopfweiden ein, die drüben das Ufer umjäumen. Erjchreckt poltern ein paar Rohrhühner aus dem Schilfe hervor, und der Rothalstaucher läht feine weithinichallende Stimme hören, ärgerlich wiehernd: „ööö — 686“. Dann wird es ruhig; nur der Abendwind jäufelt durchs welke Röhridt. „Muß den fremden Gajt mir näher bejchauen,“ denkt der Alte, nimmt die Doppelflinte von der Schulter herab — für jolche Sälle hat jie jtets eine Schrotpatrone mittlerer Nummer in einem der Läufe bereit — und vorlichtig pirjcht er fich näher. Ganz jtill verhält jich der Dogel in dem Dunkel der dichtbewachjenen Weide. Nichts it zu jehen, und doch muß er noch zwijchen den Sweigen dort fiten, von denen der FHörjter Rein Auge gewandt hat. Schon ijt er, zum Schufje bereit, wohl auf zehn Meter nahe ge= kommen, und noch immer jtreicht der Dogel nicht ab, noch immer nicht Jichtbar. Endlich nad einem Schritt jeitwärts ijt er deutlich zu jehen: einem der Knorren hat er jich angejchmiegt, unbeweglicy und jteif, viel Kleiner und jchlanker, als man geurteilt hätte nad} feinem $lugbild. Da fällt jchon der Schuß, und im gleichen Moment flattert’s herab in das Scilf. „Seltjamer Dogel! Bald vierzig Jahre im Dienjte, und nie kam mir dergleichen vors Korn. Ein junger Reiher ijt’s nicht; einer kleinen Rohr: 927 dommel noch am ähnlidjiten, doch ilt eine jolche viel Rleiner. Die große Rohrdommel ijt ganz anders gefärbt, Männchen und Weibchen und au das Jugendgefieder. So ilt’s doch ein wirklicher Reiher vielleicht, ein feltener Galt; es gibt ja jo manche Arten nody außer dem Sijchreiher: Schopf- und Purpur- und Hachtreiher, von denen ic) nur jelten ’mal einer verflog bis zu uns mitten nach Deutjchland — wer follte alle jie kennen!“ Und zu Haus wird die Beute beim Scheine der Lampe ganz genau unterfuht und betrachtet. Auch der Gehilfe gibt feine Anjicht zum beiten — eine Rohrdommel fei’s; ob Klein oder groß, das habe nicht viel zu jagen. Größer als eine Krähe jei der unbekannte Dogel ja aud) nicht. Sür einen echten Reiher jeien Kopf und Schnabel zu dick, der Hals viel zu Kurz und auch das Gefieder zu locker. Aber der erfahrene Alte traute dem Jungen nicht und bejah jich den Dogel immer von neuem. Einen halben Meter etwa betrug die Länge, einen ganzen von der Spitze des einen zu dem des anderen Slügels; der jchwarze Schnabel nur von mittlerer Größe, in der oberen Spitenhälfte merklich ab- wärts gebogen; hochrot die Iris mit weiter Pupille; die matt fleischfarbenen Ständer falt bis zum Serjengelenk befiedert, daß nur eine Kleine Stelle darüber noch frei bleibt; die Sehen lang und jchlank, mit kräftigen Krallen bewehrt. Und dann die Färbung des Kleides: jchwarzbraun der Scheitel; weis Kinn, Kehle und Wangen; der Hals an den Seiten bräunlich mit weißen und gelblihen Strichen; ®berrücken, Slügel und Schwanz graubraun, viel dunkler, als die fait weiße, nur durch verwalchene Schaftjtreifen etwas abgedämpfte Särbung von Weichen und Baud). Es pafte dem SHörjter nicht „in den Kram”; er bracdht’s nicht heraus. Ärgerlic) Schob er den Dogel zur Seite. „Die Bücher befragen, das hat Reinen Swec,“ brummte er zwilchen den Sähnen, „‚die laljen unjereinen doch immer im Stih!" Drauf jtopft’ er bedächtig die Pfeife, jebt’ jih im Lehnituhl zurecht und griff nach der Jagdzeitjchrift, die er jeit Jahren jich hielt. Da war ein Artikel, jpeziell an die Hörjter gerichtet, der |chloß mit der Mahnung, ein jeder habe die Pflicht, falls ein jeltner Dogel in dem Revier erlegt würde, diefen an das nädlite naturhiltoriihe Mujeum oder an einen be= kannten Ornithologen einzujenden zu näherer Unterjuchung und Bejtimmung ; jo könne und folle auch der einzelne der Wiljenjchaft nützen. Das ging dem $öriter im Kopfe herum den ganzen Abend, und als er erwadte am Morgen, jtand jein Entichluß feit: du jchickjt noch heute den Dogel nach dem Mujeum der Rejidenz, mit ein paar sdeilen, wann und wo er gejchollen, und du bittet um Auskunft, ob’s eine Rohröommel jei oder irgend ein anderer reiherartiger Dogel. Ein paar Tage vergingen; da Ram jchon die Antwort. Ein Hacdhtreiher iit’s; jeit dreißig Jahren ward Reiner in der Gegend erlegt. Nicht zu ver- 528 Bd RN R. B. Lodge. Spanien, Mai 1897. Nejt mit Gelege des europäijhen Nadtreihers. = o . na D } Rr=a) Dr nr ! ev var 2. e FE, En I RA u: N wundern jei’s, da der Höriter den Dogel nicht kenne; denn es fei noch ein junger, im zweiten Jahr jeines Lebens, ein Männchen, dem das charakte- riltiihe Kleid, wie es die Alten tragen, völlig noch fehle. Dieje jeien gar prächtige Dögel mit jeidenweichem Gefieder, weil; alle unteren Teile mit gelblichem Anflug, aud) Wangen und Stirn, die jich effektvoll abjegen gegen die tiefjchwarze, metalliich glänzende Kappe auf Scheitel und Nacken; Ober- rücken und Schultern mit jhwarzem Schild, Itahlblau jchillernd und grün, Iharfgezeichnet über den ajchgrauen Slügeln. Das Schönite aber, das jeien drei jeltjame jchmale Lanzettfedern, die im Genick entjpringen, vom zartejten Bau, und dennoch Jo Iteif, daf jie der Dogel willkürlich heben Rann und wieder jenken; reinweiß jind fie, die längite 16 Sentimeter etwa, bisweilen noch länger. Erjt nad) der zweiten Maujfer, im dritten Srühling aljo, jei diejer Schmuck dem Dogel gewadljen, audy dem Weibchen, das jicy nur wenig unterjcheide vom „Ichönen Geichlecht” ; es jei meilt etwas Rleiner, das Ajchgrau der Slügel nicht ganz jo rein, Kopf und Rücken weniger glänzend und die „Reiherfedern“ merklidy) kürzer und jchwächer. Der Balg, jo hieß es weiter im Schreiben, jei dem Mujeum einverleibt worden als Belegeremplar, daß der jeltene Dogel aud) heute nody, wenn auch ganz ausnahmsweile, nad) der Gegend verjchlagen werde, die er einjt Jicher bewohnte als häufiger Brutvogel. „Alfo ein Nachtreiher ilt’s — und etwas Rares! Die Rleine NTühe und fünfundzwanzig Pfennig Porto ilt die Belehrung jchon wert; dazu das frohe Gefühl, der Wiljenjchaft halt du gedient!” Und wie das jo geht, jhon in der nächiten Nummer der Jägerzeitung, da jtand ein Kurzer Artikel über die Derbreitung des Nachtreihers einit und jet an deutjchen Slüjjen und Seen. Der alte Graubart hätt’ ihn vielleicht überjchlagen, nun las er voll Spannung Seile für Seile. Einjt als man nody beizte mit Salken, da zählte man aud) diefen Dogel zur „hohen Jagd“ ; „Socke“ nannten ihn die alten Salkoniere vergangener Tage. Damals mag er in manchen Gegenden Deutjchlands, bejonders in mittleren Gebieten, noch recht häufig gebrütet haben, aber auch weit im Norden, in Schleswig=Holitein und in den nordölt- lihen Teilen. Sür den Spreewald ilt jein Dorkommen verbürgt in früheren Seiten, ebenjo ward er brütend in Pommern gefunden, auch den alten Halloren an der Saale war der „Socke“ bekannt. In der Göttinger Gegend befand jih nod} 1862 eine Brutkolonie von 5—6 Paaren, und aud bei Quenitedöt am Unterharz haben nody in den fünfziger Jahren Nachtreiher gebrütet. Don einer anjehnlichen Siedlung des Dogels konnte im Revier Kottwit bei Breslau no am Ausgang des vorigen Jahrhunderts berichtet werden, wie es jcheint die einzige Stelle im Deutjchen Reich, wo man ihn vielleicht heute nody als Brutvogel antrifft. Seine nädjiten Brutpläße muß man jchon jüdwärts juchen, in den Ebenen Ungarns. Mur bisweilen wird 951 ein einzelner noch gejcholjen, der jich verflog, dem Dödertal folgend oder der MWeichjel, vielleiht aud) aufwärts der Donau entlang. Dann jchloß der Artikel mit fünf oder jehs Angaben, wo und wann ein Schüße einen der leltenen Gäjte in den le&ten Jahren auf deutjchem Boden erlegt habe. „Und meiner ilt nicht mit dabei; ich werd’s eud) jchreiben; jeht ihn nur an im Mujeum!” Und jo jehr er abhold war der Tinte und Feder, er jet’ jid doch nieder und jchrieb an die Seitung, und in der übernädliten Hummer, da fand er als Nachjchrift ji und den jungen Reiher verewigt, den er vor kurzem erlegte. * * % Sangjam fließt der Strom an dem jumpfigen Ufer dahin; drüben jenjeits der graugrünen Wajjerfläche weit in der Serne niedrige Höhen, bläulic, zitternd in der heißen Luft, die über der Ebene lagert mit bleiernem Druk. Mittag üt’s; Rein Wölkchen an der jtrahlenden Glocke des Himmels, alles Sonne und Licht. Hier am Ufer eine niedrige Lehmwand mit Buichwerk bewadjlen und dahinter unermeßliche Sümpfe, Riede, Schilf und Moralt, dazwilchen Sträucher, ein undurchdringliches Dickicht, niedrige Weiden und hohe Bäume, Sitterpappeln und mächtige Eichen, zu Öruppen vereinigt. Auf dem Wajjer der Riede, eingeengt von Binjen, Seggen und Rohr, ruhen die nierenförmigen Blätter der weißen Hnmphäe, das Taujendblatt breitet fein zierlihes Grün über die Fläche, die Waflernuß jucht mit Hilfe der aufgeblajenen Stiele das Licht zu erreichen, und herrlic prangt auf dem grünen Teppich die gelbe Blüte der Teichroje. Kein Nlenjch in der Yähe, kein Haus weit und breit, nur eine Silcherhütte am Strom und weiter abwärts eine knarrende Mühle, fernab vom Ufer, im Wajjer verankert. Kein Leben, Rein Laut; nur der Pirol läßt ich hören, von der mächtigen Eiche herab tönt fein flötender Ruf, und ein paar Bienenfrejjer jchweben in gleitendem Schwalbenflug bald über dem Wafjer umher, bald um die Baumkronen Rreilend, bald der Lehmwand entlang, wo jie wohnen, lebende Edeljteine von tropijchem Seuer, tropiich auch ihre Heimat; jie fühlen jich wohl, wenn die Sonne heiß brennt im Süden der ungarilchen Ebene. Am Rande des Rieds im Erlen- und Weidengejtrüpp, ganz im Der: borgenen hockt unbeweglih und jtill, den Hals eingezogen, den Schnabel gelenkt, ein jtummer ÖGejell, der Nachtreiher, der es nicht veriteht, wie man lich freuen kann an dem blendenden Glanz der Augujtjonne. Das jeidenweicdhe Gefieder, das er jorgfältig gepußt hat, umgibt locker und zart den Körper und läßt den jchlanken Dogel rundlic und dick erjcheinen, falt einer Eule ähnlich, die im jchattigen Dunkel den hellen Mittag verträumt. Auch das Auge blinzelt eulenartig, blutigrot die Iris, von feltjamem Feuer, und 552 > be, D En SE >_ DIR -* .z+ rar Su \ = $ . & 9 N : ö A er. 5 Zu: KUIYVA a Dr Y er ; PT „N or 11T Nr Zu Kolonie des nordamerikanijhen Nacdtreihers. Dögel I. größer als das Auge anderer Reiher. Nur bisweilen eine zitternde Be- wegung im weichen Gefieder, Raum merklich zucken die Schwingen, und die drei langen Schmuckfedern am Nacen heben und jenken jich, jpreizen ih einen Moment, um jich dann über den Rücken aufeinander zu legen, daß nur eine zu fehen ilt. Ab und zu dreht jich der Kopf nad) links und nad) rechts, und dann jchieft wohl aud) ’mal plößlich der Hals vor, es jtreckt ih der Slügel, ein kräftiges Schütteln des ganzen ÖGefieders. Nur die fleifchroten Läufe jtehen zwei Säulen gleicy, unbeweglich und |tarr, und feit umklammern die langen Sehen den Alt. Wovon er wohl träumt, der ernite Sicher an jeinem einjamen Dlätchen ? ®, er hat Seit, jet zu träumen, jtill für jicy nachgudenken, zu philojophieren ; denn die Jungen find Tängit jchon dem Meite entwaclen. Die Sonne wan- derte mit dem Krebs ihre weitejte Strafe am Himmel, da Rletterten die halb noch mit Dunen bedecdten Kinder, dünnhaljig, Iangbeinig, recht un= geichickt aus ihrer Wiege auf die nächiten Sweige der Bruchweide, hockten dort nieder und verlangten nad) Sutter. Dann flatterten jie hinab auf den jumpfigen Boden, im hohen Schilf ganz verjchwindend. Dort jaßen jchon andere ihresgleihen; denn ein Dußend kleiner Horite barg wohl die Weide und das nächte Gejtrüpp, jogar auf den umgeknicten Halmen des Rohr: waldes ganz nahe der Erde jtand manch flaher Bau aus dürren Reijern, Rohritengeln, Schilfblättern erbaut, und die jeichte Dertiefung ausgelegt mit Binfen, feinen $Sajern und Wurzeln. Weldy geichäftiges Leben damals im Sumpfwald hier und dort und drüben jenjeits des Waljers! Überall wurde gebaut und gebejjert an den alten Horjten, die jchon jeit Jahren den Dögeln gedient als Wiege für ihre Jungen, und nicht nur Nachtreiher waren’s, die fich diefen Brutplaß wählten, aud) den andern Derwandten der Reiher- \ippe jchien der Ort zu behagen. Hoch auf den Eichen und Erlen hatten die Itattlihen Sifchreiher ihre Horite angelegt, unten im Schilf und Rohr bauten die Kleineren Purpurreiher. Der Seidenreiher wollte wieder höher hinaus; auf der Bruchweide ganz oben, genau über den Nachtreiherneitern wohnte ein Paar — wie herrlich, wenn die jchneeweißen Dögel am blauen Himmel dahergezogen zu ihrem Horite! Auch einige Schopfreiher waren vertreten; in mittlerer Höhe der Bäume trug das Ajtwerk die Neiter. Dazu die Rleine Rohrdommel, die man nur wenig beachtet: auf alten Rohrjtoppeln, auf ge- knickten Schilfitengeln baute fie bejcheiden ihr Mejt. In der Tat, eine bunte Gejellihaft, ferner aus den Kreijen der Wajjerhühner und Entenvögel jo mandhe Art, ganz abgejehen von dem kleinen Gelichter, welch zahlreiche Menge! Sie wollten alle ihr Auskommen finden hier am Rande der Sümpfe, in den Buchten des Stroms, alle ihr Handwerk betreiben, jeder in jeiner Weile, wie’s die Natur ihn gelehrt. 395 535 Ende April lagen vier Eier im lejt; ’s war nichts bejonderes dran, glanzlos und matt, blaugrünlich, aber ganz bleich, den Eiern des Seiden- veihers und Purpurreihers recht ähnlid, nur jind Teßtere größer. Das Weibchen brütete eifrig, und der Batte hockte gewöhnlich ganz in der Nähe, halb jchlafend und dennod) aufmerkjam auf jedes Geräujch. Gegen Abend, ja Ichon in den jpäteren Hachmittagsitunden ward’s dann lebendig im Bujd- werk und Röhricht, wenn nicht jchon vorher irgendeiner die Ruhe unjanft gejtört. Ein Slug durdy die Luft in Rleiner Gejellichaft, kunjtvolle Schwen- Rungen zum Spiel wie zur Übung, auch gejchickt bisweilen durch die Kronen der Bäume hindurdy, doch meilt hody über den Wipfeln; das madıte die Glieder wieder gejchmeidig nach dem langen Hocen und Brüten. Yun ging’s hinab zum Ried, wo man manchen Bekannten begrüßte, näcdjite An- gehörige, aber auch Dettern und Bajen, deren Derwandtichaft man nicht mehr ausrechnen konnte. Es war immer viel Leben, vom BHorjit zu dem MWajjer, vom Wafjer zum Horit; denn die Weibchen verliegen nur ungern auf längere Seit das Gelege und wollten doch aud) ihre Nahrung haben, kleine Siljhe am liebiten, die ihnen die Gatten gar zärtlih am Wiltplat reichten. Die ganze Nacht ward gefilht, und hody Itand die Sonne am Morgen, als man endlich ji} wieder zur Ruhe zurückzog. Die Brutzeit währte gegen drei Wochen; dann lagen die Jungen im Reit, jo nackt und jo häßlich, die Beine und Sehen ungejcdhickt lang, Kopf und Schnabel unförmlid) dick — man weiß; ja, wie Kinder jind — und jie wurden nicht jchöner, als nad etwa zehn Tagen zwilchen den jpärlichen Dunen die Kiele der Federn an Flügeln, am Rücen und Bals zu jprojjen begannen. Aber man liebte jie doch, die mißgeitalteten Kinder, und beide Eltern wetteiferten, Sutter zu bringen, am Tag wie bei mondheller Nadıt, das beite, was jie nur fingen, winzige Silsche und Wajlerjpinnen, Blutegel und Schnecken, Injektenlarven, Libellen und Würmer. Und fie freuten fi), wie die Nimmerjatte gediehen und jchon jo Reck über den niedrigen Horitrand Ichauten mit den großen, gelblichen Augen, und die verlängerten Sedern am Scheitel, zwar jtruppig und wirr, jtanden den Kleinen jo gut. Nach einem Monat waren die Kinder dem Horite entwacdjlen und wurden nun eingeführt in die große Gejellihaft. Sie fanden jich bald zurecht, und heute verjtehn jie’s jchon gut, jelbit ihre Nahrung zu juchen, dod) bleibt die Samilie immer nod) beieinander, wenn jie hoch in den Lüften fliegen, wenn lie fiihen im Ried und am Strom, wenn jie jchlafen während des Tags in der Ichattigen Weide — man weiß nicht, was für Gefahren bevoritehen, und viele wachlame Augen jchauen bejjer, als ein einziges Paar. Und richtig, als ob’s der träumende Dogel geahnt, da jchaukelt, fait Ichwim- menden Slugs, jolh ein Eierräuber und Kindsmörder niedrig über dem Ried, eine Rohrweihe, Ausjchau haltend, irgendein Junges der Wajjerhühner 956 L.W. Brownell. New York. Nejt mit Gelege des nordamerikanijhen Nacdtreihers. zu packen. Um das eigene Leben und das jeiner Kinder ilt dem Reiher nicht bange; im Slug ergreifen die Weihen nie ihre Beute, und das dichte Geäjt jhüßt vor dem gierigen Feinde. Aber als jie Eier im Weit hatten und hilflofe Jungen, da wurden die Reiher oft heimgejucht von den jchlimmen Öejellen, die drüben im dichtejten Schilfwald ihr Heim aufgejchlagen. Wie viele der Sreunde wurden durch jene Räuber ihrer Hoffnung beraubt, au, dur Krähen und ähnliches freche Gejindel! ©, fie kannten den Eindringling gut, und deshalb jtürzte der Alte mit lautem „Quak” auf ihn zu, begleitet noch von einigen andern. Die Sumpf» und Waljervögel hörten den Lärm, und hundert Stimmen erfüllten die Luft. Mit ängjtlicy Ichirkendem Ton, leiht auf den langen Sittichen flatternd, hebt jich die Weihe, noch ehe die Reiher in ihrer Nähe. In der Morgendämmerung komm’ ich wieder, denkt lie, wenn weiber Mebel Röhricht und Sumpf noch verhüllt; plößlich bin ich dann da und jchreck’ die Enten und Hühner und raub’ mir von ihren Jungen! Die Ruh ilt dahin; ein fröhlicher Flug durd) die Lüfte, janft und leicht und völlig geräujcylos, dann hinab zu der jchattigen Waldbucht am Strom. Schon der Strand bietet mandyes Geniegbare, von den Wellen ans Ufer gejhwemmt; man braudt nur ein wenig zu promenieren mit bedächtigem Schritt. Einige halten es mehr mit dem Sijchfang und Stehen jtill im jeichten Wajjer der Bucht, doch nicht tiefer gehn jie hinein, als bis zu den Serien; ein hajtiger Griff, ein haltiges Schlucken, und die kleine Beute gleitet hinab durdy den Schlund in den unerjättlihen Magen. JIett erhebt jich einer, in geradem, niedrigem Slug zieht er davon. Srei ilt die Stelle, wo er jich niederjeßt, um weiter zu filchen, bar aller Bäume und Sträucher; aber es iit bereits dunkel, da kann man’s jchon wagen. Don den Genollen folgen die meilten in Trupps und aud) einzeln. Immer jchwärzer der Himmel; grell zucen die Blitze, und in der Serne grollt mächtig der Donner. Plößlich der Sturm; wie die halbwilden Rojje der Pußten, jo braujt er über die Ebene, unaufhaltiam, nichts kann ihn hindern. Er fährt in das Schilf und zerbricht es, er fährt in die Kronen der DPappeln und Eichen, und Rrachend zeriplittern jelbit mächtige Alte; er fährt auf dem Spiegel der Donau dahin, dah jie aufbrauit, plößlich geitört im ruhigen Lauf; er fährt den Nachtreihern gar unjanft ins jeidenweiche Gefieder und zault und zerrt, dab die weißen Sedern im Nacken wild flattern und jcheu die Dögel jid) ducken. Dann wird es jtill. Nun jchnell nad dem Scilf, dem Erlen: und Weidengejtrüpp ; dort nur it Schuß vor dem Sturm! Kaum jind die gefiederten Sijcher geborgen, jo braujt es mit verdoppelter Macht. Mancher Horit bricht herab mit dem Alt, der ihn trug, die große Eiche trifft Rrachend ein Strahl, dann öffnen jich die Schleufen des Himmels ; in Strömen ergießt ji der Regen. Eine furdhtbare Nacht. Das Waller dringt in 959 jedes Deriteck von oben, von unten; da hilft Rein Schütteln, Rein Schlagen der Slügel: das jonit jo lockere Gefieder Rlebt an dem zitternden Körper der Reiher, und die Kälte, die jo plößlich dem heißen Tage gefolgt ilt, durd)- Ichauert den frierenden Leib. Gegen Morgen regnet’s nur leije, und mander der eingejchüchterten Dögel jteigt bedächtig KRletternd höher hinauf in die Alte, vom Sturmwind hie und da völlig entblättert. Grau ilt der Himmel; von Stunde zu Stunde wird’s kühler. Wenn die Sonne doch jchiene, jo denken jelbjt die lichticheuen Reiher, wie gern verliefen wir dann unjre dunkeln Derjtecke und jeßten uns frei auf die Spiten der Äjte im Umkreis des Baums, um uns zu wärmen und das Gefieder zu trocknen; denn wir hallen die Sonne nicht, wie die Menjchen wohl denken, die uns ‚„Nachtreiher” nennen, jondern laljen uns gern einmal, wenn die Luft kühl ilt, von ihren Strahlen bejcheinen, bejonders nad) langen naßkalten Tagen. Dod) die Sonne bleibt hinter den grauen Wolken verborgen. Da lüften die Reiher die Schwingen; denn Bewegung erwärmt. Mit lautjchallendem ‚„Quak“ erheben jie jich, erit einige, dann die ganze Gejellichaft, alte wie junge. Weit fliegen jie, da jie aus dem Gejichtskreis der Wajjerhühner verjhwinden, doc in jchöner Schwenkung kehren jte zurück und umkreijen jchreiend das Ried. Bewegung madıt hungrig, bejonders am Mlorgen, wenn die Abendmahlzeit jo jäh unterbrochen ward wie geitern durd) das Gewitter. Und jo jtehen jie denn heute auch am Tage an den bekannten Pläßen und filhen gemeinfam mit Durpur= und Sijchreiher ; nur in den Mittagsitunden ziehen jie ich wieder zurück nad) ihren Deritecen, von wo jie miklaunijch ganz leile quaken mit verhaltener Stimme. Tagelang trübes Wetter, kein Stern am nächtlichen Himmel, kein Mond- licht, das ihnen doch jo erwünjcht ijt bei ihrem Gejchäft. Sie \treichen jeßt weit in der Gegend umher, den ganzen Tag rege und lebhaft; aber den Lieb- lingspla&, wo jie den Sommer über gehaujt, den vergejjen jie nicht, jondern kehren regelmäßig zu ihm zurück, immer gute Kameradjchaft haltend mit ihresgleichen. So bewohnen jie bis zum Spätjommer dasjelbe Revier, ja jie juchen zur Siejta denjelben Baum auf, wo jie einjt brüteten, und jelbjt die Jungen wiljen nod) immer, wo ihre Wiege jtand. Dann trennen jid) diefe von den Alten, wenn auch nur vorübergehend, jtreichen gemeinfam im Lande umher, kehren aber wieder zurück und bringen nicht jelten Jungvögel aus andern Gebieten mit, und je weiter gegen den Herbit, um jo uniteter wird die ganze Gejellihaft. Tagelang ilt jet oft Rein einziger Nachtreiher mehr zu erblicken, und dann Jind tie plößlich wieder da, nach Hunderten zählend. Schöne Slugjpiele unternehmen jte, als wollten jie jich vorbereiten für den Herbitflug nach dem wärmeren Süden, lujtig jagen und necen jie Jich, dann bilden jie kleinere Trupps, an verjchiedenen Stellen das Silcherhandwerk zu betreiben. 540 saalıaaylpoyt ualpliupyiasıupgaou sag adung »Bıllpnagjvy "40 MON nzumoig "Al T Spät im September an einem Rlaren mondhellen Abend, wenn nur in der Tiefe der weihje lebel über dem Ried lagert, da brechen jie auf gemeinjam zur Sahrt, wohl aud) in kleinen Gruppen und lockern Derbänden. Sie um: kreijen das Wohngebiet und rufen es allen Genojjen zu: jet geht es fort nad) dem Süden! Auch diejer oder jener Artverwandte jchließt jich dann an. Aber nody oft finden ji Nachtreiher ein an den folgenden Tagen im Sumpf- Z. W. Brownell, Junger, nordamerikanijher Nachtreiher, nahezu flügge. New York. wald, Dögel aus andern Teilen der ungarijchen Ebene, die jich zeritreuen, tagsüber filchend am Strom und am Ried, aber nachts ziehen fie weiter. Im Oktober jind die legten verjchwunden, bis auf einzelne, die es verfuchen, auch im Winter in der nördlichen Heimat auszuhalten. Wie weit wohl die Reije ? Dielleicht fern übers Meer nach dem warmen Agnpten, nach Nubien gar, oder aud nicht jo weit; in Griechenland und auf den Agäijchen Injeln, vielleicht in Italien jchon und in Sizilien winkt mand) 945 pajjend Quartier. Aucdy in Alien Rennt man den Nachtreiher von den Küften des Schwarzen Meeres an durch Perjien, Indien hindurdy bis fern nad dem öltlichjten China; in den warmen Gegenden lebt er als Standvogel, die rauheren verläßt er im Berbit. Aber die Alte Welt jcheint ihm zu Rlein, auch in Amerika ijt er zu Haufe; im Norden, von der Hudjonsbai an bis nad) Brafilien und Paraguan: überall jind jeine Rleinen Horite zu finden, wo es einjame "bewaldete Sümpfe gibt und jtille Sagunen. Bisweilen haben ji) Scharen von Taufenden brütender Dögel zu riejigen Kolonien vereinigt, 3. B. in Slorida, dem Dorado diefer und anderer Reiher. Dielen Derfolgungen jind die Nachtreiher ausgejeßt, der herrlihen weihen Genickfedern wegen, die von Sederjchmückern zur Heritellung zarter Sederbüjche gejucht werden, auch; den jungen Vögeln itellen die Eingeborenen nad, um ihr Sleijch zu ellen. So ilt es kein Wunder, wenn ji) die Reiher immer mehr zurückziehen an verborgene Pläße, und fajt wie ein Märchen klingt es, wenn man hört, daß nur einige 30 Kilometer vom sentrum Meumorks entfernt, der gejchäftigen Riejenjtadt, eine anjehn- lihe Kolonie jich findet, in der wenigitens 500 Paar Nachtreiher noch heute brüten. £. W. Brownell bejchreibt dieje Stelle, und durch vor- züglihbe Naturaufnahmen von Hejtern und Jungvögeln gibt er uns ein treues Bild von dem Leben und Treiben am Niltplaf. Sederjäger würden wohl längjt aufgeräumt haben mit diefen Reihern, wenn das Öbebiet, das jie bewohnen, nicht privater Bejit wäre, deijen Eigen- tümer den Abjchuß der jeltjamen Dögel nicht duldet. Ein Sumpf it es, mit Ahornbäumen bewadjen, Raum 200 Meter entfernt von der Haupt: Itraße; das unverkennbare „Quak“ verrät dem Dogelkundigen die Nähe der Kolonie, dazu der lebhafte Derkehr von der Sutterjtelle zu den Nejtern und umgekehrt. Dieje Jind alle in den hohen, jchlanken Bäumen erbaut, etwa 4—8 Suf über dem Boden. Sie jtehen dicht beifammen, meilt 3—4 auf jedem Baum, auf einigen jelbjt 8 oder 9, bisweilen auch wohl nur ein einziges. Die Er- kremente der Dögel jind der Entwicklung der Bäume jehr jhädlich: wenig Alte und wenig Blattwerk, ja mancher Baum ijt jchon abgeitorben unter dem nachteiligen Einfluß des klebrigen, ätenden Dogelkots, der den Boden bedeckt und vielfach aud Stämme und Sweige. Im Mai it das Leben und Treiben am regiten; da jind die meilten Hejter von den brütenden Weibchen bejett, und im langjamen Slug ziehen die Männchen mit Sutter zum Borjte. In einigen Hejtern jind jchon die Jungvögel glücklich erbrütet, drei, vier, felten fünf Stück ; erwartungsvoll blickt ihr großer Kopf mit dem [chweren Schnabel über den Nejtrand nach Dater und Mutter. Jahr für Jahr werden diejelben Nejter von den Reihern benußt; jorgfältig gebaut aus Stöcken und Sweigen, 544 L. W. Brownell, New York. Ausgefiederter, junger, nordamerikanijher Nacdtreiher. hat jedes einzelne gewiß jhon manche Generation aufwachlen jehen in jeiner flachen Mulde. Kein einziges ilt überflüjlig, jedes hat jeine Bewohner. Ende Juni it die Mehrzahl der Reiherkinder erwaclen; jie haben den Horit verlajjen und jiten nun in kleinen oder größeren Gruppen oben in den Wipfeln der Bäume. Ein bejtändiges Schreien nad) Sutter, ein Slattern von Alt zu Alt und hinab auf den jchlammigen Boden, wo die Jungen ichreiend umherhüpfen, vergeblich bemüht, jicy wieder empor zu jchwingen auf einen Sweig ; denn die Beine jind jtark zwar und kräftig der Schnabel, aber die Flügel jind jhwach, die Schwingen noch nicht völlig entwickelt. Die Sterblichkeit unter den Reiherkindern ilt groß; jo viele liegen am Boden in jedem Entwicklungsjtadium, in jedem Sujtand der Derwejung. Die Eltern Icheinen jich um ein Junges, das aus dem Mejt fällt, nicht weiter zu Rümmern, londern es elend verhungern zu lajjen; der Sall von der niedrigen Höhe herab auf den weichen jchlammigen Boden würde wohl keinem das Leben jonit Roiten. Aber aufer den verwejenden Körpern von Jungvögeln, außer den majjenhaft angehäuften Erkrementen bedecken auch Rejte der Mahlzeit die jumpfige Släche unter den Bäumen, bejonders größere und Kleinere Teile von Silchen der verjchiedeniten Art; bejtändig fällt hier und fällt dort ein Brocken herab aus den Horiten. Dazu haben die Jungvögel die bewohnheit, von Seit zu Seit die unverdauten Überbleibjel ihrer Nahrung unter feltjamem MWürgen auszujpeien. Um die Mitte April erjcheinen die Reiher in diejer nördlichen Gegend, und unmittelbar nach ihrer Ankunft nehmen jie wieder Bejit; von den be- kannten Boriten; Mitte September ziehen jie jüöwärts nad ihren Winter: quartieren. Wenigitens 1500—2000 Dögel werden alljährlich in diejer Ko- lonie erbrütet; doc vergrößert jich die Dogeljtadt nicht, und ihre Einwohner: zahl bleibt diejelbe Jahr für Jahr. Gewiß nehmen im Laufe der Seit jüngere Dögel die Pläße ein, deren Bejiter, von den Südländern getötet oder von einem Raubvogel gepackt, nicht wieder zurückkehren; aber die Mehrzahl der erbrüteten Dögel bleibt doch wahrjcheinlich im Süden, neue Kolonien dort gründend, jobald fie fortpflanzungsfähig geworden, oder jie treten in eine bereits beitehende Körperjchaft ihresgleichen ein, die ihnen Aufnahme gönnt in galtlicher Weile. 547 Eulen. Don Hugo ®tto. Es gibt wenige Dogelfamilien, deren Dertreter durch Körperbau, Ge- fieder, Lebensweije und Samilienleben jo jcharf in fih abgejchlojfen find, wie die Eulen. Mag ein Menjch aud) jo einjeitig gebildet fein, daß er der Natur und ihren Schöpfungen Reinen Gejchmak und kein Intereffe abzu- gewinnen vermag, jo gehören doch zu den Geitalten, die fich ganz von jelbit jeinen Sinnen zur Aufnahme aufdrängen, die fih in fein Gedädtnis ein- prägen, gewiß die Eulen. Jedermann erkennt jie infolge ihrer charakteriltiichen Erjcheinung auf den eriten Blick. Gerade das Srabenhafte, das in dem mit einem runden, jtrahligen Seder- kranze umrahmten Gejichte aller Eulen liegt, macht fie intereifant. Ihr be- wegliches Gejicht mit den jtetig wechjelnden Grimaljen zwingt jeden Menjchen zum Hinjchauen und Beobachten. An einer ruhenden Eule geht jo leicht kein Menjd, gleichgültig wie an vielen anderen Dögeln vorüber. Eulen jind eben eigenartige Charaktervögel innerhalb der Dogelwelt, die in hohem Maße das Interejje der Menjchen zu felleln vermögen. Auch die fliegende Eule ilt äußerit anziehend. Sie regt mit ihrem leifen, weichen, langjamen Sluge die Phantajie an, die in dem geilterhaft dahin- hujchenden Dogel etwas Übernatürliches erblickt, durch das beim Unge- bildeten Gejpeniterfurcht und Aberglaube erzeugt wird. So ilt es gekommen, dab der Uhu mit feinem gewaltigen Rufe den Glauben an das wilde Heer weckte, dab die angenagelte Schleiereule das Bauernhaus vor Blitjchlag hüten foll und daß das liebliche Käuzchen zum Totenvogel wurde, der die Menjchen zum Kirchhof ruft. Es ilt wahr: im Eulenruf, der plößlich die jtille Waldung, die im Schatten der Nacht daliegt, heulend durchdringt, der in der Nähe der nächtlicherweile erleuchteten Krankenitube wie „Komm mit, Romm mit!” erklingt, der zur Seit der Paarung und im Herbite während des Suges, wenn mandye Eulenarten in gewaltigen Gejellihaften zulammen- treffen, zu vielltimmigemn, disharmonifchem Stimmenwirrwarr anjchwillt, Tiegt etwas dämonhaft Unheimliches, bejonders natürlich für foldhe Menjchen, deren Ohren joldy nächtliche Klänge bislang unbekannt waren. Daf die Eule zum Allerweltspogel geworden ilt, das liegt eben in ihren Eigenarten, in ihrem 548 Nordamerikanijhe Swergohreule: Die Alte im Sluglod der Nijthöhle. Gejicht mit dem Schleier, ihrem nächtlichen Sluge, ihrer Stimme und ihrem geilterhaften Auftreten. Da bei weitem die allermeilten Eulenarten, wenn die Sonne jcheint, ruhen und aud, diejenigen, die jih am Tage tummeln, vielfach lange Seit till figen, jo it es eigentlich ganz felbjtverjtändlich, daß alle Glieder diejer Dogelfamilie eine ausgejprochene Anpaljung der Gefiederfärbung an den Aufenthaltsort zur Schau tragen. Oberflächlich betrachtet jtimmt dieje Särbung in den Grundzügen bei den meilten Arten überein. Aber beim näheren Su- {hauen jtaunt man gerade wegen diejer ausgejprodhenen Ähnlichkeit über die mannigfaltigen, einfachen Mittel der Natur, die jie angewandt hat, um den verjchiedenen Eulenarten ihr bejonderes Gepräge innerhalb ihrer Sipp- ihaft au äußerlich zu geben. Was da in der Abtönung der Sarben, ihrer Derteilung, in Strihen und Punkten auf der Grundfärbung zu fchauen ilt, muß beim Naturfreunde Bewunderung wecken. Mögen die einzelnen Eulen- arten auch im Baulftil ihres Körpers, in der Ausitattung zum Leben, in den Dögel I. 36 549 Sebensbedingungen, Rurzum in den Grundzügen des Dajeins fajt völlig nad einem Modell erjchaffen jein, in der Färbung ihres jchlichten Kleides hat die Hatur den Reiz bewunderungswerter Mannigfaltigkeit durd) Anwendung einfacher Mittel hineingelegt. Ylooch eines Umjtandes joll hier gedacht werden, der es erklärlich madıt, da die Eulen von jedermann gekannt werden. Sie jind in des Wortes wahrjter Bedeutung Weltbürger. Daß falt jedes Dolk in feiner Sprache Redewendungen, Redensarten und Sprichwörter bejißt, die Fich auf die Eulen beziehen, ilt dadurch Zu verjtehen, daß diefe Dögel Bewohner aller fünf Nordamerikanijhe Swergohreule: Jungvögel eine Wode alt. Erdteile find, und daß fie jede Örtlichkeit bevölkern, die ihnen Nahrung |pendet und Schlupfwinkel als Deritecke bietet. Ihre eigentliche Heimftätte it der Wald. Er beherbergt die meilten Arten. Dort finden fie jich fowohl in den Dickichten der Auwälder als aud) in den gewaltigen Hohwaldungen der Mittelgebirge bis hinauf zu den Knie- gehölzen, die die Abhänge der Hochgebirge mit dürftigem, einjeitigem Pflanzen- wuchje bekleiden. Mag der Tropenwald — namentlich der amerikanijche — audy zahlreiche Arten an Eulen aufweijen, jo jind die in den Waldungen der gemäßigten Sone vorkommenden wenigen Arten dody an Einzelwejen jo zahlreich, daß lie aud) hier nirgends jelten find. Bis in den hohen Norden, 550 Rordamerikanijhe Swergohreule: Jungvögel zwei Wochen alt. Nordamerikanijhe Swergohreule: Jungvögel drei Wochen alt. wo Eis und Schnee den Landjchaften ihr Gepräge aufdrücken, wo der Srolit fein hartes Regiment führt, finden jid) Eulen, gerade hier prächtig gefiederte Geltalten, die ji) in ihrer Färbung der Schneedecke der Natur mehr oder weniger angepaßt haben. Jedes Klima beherbergt aljo Eulen. Die kältejten und die wärmijten Länder zählen geradejo wie die gemäßigten Erdjtriche Dertreter diefer Raubvogelfamilie zu ihrer Dogelwelt. liberall haufen fie, aud; außerhalb des Baumwucjles. Bald geben Selsklüfte ihnen Herberge, bald dienen ihnen Mauerhöhlen als Schlupfitätte; hier bewohnen jie die Ruinen fagenumwobener Burgen, dort den Schuppen und die Bauernicheune. Ja jelbit Kaninchenbaue und andere Erdhöhlen verjhmähen jie richt, und in baumarmen Steppen, pflanzenlojen Wülten und Rahlen Gebirgen finden MNordamerikanijhe Swergohreule: Öelege in der geöffneten Tijthöhle. lie doc) nody an und in der Erde ein zufagendes Unterkommen. Bei der Wahl ihrer Schlupfitätte lieben fie die Abgejchlojjenheit vom Leben und Treiben der übrigen Tierwelt und das Halbdunkel, das fie den Blicken ihrer zahlreichen Seinde entzieht. In Ermangelung pafjender Ruhepläßchen juchen lie dichte Baumkronen auf, in denen fie ji} nahe an den Stamm jchmiegen. Durchweg aber jind fie von Haus aus Höhlenbewohner, die ihren Wohnplaß in der Regel auch als Brutitätte für ihre 2—7 weißen Eier verwenden, wenngleich aucd; Legenot und Mangel an paljenden Höhlen einzelne Arten nicht jelten dazu antreiben, in den verlajjenen Horiten von Raubvögeln und Krähen die Kinderitube aufzujchlagen. Diejes Surückziehen vom Tagesgetriebe ilt es au, das fie fo felten den Blicken des Wanderers am Tage zeigt, das fie der Beobadhtung im Bellen 992 entzieht und mit zum Glauben beigetragen hat, daß ÖGeilterkräfte in diejen Dögeln jchlummern. Ihr Seelenleben ilt nicht reich an Fähigkeiten. Schon der Umitand, daß lie ihre Beute vielfach ganz oder doch in großen Stücken hinunterwürgen, lehrt, daf jie Keinen bejonders hohen Gejchmack an ihr haben und daß ihnen die Genülje, die gerade allen intelligenten Gejchöpfen in der Aufnahme wohl- \chmecender Nahrung entitehen, fehlen. Aucd das Gebaren, das fie zur Schau tragen, wenn man jie in ihren Deritecken aufitöbert, verrät jtets geiltig plumpe Unentjcjlojienheit, ein Sehlen jchneller Entichlülfe und die Unmöglichkeit der richtigen Würdigung einer Gefahr. Bei Angriffen zeigen fie nicht jelten jähzornige, blinde Derteidigungswut und unüberlegtes Handeln MNordamerikanijhe Swergohreule: Eben gejchlüpfte Junge in der geöffneten Nijthöhle. in bedenklihen Augenblicken. Ihr Seelenleben verläuft in viel einfacheren Bahnen wie bei den Tagraubvögeln. Bejondere geiltige Befähigungen treten nie in die Erjcheinung. Die große Eulenfamilie weilt Riefen und Swerge unter ihren zahlreichen Arten auf. Wenn aud) die gewöhnliche Eulengröße durch Schleiereule und Steinkauz gekennzeichnet werden kann, jo bejiten diefe Raubvögel doch Der- treter von der Größe eines kräftigen Haushahnes, wie 3. B. den allbekannten Uhu, und joldhe von der Kleinheit eines Sinken, wie jie uns die bewegliche Sperlingseule zeigt. Außer den bereits erwähnten Unterjchieden in der Färbung und Größe it noch bei einzelnen Arten das Dorhandenjein charakteriltiicher Ohrfeder- büjchel beachtenswert. Sie geben der betreffenden Eule ihr bejonderes Art- 999 merkmal, wie es Uhu, Wald-, Sumpf» und Swergohreule und einige andere aufweilen. Weit verbreitet ijt im Dolk die faljche Anficht, dab alle Eulen ihre Jagdzeit in die Dämmerung und die Hacdıt verlegen. Wenn dies aud) für die allermeilten Arten zutrifft, jo ilt doch wohl zu beachten, daß ih" aud einige Eulen am Tage umhertreiben. Swar meiden aud) dieje Tageulen falt durchweg die freie Ebene im hellen Sonnenjcheine. Sie hulhen und ihlüpfen um dieje Seit mehr durdy die Riejen des Ur= und Hochwaldes und durch das Bujcwerk des Miederwaldes, wie dies nicht jelten beim Steinkauz heobachtet werden kann. Auch bevorzugen jie für die Jagd Tage mit be- decktem Himmel. Manche Hachteulen zeigen ji) dann am Tage, wenn jie fait flügge, hungrige Brut im Horite haben, die fortgejeßt nah Äbung |hreit. WNamentlih nad) jtockdunkeln, regnerijchen Nächten, die auch) der \harflichtigiten Eule die Beute verbergen, werden fie oft durd) den Hunger gezwungen, jchon vor Anbrucdh der Dämmerung auf Raub auszufliegen. Der alte Dolksglaube, daß Eulen bei Tageslicht nicht jehen, infolgedejjen auch Reine Beute machen Rönnten, it aljo in die Rumpelkammer natur- willenichaftlicher Unrichtigkeiten vergangener Seiten zu verweilen; denn wie es in manchen Gegenden ausgejprochene Tageulen gibt, jo jind au die Nachteulen durchaus nicht jo Itiefmütterlich von der Natur bedacht, daß ihnen das helle Sonnenlicht zur eigenen Erhaltung bei der Sluht vor Seinden oder in seiten des Nahrungsmangels bei der Jagd am Tage hinderlic lein könnte. Wie bei allen beachtenswerten Tierfamilien, jo fragt man aud) bei den Eulen jtändig nad Nuten und Schaden diejer Dögel. Leider gibt es recht viele Menjchen, die die ganze Hatur nur im Lichte des Müßlichkeitsprinzips beurteilen. Aud) dem Naturfreunde ericheint dieje Srage bei den Eulen aus nationalökonomijchen Gründen jehr löfenswert. Dielen Tieren gejchieht bei der Seitjtellung von Nuten und Schaden bitterböjes Unrecht. Diele Menjchen jind nämlid) durchaus nicht in der Lage, gerecht abzuwägen, weil ihnen nicht genügendes Beobadıtungsmaterial 3u Gebote jteht, oder weil fie fich in ihrem Denken in allzu engen Grenzen bewegen, indem ihnen das Nädjlt- liegende, das jie jehen, den Blik für das Sernliegende, das vielfah aus jenem erji gefolgert werden muß, trübt. Wie faljh auch die Eulen in der Dergangenheit in wiljenjchaftlihen Kreijen bewertet wurden und wie un- richtig das DolR fie in der Gegenwart noch beurteilt, Tehrt die Gejchichte ihrer Derfolgung bis in die jüngjte Seit hinein. Salt jeder Jäger jchieft auch heutzutage noch Eulen ab, weil jich einige Arten und unter ihnen vielfad) einige entartete Dertreter auch an Junghajen, Sajanen, Rebhühnern und Singvögeln vergreifen. Daß Eulen joldhe Übergriffe machen, ilt nicht zu leugnen. Die erakte, wiljenjchaftliche Sorjchung aber hat durch zahlreiche 54 Nordamerikanijhe Swergohreule: Alter Dogel. Magenunterfuhungen dafür hinlänglich den Beweis erbradt, daß unjere Eulen in der Hauptjache Dertilger der äufßerit jchädlichen Mäuje find, und da Jie vornehmlich dazu berufen ericheinen, Erhalter des Gleichgewichtes in der Natur diefen äußerit vermehrungsfähigen Nagern gegenüber zu jein. Ganz bejonders wird dies 3. B. von den nordamerikanijchen Swerg- ohreulen behauptet. Don den deutjchen Eulenarten kann nur der Uhu als jchädlidy angejehen werden. Aber leider geht es falt immer jo, dab das Dolk auf Heller und Pfennig den direkt zugefügten, manchmal recht Rleinen Schaden anzugeben weiß, aber den oft indirekten, großen Nußen, der ja aud) bei den meilten Eulenarten erdrückend beweiskräftig gezeigt werden kann, nicht zu würdigen vermag. Jeder Haturfreund muß dieje Srage nad Nuten und Schaden einer Dogelart durd) gründliche Beobadhtung und Unter- juhung zu löjen juchen. Es ilt dies allen Gejchöpfen — aljo aud) den Eulen — gegenüber eine fittlihe Pflicht; denn jchon wir Mlenjchen fordern bei unjerer eigenen Beurteilung durch andere nichts weiter als in eriter Linie — — — Öeredtigkeit ! Nordamerikanijhe Swergohreule am Eingang ihrer Schlafhöhle. 996 Die Schleiereule. Don Martin Braef. Im äußeren Wirtichaftshof des alten Klojterguts, da gibt’s eine ver- geljene Ecke. Dort lehnt an der Mauer eine gebrehlihe Scheune. Die Sücken im Dad) geitatten der Sonne ungehindert den Sutritt, dem Regen, dem Sturm, je nadı dem Wetter. Am Giebel hängen locker und \hief nod ein paar Bretter; fie klappern im Winde. Das morjche Tor liegt jhräg in dem Eingang, nur von einer Angel notdürftig gehalten. ilberall wucherndes Grün. Das Unkraut bildet fajt undurhdringlichhe Wälder: Brenneljeln, weihe Dolden vom Kälberkropf, leuchtende Nachtkerzen, und darüber aus dem Rlaffenden Spalt der Mauer jtreckt jich mit verkrüppeltem Stamm der Holunder, dejlen duftende Blütenjchirme jich prächtig abheben von dem dunkeln Saub und dem Steingrau der Wände. Auf der andern Seite ein uralter Kirfhbaum, hohl der Stamm und Rnorrig die Älte. Noch jhmückt er in jedem Srühjahr die Sweige mit jchneeigem Weil; und jaftigem Grün, wie er’s aus den Tagen der Jugend gewöhnt it; aber Früchte bringt er nicht mehr hervor, es drückt ihn das Alter, und niemand verlangt’s von dem Patriarchen im vergeljenen Winkel. Sonit ijt alles jo jauber im geräumigen Dorhof, jedes Plätchen jorgjam benußt. Hier das Gewächshaus und die Rojenjchule des Gärtners, dort auf dem Rajen Obitbäume, jorglich gepflegt, dann das weite Sparrenwerk, wo die Luftziegel trocknen, und ein Rlein Häuschen daneben für den Siegel- jtreicher und feine Samilie. Warum nur die vergejiene Ecke ? Saft es, das alte Gerümpel, jo hatte der Amtsverwalter gejagt, es jteht niemand im Wege; die Leute müßten ja ausziehn, die Jeit Jahren dort wohnen. Sie liefern pünktlich den Sins ab, viel mehr als das Loch eigentlicd, wert ilt. Dem alten Kirihbaum im Winkel tu’ ih auch nichts zuleide. Er zahlt mir noch heute den Plab, den er einnimmt; kein Gnadenbrot ilt’s, was er verzehrt, wie Diana, die alte, mit ihren itociteifen Beinen. Wenn zwijchen dem dunkeln Laub feiner Genojjen die leckern Kirichen jich röten, da reifen auch feine Srüchte heran, freilich im Innern des Stamms und der knorrigen äjte. Alljährlihh brüten Kohlmeije und GBartenrotihwänzchen in dem Schuße des Alten, aud der Wendehals hat ji jchon eingejtellt und 957 der Kleiber. Wenn die Jungen in der Höhle nad) Sutter verlangen und wenn jie flügge, dann halte ich meine Ernte; viele taujend Spinner und Spanner, Bohrer und Stecher weniger in ein paar Wochen, das will jchon was heißen und fällt ins Gewicht. Und ähnlich ijt’s mit der gebrechlichen Scheune. Dort hauft jeit Menjchengedenken ein einjames Pärchen der Schleier- eule zwilhen den Sparren des Days. Hur dem Abergläubijchen jagen die nädhtlihen Dögel Surdht ein und Grauen durch ihre häfliche Stimme und ihren lautlojen Slug, ein dunkler Schemen, der vorüberhujcht oft nahe am Kopfe des zu Tode Erjchrocknen. Wie töricht! Mir jind die Eulen die treueiten Bundesgenojjen im Kampfe gegen die graufelligen lager, die lält’gen Bewohner der Acer und Gärten. Wie viele Kaßen erjeßt ein einziges Daar jolcher Seldpolizilten ! Und Eulen gab’s allezeit viele innerhalb der Mauer, die das Kloiter mit jeinen Höfen, Gärten und dem ehrwürdigen Parke umzieht. In den hohlen Bäumen brüteten die Waldkäuze, drei Paar oder vier; eins hatte jih einen Raubvogelhorit erwählt, ja einmal legte ein Weibchen ein Ei auf den Boden einer Scheune, doch verließ es den Plab, da es geitört ward. Das ilt dann ein heulendes Hohngelädter um die Mitte des Märzmonds am Abend bis jpät in die Nacht, wenn die Käuze jich paaren; jchauerlic klingt’s aus den Kronen der Bäume, deren äjte, unbelaubt nod, jic) |hwarz abheben am Himmel, den der Mond mit jilbernem Lichte übergieht. Dazu das hohe „kuwiff, Ruwiff“ des niedlichen Steinkauzes, hier aus dem bit: garten, jowie dort von dem alten Gemäuer im Park her. Und als dritte im Bunde die Schleiereulen; wenn ihre Derwandten die Luft erfüllen mit Ihaurigem „huhu“, wenn das „‚Leichenhuhn“ ruft, „komm mit, komm mit“, dann erheben aud; jie ihr Gejchrei. Heiler Rlingt es, doch laut, bald höher, bald tiefer, RKlagend bald und miauend, bald wütend und fauchend, der Kaßenmufik zu vergleichen, die von den Dächern der Ställe und Scheunen Rreijchend herübertönt, ein entjegliches Jammern. Eulen und Kaßenjtimmen, gut vermilcht, um die Wette jingend in monöheller Nacht, das ilt ein Höllen- ipektakel, ein jchauderhaftes Konzert. Den ganzen Winter hindurd) waren die Schleiereulen ihrem langjährigen Wohnplaß im Sparrenwerk der alten Scheune treu geblieben. Sie führten hier ein zurückgezogenes Leben. Tagelang kamen jie nicht hervor aus ihrem Derjtek. Die helle Sonne, die gliernd jchien auf die blendende Schneedecke, tat ihren Augen weh; jelbjt manche Winternadht verträumten lie müßig in dem Gebälk. Was jollten jie auch draußen im Sreien, wo der Winter jein rauhes Regiment führte und alles Leben jid) zurückzog vor dem mächtigen Berrjcher des Yordens in warme Deritecke! Sreilich der Hunger tat weh, und dann verließen jie wohl in finitrer Nacht bisweilen die Wohnung und flogen hinüber ins Tannengeäjt, wo jie den Spitmäujen auflauerten, 998 die unter dem Schnee im Efeugerank und buchsbaumumjäumten Beet ihrer kleinen Beute nadhjpürten. Manchmal aber Rehrten die nächtlichen Jäger nur halbgejättigt zurück, und wenn dann am Morgen der Schneeiturm nicht ein paar Sperlinge durd; die Lücken der Scheune hereintrieb, daf jie die armen Slüchtlinge mit jicherm Griff fallen konnten, jo mußten die hHungrigen Eulen wohl aud am Tage ihr Heim verlaljen, ganz gegen ihre Gewohnheit, und jich lautlos im Park von einer Koniferengruppe zur andern |chwingen, bis jie die große Weimutskiefer im Herrichaftsgarten erreichten, die zahl- reihen Spaßen zum Unterjchlupf diente. Sreilid) die hungrigen Krähen, die ji in der Nähe der Höfe herumtrieben, vereitelten ihnen nicht jelten den Sang. Die jchwarzen und grauen ÖGejellen erhoben jtets ein wültes Gejchrei, wenn Jie eine Eule eräugten, und umflogen den Baum, jeßten ih) audy auf die Alte und rückten krächzend dem verhaften Nadhtvogel näher und näher, jo tief aud) Jich diejer verjteckte in dem dunkeliten Winkel, daß jein jeidenweiches Gewand den Stamm der Kiefer berührte. Aber Maul- helden blieben es doc}; jie wichen zurück, wenn der Kauz fich Itreckte und dann wieder jich duckte, mit den Slügeln jhlug und jo jeltiam Knackte mit dem gebogenen Schnabel. Gewöhnlich verharrte die Schleiereule bis gegen Abend in dem dunkeln Geält. Dann hatte aud; die freche Gejellichaft der Spaben das Schelten und Kreilchen jatt; jie zeritreute jich hierhin und dorthin, und unbehelligt wählte jich der tagjcheue Dogel ein anderes Plätchen, wo er gewöhnlich noch einen der Ruheltörer erwilchte und ihn befriedigt hinabwürgte. Nun it der Winter dem Lenz gewichen. Don den Dögeln im Gutshof, da war es die Amjel, die fein Kommen zuerjt mit jühem Lied begrüßte; dann ihre Baje, die Singdrojjel, die von den Bäumen des Parks ihre jubelnden Strophen hinausjang bis jpät in das nächtliche Dunkel, und als die lete veritummt war, da heulte der Waldkauz jein Lied. Das hörte die Schleiereule bei ihrem Jagdzug. Sie dachte, noch ein paar Tage, wenn’s lau bleibt in nächtlicher Stunde, dann probiere audy ich meine Stimme; im ÖGejang nehm’ ich’s auf mit allen Derwandten, nicht jo dumpf wie der Waldkauz, jondern höher und jchärfer, kreilchend und laut, bald gedehnt und bald in rajcherem Tempo. Ihr jollt es dann hören; was id) einmal gelernt hab’, das Rann ich, wenn id) auch in leter Seit den Schnabel meiltens gehalten. Und jchon am näditen Abend, da jchallte jo laut der Hochzeitsgejang des jeltjamen Pärchens, bald von der Ruine herab, bald vom Giebel des Wohnhaules, jett vom Park her, und jeßt von Scheune und Stall. Spielend jagten ji die Dögel von Dah zu Dad, von Baum zu Baum, und die Turmuhr des Herrenhaujes hatte längit die Mitternachtsitunde jchon ge- meldet, ehe jie ernitlicy ran dachten, dem Gejchäft ich zu widmen. Sie 959 fingen in Rurzer Seit Seldmäufe genug, den Hunger zu itillen, ein paar Spi5mäuje auch; zuguterleßt jchlug der eine von ihnen noch eine Ratte, die oben am Dadfirit jpazieren ging, vielleicht vom Mondichein gelockt. Das war ein harter Kampf mit dem bijjigen Iangjhwänzigen Nager. Aber die Eule hatte tief ihre jpißen Krallen in Rücken und Nacken des Gegners gebohrt; jie hackte mit dem weihlihen Schnabel jo heftig ein auf feinen Schädel, dak ihm Hören und Sehen verging und er laut aufjchrie. Doch der Kauz madte kurzen Drozeh, er fahte die Ratte nod) feiter mit feinen Klauen und trug Jie, jo jehr die Gefangne ji wehrte und jchrie, durch die Luft nad) der Scheune. Dort ja der Gatte jchon ruhig in dem Gebälk; zwei Spißmäufe hatte er aufgejpeichert, um fie fpäter in aller Ruhe zu verzehren. Kaum jah er den Genojjen mit der jich wehrenden Lajt in den Sängen, als er fauchend hinzujprang, und unter den Schnabelhieben der beiden hauchte der Nager jein Leben aus; der Übermaht mußt’ er erliegen. Dann zogen ji die Sieger zurück in den dunkeljten Winkel und ordneten wohl eine Stunde lang ihr weiches Gefieder. Immer von neuem nejtelt der Krummjchnabel in den feinen rojtgelben Sedern der Unterjeite, deren Enden an der Brujt jo jchön befett find mit Ihwärzlichen Perlflecken, oder er glättet jorgfältig jede einzelne Schwinge, auf weißlichem Grunde dunkel gebändert, jede Slügeldeckfeder, tief ajd}- farben, hell gewäljert und mit jhwarzen und weißen Sprißfleckhen gar niedlich geziert. Auch den Oberrücken vermag der Schnabel nod) zu erreichen, obgleih es jcheint, als jei der Hals zu kurz zu diefer Bewegung. Aber gerade ein Eulenhals ilt frei in jeinen Gelenken. Wie beim wilden Jäger, der durch; die Nacht jtürmt, jo jißt nicht jelten bei jeiner weich befiederten Gefolgihaft das Gejicht im Nacken, freilich ohne daß der Hals verrenkt wäre, wie bei ihrem geilterhaften Gebieter. Auch jede Feder des roltgelben, dunkler gebänderten Schwanzes wird einzeln durd) den Schnabel gezogen, und jchließlich werden die weichen, wunderjchön geperlten Kopffedern mit den Sehen ge- ordnet, ebenjo der herzförmige weihliche Schleier vor dem Geficht. Yun ilt die Toilette beendet, und befriedigt jegen jich unjre Käuze zur Sielta zurecht, der eine hier, der andere dort im Halbdunkel des Sparrenwerks; denn ganz finjter it es nirgends mehr unter dem jchadhaften Dach, nachdem draußen die helle Märzjonne aufgejtiegen ilt hinter dem dunkeln Park. Sum verwecjeln ähnlich, jind jich die beiden, nur etwas größer ımd plumper das Weibchen, und vielleicht ein wenig dunkler fein perlenbejeßter Mantel. Komijch die Phnliognomie der ruhenden Eulen. Der rojtbraun umfäumte Schleier ilt breit gezogen, da er falt rundlich erjcheint, nur mit herzförmigem Ausjchnitt über der Stirn. Tief liegen die großen, dunkelbraunen Augen in dem zarten Gefieder, blaujhwarz die weite Pupille, beweglich die Lider. Das eine Auge ilt ganz zugekniffen bis auf einen querliegenden dreieckigen 560 Scleiereule. Spalt, während das andre, weit geöffnet, träumeriich vor jich hinblickt. Don dem Krummjchnabel jchaut nur der gelbliche Sirjt ein wenig aus den Sedern hervor; jeine Seiten und jeine Spibe jind ganz verdeckt vom Schleier- gefieder. Der große Rugelrunde Kopf, den Schultern unmittelbar auflitend, it um ein paar Grad jeitwärts geneigt; dies gibt im Derein mit dem ruhig blickenden Auge dem ganzen Gejicht den gutmütigiten Ausdruck, als könnte der Dogel kein Wäjjerlein trüben. Die Läufe jind veriteckt im Gefieder; nur die weit gejpreizten Sehen, mit Borjtenhaaren dürftig bejegt gleich dem Schwanz der getöteten Ratte, jchauen hervor; dabei greifen die Sehen des einen Subes teilweile über die Sehen des andern, wie es die Raubvögel lieben im Siben. Anfang April hat jid) endlidy das Weibchen bequemt, ein Ei zu legen. Den Winkel, der ihm geeignet |chien fürs Brutgejchäft, hatte es jich jchon lange Seit vorher ausgejucht, dort wo einer der Dachbalken aufligt auf dem alten Gemäuer und diejes eine Rleine Dertiefung bildet, angefüllt mit ab- gebröceltem Kalk. Die Eule liebt ihr erites Ei über alles; denn jobald jie zurückkehrt von einem Ausflug, jhaut fie jofort nad}, ob das Rreideweiße baucdhige Tönnchen noc unverjehrt liegt auf jeinem Plaße. Dann Rauert lie jich zärtlih darüber und beginnt jchon jet zu brüten, ohne erit auf die andern Eier zu warten, die jie im Lauf von ein bis zwei Wochen hinzulegt; fünf oder jechs Jind es im ganzen. So Jitt das Weibchen falt ununterbrochen gegen drei Wochen auf jeinem Gelege ; nur einmal am Tage in der Dämmerung des Abends oder auch gegen Morgen, ehe die Nacht gewichen, verläßt der brütende Dogel den jtillen Winkel, um die Glieder zu jtrecken und wohl aud) jelbjt eine Maus oder einen Maulwurf zu erjagen, obgleich der treue Ehemann die Speilekammer daheim jtets jo reichlich mit friichem Sleiiche ausitattet, daf Rein Mangel herrijcht. Man jieht’s ja au) an den Gewöllen, die herum- liegen auf dem Boden hier und da, bejonders in der Mähe des Hiltplates, daß für den Magen jtets gut gejorgt ilt, aud) in der Sichtendickung an der Klojtermauer und unter der herrlichen Blautanne im Dark findet man eine ganze Menge der rundlichen wurjtartigen Gebilde, von jchwärzlicher Sarbe, wenn jie nod) friich jind, grau und bröcklich, wenn jie bereits längere Seit im Sreien gelegen. Im übrigen aber widerjtehen jie allen äußeren Einflüjjen jehr hartnäckig, und falls jie nicht von einem Pla®en durchweicht werden, kann es Monate dauern, ehe ie jich in ihre Beitandteile auflöfen. Außen find die Gewölle gewöhnlich umgeben von einem jchwärzlid)- grauen Filz aus Mäufehaaren, der weie Knochen und Knöcdelchen einhüllt, oft den ganzen Schädel einer Maus oder Spikmaus birgt, am Hinterkopf eingedrückt, bisweilen auch unverjehrt, daneben den Unterkiefer mit feinen Sähnchen. Ausnahmsweile finden jih auch Reite von Federn; denn mande Kleinvögel, namentlih Spaßen, werden von den Eulen erbeutet, wenn 569 die Jagd auf Seld-, Mühl: und Waldmäufe, auf Spigmäuje und Wajjerratten nicht lohnt, jih aud) Rein Maulwurf blicken läßt und keine Ratte. Dod enthalten die Bewölle der Schleiereule hauptjächlich nur Reite vom Klein- gefieder ; denn vor dem Kröpfen des erbeuteten Dogels wird diejer notdürftig von der Eule gerupft. Auch Srojchknöchelchen weilen manche Gewölle auf und hie und da das Panzerjtück eines Injekts. Namentlich in den Slugjahren der Maikäfer bergen die merkwürdigen Gebilde zu der betreffenden Seit eine große Mlenge unverdaulicher Reite diejer braunen Gejellen. Die Haupt: nahrung der Schleiereule bejteht aber, das beweilen die Gewöllunterfuchungen aufs deutlichite, aus Feld» und Waldmäujen, daneben allerdings aud aus einem reichlichen Prozentjat an den jo nüßlichen Injektenfrejjern Wald- und Swergjpigmaus, die ihres übeln Geruces wegen von vielen Räubern ver- Ihmäht werden. Eine Sledermaus, ein Maulwurf, ein Buchfink wird nur gelegentlich einmal erbeutet. Übrigens jchaden vergiftete Mläufe, die den Krähen auf den Seldern jo verhängnisvoll werden, den Eulen Raum; denn \obald jich eine unangenehme Wirkung des Giftes bemerkbar madıt, brechen lie die genojjene Nahrung einfach wieder heraus. In diejer Kunit jind die Eulen Meijterinnen; jie haben jic) ja im Empor- würgen der bewölle geübt von Jugend auf. Mad) dem Straß jitt der Kauz einige Stunden regungslos in jeinem dunkeln Deritek; nur der Magen ilt tätig. Alles Derdauliche läht der Pförtner eintreten in den Dünndarm; zu den Haaren, Sedern, Knochen, Injektenpanzern aber, da jpricht diefer Wächter der Derdauungsorgane: Surük, hier ilt der Weg für euch verjperrt! Und nun formt der Magen die unverdaulichen Speijerejte zu einem MWürjtchen oder Ballen, und wenn dies fertig und gut gerundet, wird es nach oben be- fördert. Sreilich eine leichte Sache ilt’s nicht, jich des Ballajts zu entledigen. Ein Schauer zittert plößlich über das lockere Gefieder; dann legt die Eule den Kopf weit zurück, daß jid) die Federn an der Kehle aufrichten, die Augen Rneift jie zujammen, als wollte jie niejen, hebt die Schultern empor und verharrt einen Augenblick in diejer Stellung. JIett madt fie eine tiefe Der- beugung, und das Gewölle, mit Schleim überzogen, fällt aus dem weit ge- öffneten Schnabel vor ihre Füße oder hinab auf den Boden unter den Schlaf- baum. Mehrmals wiederholt fit) am Tag dies eigentümliche Schaujpiel; denn Srejjerinnen jind alle Eulen, und vielleicht gilt von ihnen dasjelbe, wie von Ulenjchen, welche der gleichen Paljion huldigen: nicht geboren find jie zu Srejjern, jondern erzogen ! Denn Anfang Mai die Jungen den Eiern entjchlüpft jind, Können die Eltern Jich nicht genug tun in zärtlicher Sürjorge ; jie jchleppen joldhe Mengen von Sutter herbei, dat die Kleinen Iimmerjatte doch Ichlieglich Itreiken, und manche Seldmaus, manches Spigmäuschen verachtet im Winkel liegen bleibt, bis es endlih von den Alten entfernt wird. Die Jungen freijen jeden Tag 964 mehr, als ihr eigen bewicdyt beträgt, und jo wird unjre Eulenfamilie, die mit den Eitern acht Köpfe zählt, täglich nod) eine bei weitem größere Sahl von kleinen Säugern vertilgen, als das ganze Dubßend Kaßen des Kloiters, das in Hof und Garten, auf Seld und Wieje umberjchleicht. Eine gut er- zogene Schleiereule vermag, wenn jie ziemlich erwacjlen üt, acht Keldmäuje „auf einen Ritt“ zu verzehren, und hat jie ji dann drei Stunden der Der- dauung gewidmet, jo nimmt jie es von neuem mit wenigitens vier Stück auf, ein Rekord, der jo leicht von keinem andern Dogel gejichlagen wird. „Hählih wie eine Eule,“ it eine gewöhnliche Redensart bei unjerm Dolke, mit der man jedocd; dem nächtlichen Dogel das größte Unrecht tut. Denn in jeiner äußeren Erjcheinung ilt nichts Häßliches, geichweige etwas Abjchreckendes oder Widerliches zu finden, und gerade die Schleiereule mit den zarten Sarbentönen des weichen Gefieders verdient diejen Dorwurf am wenigiten. Wenn etwas häflich an ihr ilt, jo ilt es nur ihr kaßenähnliches Geichrei und die Art, wie jie die blutige Mahlzeit hält. Gewöhnlicy nimmt lie das ganze Beutetier in den Radyen, ohne es zu zerteilen und jchlingt und würgt, als jei ihr die Aufnahme der Nahrung die unangenehmite, wider- willigite Arbeit. Anjtrengung freilih mag’s Roiten, bis die Maus jo weit im Schlund verfjhwunden ilt, daß nur noch das Schwänzchen aus dem Schnabel heraushängt; enölidy ein kräftiger Ruck, dann it es erreicht. Wer unire Hauskaße ein häßlihes Gejhhöpf nennt, der wird aud) an dem Anblick einer Eule keinen Gefallen finden — denn Kate und Kauz haben viel Ähn- lihkeit miteinander. Aber es gibt Menjchen genug, die den eleganten, in allen Teilen wirklich harmoniihen Bau der Kate bewundern, und die Eule iteht ihr in diejer Beziehung nicht nad). Nur die jungen Eulen entjprechen in der Tat dem allgemeinen Schönheitsbegriffe, den man jich von einem Raubvogel entwirft, jo wenig, da man das Dolk wieder des Unrechts zeihen muß, wenn es jagt: Was jung it, ilt hübjh. Aber ‚der Hachteul gefällt ihr Junges“, und gewiß würde jede einen Eid |chwören, dah jie die jchöniten Kinder bejite. Hur für den Menjchen, den Ruheltörer, der aud) den ver: borgeniten Winkel durchitöbert, haben junge Schleiereulen in den eriten MWocen ihres Lebens etwas überaus Lächerliches, Sragenhaftes, Unfertiges und Sremdartiges. Auf den Serjen hocen, die dünnen sehen weit nad) vorn ge= itreckt, fünf oder jechs Rugelrunde Geitalten, ganz eingehüllt in gelblich: weißen $laum. llber dem nod; fait kahlen Gejicht, das durch den Schnabel verlängert ericheint, wölbt ji) eine zarte Daunenkapuze; dieje trägt dazu bei, den Neitlingen einen jchafsähnlichen Ausdruck zu geben, d. h. weniger den eines lebendigen Schafs, als vielmehr die Phyliognomie, wie jie her- kömmlich die primitiven Schäfchen zeigen, die als Kinderjpielzeug auf den Jahrmärkten verkauft werden. Allmählich ändert jich das Gelicht; drei oder Dögel I. 57 965 vier Wochen alt, wenn oben auf dem dicken Kopf die eriten blaugrauen Federn zu jprojjen beginnen, ebenjo auf den Slügeln, da jind die Jungvögel von dem Schaf bereits avanciert zu einem ausgejprochenen Affen. Das Geficht, noch immer wenig befiedert, ijt runder geworden, da die Schnabelpartien jtark zurückgedrängt find. Die großen Augen jpielen gar jeltjam ; bald gloßen lie wütend den Eindringling an, bald Rneift fie der Kleine zufammen; jett öffnet er fauchend den Schnabel und zeigt jeine Waffe, die hakige Spibe, wie ein Affe die Sähne fleticht: rühr mich nicht an! Jet wirft fich die ganze ÖGejellihaft auf den molligen Rücken und verteidigt ich mit den krallenbejegten Sehen nady Raubvogelart, und jett wieder hockt fie eng beieinander, ein einziger Ballen, alle Köpfe auf den Bejucher gerichtet, der die Ruhe geitört hat. lach ein paar Wochen it das Dunengefieder falt ganz verdrängt; der weiße Schleier, farbig umrandet, hat jicy jchon deutlich gebildet; doc) Jind alle Sarben viel blajjer, und die Schönen jchwarzbraunen Punkte fehlen nod) oder jind doch ganz |pärlich. Jet wieder ein anderer Aus- druck; das affenartige Gejicht erjcheint veredelt zu menjcliher Phnlio- gnomie. Wie eine alte griesgrämige Muhme mit jpißer Nafe, die Hauben- bänder jorgjam geknüpft unter dem hageren Kinn, daß die breiten Majchen diejes verdecken, jo jieht die halberwachlene Jugend aus, wenn ihr das Sparrengerüjt in der Scheune zu eng wird und die kleine Schar zum erjtenmal die Eltern zur nächtlichen Jagd begleitet. Diel Hunger und wenig Gejchick ; die Eltern müljen noch jorgen. Bald find die Jungen ermüdet und flattern wieder zurück nad) ihrer Scheune, wo jie am Anflugsplaß die Eltern erwarten, heißhungrig und gierig, laut |chnarchend, ganz wie ein Nlenjh. Keins wird von den Alten vergejjen, auch das Neithäkhen nicht, das ji) noch nicht aus jeinem Winkel herauswagte. Auch in einer Steinnilche der alten Kirchenruine im Park wohnt ein Schleiereulenpaar ; dody kümmern fich die beiden Familien nicht um einander. Die Jungen der leßteren find aud; bedeutend älter, felbjtändig fchon; fie treiben jich die ganze acht jagend umher, und den Tag verträumen fie in den Bäumen des Parks, dicht an den Stamm gedrückt, daf; kein Tag- raubvogel jie erblicken kann troß feines Salkenauges. Schon im März faf die Alte auf den jechs Eiern, und jo kam es, daß, als die Jungen das erjtemal ihren Geburtsort verließen, die Maikäfer in Mafjen herumichwärmten zwijchen dem jungen Laub der Eichen und Objtbäume, Hochzeit feiernd in lauwarmer Hacht. Das kam der Kauzfamilie gelegen; die Alten flogen von ihrem Sibplat den Schwärmen entgegen und jchnappten die braunen Gefellen aus freier Luft weg, als wenn fie’s vom Sliegenfänger im Gartenhaus ge- lernt hätten, und audy den Kleinen gelang es bisweilen, einen Käfer zu er- wilchen, der ihren Dickkopf umjummte. ad) vielen Hunderten zählte die 966 Menge, die ihr Ende in den hakigen Schnäbeln fand, und die Gewölle bejtanden in diefen Tagen falt nur aus Maikäferreiten. JIett it Schon längit der leßte eines natürlichen oder gewaltjamen Todes geitorben, und eifrige Mäujejäger jind die Käuzchen geworden. Aber das Merkwürdigite in diejem Jahre — unter dem Dach des Kuh- jtalls im reichbejegten Taubenjchlag hat jich ein drittes Schleiereulenpaar eingemietet. Es war gegen Abend, als die Ankömmlinge die Wohnung be- jihtigten. Wie die Tauben herausflatterten vor den vermeintlichen Seinden und ängitlicy umherflogen, bis jie jich endlich niederließen auf den Dadhfirit, wo Jie die Nacht jchlaflos verbradıten. Ein Marder, jo meinten die Leute des Hofs, habe oben jeine graujame Mahlzeit gehalten; doch als einer hinaufitieg, war nichts zu jehen von einem Blutbad. Nach zwei Tagen hatten jich die rechtmäßigen Bewohner beruhigt und wie es jhien aud an die Nachtmujik jchon gewöhnt, die jeßt dem Derwalter kundtat, was für Einquartierung jeine Tauben erhielten. Schulöloje Täubchen und beute- lüjterne Räuber, jo jagte er jih, pallen jchlecht zueinander ; doch wehrt’ er dem Knechte, der jich Ichon einen Plan erdacdt, wie er die Eindringlinge mit feinen Klebgarnen, an den Ausflugslödhern des Schlags locker befeitigt, des Abends fangen könnte. Hab nur ein wachjames Auge, meinte der Berr, jobald die nächtlichen Räuber ji) an Eiern und Jungen vergreifen, ilt’s immer noch seit, ihnen das Handwerk zu legen. Dod) es gejchah nichts, was den Srieden geitört hätte. Am Tage jahen die Eulen im dunkeljten Winkel des Schlags und kümmerten ji nicht um die brütenden Tauben, nicht um den regen Derkehr, nicht um das Liebes- gurren der Täuber, und bei Einbrucdy der Nacht, wenn die Bewohner der Ruhe pflegten, das Köpfchen veriteckt unter dem STügel, da verließen die Eulen das galtlicye Haus, um nah Mäufen zu jagen. Manchmal kehrten lie heim, mit der Beute im Sang, um jie für Rargere Seiten aufzubewahren; aber jelbjt wenn der Dorrat erjchöpft war, jo ließen fie doch die Eier der Tauben unbehelligt im Hejt, und den Jungen krümmten fie nie eine Dune. Ja, was niemand für möglic) gehalten, das geijhah nad einigen Wochen: die Eulen jchritten zur Brut, und dicht neben dem Tleite einer brütenden Taube ja bald Srau Käuzin auf ihren Eiern; die beiden jo verjchiedenen Mütter berührten ji beinah. Später, als die Jungen dem Ei entichlüpft waren, fütterte dann das Taubenpaar jeine Swillinge mit dem käligen Stoff, den jie im Kropfe erzeugten, während die fünf Käuzchen fchon am eriten Tag ihres Lebens das Wildöbret genoljen, das ihnen die Eltern in Rleinen Portionen zuteilten. Als jie dann ausflogen, wimmelte es draußen von Mäujen — um die Erntezeit war's — und reich lohnten Alte und Junge die gajtliche Aufnahme, die ihnen das Kloiter gewährt hatte. Das war leichter, dachten die Eltern, als im vorigen Jahre, wo jie die Jungen erit im Yovember 37* 567 großbradhten, und der Winter kam bald. Die armen Kleinen gingen ein aus Mangel an Nahrung, bis auf ein einziges, das jidy dann gegen das Srühjahr verlor. Dielleicht hat es ein größerer Raubvogel gepackt und ge- würgt, vielleicht ilt’s das Opfer eines Tellereijens geworden, vielleicht hat jih’s verirrt in eine Kammer, wo es den Ausweg nicht fand, und ilt dort verhungert; es gibt ja jo mancherlei Tragödien audy im Leben der Dögel. Die Schleiereule hat eine weite Derbreitung ; doch liebt jie mehr ein wärmeres Klima, als manche ihrer Derwandten. So fehlt fie dem nördlichen Europa, da Jie über das jüdliche Schweden nicht hinausgeht, wo jie jchon jehr jelten ilt. Dasjelbe gilt von dem Norden Schleswigs und von Ditpreußen. Aber auch in den gemäßigten und Jüölicheren Ländern Ajiens kennt man die Schleiereule, ebenjo in Afrika. Dody ilt es auffallend, da der Dogel ohne erjihtlihen Grund in manchen Gegenden nur jpärlidy auftritt, ja völlig fehlt. In Bulgarien, Bosnien, der Herzegowina, in Montenegro 3. B. iheinen die Schleiereulen nicht zu brüten, und aud) mitten in Deutjchland gibt es manchen bau, wo Jie jehr jelten jind. Daß bei diejer weiten Derbreitung örtliche und Rlimatijche Abarten feitgeitellt werden können, darf nicht be- fremden; namentlidy ändert die Färbung der Unterjeite jtark ab von aus- gejprochenem Roitgelb bis zum reinjten Weiß. Aber die wejentlihen Art- merkmale verleugnet Rein einziger Dogel, und in der Lebensweije gleichen alle einander. Auch die amerikanische Schleiereule ilt mit der altweltlihen aufs aller- nädite verwandt. Sie liebt die wärmeren Teile der neuen Welt, wo fie meiltens bereits im Sebruar und März brütet und ihre Jungen, ganz wie in Deutich- land, in hohlen Bäumen, auf Türmen, Ruinen, in Ölocenjtühlen ujw. aufzieht. Ihr großer Nußen für die Landwirtichaft wird aud dort von allen verjtändigen Leuten anerkannt, obgleic) die Eulen natürlich, wie bei uns, auch in Amerika unter unjinnigem Aberglauben zu leiden haben. Einmal flüchtete ein Paar zu jeiner einflußreichiten Bejchüßerin, der Wiljen- haft; es 30g in einem der Türme des Smithjonian=Injtituts zu Wajhington jeine Jungen auf. Als dieje halb erwadhljen waren, unterjuchte man die Gewölle, die den Boden in großer Hlenge bedeckten — in Überzahl Reite von Mäufjen und Ratten, ganz wie bei uns! Traurig, wie oft der Menjch jeine wahren Sreunde verkennt! 568 Die Walöohreule. Don Hermann Löns. Die alte, Rrauje, breitäjtige Kiefer, die an dem Heiöwege jteht, it ein Hauptrajtplat von Allem, was über die Heide fliegt. Bier fußt der Bufjard und äugt nah Mäufen; da wartet der Raub: würger auf Eidechlen; die Ringeltauben halten dort Umjchau, ehe jie jich tränken; der Krähen Luginsland ilt der alte Baum, des Sperbers Hinterhalt, der Eliter Schwaßplaf. Es war darum etwas unvorlichtig von der Ohreule, daf jie jich gerade diefen Baum ausfuchte, um zu verdauen; aber weil er jo kraus im Wucdhle war, feine Krone jo verworren und jein Altwerk jo dicht, gefiel er ihr jo gut, da fie fich dort einihwang, als über dem Walde das Tageslicht herauf3og. Seit an einen jchrägen Alt gelehnt, Jah jie da, als wäre jie ein Auswudhs des Altes. Sie jchlief, aber jedes Geräujch in der Nähe vernahm fie, und dann öffnete fie die Augen, lockerte den Schleier und richtete die Federohren auf. Um die Rehe, die unter ihr her der Dickung zuzogen, kümmerte jie jic ebenjowenig, wie um den Hafen, der ich in dem lojen Sande dicht bei dem Baume trocken lief, und der Suchs, der den Weg entlang jchnürte und, wie immer, auf der höchiten Wurzel der Höhre ic) löjte, war ihr vollkommen gleichgültig. Ja jogar der Jagdaufjeher, der vom Hahnenverhören aus dem Bruhe Ram und unter der Kiefer feine Pfeife aniteckte, ängjtigte jie keineswegs. Als aber eine Krähe hart über die Krone des Baumes hinwegjtrich und laut quarrte, da drückte fie fich fejter gegen den Stamm, und als der Würger über ihr fußte und mit hellem Gejchrille bekannt gab, da von den Brud- wiejen her ein Menjch Romme, fühlte jie ji) recht ungemütlich. Aber weder Krähe noh Würger gewahrten jie. So genießt fie denn behaglich die warme Morgenjonne, die des Baumes Geält durdhitrahlt, und die ihr nad) der Ralten Nacht angenehm in das Ge- fieder zieht. Sie rückt weiter, bis jie das volle Sonnenlicht bekommt, lockert ihre Sedern auf, läßt die Flügel hängen, jchüttelt jich, zupft Feder um Seder zurecht, Rraßt mit dem Schnabel dort, wo es die Sederläuje zu arg treiben, 969 I. $. Stephanescu. Kudsir, Ungarn, Juni 1906. Junge Waldohreule. und gibt ji dann unter allerlei Getrippel, Halsverrenkung, Sittern und Schütteln der ebenjo notwendigen, wie läjtigen Tätigkeit hin, jich der Gewölle zu entledigen. Gerade hat jie einen der glatten, jchleimigen, aus Mäujehaaren und Knochen, Käferbeinen und Slügeln beitehenden Propfen herausgewürgt und jieht ihm mit inniger Befriedigung nad), wie er in das Gras fällt, da \chrickt jie zujammen, denn nicht weit von ihr erklingt ein hartes, jcharfes, dünnes Öezeter. Ein Rotkehlchen ilt es, das die Eule entdeckt hat. Sort= während zeternd flattert es hin und her, kommt näher, weicht zurück und lärmt immer toller. Nody ein zweites folgt, ein Örittes, ein Weidenlaubvogel itellt ji ein, eine Kohlmeije gejellt jih hinzu, Tannenmeilen müljjen aud) dabei jein, die Haubenmeile fehlt ebenfalls nicht, und die ganze Gejellichaft tanzt und jpringt und flattert und hüpft um die Eule herum und jchimpft und jchmäht und lältert. Es dauert gar nicht lange, jo it auch das Amjelpaar da, und nun ilt es kaum mehr zum Aushalten, ein jolcher Lärm erhebt jich jet. Aber als 970 Es _— = © - „= o° De} - S 8 © je] oe 3 mn 5. $. Stephanescn. Kudsir, Ungarn, Juni 19006. Junge Waldohreulen auf dem Horitbaum. S. F. Stephanescu. Kudsir, Ungarn, Funi 1900. Junge Waldohreulen auf dem Horjtbaum. dann noch ein Häher angeflattert Rommt, der der Eule in ganz rüpelhafter Weile zuleibe geht und dabei einen Höllenlärm macht, da wird es ihr zu dumm; mit jähem Ruck jchwingt fie fih ab und jchwenkt über die Heide, gefolgt von der jchimpfenden Gejelljchaft, zu der jich unterwegs nod) eine Krähe gejellt, die jo hart auf die Eule haft, daf; diefe dem Stoße des Icharfen Schnabels eben noch durch eine blißjchnelle Doppelwendung entgeht, mit der jie in dem rauhen Kiefernitangenorte untertaucht. Noch eine Weile juchen ihre Derfolger mit viel Lärm die Ränder des Stangenholzes ab, dann wird es allmählich) till. Sür heute hat die Eule vollkommen genug von dem Tag und feinem Öetier und jo bleibt jie in einer dichtältigen Krone fiten, bis die Sonne hinter den Heidbergen zur Rüjte geht, Amjel und Milteldrofjel den Ie&ten Pfiff tun, die Himmelsziegen mecern und das Rotwild aus der Dickung tritt. Da fühlt jie jicd) wieder jicher und weil der Abend jo jchön warm und weich it, jehnt jie jich nach Gejellichaft. Aus ihrem Derjtecke heraus jchwenkt jie bis an den Rand des Beitandes, hakt auf einem hervoritehenden Alte auf 975 und wartet da ein Weildyen. Dann ruft jie in langen Paujen nad) ihres gleichen. Ein tiefes, hohles „Huh” it es, das Jie ausjtößt, ein Ton, der jo klingt, als wäre er in der Erde und zugleich in der Luft, ganz in der lähe oder weit weg im Moore. Don jenjeits der heidwüchligen Blöße aus dem Kiefernaltholze kommt ein helles Heulen, ein lautes ‚„Wuhiwuhi”, und dann jchwebt lautlos ein Ihwarzer Stricy heran, haarjcharf auf jie zu, jchlägt die Flügel zulammen, da es laut Rlatjicht, gibt ihr einen Stoß, daß jie von ihrem Site gedrängt wird, und folgt ihr in jeder Wendung, die jie an der Kante des Holzes entlang macht. Eine geraume Seit jagt das Männchen das Weibchen auf der Heide bin und her, dann tauchen beide im hellen Holze unter und unken dort ihren dumpfen Swiegejang, bis das Männchen abermals heulend, mit dem Schnabel Rnappend und mit den Slügeln Rlatjchend das Weibchen treibt. Der Hunger bejiegt jchlieflich die Liebe. Die eine Eule jagt auf der Heidblöße, die andere am Rande der Wieje. Ab und zu Shwenkt das Männchen dorthin, wo das Weibchen jagt, und macht ihm heulend und Rlatjchend den Hof, aber dann trennen jich die beiden wieder und jedes jagt für jih. Der halbwüchlige Maulwurf, der auf der Sohle des trockenen Grabens auf der MWürmerjuce it, fühlt einen furdhtbaren Schmerz in den Slanken. Er hampelt und jtrampelt, aber ein Bi in das benick tötet ihn. So, wie er ijt, mit Haut und Haar, Rröpft ihn die Eule und jagt dann neben den Gräben auf und ab. Plump läßt jid) ein Miltkäfer auf der Erde nieder. Dier Krallen faljen ihn. Er jtellt jich tot, aber das hilft ihm nichts ; er Rommt dorthin, wo der Maulwurf it. Am Staugraben zwitjchert es jchrill, plätjchert und plumpit es. Die Eule rüttelt über dem Wajjer und in demjelben Augenblicke, wie die Wajjer- Ipigmaus auftaucht, üt jie erfaßt und totgekrallt. Öanz jo, wie die eine Eule hier an der Wieje, treibt es die andere auf der Heide. Slink ilt die Maus, aber jchneller ilt die Eule; die Brille, die im Öraje hüpft, entgeht nicht ihren hellen Augen, und ihre feinen Ohren vernehmen das leile Rajcheln, das die Blindjchleiche verurjaht. Sie dreht und windet jich vergeblid) in den mit acht Rrummen Dolchen bewehrten Griffen des Nachtvogels, aber der krumme Schnabel bricht ihr das benic, Ruk um Ruck verjchwindet jie in dem weiten Racdyen und hinterdrein folgt ein Mloorfrojch, der nicht mehr die Seit zum Sprunge in den Graben fand. Die Heide ilt dürr und die Wieje ilt na, mehr Beute ilt in der Seldmark zu finden; wie auf Derabredung jtreicht das Eulenpaar dorthin, wo jchon zwei Turmeulen vom Dorfe auf der Jagd jind. Gegen Morgen aber jind die Ohreulen wieder in ihren dunkeln Heidwäldern, wo jie unken und jeufzen, bis die Nacht zu Ende geht und das Sonnenlicht die Dögel des Tages weckt und die Eulen die helle Seit verjchlafen und verdämmern, bis abermals die Nacht über die Heide zieht. Waldohreule. Nit geringer Abwecjlung jpielt ji} jo die nächte Seit ab, bis das Weibchen ic gedrängt fühlt, eine Wiege für die künftige Brut zu Juchen. Da jie jelbjt nicht baut, jo jucht jie nach einem verlaljenen Taubennejte oder Krähenhorjte. In der Nähe findet jich nichts Paljendes; jo Itreicht fie nad) dem Wohlde hin, einem wildwüchligen Mijhwalde von Fichte und Eiche, Erle und Birke. In einer vieläjtigen Eiche, dicht umwacjen von Sichten, iteht in guter Deckung ein Krähennejt. Das wählt jie. Bald liegen fünf runde weiße Eier darin. Langeweile hat das Weibchen beim Brüten nicht, denn es ilt hier, wo der Boden jo jumpfig und das Unterholz jo gejchloflen it, immer jtill und heimlich, und jo unkt und heult jchon in der Dordämmerung das Männchen fleijig um den Borjtplaß. Selten gibt es eine Störung ; die Kuhjungen, die im Bruce hüten, wollen wohl einmal nad Taubenneitern juchen, aber da bellt und heult und Rlatjcht das Eulenmänncen jo gefährlich, daß es die Jungens mit der Angjt bekommen und fortlaufen. Ein anderes Mal will ji eine Eichkaße bei dem Borite zu jchaffen machen, wird aber von den beiden Eulen jo jcharf angegriffen, daß es fauchend und Ihhnalzend das Weite juchte. So brütet denn das Weibchen in aller Ruhe und wenn es aud) ab und zu jelber jagt, in der Hauptjache jorgt das Männchen für Stab. Das wird ihm von Tag zu Tag leichter. Im Bruche gibt es Wühlmäufe, Waldmäufe und Spigmäufe, an Sröfchen und Blindfchleichen mangelt es nicht, an Klein- vögeln allerart und an großen Kerbtieren it Überfluß. Als dann aber fünf weiße Wollklümpchen in dem alten Krähenhorite jiten und fortwährend mit dünnem Öepiepfe nad Abung gieren, da muß; das Eulenweibchen wieder mit auf die Jagd. Fünf junge Eulen haben fünf hungrige Mägen, und es genügt ihnen nicht, gibt es erjt von der Dämmerung an Sutter. Und wenn die fünf Jungen aud über Nacht bis oben hin voll gejtopft find, nachmittags fangen Jie jchon wieder zu fiepen an. Dann hilft weiter nichts, als daß die Alten fih) aufmahen und zufehen, ob es nicht etwas zu greifen gibt. Geichickt Ihwenken jie im düjteren Bruchwalde hin, hajchen die Maus und den Jung- vogel, die Eidechje und die Heujchrecke, und tragen fie zu Borite, wo ihnen gierige Schnäbel die Beute entreißen. Don Tag zu Tag nehmen die formlojen weißen Wollklumpen in dem Krähenhorjte mehr Gejtalt an, weijen zwijchen den langen Dunen immer mehr buntes Gefieder auf, die Schwungfedern jprengen die Hüllen und aus den weißen Wujchelköpfen recken fich die Sederöhrchen. Nun wird es den jungen Eulen zu langweilig in ihrem Nejte; wenn die Sonne jo recht warm Iheint, Rlettern fie über auf den Horitrand, wagen nad Tangem Bejinnen, unbeholfen flatternd, den Sprung auf den dicken Sichtenalt, und weil fie dort noch nicht Sonne bekommen, hüpfen fie auf den nädjiten Eichenalt, rutjhen jo lange darauf entlang, bis jie den jonnigiten Sleck erreicht haben, 579 und dann rücken jie aneinander und lafjjen ji von den Sonnenjtrahlen ordentlich durchwärmen. Don Tag zu Tag werden fie Recker; das Ältelte wagt ich Schon weit hinaus in die äußerten Äjte der Sichte, wenn es die Alten näher rufen hört, um ihnen die Beute zu entreigen. Dabei bekommt es auf dem jchwanken Sweige das Übergewicht, hängt erjt eine Weile kopf- über und flattert dann ungejcickt zu Boden. Angjtvoll Tockend umflattern die Alten es und juchen ihm zum Aufbaumen zu verhelfen, aber es ilt noch zu ungejchickt und fliegt ängitlid” am Boden umher, bis die Süchjlin es gewahrt und es ihren Jungen bringt. Einige Tage jpäter purzelt das zweitältejte Junge aus der Fichte und flattert zu jeinem Unglücke gerade dahin, wo die beiden Hütejungen liegen. Mit einem Sreudengeheul nehmen lie es auf und bringen es abends jtol3 mit heim; nach drei Tagen liegt es tot auf dem Milt; es mochte weder Ralte noch warme Kartoffeln und Speck und Schinken aud nicht und verjchmachtete elend. Drei Junge bleiben dem Eulenpaare no, und die zieht es glücklicd) auf. Bald ilt der Krähenhorit zu eng; die drei Gejchwilter flattern hinter den Alten her, erit von Alt zu Alt im Bruchwalde, dann über den verwacjlenen Holzweg, und jchlieflih auch von Baum zu Baum in das nebelige Brud) hinein, wo jie jich in den Krüppelkiefern und Kopfeichen verteilen und fort: während unken und fiepen, bis die Alten mit irgendeinem Öetier in den Griffen angeitrihen kommen. Und eines Tages gelültet es jie, jelber zu jagen, denn gar zu verlockend hüpft eine Waldmaus zwilchen den Moorbeer- büjchen umher. Der Derjuch gelingt, und mißlingt ein anderer aud) wieder, ehe eine Woche vergeht, forgen die drei jchon falt ganz allein für fich, wenn jie auch immer noch gern die Maus nehmen, die die Alten ihnen zutragen. In der näditen Woche aber jind die Jungen ganz jelbitändig und die Samilie löjt ji auf; jedes Stück hält jicd) für ji und jagt, wie es gerade kommt, bald in der dürren Heide, dann an den Wiejen, heute im einjamen Moore und morgen in der Seldmark, wo jich die meilten Mäufe finden. Davon gibt es in dem Jahre reichlich. Es ilt der zweite trockene Sommer gewejen und das Unzeug hat über die Maßen geheckt. Im Sandlande jpürt der Bauer nicht joviel davon, aber auf dem jchweren Boden hat er alle Urjfache, zu Klagen. Es wimmelt und Kkrimmelt überall von Seldömäufen; die Seldraine jehen aus, wie Siebe, die Klee- und die Luzernejtücke jind kreuz und quer von den Gängen durchzogen, überall liegen die zernagten Getreideähren, die abgebiljenen Halme umher. Aber wo Mäuje jind, da gibt es aud; Eulen. Erit kommen aus den benachbarten Bergwäldern die Käuze und Obhreulen in das Öetreideland, dann wandern aud) die aus den Kiefernwäldern der fernen Heide zu. Alle Wälder und Dorhölzer beherbergen lie über Tage, die Käuze und Waldohreulen, und überall in den Kartoffel: äckern liegen die Sumpfohreulen. In der Dämmerung Streichen ie über 580 ” ag PrOSSE 2; N: A x 5 ws * * rd: ; _ x / 5% : 5) NT 7 Se 25 - Funi 10908. Trebbichauer Busch &b. Cöthen, 9. 7, Behr. Trebbichauer Busch b. Cothen, 9. Juni 1908. Junge Waldohreule in Schrecitellung. IT. Behr. Junge Waldohreule in Kampfitellung. IT, Schelenz, Bulacher Wald bei Karlsruhe i. B., Juni 1908 Junge Waldohreulen im Borit. die Kleejtücke und Koppelwege, rütteln an den Rainen und auf den Stoppeln und unzählige Mäuje enden in ihren jcharfen Griffen. Bier, bei dem großen Eulenitelldichein, jchlagen jich, je mehr der Herbit heranrüct, die Waldohreulen zu Rleineren und größeren Slügen zulammen, tauchen in Rleinen Dorhölzern auf, wo nie eine Waldohreule horitet, über- nachten, wenn jie keinen Wald antreffen, in Kartoffeläckern, Rübenfeldern und Weingärten, ja jogar auf dem blanken Sturzacker, und eritaunt jieht der Bauer, der die Surche entlang geht, wie jein Hund eine Eule nad) der andern hochmadt, und nod) mehr jchüttelt er den Kopf, als jich überall zwilhen den Schollen graue ÖGeitalten erheben, pu&ig anzujehen mit ihren dicken, gehörnten Köpfen, bis der Spit ihnen näher kommt und jie jic) mit quäkenden Rufen erheben und jchwanken Sluges davonitreichen. Unitet und ruhelos wandern die Eulenflüge umher; wo es Mäuje gibt, da halten jie ji auf und Jie ziehen weiter, haben jie darunter auf- geräumt. So manche wird von rohen Schieern heruntergeknallt, andere verenden elendiglih in Pfahleilen und ungebildete Menjchen nageln Jie, die eigene Dummheit damit aller Welt kundgebend, an die Scheunentore, zum Dank dafür, daf; fie die Selder von den Mäufen befreiten. 985 Kachtichwalbe (Caprimulgus europaeus L.). Aufnahmen von Steenhuizen. Nachtjchwalbe neben ihrem Ei. Mmuiden, Holland, Juni 1906 Brütender Dogel. Hmuiden, Juni 1906 (links). Alter Dogel neben jeinen beiden Jungen. Hmuiden, Juni 1906 (redhts) Edeljajan (Phasıanus colchicus L.). Aufnahmen von A. Shrammen, M. Steel, Steenhuizen. Nejt mit 36 Eiern. Wahrjcheinlic die Gelege mehrerer Hennen in einem Mejt. Nmuiden, Holland, Juni 1906 Brütende Sajanenhenne.. Hmuiden, Juni 1906 Sajannejt mit Gelege, zwiichen blühen- den Maiblumen. Oelber a. w. Berge, Mai 1907 ERBEN Sajane (Hahn und Henne) im Lager . Ringfajane auf einem Stoppelfeld. Schlejien, Oktober 1907. Sur Ajung austretende Schlejien, Oktober 1907. Aufgebaumter Ringfajan. Oktober 1907 Bd Ringfajane. ‚Schlefien, Baubenfteißfuß (Colymbus cristatus L.). Aufnahmen von Steenhuizen. Brütender Dogel, im Begriff das Meit zu verlajjen. Naardermeer, Holland, Juni 1909 ne Derzeichnis und Erläuterung der Bilder. Seite 5 19 21 2% Seite Mejt mit Gelege. Naardermeer, Mai | NIOOR RAS U DET ES VE Se 20 ' Junges, ı Tag alt, auf einem Teid)- rojenblatt ruhend. NHaardermeer, ' Juni 1905 27 | Tlejt mit bedeckten Eiern. Der brütende ' Dogel bedeckt beim Derlajjen des reits jein Gelege mit faulendem Kraut zu. Taardermeer, Mai 1905. . - ' Brütender Dogel in voller Ruhe. Naardermeer, Juni 1906 A | Schwarzhalstaucher (Colymbus mgricolls Brehm). Yejt mit Gelege. R.B. Lodge nach Nadtiaall (Luscinia philomela L.). Aufnahmen von R. Paul und Steenhuizen. Brütender Dogel. Nmuiden, Holland, Juni 1907 . a Alter Dogel am Neit mit ungen. Neit Y/, m über dem Boden, in einem Garten in Glogau, Juni 1907 Nejt mit Gelege. Mmuiden, Juni 1906 (links); alter Dogel bei der Sutter- juche in der Nähe des Nejts. Hmuiden, Juni 1906 (redhts) a: Drosjelrohrjänger (Acrocephalus turdoides L.). Aufnahmen von Steenhuizen. Mejt mit brütendem Weibchen. Das Männchen jingend dabei. Naarder- meer, Juni 1906 98h 59 Seite Uferichilfiänger (Acrocephalus phragmitıs Bechst.). Aufnahmen von Steenhuizen. Alter Dogel vor jeinem Neit; darin ein junger Kuckuck (von oben Sun) Naardermeer, Juni 1906 . . 49 Teichrohrjänger (Acrocephalus arundinaceus Lath.). Aufnahmen von Hoffmann. Alter Dogel im Nejt. Bern, Juli 1906 51 Star (Sturnus vulgaris L.). Aufnahmen von Bethge, $. €. Chapman, Hilbert, Jenjen, Paul, Pfaff. Stare, in Nordamerika eingebürgert 55 u. 57 Stare lejen weidenden Schafen das Un- geziefer ab. Neujtadt a. Harz, Sep- tember 1905 . 59 Am Starkajten: Alter Vogel fingend und Nijtjtoffe herbeibringend. Rathe- now, Mai — Juni 1907 . ol Am Starkajten: Alter Dogel fütternd. Glogau, Mai 1906 . . 63 Stare als Ungeziefervertilger bei ruhen- dem Dammmwild. Ein Star jigt auf dem linken Geweihkolben des mit erhobenem Haupt jigenden Dam: hirjhs, ein anderer links im Gras dicht vor dem Kopf des Damhirjchs. Connewiß b. Leipzig, Juli 1906 . . 65 Star (und Hausjpag) an der Tränke. Kiel, Mai 1907 . 0.69 Star im Bade. Kiel, Mai 1907 N Großer Brachvogel (Numentus arcuatus L.). Aufnahmen von Steenhuizen. Alter Dogel im Nejt, in welchem die Inngen eben aus dem Ei Er NDmuiden, Mai 1906. . 5 Kordamerikanijcher Brachvogel (Numenius longirostris Wils.). Swei $lugbilder des Kamen aiglen Brahpogelsä 7... . 3. „u. ) Bläßhuhn (Zulica atra L.). > Aufnahmen von Meerwarth und Simmermann. Alter Dogel (der zweite von links) und drei erwacjene Junge, verlajjen das Schilf nadı der Mittagsruhe. Rid- dagshagen b. Braunjchweig, Septem= ber 1906 . - 85 Alter Dogel, zum Angriff gegen einen andern vorgehend (oben, links); jihernd (reits) ; alter Dogel mit erwacjenen Jungen (unten). Rid=- dagshaujen b. Braunjchweig, Sep- tember 1906 . 87 Nejt mit nod unvolljtändigem Gelege. Parjteinjee b. Angermünde, Mai1906 93 Erwacdjjener junger Dogel bei der Mittagsruhe auf einem geknickten Scilfitengel. Riddagshaujen bei Braunjchweig, September 1906 . . 95 Alter Dogel (rehts) mit erwacjenen Jungen auf bewegtem Wajjer. Riddagshaujen bei Be September 1906 . - 99 Kordamerikaniiches Bläghuhn (Fulica americana Gm.). Aufnahmen von A. Radcliffe, Dugmore. Charakterijtiihes Slugbild, auf dem Wajjer die Pu der en Stande. 2 RE TKON Grünfühiges Aobekußn (Gallinula chloropus L.). Aufnahmen von Meerwarth und Steenhuizen. Schwimmender Dogel (der nächte am Schilf) in charakterijtijcher Körper- haltung in Gejellihaft von Bläß- hühnern. Riddagshaufen b. Braun: jhweig, September 1906 . . 85 Nejt mit Gelege (links); brütender Do- gel (reits). Bruns a Mai 1905 - . 91 Nordamerikaniiches Rohrhuhn (Gallinula galeata Licht.). Aufnahme von A.Radcliffe, Dugmore. Charakterijtijhes Slugbild des dicht über das Wajjer wegjtreichenden Dogels, auf dem Wajjer die a der hängenden Ständer . . - 101 Triel le (Oedicnemus oedicnemus L.). Aufnahmen von Steenhuizen. Alter Dogel vor jeinem Mejt mit zwei Eiern, im Begriff, jid) zum Brüten niederzujegen. Wajjenaar, Holland, IT 00 EOS TIOR Brütender Dogel. Wajjenaar, Hol- land, Mai 1906 . . 109 Eben aus dem Ei geichlüpfter Iung- vogel. Wajjenaar, Holland, Mai 119,0 GE re re EN Kordamerikaniicher Kijchadler (Pandion hahaetus carolinensis Gmel.). Aufnahmen von Burt Jones. Horjte mit alten und jungen Dögeln auf dem Boden am Strand 113.114. 115 Alter Dogel, vom Horjt abjtreichend 119 5 127 Alter Dogel im Anflug zum Horit ı2ı u. 125 Slugjpiele der Sijchadler . BEZ Kiebit (Vanellus vanellus L.). Aufnahmen von R. B. Lodge und Steenhuizen. Alter Dogel am Hejt, im Begriff ji) zum Brüten niederzujegen. sand- voort, Holland, Mai 1904 . . 133 Alter Dogel am lejt: ein jeltenes Ge- lege von fünf Eiern. Wajjenaar, Holland, Mai 1906. . ee a Kiebig. England, September. 1906 nadh 136 Purpurreiher (Ardea purpurea L.). Aufnahmen von Steenhuizen. Rejt im Röhricht mit brütendem Dogel. Naardermeer, Holland, Juni 1905. 145 Tejt im Röhricht mit altem und jungen Dögeln. Naardermeer, Juni 1906 nah 144 Nejt mit Gelege auf einem Weiden- bujh. NWaardermeer, Juni 1905 . 145 Das gleiche Nejt wie S. 145 mit eben ausgejchlüpften Jungen. Naarder- meer Jun 10050 ng Gartenjpötter Su (Hypolaıs philomela L.). Aufnahmen von Paul. Alter Dogel am LHejt mit Jungen. Reit in der Krone eines kleinen Ahorns 2 m über der Erde im Sn ne a a Juni 1907 . NDSEU.EISD Saungrasmücke (Sylvia curruca L.). Aufnahme von Paul. Alter Dogel am Tejt mit Jungen. Nejt in einer Öartenhece 1,5 m über der Erde. Ologau, Mai 1907 157 u. 159 Dornarasmüce (Sylvia sylvia L.). Aufnahme von K. Soffel. Nejt mit Gelege in totem Gejtrüpp des Bejenginjters dicht über dem Boden. Sallingbojtel, Juni 1907. 163 Kordamerikaniiche Waldjchnepfe (Philohela minor Gm.). Nänncen in Balzjtellung Alter Dogel, laufend 17 Mejt mit Gelege. . £ E Slugbilder des aufjtehenden. Dogels i 2 : I 1 . 167 U. 2 Brütender Dogel Bei der Nahrungsjude: „wurmend“ ; Europäiihe Waldjchnepfe (Scolopax rusticola L.). Aufnahmen von H. Maijd. Brütender Dogel, von verjchiedenen Seiten gejehen. Stromberg i.Württem- berg, März — April 1905. . 171 u. 183 Gejamtanjicht des Nijtplages in einem aufgeforjteten Buchenjtangenholz. Die brütende Schnepfe jigt am Suße des jtärkjten Stammes. Stromberg i. Württemberg, April 1905. . . 17 n 588 Sachmöwe/Larus ridibundus L.). Aufnahmen von Bartels und Steenhuizen. Seite Lahmöwen und Rentijche Seejhwalben in gemeinjamer Brutkolonie. Injel Scouven, Holland, Juni 1904 . 187 Jungvögel verlajjen eben das Meit. Terel, Holland, Juni 1905 . . 189 Dögel im Winterkleid im Kieler Bafen. Januar 1907 . . 190 Brütender Dogel. Terxel, Juni 1905 195 Dunenjunge im Mejt. Terel, Juni 1905 203 Sutterfuchende und ruhende Möwen (Lahmöwen und Sturmmöwen) im Kieler Hafen. Sebruar 1908 216.u. 221 Sturmmöwe (Larus canus L.). Aufnahmen von NM. Behr und v. Jan. Sturmmöwen auf den Scilly=Injeln. Juli 1907 ; . 191 Klippe auf der Dogelinfel Annet, Scili- Injeln. Juli 1907 i 213 Nejter mit Belegen. an Smfeln, 2 Iuli NO Zr: 197 Slügger Jungvogel i im Neit auf einer Klippel. Dogelinjel Annet, Scilly- Injeln, Juli 1907 201 Halbwüchjige Jungvögelim Neit. Dogel- injel Annet, ScillysInjeln, Juli 1907 205 Eben aus dem Ei gejchlüpfte Junge im Mejt. Scilly=Injeln, Juli 1907 208 u. 217 Jungvogel im Nejt. Dogelinjel Annet, Scilly-Injeln, Juli 1907 Slugbild. Sylt, Juni 1907 . 209 28 Silbermöwe (Larus argentatus Brünn). Aufnahmen von Bahmann, M. Behr u. Steenhuizen. Brütender Dogel. Wejjenaar, Holland, Juni 1906 . . nad Hejt mit Gelege auf einer Düne, Split, Juni 19072 . . : Alter Dogel beim Neit mit kürzlich ausgejchlüpften Jungen. leur, Holland, Juni 1906 . . Slugbild. Sylt, Juni 1907 . . Srijh ausgejchlüpfte Junge und ein ihon angepicktes Ei. Wajjenaar, Holland, Juni 1906 . 2 Slugbilder — am Strand von Spit s 192 195 199 207 ZA 219 b) Rotrückiger Würger (Lanius collurıo L.). Aufnahme von Paul. Altes Männchen am Iejt mit Jungen. Ölogau, Juni 1907 225 UN 229 Seite Weiher Storch ( Ciconia ciconia L.). Aufnahmen von M. Auerbad, Bethge, du Bois-Reymond, Shumann. Am Storchnejt in Leopolöhafen a. Rh. Mai— Juni 1907 Alter Dogel (jtehend) und vier Junge, eben beim Erwachen, eines gähnend 2354 Ebenjo — die Jungen nod) jchlafend 235 Alter Dogel bringt Sutter i 237 Alter Dogel zur Sutterjuche abfliegend 239 U. 241 Alter Dogel bringt Wajjermoos zum Auskleiden des Mejtbodens 243 Der alte Storch breitet das Wajjermoos auf dem Mejtboden aus, die Jungen macen Plaß . = ven2 Der Alte bejjert den Nejtrand aus 248 Der Alte bricht die Agung aus . . 249 IJungjtördhe: die Lojung wird im Bo- gen über den Hejtrand geiprigt . 2: Jungjtörche: erjte Slugverjuche 2 Alter Storch auf dem Mejt klappernd. Eiche b. Potsdam, Mat 1905 245 Störhe überfliegen eine Diehweide Holzhaujen b. en Juni 1906 255 Slugbilder. Holzhaujen b. Bismarck, Juni 1906 . DER 2IAUU.N 259 Junge Stördhe auf dem ‚Nejt. Links auf einem Nejtajt ein balzendes Sperlingsmännden . nah 240 Girlig (Serinus serinus L.). Aufnahme von Paul. Alter Dogel am Met mit Jungen. Nejt am Stamm einer alten Linde auf kleinen Seitentrieben, 2'/; m über dem Boden. ÖGlogau, Garnijons- friedhof, Juli 1907 . nad 264 Schwarzdrojiel/ Turdus merula L.). Aufnahmen von M. Auerbad, Bethge, Kuhfahl, v. Pfijtermeijter, Steenhuizen. Mejt mit Gelege. en u Mai 1905 . 267 Nejt mit brütendem Dogel in einem Obitjpalier. Münden, April 1906 Nejt mit brütendem Dogel auf einem Marterl. München, April 1906 nad) Brütender Dogel. Karlsruhe, Mai 1907 Im Bade. Kiel, Mai 1907 . Weibchen am Mejt. Karlsruhe, OR Die Schwarzamfel als Bewohnerin der Großjtadt. Nejt mit alten und jungen Dögeln auf einem Senjtergejimje. Dresden, Mai— Juni 1906 Die Shwarzamjel als Bewohnerin der Großjtadt: die Alte hudert die Jungen. Dresden 1906 $ Goldkolibri (Selasphorus rufus Gm.). Mai Aufnahmen von H. T.Bohlman. Im Slug aus einer Blüte Honig jaugend Mejt mit Gelege in einer Brombeer- hede . . Die Mutter fächelt den Jungen mit den Schwingen Kühlung zu . Ausgefiederte Jungvögel, kurz vor dem Derlajjen des Mejtes . Jungvögel (oben), ı8 Tage alt, Mejt; (unten) im Stupfelkleid Alter Dogel fütternd Brütendes Weibchen Rubinkolibri (Trochilus colubris L.). Tejt mit Gelege . im 279 U. 2 . 299 U. 297 300 501 505 Kohlmeije (Parus major L.). Aufnahmen von Bethge und Spengler. Kohlmeije in der Nähe der Sutteritelle. Weißer Hirjd) b. Dresden, November OS Kohlmeije und Blaumeijen auf einer mit Suttertalg bejtrichenen Hecke. Rothehütte a.H., März 1908 Blaumeije (Parus coeruwleus L.). Aufnahmen von Bethge und Spengler. Auf der Sutterhece. a a. 2 Januar 1908 f Ä 313 990 Alter Dogel am Iejt mit Jungen. Nejt ' Am $utterjeil. Seite Porig, März 1906 Singender Dogel. Rothehütte a. H., März 1908. . 317 In der Nähe des Sutterplaßes. Dresden, Dezember 1905 . 319.323 1.1325 Gejleckter a (Muscicapa grisola L.). Aufnahmen von M.Behr, Kearton, R.B. Lodge, R.Paul. Brütender Dogel. Mai 1894 . . . 327 Alter Dogel am Nejt in einem Wein- Ipalier. Ölogau, Juni 1908 nad in einem Johannisbeerjtraudh ı!/, m über der Erde. Glogau, Juni 1906 329 Sliegenjchnäpper mit einem eben er- beuteten Injekt auf einer Pfahljpige. Mmiddlejjer, Auguft . . 351 Nejt mit Gelege in einem Mauerlodı. I 2 @öthen,. Junt-1gos na Kr er Alter Dogel am Tleit . 335 Singdrofjel / Turdus musicus L.). Aufnahmen von MT. Behr, R. B. Lodge, R. Paul, Steenhuizen. Nejt mit Gelege. Nmuiden, Holland, Mai 1906 . . NEE, Beim Süttern der Iungen. Nejt in 2 m Höhe auf einer Fichte. Glogau, Mai 1908 21. 343. 348.4. 349 Jungvögel, nahezu flügge, im Ei: Cöthen, Juni 1906 . . 345 Alter Dogel. London, Juli 1894 : 31 Brütender Dogel. Nmuiden, Mai 1906 nah 352 Kleiber (Sitta europaea L.). Aufnahmen von Bethge, R. Paul, . Sofifel: Kleiber vor jeinem Nijtloh in 5 m höhe auf einer hohlen Linde. Glo- gau, Mai 1908 . 554% U. (Beide Bilder, durch ein Derjehen faljch ge- jtellt, müjjen jo gedreht werden, daß der Dogel nad unten hängt!) Alter Dogel beim Serhämmern einer in die Baumrinde eingeklemmten Muß. Weißer Hirjch b. Dresden, Dezember 1905 . Dor der Schlafhöhle. Unterhondorfi, b. Münden, April 1908 . . 359 Kordamerikanijche Spechtmeije. (Sılta carolinensıs Wus.). Jungvögel Gartenrotihwanz (Ruticilla phoenicurus L.). Aufnahmen von Paul, Spengler. Männden in einem Holunderbujd. Siebeneich, Tirol, Juni 1908 Männchen (links) u. Weibchen (tedits) vor dem Mejteingang an einem Mauerloh. Rothehütte, Juni 1908 Junge Dögel vor dem Tejt in einem Mauerloh. Rothehütte, Juni 1908 Männcen vor jeiner Mlijthöhle. Glo- gau, Juni 1908 . 2 Männchen, bei Regen unter einem Weinjpalier Schuß juchend. Sieben eich, Tirol, Juni 1908 . Männchen mit Sutter vor dem Jugang zu jeiner Mijthöhle in einer Akazie. Ölogau, Juni 1908 . Weibchen am Mejt mit Sungen. Glo- gau, Junt 1907 Bluthänfling (Acanthis cannabına L.). Aufnahme von R. Paul. Alter Dogel am Nejt mit Jungen. Ölogau, Mai 1906 . e . Ice Bausiperling (Passer domesticus L.). Aufnahmen von Bethge, Rohilbert, R. B. Lodge Hausjpaß trägt Nijtjtoffe in den Star- kajten. Rathenow, Mai 1907 . . Sutterjuchende Hausjperlinge (rechts Weibchen, links Männchen). a März 1906 Spaßenpätchen vor jeinem Neit im Starkajten. Rathenow, Mai 1907 Ein alter Spagenhahn. Miödlejjer, September 1906 . Hausjpag im Bade. Kiel, Mai 1907 eESioteNl?, Seite Sol . 569 U. 57 he Sweraiteihfuf Sei (Colymbus fluratilis Tunst.). Aufnahmen von Steenhuizen. Brütender Dogel. Sandvoort, Holland, Mai 1906 . ERoR Swergiteißfuß auf feinem ihwimmen- den ejt, im Begriff jich zum Brüten niederzujegen. Eier noch bedeckt. Sandvoort, Holland, Mai 1906 . 411 Bohltaube (Columba oenas L.). Aufnahme von Steenhuizen. Junge Hohltauben in ihrem (geöff- neten) Wejt in einem verlajjenen Kanindhenbau. Sandvoort, Holland, Mai 1904 . a Da 415 Turteltaube (Turzur turtur L.). Aufnahmen von M. Behr und Steenhuizen. Junge Turteltauben im Hejt. Cöthen, FUNTH0R. Sn Mejt mit Gelege. Trebbihauer Bud b. Cöthen, Juni 1908 . . 23 Junge Turteltauben, nahezu flügge, im Meit. 3andvoort, an: Juni 1904 . nad) Stein: oder Goldadler (Agudla chrysaetus L.). Aufnahmen von 5. T.Bohlman. Horjt des nordamerikanijchen Gold- adlers auf einer Snkomore. Der 419 Photograph bei der Arbeit. Cali- fornien . . . nad 428 Horjt mit Gelege. "Ende März 1904 #29 Jungvögel im Horit, 40 Tage alt. . 451 Die Photographen bei der Aufnahme der bald flugfähigen u im Horit. Mai 1904 +55 Jungvogel, nahezu ausgefiedert,. 55 Gagezaltsr ee erg Jungvogel in Kampfitellung 441 Junge Goldadler auf dem Borit, 55 Tageralt . . . nad) 456 Kopf des ausgefiederten | jungen Hold- adlers im Alter von 62 Tagen. 447 Junge Goldadler, völlig ausgefiedert, 62 Tage alt, auf einem Ajt des Horjtbaumes, kurz vor dem Aus= fliegen P nah 444 Auiternfiicher (Haematopus ostrllegus L.). Aufnahmen von M. Behr, van der Sleen, Steenhuizen. Slugbilder des Aujternfilchers. Nor: derooge, Juni 1907. . Gelege. Sandpoort, Holland, Mai 1907 Jungvogel im Dunenkleid, jucht ji im Laub zu verbergen (Schutfär- bung). an Holland, Juni 1907 . AI STE Jungvogel im Ubergangskleid, jich drückend im Dünenjand. Werder, Ditjee, Juli 1908 . . ro Brütender Aujternfiicher . nad : Eisvogel (Alcedo ispida L.). Aufnahmen von R. B. Lodge und K. Soffel. Eisvogel auf jeinem Rajtplag am Badrand. Unterjchondorf a. Ammer- jee, Sebruar 1908 Eisvogel auf der Lauer. dorf, Februar 1908. . Eisvogel, Kurz vor dem Abjtreichen vom Rajtplaß. Unterjchondorf, Sebruar 1908. RE ee NT Eisvogel auf jeinem Rajtplag am Bachrand. Middlejer, Juli 1899 . Unterjchon- Amerikanijcher Klaminao (Phoenicopterus ruber L.). Aufnahmen von $. IM. Chapman. Slamingojtadt: brütende und ruhende Dögel, Bahama=Injeln, Juni 1904 Brütende und hudernde Slamingos. Unter dem rechten Slügel des vor- deren Dogel jteckt das Junge den Kopf hervor. u Juni 190% . » RE Brütende und im Stehen ichlafende Slamingos. (Man beadte den Bau der napfförmigen Nejter!) Im vor- deren Mejt ein friich gejchlüpiter Jungvogel, im zweiten ein Ei. Ba- hamasInjeln, Juni 1904 Slamingos in einer Lagune in der Nähe der Tejtkolonie. Bahama- Injeln, Juni 1904 BE a one Slugbilder der Slamingos. Bahama- Injeln, Juni 1904 . ABU. Seite 449 451 465 467 485 9 Alter Dogel am Hejteingang. 992 Seite Sumpfmeije (Parus palustris L.). Aufnahmen von Bethge, R. Paul, KR. Spengler und K. Soffel. Sumpfmeije in der Nähe einer Sutter- itelle. Dresden, Dezember 1905 Sumpfmeije am Sutterbaum. Rothe- hütte, Sebruar 1908 . . Sumpfmeije im Wald am Boden Sutter jucdyend. Utting, März 1908 Sumpfmeije mit Sutter vor ihrem Mejt in einer Linde. Glogau, Mai 1908 . Se Ela 487 488 489 491 Saunkönig (Troglodytes parvulus Koch). Aufnahmen von M. Behr und Steenhuizen. Nejter. Cöthen, Mai 1908, Mai 1908, Trebbichauer Bujd b. Cöthen, Juni 1906 495. 492. Merkwürdiger NMijtplag : Saunkönig in jeinem Kejt in einer alten Gärtner- hoje. Amjterdam, Mai 1906 Diebzig, 499 505 Baubenmeije (Parus crıstalus L.). Aufnahmen von K. Soffel und Spengler. Haubenmeije, am Boden Sutter juchend. Unterjchondorf, März 1908 506 u.5 Junge Haubenmeifen im Mejt in einem Baumjtumpf. Rothehütte, Juni 1908 509 u. 511 Rothehütte, März 1908 515 -] Haubenmeije. Braunkehliger Wiejenichmäßer (Pratincola rubetra L.). Aufnahmen von M. Behr, R. B. Lodge und K. Soffel. Männchen. Rovereto, Augujt 1908 516 U. 517 Weibchen. Rovereto, Augujt 1908 519 Sutter bringendes Männchen. Middlej- jer- Sun 1900 Ken Nejt mit Gelege. Elsdorf, Mai 1908 Mejt an jteiler Böjchung der Landjtraße. Ologau, Juni 1907 nah 516 Seite Eunropäiicher Nachtreiher (Nycticorax nycticorax L.). Aufnahme von R. B. Lodge. Nejt mit Gelege. Spanien, Mai 1897 529 Kordamerikanijcher Kachtreiher (Nrcticorax nycticorax naevius Bodd.). Aufnahmen von £. W. Brownell. Nachtreiherkolonie bei Ilew Is 53 Nejt mit Oelege . s 537 Halbwüchlige Junge im Nejt oo Salt Jungvogel, nahezu flügge, auf dem Horjtbaum herumkletternd 543 Jungvogel, ausgefiedert . 545 Kordamerikaniiche Swergohreule (Megascops asıo L.). Alter Dogel im Sluglocdy der Nijthöhle 549 Jungvogel, eine Woche alt. . 550 Jungvögel, oben: zwei Wochen alt: unten: drei Wochen alt . . Si Belege in der geöffneten Nijthöhle 552 Eben den Eiern entichlüpfte Junge in der geöffneten Mijthöhle . 553 .ı. 995 Alter Dogel, jchlafend . . Alter Dogel am Enapns Be Schlaf- Höhle: Schleiereule (Sitrix flammea L.). Aufnahme von R. B. Lodge. In Ruhejtellung auf dem Schlafplak. Middlejjer, Augujt 1896 5ol und nah 564 Waldohreule (Asıo otus L.). Aufnahmen von M.Behr, R.B. Lodge, Schelenz3, Spengleru. Stefanescu. Junge Dögel in charakterijtijchen Stel- lungen. Kudjir, Ungarn, Juni 1906 ROSE DRSH UNE Alte Waldohreule. Mliddlejjer, Juni NEICH a N a Iungvogel in Schrecitellung und Kampfitellung. Trebbichauer Bujd b. Cöthen, Juni 1908 . . 581 Jungvögel im Horjt. Nejt Samt ii t- ajt zur Ermöglichung der a vom Horjtbaum abgenommen. Karls= ruhe, Juni 1908. h 583 Jungvogel, vor kurzem ausgeflogen. Rothehütte a. Harz, Juni 1907 Titelbild Regilter. Seite 2% criftatus (Tolymbus) Acanthis - 2 2 2.22 020...325. 591 | Criftatus (Parus) Acrocephalus. . . . . 47. 49. 51. 586 (uculus : Alcedo 2.2. 859, 592 | Cutruca (Snlvia). americana (Sulica) EOS Aquila a ao D. arcuatus (umenius) . 20... 23. 587 | domefticus (Pajfer) . Arbeas. > 20.20. 141. 588 Dorngrasmüde argentatus (Zarus) EE .. 186. 589 | Drofjelrohrjänger arundinaceus (Aerocephalus) 51-52. 0982 Ellto =: ß ILL: un 593 €. ajio (Megascops) 1 Er. IE 159,9 ara Sultan) 202 22.081.587 en 5 ateicapila (SHloia). . . . . .. 1154 Et Elujternfiicher.o.. ae. 02 2 a 8 eliropaen (Sitta) % europaeus (Taprimulgus). BIGphuhnan En rs ON £ Blaumeessn er ee ad > Biathanting | Saar Brahrogell . . 2..2.2.0.0.02. 29 | Sühadler . Slamingo € (Strir) . R i ERS PL liegenfänger comnabine eaniie) . . . s25. 391 Aslaiie doinmb) canttiacau(Sterna)a., u. 2. ne laz ae j canuıs (Earus)y ern 2 20 735186.,,589 6 Caprimulgus . . en ee Ku AIR 586 { £ carolinenfis (Pandion) . . . 112. 538 Yaleata (Gallinula) carolinenjis (Sitta).. . . . . 301. 59, Gallinula . hloropus (Gallinula). . . . .sı. 52 Gartenrotihwanz Ahryjastus au) 20.202428. 59, Gartenjpötter. Gicoma a 255g Beh einerea. (Snlota). 2 ua es Goldadler . coeruleus (Parus) . . . . . 310. 590 |, Goldkolibri . colhicus (Phafianus) 7. 586 grlola (Muscicapa) collurio (Lanius) 223. 589 colubris (Trodilus) m 309.590 N. Eolumbarı. 2: » „nur aa. 591. Haemalopus Commbus . . . . » .. .. 24. 406. 586 | haliaetus (Pandion) 594 Haubenmeije Haubenjteißfuß Hhausjperling . . 3 heufcirectentohrfänger Hohltaube . : Bopolasa 2. 2. N "152. : ispida (Alcedo) Kiebiß Kleiber . . Kohlmeije . Kolibri . Kukud . Sahmöwe . Sanius . Tarus Luscinia major (Parus) Megascops merula (Turöus) Möwen . ae a BR Muscicapa . SER ERREGER RE mujicus (Turdus) 3 Nachtigall . Nachtreiher Nadtjichwalbe naevius (Imcticorar) Eee . 533ff. nigricollis (Commbus) . . . .n Humenius . ee 7 Usctteoente a ee 52 ©. Dedicnemus oenas (Columba) ojtrilegus (Baematopus) . otus (Ajto) ER: p. palustris (Parus) Pandora rer Parus . . . . 304. 310. 485. 505 parvulus (Trogloöntes) 459. Seite 505 Pajjer 24 Phajianus . 3853 | Philohela . . . philomela (Enpolais) . 99 413 philomela (Luscinia) 588 Phoenicopterus phoenicurus (Ruticilla) phragmitis Be -.„ , Pratincola . >92 | purpurea (Ardea) Purpurreiher . 132 2. 354 5304 tridibundus (Larus) . 291 Ringfajan 5 49 Rohrhuhn . Rohrjänger ruber (Phoenicopterus) rubetra (Pratincola) 186 Rubinkolibri . 589 rufus (Selasphorus) 589 rujticola a) 586 | Ruticilla 590 =. ir Schilfrohrjänger . 589 Schleiereule 186 Schwarzdrojjel 590 Schwarzhalstauder . . 590 , Seolopar er: .. Seejchwalbe Selasphorus Serinus.. 54 Silbermöwe 527 Singdrojjel |, Sitte. 595 Spectmeije 32 | Staw”. 587 Steinadler . »93 | Sterna . Stord Strir . 3 Sturmmöwe FR Sturmus >91 Sumpfmeije 2 Sumpfrohrjänger >32, | SHlpia 592 T. 588 enger 5 h 590 | :Ekiet 2.2. 592 Trodilus 995 [831 we _ An vo © ro Ba © jo 0) S 186. 5 eo N\SDO RD An O0 Trogloöytes Turdus . Turteltaube Turtur . Uferjchilfjänger 2 Danellus Fe vulgaris (Sturnus) . Seite )3. 592 . 589 K2I . 591 x ——— wm. Waldohreule . : Maldidinepie - a nee Wiejenjchmäßer, braunkehliger Würger, votrüciger Re 3. saungrasmüce . Saunkönig Swergohreule Swergiteißfuß E 7% | ß h £ j \ f ö ‚ - ‘ a5 ‚> ® 4 j x j har gr x er £ & eg FAR, Nas Dr A BEER ER" 3 Ss DLR NT Sc: R N RARIES a = [e)